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Wolkennilpferde

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21.04.2015
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Anmerkungen zum Text

Wie bereits angekündigt, das ist ein älterer Text, ursprünglich "Karla haut ab", habe ihn im Laufe der Jahre und auch jetzt noch einmal bearbeitet, Perspektive gewechselt, usw.
Und ich hatte das Gefühl, er passt ganz gut zur diesjährigen Challenge :)

Wolkennilpferde

Die Wolke über mir sieht jedes Mal anders aus. Erst hat sie mich an ein fluffiges Herz erinnert. Ich mag Herzen. Und Pinguine. Ich hätte gern ein Foto gemacht, aber ich habe kein Handy. Die anderen Mädchen in meiner Klasse haben eins, aber das ist meinen Eltern egal.
Ich sehe wieder nach oben. Die Wolke begleitet mich, jetzt gerade sieht sie aus wie ein Nilpferd. Es schiebt sich mühsam über den Himmel und macht dabei schlurfende Geräusche. Nilpferde sind nämlich ziemlich schwer.
Obwohl ... Wolkennilpferde sind etwas anderes. Sie sind bestimmt viel leichter, können Pirouetten drehen, wie diese Tänzerin in Schwanensee. Ballett tanzende Wolkennilpferde.
Es hupt. Reifen quietschen. Ich springe zur Seite, mein Herz klopft in den Ohren.
„Bist du bescheuert?“
Ich starre den Mann an, der sich aus dem Autofenster lehnt und wild mit dem Arm fuchtelt.
„Mach verdammt noch mal die Augen auf, wenn du über die Straße läufst!“
„Entschuldigung“, rufe ich und renne auf die andere Seite.
Am Ende der Straße stehen Mülltonnen auf dem Gehweg. Unser Hausmeister schiebt sie gerade zurecht. Er winkt mir von weitem zu. Ich mag Herrn Hanser, er hat ein liebes Gesicht mit lauter kleinen Falten um die Augen. Sein Kittel ist offen und flattert beim Gehen. Wie bei einem Superhelden. Vielleicht fliegt er nachts heimlich über die Stadt, fängt böse Verbrecher mit Augenklappen, rettet kleine Hundewelpen oder so. Er ist zwar schon ganz schön alt, aber das könnte ja auch Tarnung sein. Die grauen Haare stehen ihm wild vom Kopf ab. Ob das vom Fliegen kommt? Ich winke zurück und gehe langsam weiter.
Mit jedem Schritt wird mein Rucksack schwerer.

Herr Hanser ist nicht mehr da, als ich auf den kleinen Backsteinweg einbiege, der zu unserem Haus führt. Vorgestern hat er mich hinten im Hof gesehen. Ich saß auf der Schaukel und habe geweint. Erst habe ich ihn gar nicht bemerkt, aber dann stand er plötzlich neben mir. „Was ist denn passiert?“, wollte er wissen. Darauf ist mir einfach keine Antwort eingefallen.
Die Rollos in der Erdgeschosswohnung rechts sind heruntergelassen, wie jeden Tag. Ob die Frau, die dort wohnt, blind ist und ihr Licht deshalb total egal ist? Hoffentlich hat sie keine Pflanzen. Die sterben ohne Sonnenlicht.
Ich gehe rauf zu unserer Wohnung und kann Mamas schrille Stimme schon im ersten Stock hören. Will mir die Ohren zuhalten und wegrennen. Aber ich schließe die Tür auf und gehe hinein.
In der Küche wirft Mama das Telefon auf den Tisch und fängt an, Teller und Gläser aus den Hängeschränken zu räumen. Es klirrt und poltert. Ich gehe langsam auf sie zu. Sie sieht mich nicht an. Hat mich vielleicht nicht gehört.
„Hallo“, sage ich.
Sie streckt mir Butter aus dem Kühlschrank hin. „Hier, deck den Tisch. Dein Vater kommt gleich.“
Dann sitzen wir da und schweigen. Mama sieht nach jedem Bissen auf die Uhr und schüttelt den Kopf. In letzter Zeit hat sie Ringe unter den Augen. Sie ist trotzdem schön. Ich wünsche mir, sie würde mich anschauen, aber als sie es dann tut, wird mir ganz kalt.
Endlich schiebt sich der Schlüssel von außen ins Schloss – Papa! Ich renne in den Flur, will ihn umarmen. Aber Mama schiebt sich dazwischen.
„Wo warst du?“
Ich kämpfe mich an ihr vorbei, strecke die Arme aus.
Papa sieht über mich hinweg. „Ich hab doch gesagt, dass ich mich noch mit den Jungs treffe.“
„Es ist acht.“
„Na und?“
Niemand umarmt mich.
„Du wolltest vor einer Stunde zu Hause sein.“
„Jetzt mach nicht wieder ein Fass auf deswegen!“
Mir wird schlecht. Ich will Mama den Mund zuhalten. Oder Papa. Ganz egal, Hauptsache, sie hören auf.
„Vielleicht müsste ich ja nicht immer ein Fass aufmachen, wenn ich mich auf dich verlassen könnte.“
„Ich war einfach nur mit den Jungs ein Bier trinken. Jedes Mal das gleiche Theater.“
„Dann bleib doch bei deinen scheiß Jungs! Scheint ja ’ne ganz schöne Qual für dich zu sein, nach Hause zu kommen.“
„Kein Wunder, wenn du dich so aufführst.“
Mama reißt den Mund auf und atmet ganz tief ein. Als wäre sie lange unter Wasser gewesen.
„Ich bin dir scheißegal, oder? Warum bist du überhaupt noch hier? Sag schon!“ Mama schubst ihn. „Wegen Karla? Weil sie ihren Papa braucht?“
„Stimmt, weil ich ja unbedingt ein Kind haben wollte!“
Ich balle die Hände zu Fäusten und drücke sie mir auf die Ohren. Mein Bauch tut weh. Als wenn ich zu viel von den grünen Gummifröschen gegessen hätte. Ich renne von einem zum andern, ziehe an ihren Pullovern, hänge mich an ihre Beine.
„Hört auf damit! Hört auf zu schreien!“, schreie ich. Tränen laufen meine Wangen hinunter. Plötzlich packt Papa mich am Arm und beugt sich zu mir.
„Ruhe jetzt! Führ dich nicht so auf!“
Im Hintergrund steht Mama mit verschränkten Armen und nickt. Die beiden starren auf mich herab.
Vor meinen Augen verschwimmt alles. Mein Kopf wird heiß, ich schwitze, alles dreht sich. Es ist mir egal, ob ich dafür zu alt bin, ich schlage um mich, beiße Papa in den Arm und trete nach Mama.
„Ab in dein Zimmer!“ Er schiebt mich in mein Zimmer. „Du tickst doch nicht ganz richtig! Wie die Mutter, so die Tochter“, ruft er über die Schulter nach hinten.
Sein Griff wird härter. Ich brülle, schmeiße mich hin und her. Er geht in die Hocke und zieht mich zu sich. Sein Atem riecht nach Rauch und Bier. Früher hat er immer nach Minze gerochen.
„Hör zu!“
Ich beiße die Zähne zusammen und nicke.
„Du setzt dich jetzt hin, nimmst ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben machst!“
Er dreht sich um und knallt die Tür zu.

Ich sitze auf dem Teppich und starre auf das leere Blatt.
Plötzlich ein lauter Knall. Der Stift rutscht mir aus der Hand und kullert unter das Bett.
„Du bist genau wie dein Vater!“
Ich kenne meinen Opa nicht, also weiß ich auch nicht, ob Mama recht hat. Papa lacht. Aber er ist nicht fröhlich. Ich kenne Papas Lachen, wenn er fröhlich ist. Auch wenn ich es schon lange nicht mehr gehört habe.
In einem echt heißen Sommer war das, das weiß ich noch. Sogar in den Nachrichten haben sie darüber gesprochen, dass man nicht zu lange in der Sonne bleiben soll. Wir sind damals mit dem Fahrrad zum See gefahren. Papa hat eine Luftmatratze dabeigehabt, die aussah wie eine große Brezel, und Mama hat sich Eis auf das schöne Kleid gekleckert, das sie damals so gerne anhatte. Das bunt gestreifte. Sie hat gekichert, mir einen Klecks Eiscreme auf die Nase geschmiert und mich auf die Stirn geküsst.
Papa hat damals die Riesenbrezel im Arm gehalten und gelacht. Es hat ganz leicht geklungen, obwohl er so eine tiefe Stimme hat. In seinen Augenwinkeln waren viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Akkordeon-Gesicht lustige Musik macht, wenn er lacht. Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt.
„Na dann komme ich doch am besten gar nicht mehr nach Hause.“
Ich höre Schritte.
„Nein! Bleib hier! Ich habe das nicht so –“ Noch mehr Schritte. Dann öffnet sich die Wohnungstür und fällt ins Schloss.

Ich stehe auf, lege die Hand auf die Türklinke und lausche. Will zu Mama gehen, ihr über die Haare streichen. Ein Taschentuch holen und damit die Tränen abtupfen. Plötzlich schreit sie auf und schlägt irgendetwas gegen die Tür. Ich stehe zwischen den Büchern, dem Schreibtisch und dem Bett, auf dem meine Kuscheltiere sitzen, und weiß nicht wohin.
Mama sagt immer, dass man mit zehn nicht mehr mit Kuscheltieren spielen soll. Sondern sich mit Freunden treffen. Das ist aber echt nicht einfach. Die Mädchen in der Schule sind so laut. Ich traue mich nicht zu ihnen. Ihre Geschichten sind toll, die Ausflüge, die sie am Wochenende mit ihren Familien machen. Aber ich habe nichts zu erzählen. Mama und Papa gehen manchmal noch mit mir in den Stadtpark. In letzter Zeit gehe ich aber eher allein. Also, nicht ganz – Herr Flauschi begleitet mich. Jetzt im Sommer ist es zwar viel zu heiß für Eisbären, aber er freut sich, wenn er das Bett mal verlassen darf.
Wenn keiner hinsieht, erzähle ich ihm von meinem Schultag. Nach den Ferien ist es immer am schlimmsten. Camilla ist dann noch fieser zu mir als sonst. Wie sie mit neuen Klamotten prahlt oder Palmen im Urlaub oder ihrem Handy. Sie wirft sich immer ihre braunen Locken über die Schulter und fragt mich: „Und du, was hast du in den Ferien gemacht?“ Dabei weiß sie es ganz genau.
Am liebsten sind Flauschi und ich in der Bücherei. Es ist so still dort, keiner, der da drinnen herumläuft, macht Geräusche. Nur die Bücher, die flüstern. Am liebsten bin ich bei den Krimis. Die Frau, die sich auskennt, hat mir eine Ecke gezeigt, in der Krimis für Kinder stehen. Ich schleiche mich trotzdem oft zu den Büchern für Erwachsene. Die Luft zwischen den Regalen ist hier anders. Das Flüstern ist hektisch, als würde jemand die Buchstaben verfolgen. Ich kriege immer Herzklopfen, streiche über die Bücher, hole eins raus und lese es heimlich auf dem Sofa, das versteckt zwischen den Regalen steht. Danach erzähle ich Flauschi die Geschichte und er hört zu.

Im Flur klimpert ein Kleiderbügel an der Garderobenstange. Ich gehe einen Schritt auf die Tür zu und lege mein Ohr ans Holz. Es raschelt. Klingt wie früher an Weihnachten, abends, wenn Mama und Papa die Geschenke unter den Baum gelegt haben.
Ich höre die Haustür. Dann ist es still. Ich kneife kurz die Augen zusammen, reiße sie wieder auf und sehe mich im Zimmer um. Sie ist einfach gegangen.
Die Liste! Ich hebe das Blatt Papier auf, setze mich an den Schreibtisch und fange an zu schreiben.
„Dinge, die an mir schlecht sind: …“
Ich beiße auf den Kugelschreiber und starre an die Wand. Sie werden lauter, die fiesen Worte. Ich höre Mamas Stimme, Papas, Camillas. Es wird mir zu laut im Kopf und ich schreibe weiter.
„Ich bin
- nervig
- seltsam
- hässlich
- faul …“
Was hat Mama gestern erst gesagt? Ach ja:
„- undankbar.“
Ich betrachte mein Werk. Mir fällt bestimmt noch mehr ein. Wenn Mama und Papa nachher wiederkommen, sollen sie sehen, dass ich mir wirklich Mühe gegeben habe.

Der Hausschlüssel dreht sich im Schloss und die Wohnungstür geht auf. Ich halte die Luft an, lausche den Schritten. Meine Hand zittert, als ich die Türklinke nach unten drücke und in den Flur schaue. Die Liste wellt sich, weil meine Finger so schwitzen.
„Komm schon“, sage ich zu mir selbst.
Ich laufe ins Wohnzimmer und sehe Mama auf dem Sofa sitzen. Sie starrt in den Fernseher, aber der ist aus. Ich wedle mit dem Blatt Papier. „Ich bin fertig, Mama.“
Mama fuchtelt mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, so wie sie Fliegen verscheucht. „Ich hab jetzt keinen Nerv für sowas.“
„Aber ihr habt doch gesagt –“
„Karla! Mein Gott! Geh in dein Zimmer!“
Mein Gesicht wird heiß. Ich stampfe mit dem Fuß auf. Halte Mama den Zettel hin. „Ich hab mir solche Mühe gegeben. Jetzt schau doch!“
Mama greift nach dem Blatt, zerknüllt es und wirft es in die Ecke. „Du machst mich fertig. Siehst du nicht, dass ich meine Ruhe brauche? Reicht’s nicht, dass Papa gegangen ist? Ab mit dir!“
Ich schaue in die Zimmerecke auf das zerknüllte Papier. Die Liste sollte doch alles wieder gut machen. Ich hebe das Blatt auf und streiche es glatt. Hole tief Luft.
„Dinge, die an mir schlecht sind: Erstens …“
Mama springt auf, packt mich und zieht mich hinter sich her. „Du tickst doch nicht richtig!“ Ich will mich losreißen, aber meine Hand steckt fest.
„Ich will nicht in mein Zimmer, ich will dir doch –“
„Karla!“ Sie bückt sich zu mir runter, ihre Augen sind groß und dunkel. „Es reicht jetzt! Nimm dir ’n Buch oder was weiß ich. Aber lass mich in Ruhe!“

Ich öffne den Kleiderschrank. Da unten liegt er, mein Koffer. Er hat Rollen und ist mit Palmen und Seesternen verziert. Ein Geschenk von Mama und Papa. An meinem siebten Geburtstag hat er auf meinem Bett gelegen mit einer knallroten Schleife drum herum.
Er ist ziemlich klein, aber meine Lieblingshose, ein paar T-Shirts und Flauschi passen schon rein. Wenn ich alles ganz ordentlich zusammenfalte, sogar noch meine blauen Turnschuhe. Die mit den weißen Punkten drauf.
Ich weiß noch, wie stolz ich den Koffer damals hinter mir hergezogen habe und wie Papas Gesicht lustige Musik gemacht hat, als wir ins Auto gestiegen und zum Meer gefahren sind.
Ich drehe mich um, gehe zurück zum Tisch und reiße ein Blatt vom Block ab. Auf dem Bett beobachten Herr Flauschi und die anderen Tiere mich mit fragendem Blick. Ich lege mich dazu und erkläre ihnen die ganze Angelegenheit.
Dass ich mich erst mal in der Bücherei verstecken werde. Unter dem Sofa, da kann mich die Frau nicht sehen, wenn sie abends durch die Gänge läuft und die Leute rausschickt, weil sie zumachen will. Wenn sie weg ist, komme ich wieder raus und mache es mir gemütlich.
Ich stehe auf, setze mich an den Schreibtisch, nehme Bleistift und Papier und schreibe:
Packliste von Karla Willmer.
Darunter die ersten beiden Dinge, die ich unbedingt mitnehmen muss auf meine Reise.
Briefpapier und Briefmarken!
Schließlich muss ich mich von unterwegs regelmäßig melden, um Mama und Papa zu sagen, dass es mir gut geht.

 

Hi, @RinaWu ,
Wie schön, die erste Challenge Geschichte!

Dann mal los:

Ihnen ist ziemlich viel egal. Vor allem, wenn es mit mir zu tun hat.
Ich finde, der zweite Satz ist gar nicht mehr nötig. Dass sie das Gefühl hat, den Eltern egal zu sein, kommt auch schon so rüber.

Hier sind einfach zu viele Menschen ... wo Camilla wohnt, ist es viel ruhiger
Vielleicht würde da ein „viel“ reichen?

Treppensteigen so langweilig.
Hier fehlt doch ein Wort. :susp:

Unser Hausmeister schiebt sie gerade zurecht
Herr Hanser ist nirgendwo zu sehen, als ich auf den kleinen Backsteinweg einbiege
Ja was denn jetzt? Ist der Hausmeister jetzt da oder nicht? :confused:

aber meine Eltern waren bei Freunden eingeladen und hatten keine Zeit.
Die Eltern kamen mir jetzt gar nicht so besonders gesellig vor, dass man sie einladen würde. Und ich finde es auch schwer vorzustellen, dass beide die gleichen Freunde haben, mit den Kumpels zum Biertrinken scheint sich Mama ja jedenfalls nicht so gut zu verstehen ...

Ich wünsche mir, sie würde mich ansehen, aber wenn sie es dann tut, erschrecke ich mich.
Durch das „ich wünsche mir“ kommt mir das ein bisschen tellig und zu distanziert vor. Karla denkt diese Worte doch bestimmt nicht. Eher denkt sie direkt Mama soll mich ansehen ...

Mir wird schlecht. Ich will Mama den Mund zuhalten. Oder Papa. Ganz egal, Hauptsache, sie hören auf.
Hm, denkt eine Zehnjährige das wirklich so?

Mein Bauch tut weh. Es fühlt sich an, als wenn ich zu viel von den grünen Gummifröschen gegessen hätte, die vertrage ich nicht.
Hier fände ich es irgendwie stärker, wenn du das „es fühlt sich an“ auch wieder vermeiden könntest. :)

Da ist sie wieder, die Mauer, ich kann zusehen, wie sie vor mir wächst. Und Mama und Papa sind zwei kalte große Steine.
Das ist mir auch zu tellig. Also ich hab mit zehn zumindest nicht in so symbolischen Bildern gedacht ...

Ich fange an zu schwitzen
Ich finde diese Formulierung jedes Mal unlogisch beim Lesen. Man bemekrt doch nicht einfach so ganz plötzlich, dass man anfängt zu schwitzen. Wenn, dann bemerkt man doch, dass man überhaupt schwitzt, aber dann hat das schwitzen schon vorher angefangen, und man bemerkt nicht, dass man damit anfängt, denke ich. Ich würde es also immer lieber einfach bei „ich schwitze“ belassen. Aber wie du willst.

Er schiebt mich vor sich her aus der Küche.
Aber die drei waren doch gar nicht mehr in der Küche, sondern im Flur. Und wenn sie noch im Flur waren und du den Satz ändern willst, dann hätte das auch noch eine Auswirkung auf den Satz hier:
Er schiebt mich ins Kinderzimmer und knallt die Tür zu.
Denn wenn du aus „aus der Küche“ ein „aus dem Flur“ machen würdest, dann würde der Papa die Karla ja automatisch schon in einen anderen Raum als den Flur, also vermutlich ihr Zimmer gezogen haben.

viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon.
Mag ich. :herz:

Es muss sein.
Das könnte meiner Meinung nach noch weg.

Ob die Karla nun wirklich abhaut, das möchte ich ja fast auch noch gerne wissen, und ob ihre Eltern sich dann doch mal Sorgen um sie machen ... So hab ich es auf jeden Fall auch gerne gelesen. :shy:

Liebe Grüße,
Anna

 

Hallo @annami,

vielen Dank für deine hilfreichen Anmerkungen und dein waches Auge, habe den Großteil übernommen.

Ja was denn jetzt? Ist der Hausmeister jetzt da oder nicht?
Das war noch ein bisschen unsauber, stimmt. In der ersten Szene läuft sie ja noch auf dem Gehsteig auf das Haus zu und sieht, wie der Hausmeister die Tonnen rausstellt. In der Szene drauf ist sie näher gekommen und biegt in den Weg direkt zum Haus ein. Ich habe nun aber "Herr Hanser ist nicht mehr da" draus gemacht, dann ist es von der Abfolge her hoffentlich klarer.

Die Eltern kamen mir jetzt gar nicht so besonders gesellig vor, dass man sie einladen würde. Und ich finde es auch schwer vorzustellen, dass beide die gleichen Freunde haben, mit den Kumpels zum Biertrinken scheint sich Mama ja jedenfalls nicht so gut zu verstehen
Hmm, nur weil ihre Eltern ihr gegenüber gleichgültig sind, heißt das ja nicht, dass sie nicht gesellig sind. Es gibt ja oft Familien, die nach außen hin intakt wirken, Freunde oder Bekannte gar nicht ahnen, dass hinter verschlossenen Türen was ganz anderes los ist. Und ich würde auch nicht sagen, die Mutter mag seine Freunde nicht, sondern viel mehr, dass er eben nicht Wort hält. Die Freunde sind da nur der Aufhänger, die Wut gilt ja aber direkt ihm.

Das ist mir auch zu tellig. Also ich hab mit zehn zumindest nicht in so symbolischen Bildern gedacht ...
Ja, verstehe ich, habe ich rausgenommen. Da ist es wieder mit mir durchgegangen. Das davor mit dem Mund zuhalten finde ich aber okay, das machen Kinder ja tatsächlich auch schon früher, wenn sie noch gar nicht differenziert denken, wenn die Mama oder der Papa zu laut wird oder irgendwas macht, was ihnen nicht passt, versuchen sie, ihnen den Mund zuzuhalten.

Ich finde diese Formulierung jedes Mal unlogisch beim Lesen. Man bemekrt doch nicht einfach so ganz plötzlich, dass man anfängt zu schwitzen. Wenn, dann bemerkt man doch, dass man überhaupt schwitzt, aber dann hat das schwitzen schon vorher angefangen, und man bemerkt nicht, dass man damit anfängt, denke ich. Ich würde es also immer lieber einfach bei „ich schwitze“ belassen. Aber wie du willst.
Gekauft!

Die Abfolge später mit Küche und Flur und Zimmer habe ich auch geändert, da war ein Abfolgefehler, danke für's Aufpassen!

Danke dir, das hat sehr geholfen!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo RinaWu,

ich muss dir leider gestehen, dass ich mit der Geschichte nicht warm geworden bin. Das hat den Grund, dass ich dir als Autorin die Karla mit ihrer Erzählstimme nicht abnehme. Sehr spät erst rückst du damit raus, dass sie 10 ist und ich habe mich davor immer wieder gefragt, wie alt die Person wohl sein sollte.

Einerseits kennt sie Schwanensee, andererseits wirkt vieles von ihr so, als wäre sie 5 oder 6.
So Gedanken wie: Unser Haus kann ich auch nicht ausstehen. Dieser graue Kasten mit dem dunklen Treppenhaus. Die Fenster sind viel zu klein, nirgendwo ist genug Licht.
So denkt meines Erachtens kein Kind.

Da ich da überhaupt nicht rein kam, konnte ich auch nicht mit Karla leiden, als die Eltern richtig fies wurden. Das ist auch sauschwer, sich in ein Kind zu versetzen und die richtigen Worte zu finden. Ich kann dir leider auch nicht wirklich viel helfen, wie du es in meinen Augen besser machen könntest.
Ein Anfang wäre sicher, dich als Autorin mehr rauszunehmen mit dem Schwanensee, dem grauen Kasten, so großen Vergleichen wie:
Papa hat damals die Riesenbrezel im Arm gehalten und gelacht. Es hat ganz leicht geklungen, obwohl er so eine tiefe Stimme hat. In seinen Augenwinkeln waren viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Gesicht lustige Musik macht, wenn er glücklich ist.
Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt. Dieses Lachen draußen im Flur klingt nicht nach Papa. Eher wie eine Blechdose, die auf den Boden fällt.

Das ist mir zu gewollt, zu konstruiert. Ich würde gerne mehr Karla sehen, wie sie Fingernägel kaut oder manchmal in die Hose macht, sich die Mama schönredet, ich sähe sie gerne verletzlicher und weniger analytisch durch Straßen und Wohnung laufen.

Das als erster Leseeindruck.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo @RinaWu,

deine Geschichte hat mir richtig weh getan!
Man spürt Schritt für Schritt, wie schlecht es dem Kind zu Hause geht, um dann diese Streitszene aus der Kindersicht zu erfahren. Ich finde das wahnsinnig realistisch - leider kenne ich das aus eigener Erfahrung.
Am schlimmsten war die Liste des Mädchens. Die Selbstvorwürfe, die durch dieses ganze Elend entstehen. Du hast das grandios erzählt!
Das Ende fällt für mich dagegen ein wenig ab. Meines Erachtens hättest du das gar nicht so ausdehnen müssen.
Ich kann @bernadette bei einigen Formulieren folgen. Trotzdem denke ich, dass dieses Mädchen einerseits - durch die Verhältnisse zu Hause? - wirklich noch viel jünger ist und andererseits - durch ihr häufiges Alleinsein, das Lesen, etc - auch schon in manchem älter als Gleichaltrige ist. Daher passt das für mich schon. So ein kleines, kluges Mädchen, zurückhaltend, etwas seltsam, mit komischen Formulierungen. Das natürliche Opfer der anderen.

Ich habe die Geschichte nicht gern gelesen. Das lag aber nur daran, dass sie mir so weh getan hat. Richtig gute Geschichten tun aber weh.

Vielen Dank und Gruß Daeron

 

Liebe @RinaWu,

Ich mag sehr viel, sehr gern an dem Text. Da stecken viele schöne Ideen drin und der ist fies. Bis zum Ende hin zieht sich das immer mehr und bitterer zusammen. Das Thema ist fein, die Umsetzung (aus Sicht des Kindes zu schreiben) ne echte Aufgabe. Schon deshalb, weil sich wohl kaum jmd. erinnert, wie er selbst so als 10jähriger gedacht hat. Deshalb schon mal Hut ab, sich dieser angenommen zu haben, egal, wie sich das jetzt hier ausgeht. Ich war bei dem Alter des Kindes auch unentschieden, mal wirkte sie wie zehn, mal jünger, mal älter auf mich. Aber alles hübsch der Reihe nach:

Die Wolke über mir sieht jedes Mal anders aus, (wenn ich zu ihr hochschaue.)
Logisch, sonst sieht sie sie ja nicht.

Ich mag Herzen. Herzen und Pinguine.
:herz:

Ich wollte ein Foto machen, aber ich habe kein Handy. Die anderen Mädchen in meiner Klasse haben alle eins, aber das ist meinen Eltern egal. (Ihnen ist ziemlich viel egal.)
Das ist schon sehr erwachsen gedacht. Und auch ein wertender Eingriff durch den Erzähler. Und v.a., braucht der Text nicht, schwächt ihn.

Ich sehe wieder nach oben. Kommt mir vor, als würde die Wolke mich begleiten. (Vielleicht weiß sie, dass ich nicht so gerne nach Hause gehe.) Jetzt gerade sieht sie aus wie ein Nilpferd.
Die Wolke begleitet mich. - Kommt mir so vor als ob - Kinder eher ja oder nein, entweder tut das die Wolke oder eben nicht. Und das sie nicht gern nach Hause geht, zeigen, nicht behaupten ;). Aber das kommt schon noch raus im weiteren Text.

Ich stelle mir vor, wie es sich mühsam über den Himmel schiebt und dabei schlurfende Geräusche macht. Nilpferde sind nämlich ganz schön schwer, habe ich gelesen. In diesem Buch über Tiere aus der Bücherei.
Ich stelle mir vor, wie es sich mühsam über den Himmel schiebt und dabei schlurfende Geräusche macht.
Super!
Nilpferde sind nämlich ganz schön schwer, habe ich gelesen. In diesem Buch über Tiere aus der Bücherei.
Das ist eher fünf/sechs. Und eigentlich wissen wir Leser ja, das Nilpferde schwer sind. Du brauchst das für den Übergang, von daher:
Ich stelle mir vor, wie es sich mühsam über den Himmel schiebt und dabei schlurfende Geräusche macht. Wahrscheinlich sind Wolkennilpferde aber ganz leicht und können Pirouetten drehen, wie diese wahnsinnig tolle Tänzerin in Schwanensee. Ballett tanzende Wolkennilpferde.
Ich liebe die Wolkennilpferde!

„Entschuldigung“, rufe ich und renne auf die andere Seite. Auf dem Gehweg stoße ich mit einer dicken Frau zusammen, mein Gesicht knallt auf ihren großen Bauch.
10? Schätze, da landet sie schon eher am Busen. Oder ist sie so klein? Aber da der Leser hier noch nichts vom Alter weiß, wird sie erst mal wieder als jünger im Kopf verankert.

Hier sind einfach zu viele Menschen. Das nervt.
Klingt mir erwachsener. Vielleicht sollte sie zwischen Auto und Frau noch mal in den Himmel gucken, dann verstehe ich als Leser auch, warum sie ständig mit den Leuten zusammenknallt, weil sie eben total verträumt ist. Und dann erfasse ich den Zusammenhang auch, ohne, dass sie es explizit erzählt.

Am Stadtrand, wo Camilla wohnt, ist es ruhiger. Sie gibt dauernd an mit dem Haus und dem großen Garten, in dem sie mit ihrem Hund spielt und im Sommer in der Sonne liegt. Jedes Mädchen in unserer Klasse will mit ihr befreundet sein. Ich kann sie nicht ausstehen.
Braucht es nicht.

Unser Haus kann ich auch nicht ausstehen. Dieser graue Kasten mit dem dunklen Treppenhaus. Die Fenster sind viel zu klein, nirgendwo ist genug Licht. Vor allem nicht in unserer Wohnung. Aber immerhin wohnen wir nicht ganz oben, sonst müsste ich jeden Tag hoch in den vierten Stock. Treppensteigen ist so langweilig. Ein Seil wäre viel cooler. Festhalten, Knopf drücken für das Stockwerk und los. Das wäre wie fliegen.
Das auch nicht. Ich glaube auch nicht, dass Kinder ihr zu Hause so empfinden. Nicht mal, wenn es so ist. Ich jedenfalls, habe die Marzahner Wohnung meiner Eltern nie so empfunden. Noch nicht mal, wenn ich nach den Ferien vom Bauernhof meiner Großeltern zurück kam.

Am Ende der Straße stehen Mülltonnen auf dem Gehweg. Unser Hausmeister schiebt sie gerade zurecht, damit man noch an ihnen vorbeikommt.
Erklärend - nein, nein. Sie beobachtet und fertig. Jedes Mal, wenn sie erklärt oder wertet, machst Du es Dir als Autor selbst schwer. Das ein Kind etwas sieht/hört/riecht da bist Du auf der sicheren Seite, wenn Du aber Kinder werten oder erklären lässt, ist das mit dem Alter so eine Sache. Was geht da? Was nicht? Große Fallhöhe gleich.

Er winkt mir von weitem zu. Ich mag Herrn Hanser, er hat ein liebes Gesicht mit lauter kleinen Falten um die Augen. Die kommen vom Lachen. Sein Kittel ist offen und flattert beim Gehen. Wie bei einem Superhelden. Vielleicht fliegt er nachts heimlich über die Stadt, fängt böse Verbrecher mit Augenklappen, rettet kleine Hundewelpen, oder so.
Auch eher sechs, sieben ... Mit zehn liest man schon andere Bücher und deine Maus ja eh ;).

So, ich glaube, das reicht an Beispielen zur Alterszeichnung. Ich höre hier mal auf, wird ja auch immer später. Und vielleicht siehst Du das ja eh anders. Ich zeige es nur noch an Stellen, die ich eh zitieren würde.

Ich gehe rauf zu unserer Wohnung und kann Mamas Stimme schon im ersten Stock hören. Sie kriecht unter der Tür hindurch ins Treppenhaus.
nice!

Endlich schiebt sich der Schlüssel von außen ins Schloss –Papa! Ich renne in den Flur, will ihn umarmen. Bloß nicht mehr dieses Schweigen, das mir in den Ohren weh tut. Aber Mama schiebt sich dazwischen.
Autsch!

Mama reißt den Mund auf und atmet ganz tief ein. Als wäre sie lange unter Wasser gewesen und würde jetzt nach Luft schnappen.
Auch schön.

„Ich bin dir scheißegal, oder? Warum bist du überhaupt noch hier? Sag schon!“ Mama schubst ihn. „Wegen Karla? Weil sie ihren Papa braucht?“ Sie sagt Papa ganz komisch. So, als wäre das ein blödes Wort.
„Stimmt, weil ich ja unbedingt ein Kind haben wollte!“
Brutal! Das ist echt harte Kost. Lass das Kind ruhig einfach da stehen und zuhören. Die muss gar nichts machen, denken ... es einfach nur hören, der Leser erledigt den Rest allein. Der steht ja mit Karla zusammen da.

Es ist mir egal, ob ich dafür zu alt bin, ich schlage um mich, beiße Papa in den Arm und trete nach Mama. Wieso machen sie das immer wieder?
Dies Reaktion finde ich Klasse! Ja, sie ist zu alt dafür, aber es zeigt auch so schön ihre Ohnmacht, ihre Wut, dass ihr die Mittel fehlen, sich in dieser Situation zurechtzufinden, sich einen Platz zu verschaffen.

„Ab in dein Zimmer!“ Er schiebt mich in mein Zimmer. „Du tickst doch nicht ganz richtig! Wie die Mutter, so die Tochter“, ruft er über die Schulter nach hinten. Ich hole tief Luft. Doch er redet einfach weiter. „Ich will nichts hören!“
Und es wird immer fieser. Das ist - boah.

„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“
Er dreht sich um und knallt die Tür zu.
Ich hasse die Eltern.

Ich mach morgen weiter. Bin einfach zu müde jetzt und vertippe mich auch ständig.

Gute Nacht! Fliege

 

Hallo RinaWu,

man sollte manchen Paaren verbieten, Kinder zu bekommen, solange sie selbst noch in den Kinderschuhen stecken und selbst noch so unfertig sind.
Oder man sollte allen, die vorhaben, Kinder auf die Welt zu bringen, einer Art Prüfung unterziehen, nämlich, ob sie überhaupt in der Lage sein werden, ein Kind kindgerecht aufwachsen zu lassen.
Du beschreibst in deiner Geschichte sehr eindringlich, wie schnell so ein Kind an den Rand des Familienverbandes gedrückt werden kann.
Und du hast dabei noch nicht einmal übertrieben, der Streit, den die Eltern haben, hat so etwas grausam Alltägliches, deswegen grausam, weil da so verdammt wenig dahinter steckt, aber seine Auswirkungen für die Tochter fatal sind.

Du stellst auf geschickte Weise dar, wie einsam Karla ist und wie sehr sie um die Gunst ihrer Eltern buhlt und als Leserin rechne ich bereits im Kopf hoch, was Karla später einmal, wenn sie selbst in dem Alter ist, einen Partner zu suchen, wohl tun wird.
Welche Macken, welche Probleme wird sie in eine Beziehung tragen, wissen wir doch, dass wir ungewollt meist unseren Eltern ähnlicher sind als wir es uns jemals gewünscht haben.

Das ist der Nachhall, der in deiner Geschichte steckt: Karla leidet jetzt an der Selbstbezogenheit ihrer Eltern und sie wird auch später noch an dieser Hypothek abzubezahlen haben.
Was ihre Eltern jetzt anrichten, hält ein ganzes Leben lang bei dem Kind vor.

Man könnte sich jetzt rauswinden und sagen:" Ist ja alles Fiktion, diese Karla gibt es in Wirklichkeit nicht, dies hier ist eine Story."

Wenn man diese Geschichte liest, könnte man sie auf diese Weise abhaken. Ich glaube jedoch, das könnte nur jemand, der glaubt, das es solche Fälle nicht oder nur verschwindend gering gibt.
Ich gehöre zu der Gruppe, die weiß, wie verdammt oft Kinder auf diese Weise weggeschoben und missachtet werden, wie oft sie aus ihrem Kinddasein herausgerissen werden und für lange Momente denken und handeln müssen wir kleine Erwachsene, weil ihre Eltern sich benehmen wie die dümmsten Kinder. Das kommt leider viel zu oft in der Realtität vor.

Zwei Szenen haben mich besonders beeindruckt:

Dieser Moment als die Eltern sich plötzlich in all ihrer Wut aufeinander einig sind, dass Karla sie nervt und sie sie gemeinsam beiseite und wegschieben.Perfide.

Und das Schreiben der Liste. Indirekt zeigt es auf, dass Karla überzeugt ist, etwas dafür tun zu können, dass ihre Eltern sich nicht mehr streiten. Ich habe es so verstanden, dass sie glaubt, wenn sie diese Liste schreibt, einigt sie die Eltern. Sie betreibt in diesem Moment so etwas wie Selbstkannibalismus.

Aus beruflicher Erfahrung weiß ich, dass sehr viele Kinder (vielleicht sogar jedes Kind) denken, sie seien Schuld, wenn sich ihre Eltern trennen. Woher sie diese Erkenntnis nehmen und warum das so ist, vermag ich nicht zu sagen.
Immer wenn sich Eltern scheiden ließen und sie jüngere Kinder hatten, habe ich auf diesen Umstand hingewiesen, in der Hoffnung, dass es beide Elternteile schaffen, dem Kind diese völlige Fehleinschätzung seiner angeblich verursachenden Beteiligung auszureden.

Du setzt in deiner Geschichte geradezu noch eins drauf und lässt die Mutter das bereits bei Karla vorhandene Gefühl durch direkte Vorwürfe stärker werden.

Ich wünschte, es müsste solche aufrüttelnden Geschichten nicht (mehr) geben. Gut gemacht, RinaWu!

Lieben Gruß
lakita

 

Guten Morgen ihr Lieben,
vielen Dank für eure tollen Anmerkungen, hab mich sehr gefreut. Aber der Reihe nach ...

Hallo @bernadette,
dass du mit dem Text nicht warm geworden bist, ist natürlich schade, aber so ist es eben manchmal und das ist auch okay so. Ich kann dazu gerade auch gar nicht so viel zu meiner Verteidigung sagen ;)
Karla ist für mich ein Mädchen, das aufgrund ihrer Familiensituation eben beides vereint, das kindliche Träumen, sich-weg-Träumen, aber auch das Reife, das sie aufgrund ihrer Einsamkeit entwickelt hat, sich selbst Beschäftigungen suchen, viel lesen, usw. Daher dachte ich, das sollte sich auch in der Sprache wieder finden. Einmal, indem sie eben viel in Bildern denkt oder sich Dinge ausmalt, die noch kindlich sind, andererseits, indem sie doch sehr genau merkt, wann bestimmte Situationen ernst werden und das auch so artikuliert.
Schwer zu erklären, ich habe selbst keine Kinder, ich bekomme die Kleinen immer nur bei Freunden mit. Und ich finde es schon erstaunlich, wie gewitzt und schlau sie in relativ jungem Alter oft sind, wie schnell sie dann aber in bestimmten Situationen auch wieder ins sehr Kindliche verfallen. Das nur zur Erklärung, warum ich den Text so geschrieben habe, wie er da steht.
Die Geschichte ist einer Freundin von mir passiert, als sie Kind war, und ich habe versucht, ihre Erzählungen und wie sie damals damit umgegangen ist, irgendwie einzufangen. Dass ich da nicht durchgehend den richtigen Ton treffe, das kann durchaus sein und das schaue ich mir noch mal Stück für Stück an.


Hallo @Daeron,
es freut mich, dass du die Geschichte, bzw. wie sie erzählt ist, als realistisch empfindest - das war mir wichtig. Das Ende schaue ich mir noch mal an, vielleicht kann ich das noch verknappen. Es soll sich schon schleichend zuspitzen, Karla muss ja auch erst an den Punkt kommen, an dem sie nicht mehr weiter weiß und als Konsequenz ihren Koffer packt. Aber wie gesagt, schaue ich mir an!

So ein kleines, kluges Mädchen, zurückhaltend, etwas seltsam, mit komischen Formulierungen.
Schön, ich bin da bei dir, denn so sehe ich Karla auch. Ich weiß, ich muss an manchen Stellen noch schrauben, dann kommt das hoffentlich noch besser rüber, aber ich bin froh zu hören, wie du die Kleine empfindest.
Danke für dein Lob am Schluss, das motiviert :)


Liebe @Fliege,
schön, von dir zu lesen :shy:

Da stecken viele schöne Ideen drin und der ist fies. Bis zum Ende hin zieht sich das immer mehr und bitterer zusammen.
So sollte es sich anfühlen, toll, dass du es so empfindest.
Deine Anmerkungen zähle ich jetzt mal nicht alle auf, weil sie alle helfen, damit ich besser greifen kann, wo ich mich zurücknehmen sollte, wo mehr beobachtet und weniger gewertet werden muss - danke dir, das hilft wirklich immens. Werde den Text dementsprechend noch mal in Ruhe durchgehen. Vor allem das hier nehm ich mir zu Herzen:
Lass das Kind ruhig einfach da stehen und zuhören. Die muss gar nichts machen, denken ... es einfach nur hören, der Leser erledigt den Rest allein. Der steht ja mit Karla zusammen da.
Zu dem Wechsel zwischen dem eher Kindlichen und dann doch wieder Reiferen habe ich ja oben schon was gesagt, dieses Widersprüchliche möchte ich schon im Text behalten, weil ich irgendwie glaube, das ist schon nah an der Realität. Muss es aber vermutlich auch noch besser dosieren ...
Bis später ;)

p.s.:

Ich liebe die Wolkennilpferde!
ich auch :herz:


Hallo @lakita,

Und du hast dabei noch nicht einmal übertrieben, der Streit, den die Eltern haben, hat so etwas grausam Alltägliches, deswegen grausam, weil da so verdammt wenig dahinter steckt, aber seine Auswirkungen für die Tochter fatal sind.
Ja, das bringt es auf den Punkt. Diese Streits müssen nicht komplett ausarten oder besonders dramatisch sein, um das Kind aus der Bahn zu werfen. Was ich eben vor allem zeigen wollte, und das hast du in dem Satz weiter oben ebenfalls genau beim Namen genannt, ist, wie die Kleine an den Rand gedrängt wird. Wie sie nicht mehr an ihre Eltern rankommt. Dort, wo Rückhalt und Nähe herrschen sollten, ist genau das Gegenteil der Fall. Und was das mit einem Kind macht, ist oft sehr schlimm.
und als Leserin rechne ich bereits im Kopf hoch, was Karla später einmal, wenn sie selbst in dem Alter ist, einen Partner zu suchen, wohl tun wird
Vermutlich wird sie ihr Leben lang sehr stark von der Anerkennung anderer abhängen. Oder sie hat Glück und verarbeitet das Ganze anders, gewinnt Stärke daraus. Beide Szenarien sind möglich, denke ich, die erstere ist aber wohl leider ein wenig wahrscheinlicher.
Und das Schreiben der Liste. Indirekt zeigt es auf, dass Karla überzeugt ist, etwas dafür tun zu können, dass ihre Eltern sich nicht mehr streiten. Ich habe es so verstanden, dass sie glaubt, wenn sie diese Liste schreibt, einigt sie die Eltern. Sie betreibt in diesem Moment so etwas wie Selbstkannibalismus.
Ja, so sehe ich die Liste und Karlas Intention auch. Sie denkt, wenn sie sich besondere Mühe gibt und die Aufgabe ernst nimmt, dann macht sie die Situation wieder besser.
Danke für dein Lob und deine Überlegungen und Gedanken zu meinem Text.

Liebe Grüße an euch!
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @RinaWu,

Das ist eine sehr berührende Geschichte, und ich finde, bis auf einige Ausnahmen, die z.T. schon angesprochen wurden, ist dir die Sichtweise von Karla sehr gut gelungen. Ich bin aber auch fast geneigt, sie mir etwas jünger vorzustellen, so, wie du sie darstellst. Wäre das schlimm, wenn sie wenigstens erst neun wäre?

Hier sind einfach zu viele Menschen. Das nervt. Am Stadtrand, wo Camilla wohnt, ist es ruhiger.
Das klingt nach Teenie. Braucht es mMn auch nicht wirklich.
Unser Haus kann ich auch nicht ausstehen. Dieser graue Kasten mit dem dunklen Treppenhaus. Die Fenster sind viel zu klein, nirgendwo ist genug Licht. Vor allem nicht in unserer Wohnung. Aber immerhin wohnen wir nicht ganz oben, sonst müsste ich jeden Tag hoch in den vierten Stock. Treppensteigen ist so langweilig. Ein Seil wäre viel cooler.
Ich denke, jedes Kind mag sein Zuhause, weil es das ja nur so kennt. Selbst wenn es schrottig ist. Und am Anfang scheint Karla ja mehr oder weniger liebevolle Eltern gehabt zu haben, und diese Geborgenheit, auch wenn sie plötzlich nicht mehr da ist, verbindet man auch mit der Wohnung, dem Haus. Und ich fände besser, wenn sie ganz oben wohnen würden, dann würde der Gedanke mit dem Seil (der sehr witzig ist) auch noch mehr Sinn machen. Lass es doch vllt. einfach nur im Treppenhaus dunkel sein?
Sein Kittel ist offen und flattert beim Gehen. Wie bei einem Superhelden.
Gefällt mir sehr!
Die Rollos in der Erdgeschosswohnung rechts sind heruntergelassen, wie jeden Tag. Ob die Frau, die dort wohnt, blind ist und ihr Licht deshalb total egal ist? Hoffentlich hat sie keine Pflanzen.
Das auch, schöne Details hast du immer drin, die man sich gut als Karlas Gedanken vorstellen kann.
Ich wäre ja lieber zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern waren bei Freunden eingeladen und hatten keine Zeit.
Würde hier einfach sagen: … meine Eltern hatten keine Zeit. Ist doch Wurscht, warum.
Sie hat in den letzten Jahren ganz schön viele Falten bekommen.
Würde ein Kind in dem Alter eher nicht denken. „In den letzten Jahren“ ist ja mehr oder weniger Karlas halbes Leben … Das geht ja schleichend, mit den Falten. Eher irgendwie so: In letzter Zeit sieht sie ernst/müde/traurig/anders aus.
Endlich schiebt sich der Schlüssel von außen ins Schloss –Papa!
ein Leerzeichen vor Papa
Sein Atem riecht nach Rauch und Bier. Früher hat er immer nach Minze gerochen.
„Hör zu!“
Ich beiße die Zähne zusammen und nicke.
„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“
Hier ist die einzige Stelle, die ich nicht ganz gelungen finde: Die Eltern zeichnest du so absolut Scheiße, als hätten sie sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, ihr Kind fertigzumachen. Das ist sehr schwarz-weiß. In Wirklichkeit ist das doch (meistens) so, dass die Eltern sich zwar gegenseitig zerfleischen, aber dabei gar nicht bemerken, wie es dem Kind dabei geht, was sie bei ihm anrichten. Dass sie das tatsächlich wollen, glaube ich eher nicht. Ich weiß, es gibt absolut unfähige Eltern, aber das scheinen die von Karla ja nicht von Vornherein gewesen zu sein. Und ich könnte mir auch noch eine stärkere (realistischere) emotionale Wirkung vorstellen, wenn Karla hier unkontrolliert Wut, aber auch Liebe entgegen gebracht wird. Dass sie gar nicht mehr weiß, woran sie ist.
Ob der Papa sie wirklich so eine Liste schreiben lässt? Also, nur meine Meinung: Besser fände ich, wenn er sie einfach barsch ins Zimmer schickt und sie in ihrer Not selbst diese Liste, so als „Gute-Vorsatz-Liste“ schreibt: Ich will nicht mehr nervig sein, ich will nicht mehr seltsam sein, undankbar … etc.
Ich beiße auf den Kugelschreiber und starre an die Wand. Sie werden lauter, die fiesen Worte. Ich höre Mamas Stimme, Papas, Camillas. Es wird mir zu laut im Kopf und ich schreibe weiter.
„Ich bin
- nervig
- seltsam
- hässlich
- faul …“
Was hat Mama gestern erst gesagt? Ach ja:
„- undankbar.“
Der Hausschlüssel dreht sich im Schloss und die Wohnungstür geht auf. Ich halte die Luft an, lausche den Schritten. Meine Hand zittert, als ich die Türklinke nach unten drücke und in den Flur schaue.
Hier bin ich mal kurz rausgeflogen, wer wann wo in der Wohnung ist, kommt oder geht. Wenn man den Schlüssel hört, kommt ja eigentlich jemand, aber der Papa geht doch … Hä?
Reicht’s nicht, dass Papa gegangen ist, weil du dich aufgeführt hast wie ’ne Verrückte? Ab mit dir!“
Das Durchgestrichene gehört wieder zu dem Punkt, den ich oben gemeint habe.
Karla denkt natürlich (leider), dass es ihretwegen ist, aber muss die Mutter das so sagen? Subtiler fände ich das ohne den Begleitsatz, dass Karla eben selbst ihre Schlüsse daraus zieht.
Das Ende finde ich sehr berührend. Dass Karla denkt, wenn sie weg ist, würde sich das Verhältnis von Mama und Papa weder einrenken … Schluck.
Schön hätte ich noch gefunden, wenn am Ende nochmal so ein Wolkennilpferd aufgetaucht wäre. Vllt. kann Karla beim Packen ja mal aus dem Fenster schauen?

Sehr gut geschrieben!

Viele Grüße von Raindog

 

Hey @RinaWu,

hast du Systemsprenger gesehen? Ich saß mit verknautschtem Gesicht im Kinosaal und wurde mit jeder Szene trauriger und schrecklich wütend. An das Filmdrama kommt Karlas Schicksal zum Glück nicht ran. Du zeigst Karlas Alltag auf eine sehr nachfühlbare Art und Weise. Innerhalb der Familie sollte sich ein Kind sicher aufgehoben, erwünscht und verstanden fühlen. Jedes negative Erlebnis, das sich in die kleine Seele frisst braucht ein Vielfaches an positiven Erfahrungen, um es wieder gut zu machen. Große können manchmal so doof sein!

„Wo warst du?“
Ich kämpfe mich an ihr vorbei, strecke die Arme aus.
Papa sieht über mich hinweg. „Ich hab doch gesagt, dass ich mich noch mit den Jungs treffe.“
„Es ist acht.“
„Na und?“
Niemand umarmt mich.
„Du wolltest vor einer Stunde zu Hause sein.“
„Jetzt mach nicht wieder ein Fass auf deswegen!“
Mir wird schlecht. Ich will Mama den Mund zuhalten. Oder Papa. Ganz egal, Hauptsache, sie hören auf.
„Vielleicht müsste ich ja nicht immer ein Fass aufmachen, wenn ich mich auf dich verlassen könnte.“
„Ich war einfach nur mit den Jungs ein Bier trinken. Jedes Mal das gleiche Theater.“
„Dann bleib doch bei deinen scheiß Jungs! Scheint ja ’ne ganz schöne Qual für dich zu sein, nach Hause zu kommen.“
„Kein Wunder, wenn du dich so aufführst.“
Mama reißt den Mund auf und atmet ganz tief ein. Als wäre sie lange unter Wasser gewesen und würde jetzt nach Luft schnappen.
„Ich bin dir scheißegal, oder? Warum bist du überhaupt noch hier? Sag schon!“ Mama schubst ihn. „Wegen Karla? Weil sie ihren Papa braucht?“ Sie sagt Papa ganz komisch. So, als wäre das ein blödes Wort.
„Stimmt, weil ich ja unbedingt ein Kind haben wollte!“
Die Dialoge gefallen mir. Die wirken super authentisch. :thumbsup:
Und das Challengethema ist auch total getroffen. Mehr kann ich dir jetzt gar nicht besteuern. :schiel:

Gern(Hm...) gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

Hallo @Raindog,
freue mich sehr über deinen Kommentar :) Ja, dank eurer Anmerkungen kann ich besser greifen, wo genau ich zu viel von mir im Text habe, wo ich mich zurücknehmen muss. Das hilft sehr. Ich habe die Stelle mit Camilla und mit dem Haus am Anfang nun mal komplett rausgenommen. Fliege und du habt recht, so denkt ein Kind nicht über sein Zuhause. Die Seilstelle ist erstmal raus, ich mag sie zwar auch gern, aber wenn ich mir den Anfang nun anschaue, liest er sich nun irgendwie besser, so als ob ich nicht so viel eingreife. Ich wollte ja mit dieser Seilstelle auch nur noch einmal bestärken, dass Karla sich eigene kleine Welten schafft, sehr viel Fantasie hat. Und ich denke nun, das kommt auch ohne diesen Absatz genug rüber.

Das auch, schöne Details hast du immer drin, die man sich gut als Karlas Gedanken vorstellen kann.
Danke, das freut mich sehr.
Ob der Papa sie wirklich so eine Liste schreiben lässt?
Hierzu und auch zu deinen Gedanken davor: Ja, ich verstehe, was du meinst. Oft zerfleischen sie sich gegenseitig und kriegen gar nicht mit, wie sehr das Kind alles mitbekommt. Es gibt aber tatsächlich auch die Fälle, in denen das Kind wirklich als Sündenbock, als Wurzel allen Übels, gesehen und auch als solches betitelt wird. Ich weiß, das ist noch mal ne Stufe mehr, aber leider wahr. In diesem Fall war es so, dass die Eltern überhaupt nicht auf's Elternsein klar kamen, sich immer öfter stritten, sich voneinander entfernten und ganz systematisch ihrem Kind dafür die Schuld gaben.
Hier bin ich mal kurz rausgeflogen, wer wann wo in der Wohnung ist, kommt oder geht. Wenn man den Schlüssel hört, kommt ja eigentlich jemand, aber der Papa geht doch … Hä?
Erst haut Papa ab, dann Mama. Karla schreibt die Liste. Mama kommt wieder.
Freut mich sehr, dass du den Text mochtest. Bis ganz bald!


Hallo @wegen,

hast du Systemsprenger gesehen?
Nein, kenne ich nicht. Aber eben den Trailer angeschaut. Das sieht nach Autsch aus ... Scheiße einfach, was viele Kinder durchmachen.
Jedes negative Erlebnis, das sich in die kleine Seele frisst braucht ein Vielfaches an positiven Erfahrungen, um es wieder gut zu machen.
Ist das nicht auch später noch so? Also zumindest kenne ich das auch von mir. Wenn mir was richtig Beschissenes passiert, braucht es echt ne ordentliche Ladung an Positivem, bis ich wieder im Gleichgewicht bin. Aber klar, bei Kindern ist das noch mal extremer, sie sind einfach verletzlicher, angewiesen auf das, was die Großen ihnen geben - oder eben nicht.
Die Dialoge gefallen mir. Die wirken super authentisch.
Cool, freut mich sehr!
Danke dir für's Vorbeischauen :)
Viele Grüße!
RinaWu

 

So liebe @RinaWu, jetzt zu deinem Text :-)
Wie immer Kommentiere ich beim lesen einfach so mit und ich hab dieses mal auch die anderen Kommentare nicht gelesen, also falls sich was doppelt, nimm es mir nicht übel :-)
So dann wollen wir mal mit dem Textkram anfangen
Ich beginnen mal direkt mit was positivem

Ich mag Herzen. Herzen und Pinguine.
Das gefällt mir sehr gut :-)
aber das ist meinen Eltern egal.
ich sehe, du hast schon an deinem Text gefeilt. Als ich ihn gestern gelesen habe stand dahinter noch der Beisatz: "Ihnen ist ziemlich viel egal" oder so ähnlich, ich persönlich fand den gut, weil er mir einen Einordnung in welchen Verhältnis deine Prota und ihre Eltern stehen.
Das allein stehende "aber das ist meinen Eltern egal" kann sich irgendwie auf alles beziehen.
Ballett tanzende Wolkennilpferde.
ein sehr schöner, kindlicher Gedanke und hier bin ich dann auch das erste mal wegen dem Alter durcheinander gekommen.
Ja vielleicht bin ich altmodisch aber bei dem Handy hätte ich noch auf 13 oder so getippt. Macht Sinn auch jüngeren Kindern schon welche zu geben, gerade wenn sie alleine, z.B zur Schule gehen, aber das ist in meinem Kopf noch nicht verankert. Ich musste mir damals mein erstes Handy selber kaufen und habe mir mit mühe und Not das Geld zusammen gespart :-)
Wie dem auch sein, ich habe deine Prota bei der Handyszene auf 13 geschätzt, dieser kindliche Gedanken macht Sie irgendwie jünger für mich. Natürlich können auch 13 jährige Mädchen an Baletttanzende Wolkennilpferde denken aber … ach ich rede mich schon wieder um Kopf und Krangen.
Auf jeden Fall macht dein Mädel einen alterstechnischen Zeitsprung nach hinten.
Die kommen vom Lachen.
meistens kommen solche Falten vom Lacher, der Leser weiß das, dem musst du das nicht mitteilen. Es sei denn deine Prota will, dass die Leser wissen, dass sie es auch weiß. Dann würde sie aber erneut Jünger werden, denn eine Aussage wie "die Falten um die augen kommen vom Lachen" könnte mir auch mein 4 jähriger Neffe schon mitteilen, der allerdings niemals alleine in der Gegen rumlaufen würde geschweige denn Mitschüler hat und schon mal gar kein Telefon.
Die Rollos in der Erdgeschosswohnung rechts sind heruntergelassen, wie jeden Tag. Ob die Frau, die dort wohnt, blind ist und ihr Licht deshalb total egal ist? Hoffentlich hat sie keine Pflanzen. Die sterben ohne Sonnenlicht. Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen. Ich wäre ja lieber zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern hatten keine Zeit.
dieser ganze Abschnitt ist für mich nur Gerede. Die Erdgeschosswohnung interessiert mich eher nicht so auch wenn der Gedanke mit den Pflanzen ganz niedlich ist aber auch da wäre der Beisatz, die Sterben hne Sonnenlicht überflüssig und was haben die sterbenden Pflanzen mit der Sommerrodelbahn zu tun? Den Übergang habe ich nicht verstanden.
Sie wäre lieber zur Sommerrodelbahn gefahren. Lieber als was, du nimmst ja offensichtlich auf irgendwas Bezug aber auf was, das erschließt sich mir leider nicht.
Oder ist es ein Stilmittel um die springenden Gedanken eines kleinen Mädchens fest zu halten? Die hopst ja schon von einem zum Anderen, aber alles irgendwie auf einander aufbauen. Die Pflanzen machen noch Sinn, aber die Sommerrodelbahn eher nicht so finde ich.
Sie kriecht unter der Tür hindurch ins Treppenhaus.
finde ich eher nicht sehr kindlich. Kann für mich weg.
Niemand umarmt mich.
so viel Mitteilung in drei Worten, sehr gut gemacht.
Ich renne von einem zum andern, ziehe an ihren Pullovern, hänge mich an ihre Beine.
Wie weit stehen die denn auseinander, das sie von einem zum Anderen rennen kann und was hat die Mama dann für lange Arme das sie Papa trotzdem Schubsen kann ?
hänge mich an ihre Beine finde ich irgendwie übertrieben.
Und ich glaube wenn ich in ihrer Situation gewesen wäre, wäre ich schon lange in mein Zimmer verschwunden.
Aber ich bin auch ein Fluchtmensch, sobald es irgendwo streit gibt oder unangenehm wird, stehe ich auf und gehe :-)
Im Hintergrund steht Mama mit verschränkten Armen und nickt.
na immerhin sind sie sich bei der Erziehung noch einig :-(
, ich schlage um mich, beiße Papa in den Arm und trete nach Mama.
Ich sehe ein das die Sitaution für Karla nicht einfach ist aber beißen und treten? kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.
Sein Atem riecht nach Rauch und Bier. Früher hat er immer nach Minze gerochen.
das gefällt mir wieder sehr gut :-)
„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“
ne also motivieren kann er, dass muss man ihm ja lassen.
Bitte was ist das denn für ein Papa? Alles in mir schreit nach Gerechtigkeit für das kleine Mädchen.
Das letzte Mal im Sommer vor zwei Jahren,
ich weiß nicht mal was ich letzte woche gegessen habe und sie weiß, dass sie das Lachen ihres Vaters im Sommer vor zwei Wochen das letzte Mal gehört hat? Kann ich mir irgendwie schwer vorstellen.
Vielleicht schreibst du es ungenauer.
"Aber er ist nicht fröhlich. Ich kenne Papas Lachen, wenn er fröhlich ist. Auch wenn ich es schon lange nicht mehr gehört habe.
In irgendeinem Sommer sind wir mal zu einem See gefahren, ich glaube da hab ich es das letzte mal gehört. Papa hat eine Luftmatratze dabeigehabt, die aussah wie eine große Brezel, und Mama hat sich Eis auf das schöne Kleid gekleckert, das sie damals so gerne anhatte."
Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Gesicht lustige Musik macht, wenn er glücklich ist.
was für ein Schöner Vergleich :-)
Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt.
wie traurig,
ihr über die weichen blonden Haare streichen.
müsste da nicht ein Komma zwischen weich und blond ?
Ich stehe zwischen den Büchern, dem Schreibtisch und dem Bett, auf dem meine Kuscheltiere sitzen, und weiß nicht wohin.
hier wird das Chaos worin sich die kleine Karla befindet sehr gut deutlich.
Mama sagt immer, dass man mit zehn nicht mehr mit Kuscheltieren spielen soll.
WAAAAAS? man ist nie zu alt für Kuscheltiere..... pfffff.
Die Mädchen in der Schule sind so laut. Ich traue mich nicht zu ihnen.
klingt irgendwie komisch sagt aber auch viel über ihren charakter aus. ich bin hin und her gerissen ob ich den Satz mag oder nicht.
In letzter Zeit gehe ich aber eher allein.
mit 10 alleine in den Park? okay bei dennen ist echt der wurm drin.
Die Liste!
Ich finde es grausam einem Kind so etwas an zu tun, aber leider ist es in manchen Familien wirklich so. Ich kann das nicht nachvollziehen wie man ein Kind dazu bringen kann eine Liste zu schreiben mit all den angeblich schlechten Eigenschaften und viel Schlimmer finde ich, das sie es tut um Mama eine Freude zu machen.
Ab diesem Punkt hat die kleine Karla mein volles Mitgefühl. Und du schreibst es so lebendig, das man das Gefühl hat direkt daneben zu stehen, also ich meine, den ganzen Part wo Mama wieder zurück kommt und Karla ihr die Liste zeigt und Mama sie weg schickt und so.
Mich hast du damit auf jeden Fall berührt.
„Komm schon“, sage ich zu mir selbst.
Erschreckend das sie sich selber Mut machen muss um mit Mama zu sprechen. Weckt Erinnerungen an das zum Teil sehr spannige Verhältnis zwischen Papa und mir.
und wie Papas Gesicht lustige Musik gemacht hat,
sehr schön wie du das Bild wieder aufnimmst.
Dass ich mich erst mal in der Bücherei verstecken werde. Unter dem Sofa, da kann mich die Frau nicht sehen, wenn sie abends durch die Gänge läuft und die Leute rausschickt, weil sie zumachen will.
Sehr reife Gedanken für eine zehnjährige. Aber Kinder in einer solchen Situation müssen auch einfach zu schnell erwachsen werden.
Schließlich muss ich mich von unterwegs regelmäßig melden, um Mama und Papa zu sagen, dass es mir gut geht.
und trotz der schrecklichen Sitaution liebt sie ihre Eltern.
Denn sie glaubt, dass sie an allem Schuld ist und nicht Mama und Papa. Auch das ist ein weit verbreiteter Glaube bei Trennungskindern. Gibt von den Wise Guys ein schönes Lied, es heißt "Lisa" und beruht auf einem Brief den die Jungs bekommen haben von einem Mädchen namens Lisa die auch davon ausgeht das sie an der Trennung ihrer Eltern Schuld ist.
Kein Kind sollte so etwas glauben.

Liebe Rina, deine Geschichte hat mir schwer berührt. Da steckt, leider, so viel Wahrheit zwischen den Zeilen und du beschreibst sie sehr liebevoll.
Dennoch fände ich es besser, wenn man früher erfährt das sie erst zehn ist, das würde mir ein wenig Verwirrung ersparen.

Danke für deine Geschichte, habe sie gerne zwei Mal gelesen.

Liebe Grüße
Shey :-)

 

„Ältern sollte man verbieten!“
Mein Eingangszitat zu „Karla haut ab“​

Die Geschichte ist einer Freundin von mir passiert, als sie Kind war, und ich habe versucht, ihre Erzählungen und wie sie damals damit umgegangen ist, irgendwie einzufangen. Dass ich da nicht durchgehend den richtigen Ton treffe, das kann durchaus sein und das schaue ich mir noch mal Stück für Stück an
erklärstu,

liebe Mme. Wou,

an einer Stelle (hab die Vorredner kurz berflogen) und es zeigt, wie nahe Du bei meinen Gedanken zur „Historik“ und vor allem zum „historischen“ Erzählen bist, das immer nur eine Annäherung sein kann, wie man selbst – je nach Aktenlage – ein Ereignis sich vorstellt oder deutet und ich hätte weiland nicht den Sound „Gretchen“s treffen können, reichte nicht das familiäre Umfeld der Zahl der Kinder inclusive Vetternwirtschaft von drei (heute fünf, eben der Bengel, der gerade sein Gastspiel im Pott beendet hat und wieder am Tor zum Sauerland einen Kindergarten „heimsucht“) bis 14 (damals) – wobei Deine Geschichte quasi – wenn schon nicht durch Mund-zu-Mund-Erzählung , sondern kürzer von Mund zu Ohr ihren Ursprung findet.

Und meine Haltung zur Autorität von Eltern wird sich wohl nie ändern, wobei sich bei mir zu A. S. Neill tatsächlich eine Prise Bakunin gesellt.

Aber zu Deinem Text – wobei ich den Titel wahnsinnig gut finde, hab ich doch heute immer noch die Tendenz, Figuren aus dem entsprechenden Wolkenhimmel zu lesen und ggfs., wenn sich lange Fäden daran bilden, einen Schritt zuzulegen oder die Pedale schneller wirbeln zu lassen. Und wie bestellt gesellt sich zu der Passage

Vielleicht fliegt er nachts heimlich über die Stadt, fängt böse Verbrecher mit Augenklappen, rettet kleine Hundewelpen, oder so.
die Frage: Warum das Komma vor „oder“?
Soll wohl eher eine („Kleistsche“) Regieanweisung sein (inzwischen weiß ich ja, dass diese Art von Kommasetzung unter Theaterleuten immer noch verwendet wird) – in dem Fall drängt sich an sich der Gedankenstrich auf ... Und ne klitzekleine Anregung zu
Im Hintergrund steht Mama mit verschränkten Armen und nickt. Die beiden starren auf mich herunter.
Eher nur so‘n gesteigertes Gefühl, wäre da nicht statt des „herunter“ ein kürzeres, aber laut Duden „gehobeneres“ „herab“starren ein treffenderes Bild der hierarchischen Struktur innerhalb der kleinsten Gruppe und Zelle der Gesellschaft und des Staates?

Wie dem auch sei und selbst wenn es sich "eigentlich" gegenüber dem Geschehen verbittet,

gern gelesen vom

Friedel

 

Liebe RinaWu,

viele Köche, viele verschiedene Breichen. Ich reiche eines noch nach, und das ist süß und schön gewürzt und vielleicht ein klein bisschen überpfeffert.
Keine Sorge, ich bin nicht zur ayurvedischen Köchin mutiert, sondern kommentiere gleich deine Geschichte. Ich fand sie sehr einfühlsam geschrieben, sehr bitter, aber auch sehr schön. Mir gefällt das gut, wie du es beschreibst, dass die Kleine einerseits die Bezichtigungen der Eltern auf sich nimmt, sich die Schuld an der Entwicklung gibt. Und wie sie andererseits so fantasievoll ist und so voll von Energie und Aufbruchbereitschaft. Das hat mich glatt ein bisschen stolz auf dieses Kind gemacht und lässt mich hoffen, dass sie irgendwie doch gut aus der Misere rauskommt. Ich habe nur die ersten Kommentare gelesen, drei oder vielleicht, jedefalls einschließlich dem von Fliege, die anderen dann nicht mehr, von daher kann sich eventuell was wiederholen. Ich fand nicht, dass du die Sprache des Mädchens und ihre Sicht nicht gut wiedergegeben hättest. ich fand nur, dass du anfangs, du hast ja schon viel überarbeitet, viel Redundantes drin hattest und manchmal den Beobachtungen des Mädchens noch eine Bewertung oder Kommentierung angeschlossen hast. Das hat diese Stellen dann langsam und etwas zäh gemacht und wiederholend und vielleicht sind die das auch, mit denen die ersten Kommentatoren ihren "Stress" hatten.
Interessant fand ich Flieges Beobachtung an dieser Stelle:

Jedes Mal, wenn sie erklärt oder wertet, machst Du es Dir als Autor selbst schwer. Das ein Kind etwas sieht/hört/riecht da bist Du auf der sicheren Seite, wenn Du aber Kinder werten oder erklären lässt, ist das mit dem Alter so eine Sache. Was geht da? Was nicht? Große Fallhöhe gleich.
Ja, da könnte was dran sein. Wenn ich auch, wie gesagt, diese Stellen eher als wiederholend und verlangsamend empfand, so, als müsste der Leser noch mal mit der Nase draufgestoßen werden. Ich finde, man kapiert ganz gut, und das hast du insgesamt toll gemacht, wie ein Kind drauf ist, wenn man die Dinge zeigt, die es wahrnimmt. Das ist ja bereits eine große Entscheidung. Und das ist schon ein besonderes Kind, das Wolkennilpferde sieht, die Ballett tanzen.
Ich finde schon jetzt, du hast viele von solchen Stellen gekillt. Manchmal oder sehr selten (jetzt kommen die vielen Köche) zu viele. So finde ich es einerseits zwar gut, dass du das Haus mit seiner Beschreibung eliminiert hast, aber schade finde ich, dass du das Seil auch gekappt hast. Es passte so wahnsinnig gut zu Karlas Sicht, zu ihrer Fantasie, zu ihrem Wunsch nach Rettung und einer anderen Welt, in der es Fantasiewesen und Leichtigkeit und Rettung gibt und ein netter Hausmeister zu Superman wird.
Jetzt warum fand ich die Beschreibung des Hauses nicht so gut? Ich meine zwar nicht, dass Kinder ihr Zuhause nicht bewerten oder vergleichen, aber der ganze Vergleich mit dieser Carla, das ging in eine völlig andere Karlacharakterrichtung und auch Geschichtencharakterrichtung. Hehe, komische Wörter. Das ging jedefalls auf einen völlig anderen Schwerpunkt, da hast du dich nicht entcheiden wollen oder können, wie du die Karla gewichten willst. Aber das Seil wiederum, das war eine Idee, die passt so gut zu ihrer Sicht der Dinge.
Ich möchte einen Aspekt zu der Frage: "Entsprechen die Bilder, die Beschreibung der Sicht eines Kindes im bestimmten Alter?" nachreichen. Manchmal neigt man nämlich dazu, sich ein bestimmtes Alter idealtypisch vorzustellen. Und (ich kann das aus meinem Job einfach so sagen) allermeistens hat man aber höchst unterschiedliche Kinder vor sich, alle sind sie zehn und unterscheiden sich voneinander wie Tag und Nacht. Von ihren Wünschen, ihrer Sprache, ihren Bildern, in denen sie träumen, von Interessen und Hobbys. Und manchmal findet man höchst Widersprüchliches in einem und demselben Kind. Ich würde von daher gar nicht krampfhaft versuchen, DIE typische Zehnjährige nachzuempfinden, sondern ich würde Sprache, Gedanken, Bilder nach dem speziellen Charakter, der besonderen Situation und den Eigenschaften dieses einen fiktiven, von dir geborenen Kindes erschaffen und schauen, wie und wodurch zu dem Konflikt und der Geschichte passt.
Nur einen Wermutstropfen habe ich oder das zu viel an Pfeffer, von dem ich zu Anfang sprach. Dass die Eltern ihr aufgeben, die Liste zu schreiben, das mag es zwar geben, aber das wäre schpon eine Tat sehr reflektierter, sehr auf Moral und Brechung des Willens bedachter, fast schon sadistischer Eltern, und so kommen die beiden mir bei aller Ignoranz und Grausamkeit aber gar nicht vor. Sie sind fiese Arschlöcher, überfordert und verstrickt in ihrem Beziehungsstreit, so dass das Kind zum Klotz am Bein beider wird. Aber die Liste, das finde ich over the top.
Sein Atem riecht nach Rauch und Bier. Früher hat er immer nach Minze gerochen.
„Hör zu!“
Ich beiße die Zähne zusammen und nicke.
„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“

Stattdessen: Mach es uns doch nicht so verdammt schwer. Oder halt etwas Vergleichbares.
Er dreht sich um und knallt die Tür zu.
Die Liste passt aus meiner Sicht überhaupt nicht zu den überkochenden Emotionen der Eltern, zu der gesamten Situation. Der Vater könnte sagen, du bist doch nicht normal, aber die Liste, das ist einfach viel zu abgefeimt für die Situation.
Es kommt trotzdem prima raus, dass die Eltern sich zwischendrin in ihrem Ärger übereinander richtig einig in dem Ärger über die arme Tochter werden.
Die Liste, die ja sehr wichtig ist, geht trotzdem, wenn du Karla selbst auf diese Idee kommen lässt, dass sie schuld am Streit ihrer Eltern hat. Ich fände das sogar noch viel heftiger, weil es ihren Wunsch und ihre Hilflosigkeit zeigt, unbedingt etwas aus ihrer Sicht für die Eltern und eine schönes Zuhause tun zu wollen.

So viel mal, viele Grüße von mir zu dir.
Novak

 

Hallo @Shey, @Friedrichard und @Novak, tausend Dank für eure tollen Kommentare, die helfen sehr, das spür ich schon jetzt.

Ich bin leider gerade komplett Land unter wegen meiner derzeitigen Arbeitssituation, daher melde ich mich später noch einmal ausführlicher. Wollte aber schon mal ein fettes DANKE da lassen :shy:

 

Hallo @RinaWu,

wie schön, dass du den Anfang gemacht hast. :)

Da sind einige Dinge dir mir gefallen, ein paar nicht so. Etwas fällt mir besonders auf, die RinaWusche Leichtigkeit fehlt irgendwie. Mir kommt das teilweise etwas krampfig vor.

Dass du den Anfang ausgemistet hast, finde ich super. Man kommt nun viel besser in den Text.

Wolkennilpferde
Mir gefällt der Titel leider nicht. Denn er erscheint mir eben etwas krampfig. Das mit den Wolken ist auch schon ein ziemlich alter Hut. Und damit es noch etwas neues hergibt, machst du eben Nilpferde draus. Überzeugt mich trotzdem nicht.
Deswegen finde ich auch den ganzen Einstiegsabsatz schwach. Du willst hier eine Träumerin, ein Kind mit Phantasie einführen. Schon klar. Aber das geht doch bestimmt auch anders.

Ich wollte ein Foto machen, aber ich habe kein Handy.
Der Satz ist nicht ganz stimmig. Es klingt als hätte sie in dem Moment, als sie das Foto machen wollte, gemerkt, dass sie gar kein Handy hat. Eher: Ich hätte ein Foto gemacht, aber ich habe kein Handy.

Aber halt, Wolkennilpferde sind etwas anderes. Sie sind bestimmt viel leichter, können Pirouetten drehen, wie diese Tänzerin in Schwanensee. Ballett tanzende Wolkennilpferde.
Auch diese Stelle klingt für mich erzwungen. Das ist für mich kein natürlicher Fluss, ich geh da nicht mit, sondern merke die Autorin will jetzt, dass da noch mehr kommt.
Vielleicht könnte man das etwas verflüssigen, indem die Nilpferde tatsächlich davontanzen und dann denkt sie, ja klar, weil …

Vielleicht fliegt er nachts heimlich über die Stadt, fängt böse Verbrecher mit Augenklappen, rettet kleine Hundewelpen, oder so.
Sie glaubt das ja nicht wirklich. Also eher: Ich stelle mir vor, wie er nachts ...

fängt böse Verbrecher mit Augenklappen
Piraten? :susp:

Schade, dass Herr Hanser nur später nochmal kurz erwähnt wird, aber sonst keine Rolle mehr spielt. Wie wärs mit einem Superheldenauftritt? ;)

Herr Hanser ist nicht mehr da, als ich auf den kleinen Backsteinweg einbiege, der zu unserem Haus führt.
Du hast die Stelle schon geändert, ich finde sie immer noch verwirrend. Vielleicht eher: Herr Hanser ist nicht mehr zu sehen …

Vorgestern hat er mich hinten im Hof gesehen. Ich saß auf der Schaukel und habe geweint. Erst habe ich ihn gar nicht bemerkt, aber dann stand er plötzlich neben mir. „Was ist denn passiert?“, wollte er wissen. Darauf ist mir einfach keine Antwort eingefallen.
Der Rückblick an dieser Stelle haut mich irgendwie raus. Grad war ich bei Herrn Hanser, aber den hab ich ja jetzt abgeschlossen, wir gehen weiter, ahh nee doch nicht. Also wir gehen schon weiter, aber im Kopf nicht, verstehst du was ich meine?
Vielleicht passt er eher oben hin, bei der Vorstellung von Herr Hanser?

Ob die Frau, die dort wohnt, blind ist und ihr Licht deshalb total egal ist? Hoffentlich hat sie keine Pflanzen. Die sterben ohne Sonnenlicht. Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen.
Den Gedankengang finde ich süß und nachvollziehbar.

Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen. Ich wäre ja lieber zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern hatten keine Zeit.
Der Übergang zu der Rodelbahn gefällt mir nicht.

Ich wünsche mir, sie würde mich ansehen, aber wenn sie es dann tut, erschrecke ich mich. Weil mir dann immer kalt wird.
Das mit der Kälte würde ich nicht nachschieben, sondern mit in den Satz nehmen.
Ich wünsche mir, sie würde mich ansehen, aber wenn sie es dann tut, ist ihr Blick so kalt, dass ich mich erschrecke.

Niemand umarmt mich.
Die Szene ist echt mies. Das arme Mädchen. Karla, ich nehm dich in den Arm!

Ich renne von einem zum andern, ziehe an ihren Pullovern, hänge mich an ihre Beine.
„Hört auf damit! Hört auf zu schreien!“ Dabei schreie ich selbst. Tränen laufen meine Wangen hinunter.
Oh Mann, diese Hilflosigkeit. Das hast du echt gut rüber gebracht.
Ich würde nur vielleicht schreiben:
„Hört auf damit! Hört auf zu schreien!“, schreie ich.
Fänd ich stärker und weniger wertend.

„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“
Das ist so gemein und ungerecht. Man fühlt echt mit.
Ich finde diese Liste übrigens ganz passend. Der Vater denkt sich wahrscheinlich nicht viel dabei. Der erwartet doch gar nicht, dass die das wirklich macht. Dem ist die Karla einfach so egal, dass er irgendein zeug labert, ohne sich über die Auswirkungen im Klaren zu sein.

Das letzte Mal im Sommer vor zwei Jahren, als wir mit dem Fahrrad zum See gefahren sind.
Hier würde ich anders einsteigen, z.B. mit: Ich muss überlegen, aber ich glaube, das war im Sommer vor zwei Jahren … Oder hat sie da schon öfter drüber drüber nachgedacht? Dann würde ich das dazu schreiben. Sowas weiß man doch nicht auf Anhieb.

Dieser Rückblick ist mir etwas zu lang. Vielleicht könntest du diesenTeil weglassen:

In seinen Augenwinkeln waren viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Gesicht lustige Musik macht, wenn er glücklich ist. Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt.
Die Falten in den Augenwinkeln hattest du schon bei dem Herrn Hanser. Und der Bezug zu dem Akkordeon erscheint mir auch zu weit hergeholt.

Ich stehe zwischen den Büchern, dem Schreibtisch und dem Bett, auf dem meine Kuscheltiere sitzen, und weiß nicht wohin.
Das kann ich mir echt gut vorstellen. Sie will helfen, traut sich aber nicht, bzw. weiß nicht wie.

Ich betrachte mein Werk. Mir fällt bestimmt noch mehr ein. Wenn Mama und Papa nachher wiederkommen, sollen sie sehen, dass ich mir wirklich Mühe gegeben habe.
Rina! Das ist schrecklich. Jetzt will sie diese Liste auch noch besonders gut machen. :(

Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und öffne die Tür. Da unten liegt er, mein Koffer.
Irgendwie fehlt mir der Moment, wo sie diesen Plan fasst, oder eine Erklärung, dafür dass sie ihre Eltern nun verlassen will. Denkt sie, sie ist nicht gut genug? Denkt sie, ihre Eltern sind ohne sie besser dran?

Der Bezug zur Challenge ist da. Der Koffer ist wichtig, hätte sie den nicht, wüsste sie wahrscheinlich nicht, wo sie ihre ganzen Sachen hinpacken soll. Passt.

Die Szenen zwischen den Eltern und Karla finde ich am gelungensten. Das nimmt mit, das ist unangenehm.
Die Szenen, in denen Karla ihre Phantasie schweifen lässt, finde ich oft noch zu konstruiert. Das fließt nicht natürlich, man merkt dem Text an, dass du da jetzt etwas aus dem Gedanken machen wolltest.

Liebe Grüße und viel Spaß noch bei der Challenge!

Nichtgeburtstagskind

 

Liebe RinaWu,

da wurden es dann doch zwei Tage und hier ist in der Zeit viel passiert. Egal, ich mach trotzdem weiter :).

Im Hintergrund steht Mama mit verschränkten Armen und nickt. Die beiden starren auf mich herunter.
Das ist auch so fies. Da sind die beiden sich also mal einig. Ich möchte sie die ganze Zeit schütteln.

„Du setzt dich jetzt hin, nimmst dir ein Blatt und schreibst auf, was mit dir nicht stimmt! Dann merkst du vielleicht mal, wie schwer du uns das Leben eigentlich machst!“
Ja, klar nimmt sie die Schuld auf sich. Keiner wollte sie, sie macht ihnen das Leben schwer. Fuck!

In seinen Augenwinkeln waren viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Gesicht lustige Musik macht, wenn er glücklich ist. Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt.
Sweet.

Wenn keiner hinsieht, erzähle ich ihm von meinem Schultag.
Das ist auch so hart, wenn Dir niemand mehr zuhört. Nur noch das Kuscheltier. Diese große, große Leere und Einsamkeit.

Am liebsten sind Flauschi und ich in der Bücherei. Das ist ein Zauberort. Es ist so still dort, keiner, der da drinnen herumläuft, macht Geräusche. Nur die Bücher, die flüstern.
Das mochte ich auch. Die Bibliothek als Zufluchtsort. Passt in meinen Augen hervorragend zu deiner Kleinen, so, wie ich sie bisher wahrgenommen habe.

Ich schleiche mich trotzdem oft zu den Büchern für Erwachsene. Die Luft zwischen den Regalen ist hier anders.
:) Nice!

Danach erzähle ich Flauschi die Geschichte und er hört zu (mit großen Kulleraugen).
Wäre für mich noch ein Kandidat.

„Dinge, die an mir schlecht sind: …“
Aua, aua, aua!

„Ich will nicht in mein Zimmer, ich will dir doch –“
„Karla!“ Sie bückt sich zu mir runter, ihre Augen sind groß und dunkel. „Es reicht jetzt! Nimm dir ’n Buch oder was weiß ich. Aber lass mich in Ruhe!“
Also, das tut schon echt weh beim Lesen. Mir jedenfalls.

Dass ich mich erst mal in der Bücherei verstecken werde. Unter dem Sofa, da kann mich die Frau nicht sehen, wenn sie abends durch die Gänge läuft und die Leute rausschickt, weil sie zumachen will. Wenn sie weg ist, komme ich wieder raus und mache es mir gemütlich. Ich bin mir sicher, dass mir dann einfällt, wo ich als nächstes hinkann.
Mir hätte es völlig gereicht, wenn sie in die Bibliothek einziehen will. Das ist ja ihr Zufluchtsort von je her gewesen. Weil, wo weiter hin? Die Großeltern kennt sie nicht, aber okay, vielleicht gibt es ja eine Tante oder so. Und ihr ist natürlich klar, dass sie in der Bibliothek nicht bleiben kann. Also haut das auch wieder hin, dass sie die erst mal nur als Zwischenlösung sieht.

Schließlich muss ich mich von unterwegs regelmäßig melden, um Mama und Papa zu sagen, dass es mir gut geht.
Ach je, ja. Kinder müssen das wohl, sie sind ja darauf konditioniert. Mann, Mann, Mann.

ja, wird auch beim zweiten Lesen nicht besser. Fühlt sich einfach so gar nicht gut an. Gewöhnt man sich auch nicht dran. Kann man sich immer wieder neu aufregen. Auch dieses hin und her zwischen Wut auf die Eltern und Mitfühlen mit Karla, das hat schon was sehr emotionales, was der Text da mit einem macht, mit mir macht.

So viel noch von mir.
Herbstgrüße, Fliege

 

Hallo @Shey,

ein sehr schöner, kindlicher Gedanke und hier bin ich dann auch das erste mal wegen dem Alter durcheinander gekommen.
Ja vielleicht bin ich altmodisch aber bei dem Handy hätte ich noch auf 13 oder so getippt.
Ja, die Sache mit dem Alter ist eben so eine Sache. Ich habe das ja weiter oben schon erklärt. Für mich schwankt Karla eben aufgrund ihrer Hintergrundgeschichte zwischen sehr kindlichen, aber auch sehr reifen Gedanken. Natürlich ist es schwer, genau den richtigen Ton zu treffen, gerade wenn man aus der Sicht eines Kindes schreibt. Das ist mir bewusst und ich durchforste den Text immer wieder von Neuem, um dem näher zu kommen. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass dieser Wechsel von kindlich zu reif durchaus möglich ist in einer Kinderseele. Das mit dem Handy ist heutzutage tatsächlich anders. Die Kinder meiner Freunde haben teilweise schon sehr früh eins und sei es nur, um eben die Möglichkeit zu haben, sich bei den Eltern zu melden, sollte was sein. Ich selbst hab mein erstes Handy auch erst mit 15 bekommen, das ist aber nun auch schon 20 Jahre her und seitdem hat sich das einfach krass nach vorne verschoben.

dieser ganze Abschnitt ist für mich nur Gerede. Die Erdgeschosswohnung interessiert mich eher nicht so auch wenn der Gedanke mit den Pflanzen ganz niedlich ist aber auch da wäre der Beisatz, die Sterben hne Sonnenlicht überflüssig und was haben die sterbenden Pflanzen mit der Sommerrodelbahn zu tun? Den Übergang habe ich nicht verstanden.
Das ist, wie ich anhand der Kommentare erkenne, ne klare Geschmacksfrage. Manche finden diese Gedanken von Karla einfach gut, andere finden es überflüssig. Ich finde, er passt gut zu ihrer Gedankenwelt, deshalb werde ich ihn auch nicht killen.
Den Übergang zur Sommerrodelbahn ist natürlich nicht ausführlich erklärt. Er findet ja aber auch in Karlas Kopf statt. Da springen die Gedanken. Sie erzählt aber ja, dass sie an dem Wochenende eine Wissenssendung im Fernsehen angeschaut hat. Eigentlich wäre sie aber lieber draußen auf der Sommerrodelbahn gewesen. Heißt, anstelle des Fernsehens hätte sie an dem Wochenende lieber was draußen mit ihren Eltern gemacht. Ich finde irgendwie, da zu viel zu erklären, würde wieder dem entgegenstehen, dass es sich hier um ein Kind handelt. Das erklärt sich diese Gedankensprünge ja nicht selbst. Muss ich noch mal drüber nachdenken.

ich weiß nicht mal was ich letzte woche gegessen habe und sie weiß, dass sie das Lachen ihres Vaters im Sommer vor zwei Wochen das letzte Mal gehört hat?
Guter Punkt, das ist zu genau.

Ab diesem Punkt hat die kleine Karla mein volles Mitgefühl. Und du schreibst es so lebendig, das man das Gefühl hat direkt daneben zu stehen, also ich meine, den ganzen Part wo Mama wieder zurück kommt und Karla ihr die Liste zeigt und Mama sie weg schickt und so.
Mich hast du damit auf jeden Fall berührt.
Das ist schön zu hören, danke.

Vielen Dank auch für dein Lob am Schluss, es freut mich, dass ich dich berühren konnte, wenn auch mit einem traurigen Thema. Diese Geschichte ist weiterhin work in progress, ich nehme mir deine übrigen Kommentare zu Herzen und setze das nach und nach um, wo es für mich Sinn macht. Danke dir!


Lieber @Friedrichard,

Aber zu Deinem Text – wobei ich den Titel wahnsinnig gut finde, hab ich doch heute immer noch die Tendenz, Figuren aus dem entsprechenden Wolkenhimmel zu lesen und ggfs., wenn sich lange Fäden daran bilden, einen Schritt zuzulegen oder die Pedale schneller wirbeln zu lassen.
Ach, schön, das freut mich, ich mag den Titel auch sehr. Und auch ich träume mir aus den Wolken auch immer noch was zusammen :)

Warum das Komma vor „oder“?
Ja, weiß ich jetzt auch nicht :D wird eliminiert.

Eher nur so‘n gesteigertes Gefühl, wäre da nicht statt des „herunter“ ein kürzeres, aber laut Duden „gehobeneres“ „herab“starren ein treffenderes Bild der hierarchischen Struktur innerhalb der kleinsten Gruppe und Zelle der Gesellschaft und des Staates?
Gar keine schlechte Idee, danke!

Freut mich, dass dir der Text gefallen hat!


Liebe @Novak,

Schön zu lesen, wie du Karla wahrnimmst. Mehr kann ich mir nicht wünschen.

Ich fand nicht, dass du die Sprache des Mädchens und ihre Sicht nicht gut wiedergegeben hättest. ich fand nur, dass du anfangs, du hast ja schon viel überarbeitet, viel Redundantes drin hattest und manchmal den Beobachtungen des Mädchens noch eine Bewertung oder Kommentierung angeschlossen hast. Das hat diese Stellen dann langsam und etwas zäh gemacht und wiederholend und vielleicht sind die das auch, mit denen die ersten Kommentatoren ihren "Stress" hatten.
Danke dafür, das baut mich auf. Ich gebe dir recht, ich sehe nun selbst, wie das besser funktioniert, wenn ich mich zurücknehme, Redundantes wegstreiche, da funktioniert ihr Gedankenfluss einfach besser und echter.

Manchmal neigt man nämlich dazu, sich ein bestimmtes Alter idealtypisch vorzustellen. Und (ich kann das aus meinem Job einfach so sagen) allermeistens hat man aber höchst unterschiedliche Kinder vor sich, alle sind sie zehn und unterscheiden sich voneinander wie Tag und Nacht. Von ihren Wünschen, ihrer Sprache, ihren Bildern, in denen sie träumen, von Interessen und Hobbys. Und manchmal findet man höchst Widersprüchliches in einem und demselben Kind. Ich würde von daher gar nicht krampfhaft versuchen, DIE typische Zehnjährige nachzuempfinden, sondern ich würde Sprache, Gedanken, Bilder nach dem speziellen Charakter, der besonderen Situation und den Eigenschaften dieses einen fiktiven, von dir geborenen Kindes erschaffen und schauen, wie und wodurch zu dem Konflikt und der Geschichte passt.
Es ist echt schön, das von dir zu hören, denn so in etwa lief das in meinem Kopf ab, als ich Karla auf dem Papier gebastelt habe. Wie gesagt, ich habe ja selbst keine Kinder, beobachte aber auch im Freundeskreis, dass es da so viele Unterschiede zwischen gleichaltrigen gibt. Manche sind mit vier schon ein krasser kleiner Charakter, andere eben nicht. Und so, und eben aufgrund ihrer Familiengeschichte, habe ich mir dann Karla und ihr Wesen vorgestellt und versucht darzustellen.

Die Liste, die ja sehr wichtig ist, geht trotzdem, wenn du Karla selbst auf diese Idee kommen lässt, dass sie schuld am Streit ihrer Eltern hat. Ich fände das sogar noch viel heftiger, weil es ihren Wunsch und ihre Hilflosigkeit zeigt, unbedingt etwas aus ihrer Sicht für die Eltern und eine schönes Zuhause tun zu wollen.
Ist eine gute Überlegung! Die muss ich aber noch mal sacken lassen.

Danke dir für deine Worte und bis ganz bald!
Liebe Grüße
RinaWu

*** to be continued ***

 

Huhu @RinaWu

Sie erzählt aber ja, dass sie an dem Wochenende eine Wissenssendung im Fernsehen angeschaut hat. Eigentlich wäre sie aber lieber draußen auf der Sommerrodelbahn gewesen. Heißt, anstelle des Fernsehens hätte sie an dem Wochenende lieber was draußen mit ihren Eltern gemacht.
ja jetzt macht das Sinn, dann habe ich da vielleicht nicht genau genug gelesen :-) das passiert mit leider immer wieder. Wenn du es so erklärst macht es natürlich Sinn und ich wäre wahrscheinlich auch alleine drauf gekommen wenn ich, wie eingangs erwähnt aufmerksamer gelesen hätte :-)
Für mich schwankt Karla eben aufgrund ihrer Hintergrundgeschichte zwischen sehr kindlichen, aber auch sehr reifen Gedanken.
ich meine weiter unten in meinem ersten Kommentar habe ich es so, oder so ähnlich auch nochmal erwähnt. Das wiederum wird das Problem sein, wenn man beim lesen kommentiert.
Ich habe auch schon Mal versucht die Zitierversion in den Kommentare zu nutzen, leider vergesse ich dann teilweise was zu den einzelnen Zitaten sagen wollte :-) ich über das wohl noch ein bisschen :-)

Danke für deine Rückmeldung. In Anbetracht der aktuellen Sitaution bei einer anderen Geschichte habe ich das Bedürfnis, dies auch einmal mit zu teilen. Aber gewöhn dich nicht dran :-P

Liebe Grüße
Shey

 

Hallo @RinaWu!

Ich wollte ein Foto machen, aber ich habe kein Handy.

»wollte« klingt für mich, als hätte sie nach dem Handy gegriffen und erst dann gemerkt, dass sie keines hat. Wenn du »wollte machen« durch »hätte gerne gemacht« ersetzt, kommt besser heraus, was sie meint.

Die anderen Mädchen in meiner Klasse haben alle eins, aber das ist meinen Eltern egal.

Die anderen Mädchen bedeutet doch »alle«. Ist also doppelt und kann weg.

Nur ein paar Zentimeter neben mir. Ich springe zur Seite, mein Herz klopft in den Ohren.

Schön, diese Wahrnehmung von ihr.


Plötzlich hupt es. Ein Auto kommt quietschend zum Stehen. Nur ein paar Zentimeter neben mir.
Auf dem Gehweg stoße ich mit einer dicken Frau zusammen, mein Gesicht knallt auf ihren großen Busen. Sie flucht und schüttelt mit dem Kopf. Ich beobachte, wie ihr Doppelkinn wackelt. Dann geht sie weiter.
Am Ende der Straße stehen Mülltonnen auf dem Gehweg. Unser Hausmeister schiebt sie gerade zurecht. Er winkt mir von weitem zu.

Diese Textausschnitte sind exemplarisch. Es gibt noch mehr solche Stellen mit kurzen Sätzen in deiner Geschichte, die für mich wie eine Aufzählung klingen. Zwischendurch mal Punkt durch Komma ersetzen - diesen Rhythmus finde ich viel harmonischer.

Sein Kittel ist offen und flattert beim Gehen. Wie bei einem Superhelden. Vielleicht fliegt er nachts heimlich über die Stadt, fängt böse Verbrecher mit Augenklappen, rettet kleine Hundewelpen, oder so. Er ist zwar schon ganz schön alt, aber das könnte ja auch Tarnung sein. Die grauen Haare stehen ihm wild vom Kopf ab und zwar jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Ob das vom Fliegen kommt?

Total süße Beobachtungen und Gedanken des Mädchens.
Btw.: kein Komma vor »oder so«

Die Rollos in der Erdgeschosswohnung rechts sind heruntergelassen, wie jeden Tag. Ob die Frau, die dort wohnt, blind ist und ihr Licht deshalb total egal ist? Hoffentlich hat sie keine Pflanzen. Die sterben ohne Sonnenlicht. Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen. Ich wäre ja lieber zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern hatten keine Zeit.

Auch diesen Abschnitt mag ich sehr. Ihre Gedanken, die Schlüsse, die sie zieht. Überhaupt ist mir die kleine Erzählerin sehr ans Herz gewachsen.


Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen. Ich wäre ja lieber zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern hatten keine Zeit.

Ich würde den Zusammenhang Wissensendung/Rodelbahn präzisieren. Zum Beispiel:
Das kam letztes Wochenende in dieser Wissensendung im Fernsehen. Ich hätte die nicht unbedingt ansehen müssen. Lieber wäre ich ja zu der Sommerrodelbahn gefahren, von der in der Schule alle reden, aber meine Eltern hatten keine Zeit.

Ich gehe rauf zu unserer Wohnung und kann Mamas Stimme schon im ersten Stock hören. Sie kriecht unter der Tür hindurch ins Treppenhaus. Viel zu schrill. Ich will mir die Ohren zuhalten und wegrennen. Aber ich schließe die Tür auf und gehe in unsere Wohnung.

Hier gefallen mir Wahrnehmung und Reaktion der Protagonistin. Finde ich sehr kindgerecht geschrieben - und ist damit sehr berührend.

In der Küche wirft Mama das Telefon auf den Tisch und fängt an, Teller und Gläser aus den Hängeschränken zu räumen. Es klirrt und poltert. Ich gehe langsam auf sie zu. Sie sieht mich nicht an. Hat mich vielleicht nicht gehört.
„Hallo“, sage ich.
Sie streckt mir Essen aus dem Kühlschrank hin. „Hier, deck den Tisch.

Hier kam ich kurz ins Straucheln. Die Mutter holt erst Geschirr aus dem Schrank, reicht dann der Tochter Essen aus dem Kühkschrank und heißt sie, den Tisch zu decken. Besser fände ich es, wenn sie dem Kind das Geschirr reicht, mit dem Hinweis, den Tisch zu decken und danach das Essen aus dem Kühkschrank holt. Außerdem würde mir gefallen zu sehen, was genau sich hinter »Essen« verbirgt.

Dann sitzen wir da und schweigen. Mama sieht nach jedem Bissen auf die Uhr und schüttelt den Kopf. In letzter Zeit hat sie Ringe unter den Augen. Sie ist trotzdem schön. Ich wünsche mir, sie würde mich ansehen, aber wenn sie es dann tut, erschrecke ich mich. Weil mir dann immer kalt wird.

Abgesehen von den Wortwiederholungen eine intensiv geschriebene Szene.

Endlich schiebt sich der Schlüssel von außen ins Schloss – Papa! Ich renne in den Flur, will ihn umarmen.

Oh wie habe ich mich gefreut das zu lesen. Ich dachte, der Vater ist ihr »Verbündeter«, ihr Rettungsanker. Ich war mir sicher, jetzt wird sie von ihm umarmt und geherzt. Doch das ist nicht passiert. Schlimmer noch, sie wird übersehen, am Arm gepackt und ins Zimmer abgeschoben. So traurig. Die Szene hat es echt in sich. Man ist verdammt nah dran an der kleinen Protagonistin.

Aber Mama schiebt sich dazwischen.

„Dann bleib doch bei deinen scheiß Jungs!
„Ich bin dir scheißegal, oder?

Ich bin mir nicht sicher, habe nicht nachgeschlagen, schreibt man das mal auseinander mal zusammen?

Oh Mann, die Szene ist echt hart.


„Du bist genau wie dein Vater!“
Ich kenne meinen Opa nicht, also weiß ich auch nicht, ob Mama recht hat.

Das ist mir zu erklärend, zu wenig Kind. Selbst wenn sie ihren Opa kennen würde, wüsste sie nicht, ob Mama recht hat. Nicht in dem Alter.

In seinen Augenwinkeln waren viele kleine Falten. Wie bei einem Akkordeon. Ich habe mir damals vorgestellt, wie Papas Gesicht lustige Musik macht, wenn er glücklich ist. Jetzt ist das Akkordeon wohl kaputt.

Habe ich schon gesagt, wie sehr mir ihre Gedankenwelt gefällt?
Tolle Szene aus einer schöneren Zeit.

Ich stehe auf, lege die Hand auf die Türklinke und lausche. Will zu Mama gehen, ihr über die weichen blonden Haare streichen. Ein Taschentuch holen und damit die Tränen abtupfen. Plötzlich schreit sie auf und schlägt irgendetwas gegen die Tür. Ich stehe zwischen den Büchern, dem Schreibtisch und dem Bett, auf dem meine Kuscheltiere sitzen, und weiß nicht wohin.

Sehr eindrücklich

In letzter Zeit gehe ich aber eher allein. Also, nicht ganz – Herr Flauschi begleitet mich. Jetzt im Sommer ist es zwar viel zu heiß für Eisbären, aber er freut sich, wenn er das Bett mal verlassen darf.
Wenn keiner hinsieht, erzähle ich ihm von meinem Schultag.

Zehn ist sie also. Sie redet jünger und ich habe sie auf sieben oder acht geschätzt. Allerdings sind Handys schon ein Thema und sie kennt Schwanensee und liest viel in der Bücherei. Außerdem ist sie einsam und hat kaum Ansprache, was sie sicher jünger klingen lässt. Ja, zehn kann sie durchaus sein

Nach den Ferien ist es immer am schlimmsten. Camilla ist dann noch fieser zu mir als sonst. Diese blöde Angeberin. Wie sie mit neuen Klamotten prahlt oder Palmen im Urlaub oder ihrem Handy. Die Fotos, die sie herumzeigt, sind wunderschön. Aber Camilla ist eine gemeine Kuh. Sie wirft sich immer ihre braunen Locken über die Schulter und fragt mich: „Und du, was hast du in den Ferien gemacht?“ Dabei weiß sie es ganz genau.

Mir ist dieser Abschnitt zu lang. Würde ich kürzen und knapper zeigen, wie gemein Camilla ist.

Die Frau, die sich auskennt,

Das ist so kindgerecht ...

Wenn Mama und Papa nachher wiederkommen, sollen sie sehen, dass ich mir wirklich Mühe gegeben habe.

... und das so was von verkehrt.

Die Liste sollte doch alles wieder gut machen. Ich hebe das Blatt auf und streiche es glatt. Hole tief Luft.
„Dinge, die an mir schlecht sind: Erstens …“

Du hättest das unter »Horror« posten sollen.


Schließlich muss ich mich von unterwegs regelmäßig melden, um Mama und Papa zu sagen, dass es mir gut geht.

Mir fehlen die Worte!

Ja, liebe RinaWu. Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll zu diesen Szenen einer Ehe. Du hast jedenfalls den richtigen Ton getroffen. Bist immer dicht dran an deiner Karla. Eine Ehekrise aus der Sicht des Kindes zu erleben ist unheimlich bedrückend und geht an die Nerven. Das ist es, was du bei mir erreicht hast. Guter Text!

Liebe Grüße und viel Erfolg bei der Challenge!
Tintenfass


 

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