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Yin und Yang

Monster-WG
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18.06.2015
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Yin und Yang

Süßlicher Geruch dringt in meine Nase. Ich gieße Milch in eine Schale, säubere die Leber und lege sie hinein. Vorsichtig presse ich zwei Finger auf die glatte Oberfläche, ein wenig Blut tritt aus, dunkle Schlieren im reinen Weiß der Milch. Yin und Yang, hat Florian einmal gesagt und dabei meinen Nacken gestreichelt. Du und ich, wir ergänzen einander. Die Leber schneide ich in sechs gleich große Stücke und verteile sie auf zwei Tiefkühlbeutel. Ich ziehe die Nitril-Handschuhe aus, werfe sie zusammen mit Messer und Schneidebrett in einen Abfallsack, um den ich mich nach Einbruch der Dunkelheit kümmern werde. Ich schreibe 17. Mai 2020 auf die Beutel und gehe in den Keller, wo ich sie in die Kühltruhe lege. Danach setze ich mich ins Wohnzimmer, rauche eine Zigarette und lese in Kleists Kohlhaas. Welche Kraft steckt in diesem Mann, welch grenzenlose Entschlossenheit! Vieles Gewaltige lebt, aber nichts ist gewaltiger als der Mensch.
Stets in der letzten Reihe saß er, mein Florian. Manchmal kippte er mit dem Stuhl nach hinten gegen die Wand, verschränkte die Arme, stellte sich schlafend, während ich über Kafkas Leben sprach oder über die Unmöglichkeit, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben. Schon bald verlor ich die Geduld, rief laut seinen Namen, worauf er die Augen aufriss, lächelte und meinen Vortrag Wort für Wort wiedergab. Er solle damit aufhören, sagte ich am Abend, wenn wir uns in den Armen lagen. Sein Verhalten errege Verdacht. Ob das wirklich mein Problem sei, fragte er. Ob sein Verhalten nicht vielmehr mich errege, fragte er, schob die Hand unter das Laken und küsste mich auf den Mund.

Sechs Monate sind vergangen. Das Vorhängeschloss liegt schwer in meiner Hand. Ich stemme den Deckel der Gefriertruhe hoch, wische Eiskristalle von der Innenseite und blicke in das neblige Innere. Die Männer, die mit dem Transport beauftragt waren, haben meine Anweisungen missachtet. Kreuz und quer liegen die Frischhaltebeutel in der Truhe. Leise fluchend hebe ich einen nach dem anderen hoch, lese die Beschriftungen, lege die Beutel zurück, schichte sie auf, nach Datum geordnet. Eine halbe Stunde dauert das, meine Hände werden klamm vor Kälte. Zuletzt ziehe ich die beiden Beutel vom 17. Mai aus der Truhe, schiebe die Brille ins Haar, um die Angaben noch einmal zu prüfen. Ich lasse den Deckel zufallen, ziehe einen Filzstift aus der Hosentasche und mache die Daten unkenntlich. Für einen Augenblick lausche ich dem Brummen der Truhe, dann hänge ich das Schloss zurück an seinen Platz, lösche das Licht und gehe nach oben.
Als ich das Fleisch in den Kühlschrank legen will, steht Wolfgang in der Küche, im Morgenmantel, seine Füße stecken in Cordpantoffeln.
«Ich freue mich auf heute Abend», sagt er. «Was gibt es denn?»
Ich hebe die Beutel in die Höhe. «Kalbsleber. In Zwiebelsoße.»
Er faltet die Hände, seine Zungenspitze gleitet über die Unterlippe.
«Nur für uns zwei», sage ich. «Das ist doch okay?»
«Öhm.» Wolfgang reibt sich das Kinn.
«Ich möchte meinen Einzug gerne mit dir allein feiern.»
«Natürlich», sagt er nach einer Weile. «Wir können im Kaminzimmer essen, da sind wir ungestört.»

Am Abend stehe ich in der Küche und bereite die Leber zu. Sie glänzt wie eine feuchte Eichel. Ob ich Florian liebte, weiß ich nicht. Mein Körper war erfüllt von Begehren und das Begehren drang wie ein Pilz in jedes Gefühl, das es sonst noch in mir geben mochte, zersetzte es und verwandelte es zu einem Teil seiner selbst. Es erschöpfte sich nie. Es fraß und verleibte ein. Erfuhr es Widerstand, wurde es kalt und blank und schnitt durch meine Eingeweide. Keine Minute hielt ich das aus.
Die Zwiebeln treiben mir Tränen in die Augen. Ich stelle eine Pfanne auf die Herdplatte, drehe auf mittlere Stufe und lasse ein Stück Butter zergehen. Danach gebe ich die gehackten Zwiebeln in die Pfanne und, als sie glasig werden, auch die Leber. Der Dampfabzug surrt. An der Spüle wasche ich mir die Augen aus.
Florian war ein schwacher Mensch. Stets tat er, als wäre ihm egal, ob wir aufflogen oder nicht. Als aber der Tag kam, gab er uns auf, da hatte er den Brief noch in den Händen. Ich verurteile Sie nicht, stand darin geschrieben, ausgedruckt auf grauem Recyclingpapier. Solang er strebt, irrt der Mensch. Falls Sie aber Ihren Irrtum nicht eingestehen und die Beziehung zu Ihrem Schüler beenden, werde ich die Behörden einschalten.
«Hast du eine Ahnung?», fragte ich.
Florian schüttelte den Kopf. Er legte den Brief auf mein Bett. Er sagte: «Ich kann das nicht.»
Drei Wochen später begegnete ich ihm am Neumarkt. Florian wandte seinen Blick ab, sein neuer Begleiter grüßte freundlich. Betont freundlich, um mich zu verhöhnen.

Wolfgang sitzt im Kaminzimmer, mit durchgestrecktem Rücken, die Lesebrille hat er auf den Tisch gelegt. Er hat ein Hemd angezogen, gar ein Paar blankgeputzte Schuhe. Fein sieht er aus. Ich stelle die Schüssel auf den Tisch und hebe den Deckel. Dampf steigt hoch.
«Wie das riecht!», sagt Wolfgang, während ich Leber und Kartoffeln auf seinen Teller schöpfe, spießt ein Stück Fleisch auf und hält es vor sein Gesicht.
«Warte», sage ich. «Zunächst ein Foto.» Die Kamera habe ich auf meinen Stuhl gelegt. Ich nehme sie in die Hand und trete ein paar Schritte zurück, damit ich etwas Kontext ins Blickfeld bekomme, die Bücherregale, das Fenster im Hintergrund. Ich drücke ab. Dann sage ich zu Wolfgang, er solle sich die Gabel in den Mund stecken, langsam, ohne zu kauen. «Perfekt», sage ich und drücke noch einmal ab. «Absolut perfekt!»
Zwiebelsoße rinnt über sein Kinn, er wischt sie mit dem Handrücken weg und wünscht mir einen guten Appetit. Die ersten Stücke essen wir schweigend, dann blickt er auf einmal an mir vorbei in die Ferne. «Du», sagt er. «Ich will mich entschuldigen, dass ich deine Einladungen ...»
Ich winke ab. «Kein Problem. Du hattest bestimmt einiges um die Ohren.»
Er nickt, findet seine Sprache wieder, sagt, er habe das Haus nach dem Tod seiner Frau kaum verlassen.
«Verstehe», sage ich und setze ein Lächeln auf. Auch ich habe meine Wohnung kaum verlassen, seit Florian weg ist. Er war mein Nord und Ost, mein Süd und West. Ich sehe ihn vor mir, wie er aus der Dusche steigt, das Handtuch um die Hüften geschlungen, und den Kopf an meine Brust legt, das feuchte, duftende Haar. Ich sehe, wie er in Unterhosen auf dem Bett steht. Er ist angetrunken, hat Mühe, das Gleichgewicht zu halten, und zitiert T.S. Eliot aus dem Gedächtnis. Flieder aus der toten Erde, mischt Erinnerung mit Lust. Das Bild verschwimmt. Aus der toten Erde unserer Beziehung ist nichts gewachsen, da steckt bloß eine rostige Schaufel im Schlamm. Er ist mir genommen worden. Alles ist mir genommen worden.
«Wie ist es dir gegangen?», fragt Wolfgang. «Nach deiner Kündigung?»
«Gut. Sehr gut sogar.»
«Du warst im Ausland?»
«Nur kurz.»
«Was hast du gemacht? Geschrieben?»
«Gelesen.»
«Ach so. Was denn?»
«Forensische Linguistik. Sprachprofiling.»
«Interessant.» Wolfgang legt Messer und Gabel weg und zündet sich eine Zigarette an. Seine Hände zittern, alle Farbe ist aus dem Gesicht gewichen.
Ich frage, ob ich auch eine kriege. Dann sage ich: «Kleiner Scherz. Das war nicht nötig. Ich habe auch so herausgefunden, wer den Brief geschrieben hat.»
«Welchen Brief?», fragt er.
«Ach komm, Wolfgang. Ich bitte dich. Es irrt der Mensch, solang er strebt. So lautet der Satz richtig.»
«Ich weiß nicht, wovon du sprichst.»
«Irgendwie war mir, ich hätte das schon mal gelesen, dieses falsche Zitat. Also habe ich Protokolle studiert, Arbeitspapiere, Jahresberichte. Und dann finde ich auf einmal diesen Artikel über ein Theaterprojekt, den du geschrieben hast. Solang er strebt, irrt der Mensch
«Ich ...»
«Schon gut.» Ich puste Rauch gegen die Decke. «Ich bin dir nicht böse. Du hast getan, was du tun musstest, nicht?»
«Ich wollte euch schützen», sagt Wolfgang.
«Verstehe. Natürlich.» Wir schweigen und sehen uns in die Augen. Schließlich sage ich: «Schwamm drüber. Ich wollte bloß, dass du weißt, dass ich es weiß. Damit du dir keine Sorgen zu machen brauchst. Im Grunde hast du mir einen Gefallen getan.» Ich beuge mich vor und will meine Hand auf seine legen.
Er zieht die Hand zurück. «Da bin ich froh.»
«Wie geht es ihm?», frage ich.
«Wem?»
«Florian.»
«Gut. Denke ich. Ich habe seine Klasse abgegeben. Manchmal sehe ich ihn auf dem Flur.»

Ich trage das Geschirr in die Küche. Ein kleines Stück Fleisch liegt noch auf dem einen Teller. Mit der Fingerspitze picke ich es auf und stecke es mir in den Mund. Was für ein gelungener Abend! Wie lange es gedauert hat, wie geduldig ich sein musste. Ich denke an den Anfang zurück, an das Wochenende im Mai, an die Hütte am See, in die sich Wolfgangs Frau zurückgezogen hatte. An ihre weiße Haut, Yin und Yang. Wie die Flammen hochstiegen, nachdem ihr Körper mir gegeben hatte, was ich brauchte.
Wolfgang hilft beim Abwasch. Danach rauchen wir noch eine Zigarette. Ich bin zufrieden, dass jetzt alles gut ist zwischen ihm und mir. Dass wir uns ausgesprochen haben. Wir beide haben jemanden verloren, das schweißt zusammen. Später werde ich mich in die Dunkelkammer zurückziehen und die Fotos entwickeln. Das schönste will ich im Kaminzimmer aufhängen.

 

Guten Morgen @Peeperkorn

Hab vielen Dank für deinen Kommentar, der mich sehr gefreut hat. Du bist ja Expertin für Wortdoppelungen, da bin ich stolz, hast du mich nirgends erwischt. (Word repetition detector ist übrigens ein cooles Programm, da kann man frei einstellen, bei welchem Abstand eine Wortwiederholung angezeigt werden soll. Für diesen Text hab ich's aber nicht benutzt.

Gern geschehen.
Ja, irgendwie fallen die mir mega auf, wenn ich etwas lese :D
Den Word repetition detector kenn ich und finde den auch gut :thumbsup:
Na, das ist doch super, wenn Du keine Wiederholungen drin hast, obwohl Du ihn gar nicht benutzt hast. Kompliment!

Ja, ich schaue mal, wie sich die Sache entwickelt, ich denke, da könnte schon noch der eine oder andere Text daraus entstehen.

Ganz bestimmt :)

Ich arbeite grad an einer grösseren Sache, komme überhaupt nicht vorwärts, verliere mich in Recherche und Konzeptarbeit.

Das tut mir leid und ich wünsche Dir dafür viel Erfolg.

Aber die Monster-WG hat mir den Kick gegeben, endlich mal wieder etwas zu schreiben. Schön, wenn's gefällt. Und auch ich bin natürlich gespannt auf die WG-Texte meiner Mitbewohner.

Super :thumbsup:

Ich wünsche Dir einen schönen Tag und sende ganz liebe Grüße,
Silvita

 

Hey @MRG

Wenn das der Anfang eines Romans wäre, dann würde ich mir die Hände reiben und mich auf die weiteren Kapitel freuen.
Du bringst mich auf Ideen ... ;)
Ansonsten hatte ich am Ende das Gefühl, dass ich gerne irgendwann einmal so gut schreiben möchte, wie du es mir hier vorgemacht hast.
Besser. Du hast, wenn ich unser Alter vergleiche, 25 Jahre Zeit. :D Und die besten Voraussetzungen. Ich bereue und hadere nicht, aber manchmal denke ich, es wäre schon cool gewesen, hätte ich nicht erst zu schreiben begonnen, nachdem mir die ersten grauen Haare gewachsen sind. Insofern blicke ich stets ein bisschen neidisch, vor allem aber hoffnungsvoll auf die jungen Talente, die sich hier einfinden.

Hab vielen Dank für diesen netten Kommentar!

Hey @feurig

Ich glaube, das Jürgen selbst sein "Glucksen" nicht als glucksen wahrnimmt, auch wenn es eines ist. Da du in der ich-Perspektive unterwegs bist, finde ich es völlig legitim, auch in diesen Bezügen seine Wahrnehmung anders darzustellen, als sie vielleicht tatsächlich in der Außenwirkung ist (ich bin also pro Glucksen-Entfernung).
In einer Geschichte aus der Perspektive eines anderes Charakters könnte ein Glucksen die überlegene und intellektuelle Erscheinung, als die sich Jürgen sieht, gebrochen werden, was aus einer Außenperspektive sicher ein kluges Detail ist.
Das unterschreibe ich sofort.

Hey @Silvita

Das tut mir leid und ich wünsche Dir dafür viel Erfolg.
Danke dir!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Guten Morgen @Peeperkorn,

wollte mich kurz für deine Worte bedanken, das ist richtig ermutigend! Ich freue mich, dass es die Wortkrieger gibt.


Beste Grüße
MRG

 

Hallo @Peeperkorn,

für mich gehört zu Horror ja auch immer das Übernatürliche. Du hast dich für den realen Horror entschieden. Das ist etwas ganz anderes, als ich bei der Monster-WG erwartet hätte und ich muss zugeben mir fällt es etwas schwer, mich darauf einzulassen.

Gelesen habe ich die Geschichte schon vor Wochen. Genug Zeit also ein paar Gedanken dazu reifen zu lassen.

Ich finde die Geschichte etwas langweilig. Ich glaube, es liegt einfach an dem Thema Kannibalismus. Ich lese den Anfang, lese Horror und eine Leber und natürlich gehe ich davon aus, dass es sich dabei um ein menschliches Organ handelt.
In einer deiner Antworten hast du geschrieben, dass dir die Problematik bewusst ist und dass du versuchst damit zu spielen, WER denn da nun verspeist wird. Bei mir klappt das nicht so ganz, ich spüre die Verbindung zu Florian nicht so richtig und deswegen berührt es mich auch nicht wirklich, dass ich erst denke, er wird dort zerteilt.
Hört sich ja schrecklich herzlos an, wenn ich das so lese. :sconf:

Im Bereich Horror ist man im Kannibalismusbereich schon ziemlich abgehärtet und ich habe auch überlegt, wie das Problem lösen könnte. Ich glaube nicht, dass es die Lösung ist immer blutiger und skrupelloser zu werden. Das auf die emotionale Schiene zu bringen, ist wahrscheinlich der richtige Weg. Und die Auflösung, dass er dort einem Freund seine tote Frau serviert, das haut schon rein. Nur weiß Wolfgang es nicht. Wäre das nicht der eigentliche Horror?
Seinen Platz in der Monster-WG hätte Jürgen dann wohl verloren.

Du hängst alles an dem Nebenstrang mit Florian auf, der ja mit Horror nichts zu tun hat. Wie gesagt, der eigentliche Horror kommt dann, wenn die Geschichte schon vorbei ist.

Ich habe ehrlich gesagt keine wirklich Idee, wie man das lösen könnte. Vor allem in dem Konstrukt der Monter-WG, in der ja Jürgen weiterhin wohnen will. Warum eigentlich? Um den Rest der Frau noch zuzubereiten? Will er Kasulke irgendwann einweihen? Was ist sein Ziel? Oder erfreut er sich einfach an der Trauer von Kasulke und dabei zuzusehen, wer der seine Frau ist? Was ist, wenn das Fleisch alle ist? Geht Jürgen dann? Gesteht er Kasulke alles?

Sprachlich hast du ja schon Feedback bekommen und ich müsste suchen, um was zum Meckern zu finden. Also lassen wir es so. Hab ja schon genug gemeckert.

Weiß nicht, ob dir mein Kommentar bei diesem Text hilft. Zum Teil sind es einfach auch Gedanken, Überlegungen, was man aus diesem Text machen könnte, was ICH mit diesem Text machen würde. Aber das soll natürlich nicht heißen, dass das der richtige Weg für dich ist.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind

Weiß nicht, ob dir mein Kommentar bei diesem Text hilft.
Tut er nicht. Das ist in meinen Augen ein Totalverriss, der nicht einen Millimeter konstruktiv ist.
Zum Teil sind es einfach auch Gedanken, Überlegungen, was man aus diesem Text machen könnte, was ICH mit diesem Text machen würde.
Ich habe in deinem Kommentar keine solche Überlegungen gefunden.
ich müsste suchen, um was zum Meckern zu finden. Also lassen wir es so. Hab ja schon genug gemeckert.
Dieses kleine Wörtchen hat mich am meisten beschäftigt. Genug wofür?
für mich gehört zu Horror ja auch immer das Übernatürliche.
Ist kein definierendes Element. Ich verstehe da auch die Intention nicht. Später behandelst du den Text ja doch als Horror-Text.
Ich lese den Anfang, lese Horror und eine Leber und natürlich gehe ich davon aus, dass es sich dabei um ein menschliches Organ handelt.
Ehm ja. So war das gedacht.
Nur weiß Wolfgang es nicht. Wäre das nicht der eigentliche Horror?
Vielleicht für ihn, obwohl das dann der falsche Ausdruck wäre. Aber nicht für die Leser, finde ich.
Du hängst alles an dem Nebenstrang mit Florian auf, der ja mit Horror nichts zu tun hat.
Das ist kein Nebenstrang, hier wird das Motiv aufgerollt und – für mich der Kern des Textes – gezeigt, dass Jürgen ein Liebender ist, auf seine ganz eigene Weise.
ich spüre die Verbindung zu Florian nicht so richtig und deswegen berührt es mich auch nicht wirklich, dass ich erst denke, er wird dort zerteilt.
Ist es eine notwendige Bedingung für eine Horrorgeschichte, dass man die Opfer kennt und mag? Ich finde nicht.

Ich will dir keine Absichten unterstellen, Nichtgeburtstagskind, und daher spreche ich im Folgenden nur davon, welche Botschaft bei mir ankommt, und äussere keine Vermutung darüber, welche Botschaft du senden wolltest. Aber es ist so, dass das pauschale und vernichtendste aller Urteile ...

Ich finde die Geschichte etwas langweilig.
.... mit der "Begründung" ...
Ich glaube, es liegt einfach an dem Thema Kannibalismus.
... zusammen mit der Bemerkung ...
Das ist etwas ganz anderes, als ich bei der Monster-WG erwartet hätte und ich muss zugeben mir fällt es etwas schwer, mich darauf einzulassen.
... und den Fragen ...
Vor allem in dem Konstrukt der Monter-WG, in der ja Jürgen weiterhin wohnen will. Warum eigentlich? Um den Rest der Frau noch zuzubereiten? Will er Kasulke irgendwann einweihen? Was ist sein Ziel? Oder erfreut er sich einfach an der Trauer von Kasulke und dabei zuzusehen, wer der seine Frau ist? Was ist, wenn das Fleisch alle ist? Geht Jürgen dann? Gesteht er Kasulke alles?
... die sich leicht beantworten liessen, in der Gesamtheit aber suggerieren, dass es wohl unmöglich ist, eine weitere Geschichte über Jürgen zu schreiben, mir die Lust nehmen, mich weiter am Projekt zu beteiligen. Jürgen zieht also aus. Mit der Geschichte könnt ihr machen, was ihr wollt, ich hänge da nicht dran. Am liebsten wäre mir, wenn ihr sie löscht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Peeperkorn

Das ist in meinen Augen ein Totalverriss, der nicht einen Millimeter konstruktiv ist.
Ja, ein Verriss ist es wohl, aber sind die hier nicht auch erlaubt? Rein positive Rückmeldungen werden auf jeden Fall noch dankend angenommen.

Tut mir leid, dass du den Kommentar als nicht konstruktiv empfindest. Ich hatte eine bestimmte Erwartungshaltung und die wurde nicht erfüllt. Aber das soll ja nicht heißen, dass dein Text deswegen keine Daseinsberechtigung hat. Wenn ich mich damit abfinde, dass es keine übernatürlichen Fähigkeiten in dem Text gibt, dann fehlt mir aber immer noch der Spannungsaufbau und die Einbettung in die Monster-WG.

Ich habe in deinem Kommentar keine solche Überlegungen gefunden.
Ich habe die Problematik des Kannibalismus-Themas angesprochen und dass ich den Anfang deswegen unglücklich finde. Aber du hast Recht, ich habe nicht deutlich geschrieben: Ich würde einen anderen Anfang wählen. Überhaupt die Geschichte anders aufbauen. Für mich ist diese Liebesgeschichte kein Horror, und wie gesagt, der eigentliche Horror findet erst am Ende statt.

Natürlich ist es für den Autor nicht schön, wenn der komplette Aufbau kritisiert wird. Aber ganz ehrlich, ich mag deinen Schreibstil - was soll ich da groß kritisieren? Das heißt, entweder gefallen mir deine Texte sehr gut oder eben gar nicht. Und wenn sie mir nicht gefallen, liegt das zum einem natürlich am Inhalt, aber auch am Aufbau, an dem Umsetzen einer Idee.
Und da hast du mich einfach nicht abgeholt.

Wie dieser neue Aufbau aussehen könnte - stimmt - dazu habe ich keine Vorschläge gemacht.

Auch meine Fragen zur Monster-WG sollten dir helfen, meine Kritik zu verstehen. Denn auch hier zeigt sich, dass mich als Leserin hier hauptsächlich das danach interessiert, das heißt, wie entwickelt sich dieser Horror, der doch gerade erst beginnt. Wenn Wolfgang doch nie davon erfährt, dass er seine Frau isst ... für wen ist es dann der Horror, nur für den Leser? Eher Ekel und Entsetzen. Aber Horror lebt doch auch von der Spannung.
Und eben diese Spannung ist für mich nicht richtig gegeben, eben weil du den Leser denken lässt, dass dort Florian zerteilt wird, den man ja gar nicht richtig kennt. Der Typ ist schon tot, wird zubereitet, der Essende soll nichts davon erfahren. Was also macht die Spannung aus?

... die sich leicht beantworten liessen, in der Gesamtheit aber suggerieren, dass es wohl unmöglich ist, eine weitere Geschichte über Jürgen zu schreiben, mir die Lust nehmen, mich weiter am Projekt zu beteiligen.
Das verstehe ich nicht. Ich möchte nicht, dass Jürgen auszieht. Im Gegenteil. Meine Fragen sollten dabei helfen zu verstehen, wie du dir Jürgen in dieser WG vorstellst.

Ist es eine notwendige Bedingung für eine Horrorgeschichte, dass man die Opfer kennt und mag? Ich finde nicht.
Ich finde schon. Sonst ist es nur ein Splatter. Erst die Emotionen machen den Horror aus.

Dieses kleine Wörtchen hat mich am meisten beschäftigt. Genug wofür?
"Genug" im Sinne von: Wenn du dich entschließt am "Groben" zu arbeiten, macht es keinen Sinn noch textliche Anmerkungen zu machen. Wäre in im Falle einer Löschung wohl auch vergebens gewesen.

Es tut mir leid, dass dich mein Kommentar so verärgert hat. Das ist wirklich nicht der Grund, warum ich einen Kommentar schreibe. Ich wollte die Texte der Monster-WG kommentieren und deinen nicht ausschließen, nur weil er mir nicht gefallen hat. Und ganz bestimmt schreibe ich den Kommentar nicht mit dem Ziel, dass der Text gelöscht wird. Ich hatte gehofft, dass meine Kritik zum Aufbau und der Monster-WG dazu führen, dass du dich nochmal mit Jürgen und dem Projekt auseinander setzt. Ich verstehe auch nicht, warum du nach meiner negativen Kritik, auf der anderen Seite aber so vielen positiven Rückmeldungen, nicht mehr an deinen Text glaubst.

Vielleicht ist aber auch das das Problem:

Mit der Geschichte könnt ihr machen, was ihr wollt, ich hänge da nicht dran.

Liebe Grüße,
NGK

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Nichtgeburtstagskind

Ja, ein Verriss ist es wohl, aber sind die hier nicht auch erlaubt? Rein positive Rückmeldungen werden auf jeden Fall noch dankend angenommen.
Habe ja nicht behauptet, das sei nicht erlaubt. Du hast implizit die Frage gestellt, ob mir dein Kommentar weiterhilft, und ich habe dazu Stellung genommen.
fehlt mir aber immer noch der Spannungsaufbau und die Einbettung in die Monster-WG.
Ich würde einen anderen Anfang wählen. Überhaupt die Geschichte anders aufbauen. Für mich ist diese Liebesgeschichte kein Horror, und wie gesagt, der eigentliche Horror findet erst am Ende statt.
Das läuft in meinen Augen noch immer darauf hinaus, dass ich deiner Meinung nach besser eine andere Geschichte geschrieben hätte. Ich sehe auch nicht, inwiefern die Geschichte nicht eingebettet sein soll. Ausser eben, dass nichts Übernatürliches geschieht. Ist vielleicht auch so ein grundsätzliches Probem. Ich finde nämlich nicht, dass ein Text dann eingebettet ist, wenn in diesem oder jenem Nebensatz möglichst viele der anderen Figuren erwähnt werden, obwohl das gar nicht zur Geschichte beiträgt. Insofern war das in meinen Augen nur mal ein Einstieg. In welchem Verhältnis steht Jürgen zu Kasulke? Mehr nicht. In weiteren Geschichten hätte ich versucht, Beziehungen zu anderen Figuren herzustellen, und habe hier daher auf blosse Erwähnungen verzichtet. Ich befürchte aber, dass ich mit meiner Sichtweise alleine dastehe.
Und ich glaube tatsächlich, dass die Sache mit der WG besser funktioniert, wenn alle Protagonisten übernatürliche Kräfte haben. Ja, das ist wohl der Grund. Wenn ich das Gefühl habe, eine Geschichte so schreiben zu müssen, dass sie zum eigentlichen Geist des Projekts passt, vergeht mir die Lust. Ich habe das wohl einfach falsch eingeschätzt zu Beginn. Sorry. Ich glaube, es ist nie gut, sich an bestimmte Erwartungen anzupassen. Gleichzeitig bin ich nicht der Typ, der das jetzt einfach durchzieht, egal, ob es zum Projekt passt oder nicht.
Es tut mir leid, dass dich mein Kommentar so verärgert hat.
Keine Sache. Ich hab mich nicht wirklich geärgert, ich fühle mich bloss nicht mehr wohl in dieser Sache. Tut mir leid, dass ich so harsch reagiert habe. An den Text glaube ich natürlich weiterhin, aber nicht in diesem Rahmen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hi @Peeperkorn ,

In welchem Verhältnis steht Jürgen zu Kasulke? Mehr nicht. In weiteren Geschichten hätte ich versucht, Beziehungen zu anderen Figuren herzustellen, und habe hier daher auf blosse Erwähnungen verzichtet. Ich befürchte aber, dass ich mit meiner Sichtweise alleine dastehe.
Nein, tust du nicht.

Und ich glaube tatsächlich, dass die Sache mit der WG besser funktioniert, wenn alle Protagonisten übernatürliche Kräfte haben.
Warum? Weil dann die Erwartungshaltung bei jeder Geschichte gleich sein kann? Muss sie das denn? Wäre sie das überhaupt? Ein Waldschrat ist ein völlig anderes "Monster" als es ein Vampir ist. Ein Medium hat übernatürliche Fähigkeiten, aber ich habe nicht vor, Elsa zum Monster auszubauen. Sie ist wegen den Monstern da, Jürgen ist wegen Kasulke da. In Moepis Kurzgeschichte ist die einzige übernatürliche Komponente, dass Moepi eine Vampirin ist. Sicher, Moepis Geschichte hat ein paar kritischere Kommentare abbekommen, aber jetzt mal im Ernst, wir rückeln uns doch hier erst noch zurecht.
Was funktioniert, werden wir zusammen lernen und sicher nicht - bevor es richtig angefangen hat - erörtern können.
Es ist ein neues Projekt, jede Beteiligung ist eine Bereicherung und jede Figur, ob übernatürliches oder ganz menschliches Monster, oder einfach nur jemand mit übernatürlichen Sinnen wird dort einen Platz finden.
In meiner LARP-Gruppe sind ingame Elfen verpönt. Das sind die Nicht-Alkohol-Trinker mit zu weichem Kopf und zu viel Liebe zu Bäumen. Und mitten unter uns war ein Elf. Er hat lediglich seine Ohren unter einem Kopftuch versteckt. Sehr konsequent, sehr unauffällig. Hat fünf Jahre gedauert, bis es rauskam. Hätte er das jemand davor aus der Gruppe - rein inoffiziell - gesagt, bzw. seine Pläne erläutert, hätte er die Antwort bekommen, dass das nie funktionieren wird. Hat es aber.

Wenn ich das Gefühl habe, eine Geschichte so schreiben zu müssen, dass sie zum eigentlichen Geist des Projekts passt, vergeht mir die Lust.
Das würde jedem so gehen.

Viele Grüße
Feurig

 

Ich würde ja auch nette Worte schreiben, aber @feurig bringt es auf den Punkt, und nettere fallen mir nicht ein. Unterschreibe ich so.

 

Hallo miteinander,

ich möchte ein paar generelle Sachen zur Monster-WG loswerden, bevor wir uns missverstehen: Wir haben wahrscheinlich alle (leicht) unterschiedliche Vorstellungen davon, was dieses Projekt ausmacht, und so sind die ersten drei Geschichten doch alle schon sehr unterschiedlich. Das ist doch schön! Feiert das doch bitte! Ich feier das zumindest. :)

Ich finde nämlich nicht, dass ein Text dann eingebettet ist, wenn in diesem oder jenem Nebensatz möglichst viele der anderen Figuren erwähnt werden, obwohl das gar nicht zur Geschichte beiträgt.

Ich sehe das genauso. Jede Monster-WG-Kurzgeschichte muss eine abgeschlossene Kurzgeschichte sein, und im Zentrum steht die Figur, die der:die Autor:in für die WG erschaffen hat. Das ist die einzige Regel. Andere Figuren müssen nicht erwähnt werden. Querverweise sind schön und gut, aber nicht notwendig. Manchmal können übermäßige Querverweise einer Geschichte schaden, wenn sie in der Handlung nichts zu suchen haben. Das ist immer noch eine Kurzgeschichte, die nach diesen Maßstäben betrachtet werden sollte.

Ich befürchte aber, dass ich mit meiner Sichtweise alleine dastehe.

Du bist nicht allein. Ich finde die Vielfalt gut, und ich finde wichtig, dass ihr alle einen möglichst großen Gestaltungsspielraum habt. Wir sind hier, um kreativ zu sein und gute Geschichten zu schreiben. Ich stimme da auch @feurig komplett zu.

Und ich glaube tatsächlich, dass die Sache mit der WG besser funktioniert, wenn alle Protagonisten übernatürliche Kräfte haben.

Wie "gut das funktioniert", kann ich nicht sagen, schließlich haben wir gerade erst angefangen. Aber Deine Figur ist hier willkommen. Übernatürliche Kräfte sind nicht notwendig. Manche Leser:innen erwarten das vielleicht, aber so ist es ja immer: Manchmal passt die Erwartungshaltung nicht zur Geschichte. ;)

Autor:innen in der Monster-WG sollen sich bitte nicht so fühlen, als würde ihnen ein enges Korsett angelegt werden. Wenn ihr euch einmal so fühlen solltet, dann meldet euch bitte bei eurem Mod-Team, und wir gucken, was gerade in die falschen Bahnen läuft. ;) Ich hoffe, dass in der Monster-WG coole Geschichten entstehen. That's it.

Cheers,
Teddy

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, der kleine Ausraster meinerseits und ein wenig WG-Zoff haben vielleicht ganz gut getan, um sich da nochmals zu verständigen - rede ich mir zumindest ein. Danke euch, @feurig, @Meuvind , @TeddyMaria und auch dir, @Nichtgeburtstagskind, für die PM. Eine Nachbarin hat kürzlich ihrem Freund gegenüber lautstark - ich stand zufällig im Flur - den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung angekündigt. Sie wohnt noch immer hier. Mal schauen.

Wenn ihr euch einmal so fühlen solltet, dann meldet euch bitte bei eurem Mod-Team, und wir gucken, was gerade in die falschen Bahnen läuft.
Das wäre allerdings der vernünftigere Weg.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Ich habe eigentlich gar keine Zeit, irgendetwas zu schreiben, weil ich bis übermorgen noch 300 Seiten beruflichen Nonsens durchgehen muss, deswegen nur soviel: Ich persönlich finde Jürgen als menschlichen Fiesling mit persönlicher Fehde mit Kasulke zwischen all den Übernatürlichen extrem spannend. Insofern würde ich es wirklich bedauern, wenn er jetzt schon wieder auszöge... Da ist noch soviel potenzielles Drama, Baby! Das wäre ein echter Verlust.
So jetzt wieder an die Arbeit.

LG svg

 

Lieber @Peeperkorn,

ich hab deine Geschichte schon vor Wochen gelesen und bin beim Kommentieren nicht aus dem Quark gekommen. Ich kann nur sagen, dass mich reale, monströse Verhaltensweisen oft viel stärker erschrecken als irgendein ritsch-ratsch-klick-Splatter. Und da legt dein Jürgen ganz schön vor mit seinem perfiden Rachefeldzug, Das ist schon sehr gruselig und klar, final das Foto mit der Gabel im Mund über den Kamin hängen ... echt spooky.
Zu dem aktuellen Diskurs: Ich hatte keine Probleme mit meiner Erwartungshaltung, da ich keine habe. Das Einzige, was für mich zählt, ist, ob die Geschichte eine ist, ob sie mich berührt, mitnimmt, als Leser catcht. Und dazu braucht es eine gewisse Dichte und Qualität, die deine Geschichten für mich bislang immer erreichten. Der Kontext ist mir relativ wurscht.
Für mich sind die Stories aus der Monster-WG so vielfältig, wie die im übrigen Forum. Niemand schreibt so wie jemand anderes, keine Geschichte wird auf Kriterien hin getrimmt (von den Mindeststandards mal abgesehen) und das ist gut so, denn gerade dieser Pluralismus macht mein Leben bunt und lebhaft. Also: Ausziehen verboten, lieber Jürgen, du wirst gebraucht!

Noch zwei Kleinigkeiten, über die ich gestolpert bin (weil ich so ein Pingel bin):

Ich ziehe das äußere Paar Nitril-Handschuhe aus, werfe es zusammen mit Messer und Schneidebrett in einen Abfallsack
Ich halte es für fast unmöglich, zwei Paar dieser Art Handschuhe übereinander zu ziehen. Was hingegen geht (aus eigener Erfahrung): Erst hauchdünne Latex-Handschuhe anziehen und darüber die Nitril-Handschuhe.

Ich stelle eine Pfanne auf die Herdplatte, drehe auf die höchste Stufe und lasse ein Stück Butter zergehen.
Wenn du Butter auf höchster Stufe erhitzt, verbrennen Milchzucker und Eiweiß darin und sie wird braun. Also entweder bei mittlerer Hitze braten, oder gleich Öl nehmen, oder geklärte Butter.

Gerne gelesen, peace, linktofink

 

Lieber @Peeperkorn,

zu Eurem WG-Knatsch sage ich mal nichts, bin aber froh, dass wohl doch mehr Toleranz gelebt wird als zwischendurch vermutet. Ich hatte nämlich auch kurz damit geliebäugelt, einen Charakter für die WG zu erschaffen, aber meine erste Idee war ebenfalls nicht-magischer Natur und ich hatte mich daher erst einmal nicht weiter damit beschäftigt, sondern wollte abwarten, wie sich hier die Dinge entwickeln.

Jetzt zum Text.

Dein Jürgen gefällt mir, aber ich weiß nicht, ob ich einer Einladung zum Essen folgen würde.

Global gefällt mir das Tempo, das angenehm ruhig gewählt ist, und handwerklich finde ich sehr spannend, wie Du im Präsens das Problem von Zeitsprüngen gelöst hast.

Für mich stellt sich allerdings die Frage, was Jürgen an Florian so schätzt (außer der körperlichen Komponente).

Es gibt diese Stelle, wo Jürgen ausführt:

Er war mein Nord und Ost, mein Süd und West.

Florian richtet ihn also aus, gibt ihm Halt, ist seine Welt. Aber wodurch? Wo er doch so schwach ist?

Das ist natürlich nur ein Nebenaspekt, denn es geht ja letztlich nur um die Symmetrie des Verlusts (so sehe ich Florins Rolle zumindest), aber für mich passt das nicht ganz zusammen.

Ein wenig Detailarbeit:

Ich gieße Milch in eine Schale, säubere die Leber und lege sie hinein. Süßlicher Geruch dringt in meine Nase. Vorsichtig presse ich zwei Finger auf die glatte Oberfläche, ein wenig Blut tritt aus, dunkle Schlieren im reinen Weiß der Milch. Yin und Yang, hat Florian einmal gesagt und dabei meinen Nacken gestreichelt. Du und ich, wir ergänzen einander. Das Fleisch schneide ich in sechs gleich große Stücke und verteile es auf zwei Tiefkühlbeutel. Ich ziehe das äußere Paar Nitril-Handschuhe aus, werfe es zusammen mit Messer und Schneidebrett in einen Abfallsack, um den ich mich nach Einbruch der Dunkelheit kümmern werde. Ich schreibe 17. Mai 2020 auf die Beutel und gehe in den Keller, wo ich sie in die Kühltruhe lege. Danach setze ich mich ins Wohnzimmer, rauche eine Zigarette und lese in Kleists Kohlhaas. Welche Kraft steckt in diesem Mann, welch grenzenlose Entschlossenheit! Vieles Gewaltige lebt, aber nichts ist gewaltiger als der Mensch.

Aus irgendeinem Grund fände ich es besser, wenn der zweite Satz der erste wäre. Es ist vielleicht nicht sonderlich geschickt, mit einem Geruch anzufangen. Andererseits macht einen das auch neugierig. Ich glaube, dass damit auch der Bezug leichter herzustellen, auf welche Oberfläche die zwei Finger im dritten Satz gepresst werden.

Der Satz "Das Fleisch ..." hat mich ein wenig stolpern lassen, denn man fragt sich, um welches Fleisch es sich handelt. Erst dachte ich an die Leber, aber die liegt ja in der Milch. Ich dachte, dass es das Fleisch ist, welches zur Leber gehört.

Dann gibt es diese Wortwiederholung "ich mich". Ich weiß nicht, wie Dir es geht. Aber jedes mal, wenn ich in der Ich-Perspektive schreibe, treibt mich diese Kombination zum Wahnsinn. Vielleicht ist das auch nur mein Spleen.

Überhaupt finde ich diese Häufung kurzer Wörter "um den ich mich nach" unschön.

Wie wäre es z. B. mit "den ich nach Einbruch der Dunkelheit entsorgen werde."

Zuletzt ziehe ich die beiden Beutel vom 17. Mai aus der Truhe, schiebe die Brille ins Haar, um die Angaben noch einmal zu prüfen.

Man sollte meine, dass er die Brille aufsetzt - wegen Alterssichtigkeit. Wenn man kurzsichtig ist und Alterssichtigkeit hat, dann nimmt man auch mal die Brille ab, um etwas zu lesen. Aber welcher Leser, außer den kurzsichtigen mit Altersweitsichtigkeit, weiß das schon (gut, Optiker und Augenärzte auch noch)?

Danach gebe ich die gehackten Zwiebeln in die Pfanne und, als sie weich werden, auch die Leber.

Ich hätte eher "glasig" erwartet. Das Weichwerden sieht man nicht oder prüft er die Konsistenz? Das fände ich ungewöhnlich und Konsistenzprüfung kenne ich eher vom Steakbraten.

«Wie das riecht!», sagt Wolfgang, während ich Leber und Kartoffeln auf seinen Teller schöpfe, spießt ein Stück Fleisch auf und hält es sich vor das Gesicht.

Hier ist auch wieder so eine Häufung kurzer Wörter. Vielleicht "hält es vor sein Gesicht"?

«Schwamm drüber. Ich wollte bloß, dass du weißt, dass ich es weiß. Damit du dir keine Sorgen zu machen brauchst. Im Grunde hast du mir einen Gefallen getan.» Ich beuge mich vor und will meine Hand auf seine legen.

Sagt Jürgen wirklich "Schwamm drüber"? Ich finde, das passt so gar nicht zu ihm.

Und dann will er seine Hand auf Wolfgangs legen. Das hatte für mich beim ersten Lesen eine "erotische Komponente". Ich kann Dir aber nicht sagen warum. Mich hat das jedenfalls irritiert und aufhorchen lassen.

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Und ich hoffe sehr, dass Jürgen in der WG bleibt.

Lieber Gruß
Geschichtenwerker

 

Hey @svg

Danke fürs Reinrufen und vor allem für die Zeit, die du dir genommen hast. Die Koffer stehen blöd rum. Die kann man ja auch wieder auspacken.

weil ich bis übermorgen noch 300 Seiten beruflichen Nonsens durchgehen muss, deswegen nur soviel:
Ach du meine Güte! Wünsche dir Adleraugen, die völlig entspannt sind und doch alles sehen. Und hier: :kaffee:

Hey @linktofink

Hab vielen Dank für deinen Kommentar! Cool, dass dir Geschichte und Pointe gefallen haben.

Ich kann nur sagen, dass mich reale, monströse Verhaltensweisen oft viel stärker erschrecken als irgendein ritsch-ratsch-klick-Splatter.
Geht mir ähnlich.
Ich halte es für fast unmöglich, zwei Paar dieser Art Handschuhe übereinander zu ziehen. Was hingegen geht (aus eigener Erfahrung): Erst hauchdünne Latex-Handschuhe anziehen und darüber die Nitril-Handschuhe.
Ja, jetzt habe ich das endlich geändert, da wurde auch schon mehrfach gefragt, weshalb überhaupt. Jetzt ist er halt ein wenig schlampig, der Jürgen, und benutzt nur ein Paar. Danke für den Hinweis. Ist auch ein Hinweis darauf, dass Google zwar ein guter Freund des Autors ist, aber nicht sein bester. Eigene Erfahrung lässt sich nicht immer ersetzen.
Wenn du Butter auf höchster Stufe erhitzt, verbrennen Milchzucker und Eiweiß darin und sie wird braun. Also entweder bei mittlerer Hitze braten, oder gleich Öl nehmen, oder geklärte Butter.
Was mir auf meinem Weg zum Literaturnobelpreis - nebst einem gravierenden Mangel an Realitätssinn und Bescheidenheit - am meisten im Weg steht, ist meine Ungeduld. Dass sich diese jetzt auch noch in den Texten manifestiert, ist erschütternd. Ich habe auf mittlere Stufe gestellt, im Text und auch sonst im Leben.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Was mir auf meinem Weg zum Literaturnobelpreis - nebst einem gravierenden Mangel an Realitätssinn und Bescheidenheit - am meisten im Weg steht, ist meine Ungeduld. Dass sich diese jetzt auch noch in den Texten manifestiert, ist erschütternd. Ich habe auf mittlere Stufe gestellt, im Text und auch sonst im Leben.
Hört sich nach ´nem Plan an, lieber @Peeperkorn, nie mehr als 170° :D.

 

Hey @Geschichtenwerker

Sehr schöner Kommentar, hab vielen Dank!

Für mich stellt sich allerdings die Frage, was Jürgen an Florian so schätzt (außer der körperlichen Komponente).
Es gibt diese Stelle, wo Jürgen ausführt:
Er war mein Nord und Ost, mein Süd und West.
Florian richtet ihn also aus, gibt ihm Halt, ist seine Welt. Aber wodurch? Wo er doch so schwach ist?
Ja, da habe ich mir tatsächlich etwas dazu gedacht: Im Text kommen ja einige Zitate vor, nicht nur im Brief. Das fand ich ein hübsches Nebenthema. Und es hilft auch, Jürgen zu charakterisieren, denn wenn er über die Beziehung zu Florian in seinen eigenen Worten spricht, geht es nur um Körper und Begehren. Die von dir zitierte Stelle stammt hingegen aus einem Gedicht von W.H. Auden. Das ist bloss nachgesprochen. Damit wollte ich eine Kluft auftun zwischen dem, was er Jürgen über sich und seine Beziehung denkt und dem, was da wahrscheinlich tastsächlich vorhanden war - eben nur die körperliche Anziehung. Florian war ein Spielzeug, das ihm Kasulke weggenommen hat. Das wollte ich subtil rüberbringen, vielleicht zu subtil. Daher erfahren wir auch relativ wenig über Florian, das war schon bewusst so gedacht.
Aus irgendeinem Grund fände ich es besser, wenn der zweite Satz der erste wäre. Es ist vielleicht nicht sonderlich geschickt, mit einem Geruch anzufangen. Andererseits macht einen das auch neugierig. Ich glaube, dass damit auch der Bezug leichter herzustellen, auf welche Oberfläche die zwei Finger im dritten Satz gepresst werden.
Von wegen subtil. Ja, das hat mich überzeugt und ich habe das entsprechend umgestellt.
Der Satz "Das Fleisch ..." hat mich ein wenig stolpern lassen, denn man fragt sich, um welches Fleisch es sich handelt. Erst dachte ich an die Leber, aber die liegt ja in der Milch. Ich dachte, dass es das Fleisch ist, welches zur Leber gehört.
Habe durch "Leber" ersetzt.
Dann gibt es diese Wortwiederholung "ich mich". Ich weiß nicht, wie Dir es geht. Aber jedes mal, wenn ich in der Ich-Perspektive schreibe, treibt mich diese Kombination zum Wahnsinn. Vielleicht ist das auch nur mein Spleen.
Ja, dieses Spleens, die hemmen ungemein. Ein reflexives Verb pro Satz geht immer, finde ich, Widerstände entwickle ich erst bei zwei und mehr.
Man sollte meine, dass er die Brille aufsetzt - wegen Alterssichtigkeit. Wenn man kurzsichtig ist und Alterssichtigkeit hat, dann nimmt man auch mal die Brille ab, um etwas zu lesen. Aber welcher Leser, außer den kurzsichtigen mit Altersweitsichtigkeit, weiß das schon (gut, Optiker und Augenärzte auch noch)?
Ich finde die Geste ziemlich verbreitet, zumindest in meinem Umfeld. Ist das wirklich so selten, Altersweitsichtigkeit bei Kurzsichtigen?
Ich hätte eher "glasig" erwartet. Das Weichwerden sieht man nicht oder prüft er die Konsistenz? Das fände ich ungewöhnlich und Konsistenzprüfung kenne ich eher vom Steakbraten.
Done.
Hier ist auch wieder so eine Häufung kurzer Wörter. Vielleicht "hält es vor sein Gesicht"?
Done.
Und dann will er seine Hand auf Wolfgangs legen. Das hatte für mich beim ersten Lesen eine "erotische Komponente". Ich kann Dir aber nicht sagen warum. Mich hat das jedenfalls irritiert und aufhorchen lassen.
Ja, das hat mich auch zusammenzucken lassen, als es plötzlich auf dem Bildschirm flimmerte. Ich fand's aber irritierend auf eine gute Weise, also habe ich es stehen lassen.
Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Und ich hoffe sehr, dass Jürgen in der WG bleibt.
Danke dir!

Lieber Gruss, ich wünsche dir ein fantastisches 2021!
Peeperkorn

 

Lieber Peeperkorn,

ich habe deine Geschichte direkt nach dem Posten gelesen, die Kommentare und Änderungen gesehen, immer wieder mit einem eigenen Kommentar angefangen, es aber irgendwie nie zu Ende geschafft.
Nun, wo wieder etwas Leben in die Monster-WG gezogen ist, möchte ich die Chance nutzen, endlich mal die anderen Geschichten zu kommentieren.

Aber viel anzumerken habe ich gar nicht.
Wahrscheinlich wurde schon alles gesagt; ich habe die Kommentare jetzt nicht noch mal gelesen.

Ich denke aber, eine Frage hat sich noch keiner gestellt:

Die Männer, die mit dem Transport beauftragt waren, haben meine Anweisungen missachtet. Kreuz und quer liegen die Frischhaltebeutel in der Truhe.
Hier frage ich mich: Wenn mir die Truhe bzw. der Inhalt doch so wichtig ist, würde ich sie doch nie aus den Augen verlieren, wenn die Möbelpacker sie bewegen. Dann hätte auch nichts durcheinander gewirbelt werden können.

und bereite die Leber zu.
Florian war ein schwacher Mensch.
Klar, ganz klassisch den Leser auf die falsche Fährte gesetzt.
Sehr gut gemacht.

«Florian.»
«Gut. Denke ich. Ich habe seine Klasse abgegeben. Manchmal sehe ich ihn auf dem Flur.»
Und da die Auflösung.
Sofort stellt sich der Leser die Frage, wessen Leber es ist.
Du hast auch keinen Hinweis gegeben, Wolfgangs Frau gar nicht erwähnt.
Ein klitzekleiner Hinweis hätte mir besser gefallen.

Ein sehr guter Text.
Für mich war es auch schön, "meinen Kasulke" in Action zu sehen.

Ist dir gelungen.

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 

Lieber @Peeperkorn , damit wir Dich nicht zweimal stören (ich gehe nämlich davon aus, dass Du sehr fleißig bist) hänge ich mich hier gleichmal dran. Ich hasse es unkonstruktive Kommentare zu schreiben, aber für mich ist Deine Geschichte perfekt.

Den Kleinkram habt ihr in Teamwork längst aufgeräumt, den Schwierigkeitsgrad einer eigenständigen Geschichte hier habe ich erst nach dem Schreiben meines erste Beitrages kapiert und von Deinen Schreibkünsten lerne ich immer dazu. In diesem Falle nochmal Spannungsaufbau und Finte einbauen.

Ich bin zufrieden, dass jetzt alles gut ist zwischen ihm und mir. Dass wir uns ausgesprochen haben. Wir beide haben jemanden verloren, das schweißt zusammen.
Sonst habe ich immer ganz schnell ein, zwei Lieblingsstelle, meist aus Sicht der Sprache. Das ist hier nicht der Fall, Du schreibst einfach durchgängig routiniert und rund.
Aber den zitierten Teil fand ich unglaublich gruselig, da öffnen sich für mich Abgründe - dieser so "normale" Ansatz, diese Abgeklärtheit in Verbindung mit dem begangenen Verbrechen und Kannibalismus - super gemacht - für mich ist er ein wahres Monster, aber das stand eh nicht zur Diskussion.

Danke für die spannende Geschichte
witch

 

Hey @GoMusic

Danke für den netten Besuch, hat mich gefreut!

Hier frage ich mich: Wenn mir die Truhe bzw. der Inhalt doch so wichtig ist, würde ich sie doch nie aus den Augen verlieren, wenn die Möbelpacker sie bewegen. Dann hätte auch nichts durcheinander gewirbelt werden können.
Guter Punkt. Ich habe mir das so vorgestellt, dass er durchaus neben den Möbelpackern steht und ihnen Anweisungen gibt, während sie die Truhe transportieren. Und diese Anweisungen haben sie eben missachtet. Muss ich mir noch überlegen, ob ich explizit erwähnen soll, dass Jürgen beim Transport dabei war.
Du hast auch keinen Hinweis gegeben, Wolfgangs Frau gar nicht erwähnt. Ein klitzekleiner Hinweis hätte mir besser gefallen.
Doch, doch, schau hier:
Er nickt, findet seine Sprache wieder, sagt, er habe das Haus nach dem Tod seiner Frau kaum verlassen.
Das ist ungefähr nach der Hälfte des Textes. Weiter oben wollte ich nicht, weil der Leser dann zu früh seine Schlüsse ziehen könnte, weiter unten, da hast du recht, wäre es ein Kaninchen aus dem Hut.
Ein sehr guter Text.
Für mich war es auch schön, "meinen Kasulke" in Action zu sehen.
Danke dir!


Liebe @greenwitch

Auch dir herzlichen Dank für den Besuch!

damit wir Dich nicht zweimal stören (ich gehe nämlich davon aus, dass Du sehr fleißig bist) hänge ich mich hier gleichmal dran.
Als ob mich ein Kommentar jemals stören könnte. Du hast aus meiner momentanen Inaktivität Schlüsse gezogen, die nicht völlig falsch sind. Ich bin zwar ein ganzes Stück davon entfernt, die Kriterien zu erfüllen, die ich mit "sehr fleissig" in Verbindung bringe. Aber ja, ich schreibe fast jeden Tag ein paar (wenige) Stunden. Ansonsten lese ich mich quer durch die Amerikanische Literatur. Gehört ja auch dazu.
Ich hasse es unkonstruktive Kommentare zu schreiben, aber für mich ist Deine Geschichte perfekt.
Danke dir! Emotional durchaus konstruktiv, so was. :)
Ich bin zufrieden, dass jetzt alles gut ist zwischen ihm und mir. Dass wir uns ausgesprochen haben. Wir beide haben jemanden verloren, das schweißt zusammen.
Sonst habe ich immer ganz schnell ein, zwei Lieblingsstelle, meist aus Sicht der Sprache. Das ist hier nicht der Fall, Du schreibst einfach durchgängig routiniert und rund.
Aber den zitierten Teil fand ich unglaublich gruselig, da öffnen sich für mich Abgründe -
Die Stelle hat mir beim Schreiben auch am besten gefallen. Kommt selten vor, dass ich mich überrasche, aber das fand ich ebenfalls ziemlich abgründig, als es auf dem Bildschirm flimmerte. Freut mich, dass es dir gefallen hat!

Vielen Dank fürs Reinschauen!

Lieber Gruss euch beiden
Peeperkorn

 

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