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Serie Zeit des Wandels - Bölthorn

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21.03.2007
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Zeit des Wandels - Bölthorn

Ginaya zog unwillkürlich ihren erdfarbenen Überwurf etwas enger um die Schultern. Fröstelnd stand die junge Frau vor ihrer kleinen Hütte und starrte in die Dunkelheit der Nacht. Während des erwachenden Frühlings siegte das edle Schwarz frühzeitig über den wärmenden Boten des Lichts.
Die majestätische blutrote Mondscheibe hatte sich hoch über die Giebel der Hütten erhoben, verfolgt von ihrem weißgelb leuchtenden kleinen Bruder. Unantastbar thronte das ungleiche Geschwisterpaar am schwarzen Himmel.
Langsam aber sicher zog ein schneidender Wind auf. Er gestaltete das Warten für Ginaya noch unerträglicher. Gedankenverloren betrachtete sie die kleine Laterne, die an einem Haken vor der Hauswand hing. Roban hatte das kleine Kunstwerk selbst gefertigt. Das Gehäuse bestand aus Metall, während die Wände aus dünn geschabten Hornplatten waren. Sie ließen einen gedämpften, angenehmen Lichtschein nach außen dringen.
Energisch rieb sie ihre Handflächen aneinander, um ihren unterkühlten Fingern etwas Wärme zu schenken. Schließlich schaute sie noch einmal die lange Dorfstraße hinab, konnte aber auch diesmal nichts entdecken. Enttäuscht griff sie nach der Laterne und ging in ihre Hütte. Ginaya hatte sich mittlerweile gut in Rasgar eingelebt und auch die unbarmherzige Kälte der rauen Nordmark konnte ihr nichts mehr anhaben. Dennoch war sie froh, noch einige Holzscheite in das Herdfeuer gelegt zu haben.
Sie entledigte sich ihres Überwurfs mit einer eleganten Bewegung und legte ihn auf einen der Stühle. Dann schritt sie zu der kleinen Steinplatte in der Mitte des Raumes, wo die Flammen einen beschwingten Tanz vollführten. Verlangend streckte sie ihre Finger und hielt die Handflächen nah an die wärmende Quelle. Das beruhigende Prasseln des Feuers wurde nur ab und an durch ein durchdringendes Knacken unterbrochen.
Die züngelnden Flammen warfen ein bewegliches Licht in den Raum und ließen die junge Frau dadurch noch anmutiger erscheinen. Ihr lindgrünes Leinenkleid schmiegte sich eng an ihren weiblichen Körper. Sie hatte es extra für den heutigen Abend ausgewählt. Sie wusste, dass sie Roban darin gefiel. Ihre dunklen glatten Haare fielen weit auf den Rücken hinab und umrahmten ihr blasses Gesicht. Dieses war von einer beinahe unnatürlichen Symmetrie geprägt. Jedes noch so winzige Detail, schien am richtigen Fleck zu sitzen. Die schmalen Lippen und die kleine Nase fügten sich passend in das Gesamtbild ein. Gekrönt wurde ihr wunderschönes Antlitz aber von einem klaren graublauen Augenpaar. Schon so mancher Jüngling des Dorfes hatte sich in diesem verloren.
In Rasgar hielt sich eisern das Gerücht, dass in ihren Adern, zumindest zu einem Teil, Elfenblut pulsierte. Dieses Gerücht gehört allerdings ins Reich der Märchen.
Langsam kehrte das Blut in ihre Fingerspitzen zurück, was sich durch ein feines Prickeln bemerkbar machte. Dies zog durch die gesamte Länge ihrer feingliedrigen Finger. Zufrieden zog sie einen Stuhl heran, schob ihre Füße näher an das Feuer und griff nach der silbernen Bürste auf dem Tisch.
Spielerisch drehte sie die Bürste in ihren Händen. Der Flammenschein schien dabei die blauen Verzierungen immer neue Formen annehmen zu lassen. Dann beschloss sie, sich noch einmal um ihr eigentlich schon hergerichtetes Haupthaar zu kümmern. Immer wieder wanderte die schmucke Bürste mit gleichmäßigen Zügen von oben nach unten. Schließlich wollte sie ja heute Abend für ihn besonders reizvoll sein.
Während sie verträumt in das Herdfeuer schaute, formten die tanzenden Flammen immer neue Bilder vor ihren Augen. Sie dachte an die alten Zeiten zurück. Wie glücklich waren sie doch gewesen, als Kor, der mächtige Himmelspatron, ihnen seine Gnade zuteilwerden ließ und ihnen einen kleinen Sohn schenkte. Nächtelang hatten sie und Roban wach gelegen, einfach nur ihren gemeinsamen Sprößling betrachtet und sich an seinem Dasein erfreut. Der kleine Bursche hatte ihre junge Liebe damals noch weiter aufblühen lassen.
Während dieser Zeit begannen auch die ersten Expeditionen des Gorokreiches nach Norden und Osten. Nach der Ankunft der Menschen über das Smaragdmeer, hatten sich die Kinder Kors schnell ausgebreitet, so dass das fruchtbare Land an der Küste nicht mehr genügend Lebensraum und Nahrung für alle bot. Der weise König Siegborn ordnete daraufhin an, die Ländereien im Norden und Westen des Gorokreiches zu erkunden. Im Norden fand man unberührte Wälder und Seen, sowie massive Gebirgsketten. Diese thronten wie gigantische Schutzwälle über der Landschaft. Die ersten Pilgerzüge erreichten dann den bis dahin einsamen Norden. Kleine Siedlungen entstanden. Hauptsächlich lebten in ihnen Holzfäller und Jäger mit ihren Familien.
Während der weiteren Erkundung der Nordmark entdeckten die Kinder Kors, dass sie hier keineswegs allein waren. Zahlreiche Zwergenklans lebten in den Höhen der Gebirge. Die Menschenkinder zollten dem kleinen Volk den Respekt, den die Zwerge auch erwarteten. Die Menschen wurden dafür mit der Ehre belohnt, dass die Zwerge ihre Geheimnisse mit ihnen teilten. Das Wissen des kleinen Volkes war über Ewigkeiten gewachsen und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. In dieser Zeit lernten die Menschen viel über den Bergbau, die Kunst des Schmiedens und die Architektur. Das kleine Volk hingegen ließ sich von der übersprudelnden Kreativität und dem Enthusiasmus des noch jungen Menschenvolkes beflügeln. Außerdem lockte die Zwerge noch etwas anderes, denn einige unter Kors Kindern schienen über besondere Fähigkeiten zu gebieten.
Es entstand eine für beide Seiten erträgliche Handelsbeziehung. Durch den sich neu entwickelnden Bergbau wurden weitere Siedler in den Norden gelockt und die Anzahl der Siedlungen wuchs beträchtlich, woraufhin der allmächtige König Siegborn offiziell die Provinz Gringor ausrief.
Auch die junge Familie blieb von den vielen Veränderungen nicht unberührt. Roban diente damals noch als königlicher Soldat. Ihm wurde das Angebot unterbreitet eine Stelle als Stadtgardist im hohen Norden zu besetzen.
Ginaya hatte sich zuerst dagegen gesträubt aus ihrer gewohnten Heimat fort zugehen. Doch schließlich hatte sie eingesehen, dass das neu erschlossene Land für ein junges Glück zahlreiche Möglichkeiten bot. Außerdem würden endlich die langen Expeditionszüge ihres geliebten Mannes enden. Endlich würde er dann mehr Zeit für sie und Yendan haben. So kam es, dass die junge Familie nach Rasgar zog.
Yendan war zu einem prächtigen Burschen herangereift. Er zählte mittlerweile sieben Götterläufe. Der Junge war alles in allem aufgeschlossen und neugierig, nur manchmal wirkte er vielleicht etwas ängstlich.
Ginaya musste schmunzeln.
Sein größter Traum war es, ein von allen bewunderter Soldat zu werden und nichts stimmte ihn fröhlicher, als wenn Roban ihm abends alte Heldensagen erzählte. Sie kündeten von ehrenhaften Recken und glorreichen Schlachten. Öfters musste sie ihn schon aus seiner Gedankenwelt zurückrütteln, wenn er wieder einmal träumte, statt seine Arbeiten zu erledigen.
Roban hatte sich ebenfalls verändert. Er hatte sich zu einem reifen Mann entwickelt. Die anderen Männer seiner Einheit betrachteten ihn als Vorbild. Er war zwar nicht mehr der alberne, draufgängerische Bursche von damals, doch Ginaya liebte ihren Mann noch genauso wie am Anfang ihrer gemeinsamen Jahre. Doch so sehr sie ihn begehrte, so sehr schmerzte sie auch seine lange Abwesenheit.
Roban war vor einigen Sonnenläufen gen Reshok aufgebrochen, der königlichen Hauptstadt des Reiches. Endlich wurde sein Fleiß belohnt, denn er sollte der Befehlshaber der Armee des Provinzialherren werden. Damit würde sein Sold beträchtlich ansteigen, wahrscheinlich im selben Maße wie das Ansehen der Familie Helmich unter den Dorfbewohnern.
Somit wäre es auch möglich, Yendan die beste Ausbildung des gesamten Reiches genießen zu lassen und zwar an der Akademie zu Reshok selbst.
In seinem Brief hatte ihr geliebter Mann geschrieben, während der frühen Abendstunden des heutigen Tages einzutreffen, doch bislang war er noch nicht zurückgekehrt.
Ginaya legte die Bürste wieder zurück an ihren Platz und gähnte herzhaft gegen ihren Handrücken. Das Schwelgen in Erinnerungen hatte sie doch ermüdet. Schwerfällig erhob sie sich von ihrem Stuhl. Mit prüfendem Blick musterte sie den gedeckten Tisch und rückte zum wiederholten Male die Teller und die Hornbecher zurecht.
Das Rauschen des Windes hatte sich seit einigen Augenblicken vervielfacht und unnachgiebig zerrte er immer wieder an den hölzernen Fensterläden.
Plötzlich hörte Ginaya ein Geräusch im Nebenzimmer. Langsam drehte sie sich in die Richtung, aus der sie den Laut vernommen hatte.
»Yendan, bist du es, mein Schatz?«
Als Antwort erhielt sie nur ein leises Donnergrollen, dessen Ursprung noch in weiter Ferne lag.
Leisen Schrittes begab sie sich zu der Tür und zog sie vorsichtig auf, um ihren Sohn nicht zu wecken. Dann schob sie ihren Kopf nur so weit in das Zimmer, dass sie etwas erkennen konnte.
Sie war nicht überrascht, ihren Sohn noch wach vorzufinden. Mit ausgestreckten Beinen lag er neben dem Bett auf dem Bauch und spielte mit den Holzsoldaten. Sein Vater hatte sie ihm extra vor seiner Abreise geschnitzt. Wahrscheinlich spielte er wieder eine der zahlreichen Heldensagen nach.
Ginaya musste wieder lächeln, zwang sich dann aber eine ernste Miene aufzusetzen.
»Solltest du nicht schon längst im Bett sein, kleiner Krieger?«
Der Knabe warf schnell den Kopf herum und schaute seine Mutter mit ertappten Augen an, ohne dabei die Holzfiguren loszulassen.
»Ich konnte nicht schlafen, Mama. Ich bin doch so aufgeregt, was Vater alles zu berichten hat. Vielleicht hat er die großen Helden des Reiches getroffen, oder vielleicht sogar den König gesehen …«
Dann sprang er mit einem flinken Satz auf, stürmte auf seine Mutter zu und umarmte sie liebevoll. Sein flehender Blick würde seine Wirkung nicht verfehlen.
»Können wir nicht noch warten, bis er zurück ist?«
Seine großen dunklen Kinderaugen ließen ihr nicht die geringste Möglichkeit zu widersprechen.
»Du musst mir versprechen, dass du dir nur eine Geschichte anhören wirst, danach geht es ohne Widerworte ins Bett! Allerdings kann es auch sein, dass dein Vater bei dem Wetter in einem Gasthaus übernachtet und erst morgen früh in Rasgar eintrifft.«
Doch eigentlich glaubte sie das nicht. Wenn Roban ihr etwas versprach, hatte er es bis jetzt immer gehalten, auch wenn er dafür ein nasses Wams riskieren musste.
Zärtlich drückte sie Yendan einen Kuss auf seine schwarzen kurzen Haare.
»Komm, mein Kleiner, wir setzen uns an das Herdfeuer. Ich werde uns noch einen Kräutertee kochen.«
Yendan hängte sich mit strahlenden Augen an Ginayas Arm und trottete ihr glückselig hinterher.
Ginaya hing mit geübten Griffen den Wasserkessel über das Feuer und nahm einige Schalen voller getrockneter Kräuter von einem Regal an der Wand. Kurze Zeit später breitete sich ein wunderbar frisches Aroma, dominiert von Minze und Melisse, in dem kleinen Raum aus. Um ihrem Tee eine besondere Note zu verleihen, fügte Ginaya immer getrocknete Orangenschalen aus Thrym hinzu.
Nach einer Weile schöpfte sie die Kräuter wieder ab und goss behutsam den Tee in die grob bearbeiteten Hornbecher.
Yendan bereitete es einen Riesenspaß, den Wind durch seinen Tee sausen zu lassen. Immer stärker pustete er in seinen Becher und erzeugte eine wogende Brandung an den Rändern.
Seine Mutter hingegen stellte das dampfende Gefäß vorerst auf den Tisch. Ein leises Summen erklang und schließlich fügte sie auch den fehlenden Gesang hinzu.
»Kor, allmächtiger Himmelsfürst und Schützer der Gerechtigkeit! Wir, deine dir alles verdankenden Kinder …«

Der Wind strich ihm über sein verstärktes Lederwams. Seine reiche Körperbehaarung bot ihm seit jeher Schutz vor dem wilden nordländischen Klima. Endlich lag die kleine Siedlung vor ihnen. Von den schützenden Baumriesen, direkt am Waldesrand, war es ihm ein Leichtes die Lage abzuschätzen, ohne jedoch selbst entdeckt zu werden. Auf den Straßen war keine Menschenseele mehr zu entdecken. In der Mehrzahl der Hütten war keine Lichtquelle mehr auszumachen, nur vereinzelt drangen unregelmäßige Schimmer durch die Ritzen der Fensterläden.
Die Gardisten des Ortes hatten sich, wahrscheinlich aufgrund des unangenehmen Wetters, in ihre Wachstube zurückgezogen. Aus verlässlicher Quelle hatte er erfahren, dass der Ort über zwanzig Soldaten gebot, nachts aber allenfalls fünf von ihnen Wache hielten.
Entschlossen fasste er den Griff seines übermächtigen Kriegshammers noch etwas fester und betrachtete seine geliebte Waffe, wieder einmal, von oben bis unten.
Auf dem Hammerkopf thronte eine gefährliche Stoßspitze. Man konnte sie wunderbar nutzen, um den Gegner aus dem Takt zu bringen. Auch an den beiden Schlagflächen waren Spitzen angebracht. Sie hatten schon so manchen Helm und so manche Rüstung geknackt. Weiter unten verlief ein relativ schmaler Schaft. Er nahm dann wieder an Umfang zu und schmiegte sich scheinbar wie für ihn geschaffen in seine starken Klauen.
Das Gewitter in ihrem Rücken kam immer näher, jetzt war ihre Zeit endlich gekommen. Die vorwitzigen Menschenkinder würden nun ihre gerechte Strafe erfahren.
Mit einer einzigen Bewegung seines rechten Armes setzte er die gesamte Heerschar in Bewegung. Mächtige Hufe drückten tiefe Abdrücke in den moosbewachsenen Waldboden. Kaum hatte die Truppe die Bäume hinter sich gelassen, gingen die Krieger ohne ein weiteres Zeichen zu einem flotten Trabschritt über.

Der dröhnende Glockenschlag riss Ginaya aus ihrem Dämmerzustand. Yendan lag an sie geschmiegt auf ihrem Schoß und schlief noch tief und fest. Sie mussten während des Wartens eingedöst sein. Wieder erklang das laute Schlagen. Es musste selbst in den umliegenden Dörfern zu hören sein.
Um diese Zeit konnte dies nur eins bedeuten, es wurde Alarm gegeben.
»Yendan, wach auf mein Kleiner! Wir müssen hier weg. Die Priester im Tempel schlagen Alarm.«
Mühsam schlug Yendan die Augenlider auf und blinzelte verwirrt seine Mutter an.
»Was ist denn los, Mama? Ist etwas passiert?«
»Ich weiß es nicht, mein Sohn, aber das werden wir jetzt herausfinden gehen. Wenn wir nach draußen gehen, wirst du die ganze Zeit nicht von meiner Seite weichen. Versprichst du mir das, mein kleiner Held?«
Yendan antwortete mit einem ernst gemeinten Nicken.
Umsorgend legte Ginaya ihrem Schützling eine wärmende Wolldecke um die Schulter und goss vorsorglich etwas Wasser über die noch warme Glut des Herdfeuers. Dann gingen sie beide eiligst zur Vordertür, um nach dem Grund für den Alarm zu forschen.
Draußen herrschte bereits ein wildes Durcheinander. Menschen schrien aus Leibeskräften und die vielen Bürger auf den Straßen rannten kreuz und quer. Im Norden des Dorfes konnte man hohe Flammen lodern sehen. Ginaya wusste, dass der starke Wind das Feuer auf die anderen Hütten übergreifen lassen würde.
»Wir gehen jetzt in den Tempel. Scheinbar hat sich eine Hütte entzündet und nun greift das Feuer weiter um sich. Unter Kors Obhut sind wir beiden sicher, bis die Männer den Brand unter Kontrolle haben.«
Sie gab Yendan einen kleinen Schubs und trieb ihn so vor sich her. Beide eilten die Dorfstraße herab und um eine kleine Biegung. Dort stand schon das sechseckige Gebäude mit dem Glockenturm.
Die Torflügel waren weit aufgerissen und wie ein dunkler Schlund nahm das Tor die zahlreichen fliehenden Einwohner in sich auf.
Drinnen erleuchteten mehrere Fackeln an den Wänden das Tempelinnere. Die vielen Holzbänke hatte man zur Seite geschoben, um den Dorfeinwohnern genügend Platz zu bieten. Ginaya schob sich durch die dichte Menschentraube. Inmitten der Dörfler standen die wie immer weiß gewandeten Korpriester und versuchten der Lage Herr zu werden, was ihnen aber offensichtlich missglückte.
Ginaya und Yendan waren schließlich am Altar angekommen, neben dem auch majestätisch die goldene Statue des Himmelsfürsten prangte. Mit all seiner Herrlichkeit blickte er auf die aufgebrachte Menge. Güldene Sonnenstrahlen umrahmten sein gütiges Gesicht.
Plötzlich stürmte eine große Gruppe Männer herein. Sie trugen die typischen Uniformen der örtlichen Gardisten. Einer von den Gardisten wechselte einige Worte mit den Priestern. Um was es dabei ging, konnte Ginaya aufgrund der Entfernung und dem lauten Gemurmel der Massen nicht verstehen. Danach machten sich zwei der Uniformierten an dem Tor zu schaffen. Einige Priester eilten herbei, einen mächtigen Holzbalken in den Händen. Krachend fiel er in die für ihn vorgesehenen Haken. Der Tempel war nun von innen versiegelt und mit einem Mal legte sich eine gläserne Glocke der Stille über die Menschen. Angst und Neugier ließen selbst die alten Weiber verstummen.
Thisdan, ein Soldat im mittleren Alter und der derzeitige Vertreter Robans, wusste was zu tun war. Er trat mit sicherem Schritt genau in die Menschenmenge hinein und baute sich zu seiner vollen Größe auf. Kurz ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen, dann begann er mit tiefer, angenehmer Stimme zu sprechen.
»Bürger von Rasgar, die meisten unter euch werden die Flammen am nördlichen Ende des Dorfes gesehen haben. Doch die wenigsten dürften zu diesem Zeitpunkt bereits wissen, dass der Brand nicht durch einen Unfall ausgelöst wurde, sondern von einer plündernden Räubergruppe.«
Ein lautes Murmeln erhob sich im Raum. Thisdan sprach noch lauter und deutlicher, um die Dorfbewohner zu übertönen.
»Wir waren sehr nah am Geschehen. Um wen es sich bei den Übeltätern handelt, konnten ich und meine Männer leider nicht erkennen. Auf jeden Fall war es eine deutliche Übermacht an bewaffneten Streitern.«
Die Augen der Dorfbewohner weiteten sich und erschrockene Laute und Ausrufe verließen so manches Lippenpaar.
»Ich bitte euch Ruhe zu bewahren. Hier im Tempel sind wir sicher! Wir werden uns hier verrammeln und verteidigen, bis die umliegenden Dörfer unseren Alarm vernehmen und Hilfe entsenden. Bevor wir in den Tempel kamen, brach gerade ein starker Regen aus, Kor selbst nimmt sich also des Brandes an und wird euer Hab und Gut schützen.«
Eine alte Frau nahe Ginaya und Yendan brach in ein hysterisches Schluchzen aus.
»Was passiert mit den Menschen, die noch nicht bei uns sind? Mein Zoltan wohnt direkt am nördlichen Ortsrand. Ihr müsst ihnen doch helfen …«
Die Worte endeten in unverständlichen Schluchzlauten. Ginaya zögerte nicht, umarmte die Greisin und spendete ihr mit Worten Trost.
Thisdan, der bis dahin so souverän gewirkt hatte, schwieg nun betroffen.
Jetzt schienen die ersten Zuhörer das Gesagte verarbeitet zu haben und ließen ihren Emotionen freien Lauf. Diese reichten von verängstigten Gebeten bis zu wilden Spekulationen über die Herkunft der Angreifer. Der monotone bedrohliche Glockenschlag fügte sich merkwürdig in das aufgeregte Schwatzen der Menschen ein. Ginaya hatte den Kopf ihres Jungen an ihre Brust gebettet und ihm eine Hand über das freie Ohr gelegt, damit er nicht allzu viel von den wilden Spekulationen der Dörfler mitbekam.
Sie selbst durchforstete fieberhaft ihr Gehirn nach möglichen Übeltätern. Das kleine Volk kam hierfür nicht in Frage, obwohl sich das Verhältnis zwischen Menschen und Zwergen etwas gespannt hatte. Niemals würde dieses ehrenvolle Volk eine harmlose Siedlung bei Nacht angreifen und dann auch noch brandschatzen.
Vielleicht waren es die Barbarenstämme, die in den nördlichen Waldgebieten hausten. Es waren ebenfalls Menschen, so wie sie selbst, doch keiner wusste, ob diese schon immer hier auf Myanvar lebten, oder ob sie ebenfalls mit Schiffen über das große Wasser gekommen waren. Vor einiger Zeit hatten sich einige Überfälle seitens der Barbaren auf Holzfäller und Jäger Gringors ereignet. Sie hatten sich zu weit in den Norden vorgewagt. Nach dem Entsenden einiger Aufklärungstrupps waren die Überfälle jedoch wieder verstummt. Scheinbar fürchteten sich die Barbaren vor der Überlegenheit des übermächtigen Reiches.
Manchmal hatte Ginaya den Geschichten der Holzfäller im Gasthaus gelauscht. Diese Einzelgänger durchstreiften teilweise tagelang einsam die dichten Wälder. Sie hatten von weiteren Völkern berichtet, welche noch mystischer waren, als selbst das kleine Volk.
Ginaya hatte dies bis jetzt als trunkenes Geschwätz abgetan.

Wütend ließ er seinen mächtigen Hammer mehrfach auf einen Menschenkopf hageln, obwohl sein Gegner schon beim ersten Treffer regungslos zu Boden gesackt war. Er hatte sich in eine abscheuliche Raserei versetzt. Die Wut auf seine Männer ließ ihn beinahe explodieren, am liebsten hätte er sich seinem Drang hingegeben und hätte einige seiner Soldaten verstümmelt. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Großteil der Einwohner schon längst nicht mehr am Leben sein sollen.
Doch seine unzivilisierten Untertanen waren nicht wie angeordnet weitergestürmt, sondern hatten die ersten überfallenen Häuser zuerst geplündert und dann dem Flammenmeer übergeben. Dies hatte den erbärmlichen Menschen genug Zeit gegeben, um Alarm zu schlagen. Die Gardisten des Ortes hatten sich kurz gezeigt, waren dann aber wie scheue Rehe vor ihm und seinen Männern getürmt. Jetzt hatte sich das feige Pack in einem Steingebäude verschanzt, was sein Vorhaben erheblich erschwerte und seinen Zeitplan beträchtlich in Gefahr brachte. Nachdem er noch mal auf den geschundenen Menschenkörper eingetreten hatte, gab er einige wütende Befehle, worauf auch der Großteil der Gruppe reagierte. Waren seine Soldaten einmal der Mordlust verfallen, waren sie nur schwer kontrollierbar. Diese ungestüme Raserei hielt in Ausnahmefällen bis zu mehreren Tagen an.
In weiser Voraussicht hatte er bereits vor dem Angriff zahlreiche mächtige Baumstämme vorbereiten lassen. Jetzt konnte er seine Meute zum Versteck der Menschen dirigieren.

Unter einem gewaltigen Krachen bogen sich die mächtigen Torflügel, ohne der einwirkenden Kraft jedoch nachzugeben. Ein Soldat wies die Frauen und Kinder an, sich in den hintersten Teil des Tempelraumes zurückzuziehen. Die wehrfähigen Männer bauten sich in einem schützenden Halbkreis vor ihnen auf. Die Priester hingegen standen rings um die Statue des Allmächtigen und hatten einen düsteren klerikalen Singsang angestimmt. Wieder erklang das hämmernde Krachen und diesmal bog sich das Holz unter der Wucht schon etwas mehr, als noch einige Augenblicke zuvor. Kleine Kinder begannen zu schreien. Auch Yendan klammerte sich immer fester an seine Mutter. Ginaya wiegte ihn beruhigend hin und her, so wie sie es damals immer getan hatte. Ihre Gedanken waren bei ihrem geliebten Mann. Vielleicht führte er schon einen Trupp aus den anderen Dörfern nach Rasgar. Schließlich musste er das Unheil wahrgenommen haben, wäre er in der Nähe gewesen.
Der Rhythmus der Schläge steigerte sich immer weiter. Unwillkürlich rückten die Frauen und Kinder zusammen und suchten Schutz zu Füßen ihres gütigen Herren.
Plötzlich barst das massive Holz des dicken Balkens und die große Wucht riss den linken Torflügel aus den Angeln. Die entsetzte Menge konnte nur noch erkennen, wie ein gewaltiger Baumstamm zurückgerissen wurde.
In den Reihen der Verteidiger herrschte eine seltsame Stille. Gebannt waren ihre Blicke auf den Eingang gerichtet. Ihnen gefror das Blut in den Adern, als die niederhöllische Kreatur sich ihren Weg in den Tempel bahnte.
Auf massiven Hufen kam sie hereingetrabt. Einige Schritt weit von den schockierten Menschen blieb sie stehen.
Ginaya glaubte ihren Augen nicht. Die Kreatur war etwa so groß wie ein erwachsener Mann. Ihr gesamter Körper war von einem dunklen zotteligen Fell bedeckt. Lediglich ihre Blöße wurde durch einen knappen Lederschurz bedeckt. In ihren muskulösen Klauen hielt sie jeweils ein mittelgroßes schartiges Kriegsbeil.
Doch das Schauerlichste an dieser Kreatur war der Kopf. Dieser wies statt menschlicher, ziegenbockartige Züge auf. Eine spitze Schnauze mit entsetzlichen Hauern, über der bedrohliche gelbe Augen funkelten, wurde gekrönt durch braune gewundene Hörner.
Nachdem sie die Verteidigungslinie abfällig gemustert hatte, kreuzte die Bestie die Arme vor dem Brustkorb. Sie hielt kurz in dieser Stellung inne, streckte die Arme dann aber zur Seite aus und ließ ein gewaltiges Blöken erschallen, welches sogar den Donner und den Glockenschlag übertönte.
Es war Thisdan, welcher sich als erster wieder fasste und zu seiner Armbrust griff. Ein kleiner dicker Bolzen durchdrang ohne große Mühe Fleisch und Rippen des Ungeheuers. Ungläubig blickte es zuerst auf den Bolzen in seiner Brust, dann auf Thisdan, während nun weitere Bolzen und Pfeile seinen Körper durchbohrten. Erst jetzt sank die Bestie auf die Knie und sackte endlich vornüber.
Die nächsten Chaosbestien kamen in den Tempel gestürmt. Während die erste Angriffswelle noch durch die vielen Pfeile gefällt werden konnte, traf bereits der zweite Schwung Tiermenschen auf die Verteidigungslinie der Menschen. Diese zerriss auch sofort unter der Wucht des Aufpralls. Ein blutiges Gemetzel begann. Auch viele der Frauen griffen sich, motiviert durch die Angst um ihre Kinder, Stäbe oder Fackeln und gingen mit verzweifelten Hieben auf die behaarten Missgeburten los.
Ginaya jedoch war wie gelähmt. Sie konnte es einfach nicht glauben, was hier passierte. Diese Kreaturen, scheinbar einem Alptraum entsprungen, dürften niemals auf diesem heiligen Boden wandeln. Kor, der Schützer der Gerechtigkeit und Herr alles Guten würde solche abscheulichen Wesen niemals in der Nähe seiner Schützlinge dulden. Sie zog Yendan noch weiter an sich und kauerte sich hinter die goldene Statue.
Die Dörfler schlugen sich wacker, waren aber der schieren Masse der Angreifer unterlegen. Wenn eine der Bestien im Kampf fiel, trampelte die nächste schon über sie hinweg, um ihren Platz einzunehmen. Das Weinen der Kinder, die wüsten Kriegsschreie der Tiermenschen, der Donnerschlag und das Dröhnen der großen Glocke mischten sich zu einer unheiligen Symphonie des Schreckens und des Chaos.
Während nur noch vereinzelt gekämpft wurde, waren einige der Kreaturen dazu übergegangen, sich mit den Priestern zu vergnügen. Unter den Huftritten färbten sich die reinen, weißen Gewänder blutrot. Ein irrwitziges Gemecker erklang, welches man ohne weiteres für ein hämisches Lachen halten konnte.
Eine der Bestien, die sich gerade an dem Altar zu schaffen machen wollte, entdeckte nun auch Ginaya und Yendan. Ein bedrohliches Funkeln blitzte in ihren düsteren gelben Augen auf.
Ginaya wusste, dass die unheilige Kreatur ihren makellosen Körper musterte. Unbeholfen schob sie sich im Krebsgang nach hinten, während sie einen Arm schützend vor Yendan legte. Mit einem gewaltigen Satz war die Bestie bei ihr und warf sich auf sie.
Ginaya roch den widerlichen Atem der Bestie, nur noch vom Gestank des regennassen Fels übertönt. Sie versuchte sich aus Leibeskräften zur Wehr zu setzen, doch der übermenschlichen Kraft des Mischwesens hatte sie nichts entgegenzusetzen.
Yendan wollte seiner Mutter beistehen, schreiend sprang er an deren Peiniger heran und versuchte dessen rechte Klaue von dem lindgrünen Kleid zu lösen. Die donnernde Rückhand fegte Yendan zur Seite wie ein lästiges Insekt. Mit einem lauten Krachen schmetterte sein Kopf gegen die große goldene Statue und die Welt um ihn herum versank in gnädiger Dunkelheit.
Ginaya starrte entsetzt zu ihrem zusammengebrochenen Sohn. Die Klauen der Bestie tasteten fordernd über die Rundungen ihres Körpers. Die scharfen Krallen bohrten sich schmerzhaft in ihre straffen Brüste. Ginaya brach in Tränen aus, ungläubig schüttelte sie den Kopf. Die Welt um sie herum begann einzustürzen. So etwas dürfte nicht passieren, nicht hier, an seinem geheiligten Ort, nicht zu seinen Füßen. Flehend blickte sie zu der goldenen Statue des gerechten Herrn. Doch nichts geschah.
Welche Sünde hatte dieses Örtchen nur auf sich geladen, um so dafür bestraft zu werden?
Roh schoben die behaarten Pranken ihr Kleid nach oben. Die Bestie drang mit animalischer Wildheit in ihr Innerstes ein.
Ginaya schrie laut auf, doch in dem kleinen Tempel befand sich niemand mehr, der ihr hätte helfen können. Bei jedem animalischen Stoß fühlte sie etwas in sich zerbrechen. Tränen rannen ihr über die heißen Wangen und ihre Lippen verließ ein kaum vernehmbares Winseln.

Als er endlich den kleinen sechseckigen Bau betrat, hatten seine Männer schon die größte Arbeit verrichtet. Fluchend bahnte er sich seinen Weg durch die rings um ihn liegenden Leichen. Es hatte auch einige seiner Soldaten erwischt. Die Menschen hätten nie die Zeit bekommen dürfen, sich hier drinnen zu verschanzen. Beiläufig krachte seine mit einem Schlagring bewehrte Linke in das Gesicht einer alten Frau. Sie wollte ihn gerade mit einer Fackel attackieren. Genüsslich vernahm er den Klang berstender Knochen und Zähne.
Einige seiner Kämpfer waren noch dabei die Priester zu quälen, während sich andere ein paar Menschenfrauen für ihre Vergnügungen erwählt hatten. Mit einem lauten Bellen machte er seinen Trupp auf sich aufmerksam. Es war nun Zeit zu gehen. Da der Überfall länger gedauert hatte als geplant, musste er mit seinem Stellvertreter eine neue Marschroute bestimmen. Sie würden nun den Umweg über die Baahlpforte nehmen, um nicht doch noch einer eilig zusammengetrommelten Meute aus den umliegenden Dörfern in die Hände zu fallen. Dann gab er seinen Männern mit einigen kehligen Lauten zu verstehen, dass sie nun aufbrechen würden. Diese ließen diesmal auch gehörig von ihren Opfern ab. Zufrieden begab er sich nach draußen in den kalten Regen.

Endlich ließ Ginayas Peiniger von ihr ab. Die schier endlose Demütigung und die unheimlichen Schmerzen waren nun doch vorüber. Immer noch weinend setzte sie sich auf und hielt schützend beide Hände vor ihr Gesicht. Voller Wut und Verzweiflung dachte sie darüber nach, wie ihr geliebter Mann diese Missetat vergelten würde. Plötzlich spürte sie einen feinen Schmerz. Er zog sich quer über ihre gesamte Kehle. Als sie versuchte zu schlucken, entfuhr ihr nur ein röchelnder Laut. Sie war nicht mehr im Stande zu atmen und langsam wich ihr das Leben aus dem Körper.

Ginaya stand auf der grünen Wiese hinter ihrer Hütte und hielt ein kleines hölzernes Tablett in den Händen. Die Sonne stand hoch oben am Himmel und sandte ihre gesamte Wärme auf dieses Fleckchen Erde. Wunderschöne Blumen bildeten einen Kontrast zum beruhigenden Grün und aufgebrachte Vögel zwitscherten ihr fröhliches Werbelied. Der Geruch nach Minze und Melisse stieg ihr in die Nase, sie hatte Tee für ihre Liebsten gemacht. Natürlich hatte sie auch einige Orangenschalen mit hinein gegeben. Yendan mochte diese nämlich besonders gern. Da entdeckte sie die beiden auch schon. Roban und Yendan saßen im Schatten der großen Buche und spielten ausgelassen mit den geschnitzten Holzsoldaten. Das warme heitere Lachen ihres Sohnes erklang. Dann endlich entdeckte Yendan sie und wies seinen Vater auf ihre Anwesenheit hin. Beide lächelten ihr liebevoll zu und winkten ihr fröhlich. Es war ein Abschiedsgruß.

Ein höllisches Pochen marterte seinen Hinterkopf. Seine Augenlider wollten seinen Befehlen nicht gehorchen, nur mit großer Anstrengung gelang es ihm, sie zu öffnen. Rings um ihn herum herrschte Stille. Yendan blickte sich verängstigt um, ein Stück weit von ihm entfernt, lag die umgestürzte Statue des Himmelsfürsten. Sie war von oben bis unten mit dunkelrotem Blut beschmiert. Von den widerwärtigen Chaosbestien fehlte jede Spur.
Suchend schaute er sich um. Wo war sie nur?
Dann entdeckte er seine Mutter. Sie lag immer noch entblößt auf dem Rücken. Auf allen Vieren krabbelte er zu ihr. Ein sauberer Schnitt zog sich über ihre komplette Kehle. Ihr Hals und ihr Ausschnitt waren blutverschmiert.
Unendlicher Schmerz bohrte sich in Yendans Körper. Tränen rollten ihm über das verzerrte Gesicht. Sein Kopf wollte es einfach nicht wahrhaben. Voller Hingabe packte er seine tote Mutter bei den Schultern und versuchte sie aus ihrem endgültigen Schlaf zu rütteln. Es dauerte noch sehr lange, bis er endlich begriff.
Plötzlich legte sich eine nie gekannte Leere über sein Innerstes. Der Hass auf die Bestien, der Zorn auf den scheinbar untätigen Himmelsfürsten, die Trauer um seine verstorbene Mutter, sie alle verschwanden in irgendeinem hinteren Winkel seiner Seele. Yendan schaffte ihm Platz. Den Raum den er brauchte, um sich zu entfalten. Sich an ihm zu laben und zu stärken. Er ließ ihn eindringen.
Zärtlich küsste er seine Mutter auf die schmalen Lippen, schloss mit seinen Fingerspitzen ihre graublauen Augen und bettete seinen Kopf auf ihren Bauch. Sein Blick starrte in den Himmel, das Dach des kleinen Tempels schien er nicht mehr wahr zu nehmen.
Wäre noch jemand auf diesem Schlachtfeld gewesen, so hätte er in dämonische dunkle Augen blicken können, so schwarz, wie diese auf ewig von den Menschen verfluchte Nacht selbst.

 

Hallo Ultra, herzlich willkommen auf kg.de.
Ich habe deine Geschichte ins Korrekturcenter geschoben, weil durchschnittlich in jedem Satz ein bis zwei Kommata fehlen. Bitte beschäftige dich mit der Kommasetzung bei Nebensätzen - Infos dazu findest du im Allgemeinen Infothread oder im Duden. Wenn du fertig korrigiert hast, kann die Geschichte zurück nach Fantasy. Dazu hast du vier Wochen Zeit.

Ich wünsche dir viel Erfolg beim Korrigieren und weiterhin viel Spaß im Forum.
gruß
vita
:bounce:

 

Sieht soweit ok aus. Zurück aus dem Korrektur-Center nach Fantasy/Märchen.

Da ich die Geschichte während ihrer Überarbeitung mehrmals gelesen und ihre Entwicklung miterlebt habe, kann ich auch gleich was dazu sagen:

Hallo Ultra,

dein Prolog ist mir zwar als solcher zu lang, aber als Geschichte gefällt er mir sehr gut. Du schreibst flüssig und spannend.
Ganz unkonstruktiv: Hat mir wirklich gut gefallen.

Bruder Tserk

 

Hallo Tserk,

zuallererst möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich mal bei dem Moderatorenteam in aller Öffentlichkeit bedanken. Alle Mods mit denen ich bis jetzt zu tun hatte waren wirklich super nett und erklärten sich sofort bereit zu helfen.
Zu meinem Prolog ... Ich muss zugeben, das Ganze ist etwas ausgeufert, die Ideen die mir zur Zeit im Kopf rumschwirren würden wohl mehr als ein Buch füllen, mal schauen wie sich das weiter umsetzen lässt.

Bin natürlich auf weitere Kommentare eurerseits gespannt und spart bitte nicht mit Kritik!

Beste Grüße Ultra

 

Hallo Ultra,

leider kann ich mich Tserks Meinung nicht anschließen. Ich fand den Text ziemlich gestakst und von einem Prolog kann man hier wirklich nur in sehr ausgedehnter Form sprechen.
Manchmal verwendest du recht schöne Bilder, aber deine Sprachwahl ist überwiegend zu bemüht. Das wirkt aufgesetzt. Zudem benützt du mit Vorliebe umständliche Satzbauten, die das Lesen erschweren und in seiner literarischen Form schlicht nicht rund sind.
Bsp:

Ginaya bot der weinenden Greisin ihre Schulter an, welche die alte Frau auch ohne zu zögern nutzte, um ihren Kopf darauf zu betten.

Was ich am störendsten empfand war die Häufung von welche, welcher, welchen und so fort.
Wenn du den Text in Word geschrieben hast, gib doch bitte welche in der Suchfunktion ein und lass dir alle Treffer markieren. Dann wirst du verstehen, was ich meine.

Auch beginnst du gerne Sätze mit MIT, das klingt hintereinander auch nicht so elegant.

Mit schwerfälligen Bewegungen erhob sie sich von ihrem Stuhl. Mit prüfendem Blick musterte sie den gedeckten Tisch und rückte zum wiederholten Male die Teller und die Hornbecher zurecht

für das Wort perfekt hast du auch eine Schwäche, wie es scheint. Davon hagelt es häufiger. Und das passt schlicht nicht zu deiner gewählten Sprache. Ähnliches gilt für:
Die schmalen Lippen und die kleine Nase fügten sich dynamisch in das Gesamtbild ein
Entschlossen fasste er den Griff seines überdimensionalen Kriegshammers noch etwas fester und betrachtete seine geliebte Waffe, wieder einmal, von oben bis unten.
und ähnliches. Wobei dieser Satz wirklich albern klingt

Nun ja, du walzt hier das klassische Fantasy-Klischee aus, ohne irgendeine Innovation zu bieten, was für sich genommen kein Verbrechen ist. Deine überpeniblen Schilderungen machen das jedoch leider zu keinem Genuss. Dazu die umständlichen Formulierungen...
Unbedingt noch mal rübergehen. Kürzen heißt das magische Stichwort in deinem Fall!

Mit etwas Fleiß, könnte aus dieser Kg aber noch was werden :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

danke für deine ausführliche Kritik. Ich werde mich demnächst mit deinen aufgeführten Punkten auseinandersetzen. Bis demnächst also, ich hoffe du liest dann nochmal drüber.

Viele Grüße
Ultra

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Ultra,
ich habe Deine Geschichte gerne gelesen und bin gespannt auf die Fortsetzungen! Mir gefällt, dass Du Dir viele Gedanken um Deine Welt gemacht hast (Götter, Landschaften, Wesen) und wie Du zwischen den häuslichen und den bedrohlichen Szenen wechselst.
Insgesamt fehlt mir etwas der rote Faden: am Anfang klingt es wie eine romantische Geschichte mit Ginaya als Hauptperson, dann wie eine Familiengeschichte, dann so, als ginge es um den Sohn. Wenn Ginaya oder ihre Herkunft in der weiteren Geschichte keine Rolle spielen, finde ich ihre Beschreibung zu ausgewalzt. Wenn es um den Sohn gehen sollte, könntest Du ihn in diesen Szenen besser charakterisieren.

Noch ein paar Einzelkommentare:
"Während des erwachenden Frühlings siegte das edle Schwarz frühzeitig über den wärmenden Boten des Lichts."
- Adjektive streichen!

"Gesicht, welches von einer beinahe unnatürlichen Synchronität geprägt war. "
- "Synchron" heißt "gleichzeitig". Ein Gesicht kann nur symmetrisch sein.

"Die schmalen Lippen und die kleine Nase fügten sich dynamisch in das Gesamtbild ein. "
- Wie können Lippen und Nase dynamisch sein? Sie tun doch nix!

"Gekrönt wurde ihr wunderschönes Antlitz aber von einem klaren graublauen Augenpaar, in welchem sich schon so mancher junge Mann verloren hatte."
- Ich hoffe doch, dass ihre Augen unterhalb der Stirn sind und nicht wie eine Krone darüber ;-)

"In Rasgar hielt sich eisern das Gerücht, dass in ihren Adern, zumindest zu einem Teil, Elfenblut pulsierte. Dieses Gerücht gehört allerdings ins Reich der Märchen."
- Wenn es mit ihrem Aussehen nichts Besonderes auf sich hat, sie "nur" eine schöne Frau ist, nimmt die Beschreibung zu viel Raum ein.
Ich hatte nach dieser Beschreibung übrigens den Eindruck, sie sei die Geliebte eines Fürsten und war ganz überrascht, dass sie die Frau eines Soldaten ist, die ja wohl viel arbeiten muss.


"Während dieser Zeit begannen auch die ersten Expeditionen des Garutoreiches ... Es entstand eine für beide Seiten erträgliche Handelsbeziehung. "
- Wie alt ist Ginaya? So viel kann doch unmöglich in den 20-30 Jahren geschehen sein, die ihre persönliche Erinnerung umfasst?


"Yendan war zu einem prächtigen Burschen herangereift, welcher nun schon sieben Götterläufe zählte. Der Junge war alles in allem aufgeschlossen und neugierig, nur manchmal wirkte er vielleicht etwas ängstlich.
Ginaya musste schmunzeln.
Sein größter Traum war es, ein von allen bewunderter Soldat zu werden "
- Wieso, wenn er ängstlich ist?


"Seine reiche Körperbehaarung ... Kriegshammers ... seine starken Klauen zu ... Mächtige Hufe "
- Spannend! Was mögen das für Geschöpfe sein?

"»Yendan, wach auf mein Kleiner! Wir müssen hier weg. Die Priester im Tempel schlagen Alarm.«
Mühsam schlug Yendan die Augenlider auf und blinzelte verwirrt seine Mutter an.
»Was ist denn los, Mama? Ist etwas passiert?«
»Ich weiß es nicht, mein Sohn, aber das werden wir jetzt herausfinden gehen. Wenn wir nach draußen gehen, wirst du die ganze Zeit nicht von meiner Seite weichen. Versprichst du mir das, mein kleiner Held?«"
- Das klingt sehr beschaulich, gar nicht panisch-bedroht. Übrigens: das eigene Kind wird normalerweise nicht als "Schützling" bezeichnet.


"Plötzlich stürmte eine große Gruppe Männer herein, darunter einige, welche die Uniformen der örtlichen Gardisten trugen. Nachdem einer von ihnen einige Worte mit einem Priester gewechselt hatte, welche Ginaya aufgrund der Entfernung und dem lauten Gemurmel der Massen nicht verstand, machten sich die Soldaten an dem Tor zu schaffen. "
- Hier kannst Du merken, wie sehr Deine Nebensätze mit "welcher" Deinen Text verlangsamen. Kurze Hauptsätze würden stärker den Eindruck von Action rüberbringen.


"Ginaya bot der weinenden Greisin ihre Schulter an, welche die alte Frau auch ohne zu zögern nutzte, um ihren Kopf darauf zu betten. "
- Hast Du schon mal jemend die Schulter angeboten? Sie könnte trösten oder umarmen.

"Sie selbst durchforstete fieberhaft ihr Gehirn "
- Schlechte Zeit für Grübel-Rückblicke, es verlangsamt die Handlung.

"Wütend ließ er seinen mächtigen Hammer mehrfach auf einen Menschenkopf hinabregnen, "
- "Regnen" ist ein viel zu sanftes Verb für das, was ein Hammer mit einem Kopf macht.

"niederhöllische Kreatur "
- Ist das was aus Deiner literarischen Welt? Ich wüsste sonst nicht, was "niederhöllisch" sein sollte.

"ließ ein gewaltiges Blöken erschallen, Ein irrwitziges Gemecker erklang, "
- Geräusche wie Ziegen und Schafe finde ich nicht sehr bedrohlich. In dieser Szene beschleicht mich der Verdacht, dass diese Wesen vielleicht doch nicht spannend sind, sondern nur hirnlose Schlächter, zu deren Natur das Morden einfach dazugehört? Das würde die Geschichte für mich deutlich weniger spannend machen.

"Die schier endlose Schande war nun doch vorüber. I"
- "Schande" ist ein kognitiver Begriff. Ginaya ist aber sicher mehr mit Schmerzen und Demütigung beschäftigt.

"Sie war nicht mehr im Stande zu atmen und langsam wich ihr das Leben aus dem Körper. ...
Ginaya stand auf der grünen Wiese hinter ihrer Hütte "
- Huch? Ist das in Deiner Welt der Übergang in die Welt nach dem Tod? Finde ich irritierend. Wie wär's, wenn sie von oben auf sich und den Sohn runtersieht und dann dem Licht entgegenschwebt oder sich auflöst oder ihren Mann suchen fliegt?

"Unendlicher Schmerz bohrte sich in Yendans Körper. "
- "Unendlich" ist ein Zeitbegriff. Du brauchst ein Wort für Intensität und am besten auch die konkrete Benennung des Körperteils, der schmerzt. Bei Trauer am ehesten der Hals.

"Er schaffte ihm Platz. Den Raum den er brauchte, um sich zu entfalten. Sich an ihm zu laben und zu stärken. Er ließ ihn eindringen. "
- Das ist mir komplett unverständlich. Da sind zwei "er", aber wer ist wer? Wenn es ein Geheimnis ist, müsstest Du Yendan in diesen Sätzen mit Namen nennen, damit klar wird, ob da noch jemand anders ist.

"Zärtlich küsste er seine Mutter auf die schmalen Lippen, schloss mit seinen Fingerspitzen ihre graublauen Augen "
- Das macht ein Siebenjähriger einfach nicht.

Jetzt hoffe ich, Dir ein paar Anregungen zum Überarbeiten gegeben zu haben. Ich freue mich auf die Fortsetzung!
anzim

 

Hallo anzim,

ich danke Dir für deine Kritik und freue mich, dass du meine Geschichte gerne gelesen hast. Ich werde jetzt ersteinmal in aller Ruhe versuchen eure Verbesserungsvorschläge umzusetzen. Die Fortsetzung steht zwar schon in meinem Kopf, jedoch werde ich mir damit noch Zeit lassen, da sich mit der Überarbeitung des Prologs wahrscheinlich einige Änderungen ergeben.

Was übrigens das Auswalzen von Fantasyklischees angeht, so muss ich gestehen, dass ich persönlich fast nur Bücher ins Herz geschlossen habe, die eben jenes tun ...

Mit sportlichen Grüßen
Thomas

Hallo Leute,

mir drängelt sich gerade die Frage auf, wie ich das Problem mit den vielen "welche, welcher ..." in den Griff bekommen könnte. Ist es besser den ganzen Satz umzustellen oder reicht es auch sie an einigen Stellen durch "deren" usw. zu ersetzen???

Danke für die schnelle Antwort, da werde ich jetzt mal über meine Sätze schauen!

Liebe Grüße Thomas

Hallo ihr Lieben, ich habe den Text nochmal überarbeitet und vor allem versucht mehr kurze Sätze zu schaffen und einige überflüssige "welche" verschwinden zu lassen. Ich hoffe meine Geschichte lässt sich nun etwas weniger schwierig lesen!

Viele Grüße
Thomas

 

Hallo, Thomas,
gute Überarbeitung, der Text liest sich wirklich viel flüssiger!

Zwei Frage habe ich noch: zum einen finde ich immer noch, dass Augen ein Gesicht nicht krönen können: Eine Krone sitzt immer oberhalb der Stirn, Augen darunter.
Zum anderen ist mir das Ende nicht wirklich verständlicher geworden:

Plötzlich legte sich eine nie gekannte Leere über sein Innerstes. Der Hass auf die Bestien, der Zorn auf den scheinbar untätigen Himmelsfürsten, die Trauer um seine verstorbene Mutter, sie alle verschwanden in irgendeinem hinteren Winkel seiner Seele. Yendan schaffte ihm (wem? Wenn er der Leere Platz verschafft, müsste es "ihr" heißen)Platz. Den Raum den er (wer?)brauchte, um sich zu entfalten. Sich an ihm (an wem?) zu laben und zu stärken. Er (wer?) ließ ihn (wen?) eindringen.

Vielleicht bin ich ja besonders begriffsstutzig, aber mit diesen Pronomen komme ich nicht zurecht.
Grüße von anzim

 

Hallo anzim,

danke für das doppelte :read: meiner Geschichte! Das Krönen bezieht sich auf die Schönheit ihrer einzelnen Gesichtsmerkmale, dass heißt die Augen bilden den krönenden Abschluss in einer Reihe bezaubernder Einzelheiten.
Um wen es sich bei "ihm" handelt, werde ich dir leider noch nicht verraten können, denn dass der Leser hier ins Schleudern kommt, war Sinn dieser Sätze. :rotfl: Um dieses Geheimniss zu ergründen, müsstest du schon noch den zweiten Teil der Story lesen.
Ach ja, du musst keine Angst haben, dass es sich bei den Wesen um hirnlose Schlächter handelt, aber dazu auch später mehr. ;)

Mit lieben Grüßen
Thomas

 

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