Was ist neu

Zeitreisen

Mitglied
Beitritt
12.12.2021
Beiträge
2
Zuletzt bearbeitet:

Zeitreisen

Er hat ihr wieder Blumen mitgebracht. Das tat er oft, wenn sie sich gestritten hatten. Keine besonderen Blumen, keine teuren. Es waren meistens die aus dem Discounter.
Mit einem Freudenruf brachte er sie nach Hause: "Schatz, sieh was ich dir mitgebracht habe!" Dabei warf er sich stolz in seine massige Brust. Als wäre wieder alles gut. Als wären Tulpen der Klasse b, die ihre schlaffen Blätter sinken ließen und erschöpft nach dem Wasser lechzten, eine Zeitmaschine.
Als brächten die Blumen die beiden sich zuvor Streitenden zurück zu dem Moment, in dem sich eine gewöhnliche, alltägliche Unterhaltung in etwas verwandelte, was ich als Stromausfall bezeichne.
Irgendwo machte irgendwer einen Fehler in ihren funktionierenden, eintönigen Worten. Der Strom fiel aus. Sie vergaßen sich, vergaßen den Grund, den Auslöser.
Bei Stromausfall Kerzen anzuzünden, daran denken die wenigsten. Panisch wird nach dem Sicherungskasten gesucht.
Die Tulpen stehen nicht für die Kerzen, die man hätte anzünden können, um dennoch das wohlige Beisammensein auszukosten. Sie sind auch keine Zeitmaschine.
Ich glaube gern an das Unmögliche, aber sterbende Tulpen lassen mich meinen Glauben vergessen.
Sie nahm sie immer wortlos entgegen, wusste wie ich, dass es Zeitreisen nicht gab. Auch sie dachte nicht an die Kerzen. Ebenso wortlos beschnitt sie die Stiele der traurigen Blumen. In der Vase, die nie leer war, fanden die neuen, welken Glockenköpfe ihren Platz.
Wir sitzen im Wohnzimmer. Sie fängt an, mit ruhiger, liebevoller Stimme mit ihm über Morgen zu reden. Ich zünde eine Kerze an und setze mich zu ihnen. Das kleine, schwache Licht flackert still und glücklich vor sich hin, irritiert, wie ich, von der plötzlich herrschenden, falschen Harmonie um uns herum. Die Tulpenvase wirft einen langen Schatten an die weiße Wand. Diese Vase war niemals leer.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @datpaticularArt ,

ganz herzlich willkommen im Forum. :gelb:

Du hast - deinem Profil entsprechend - große Pläne mit deinen Texten und es wird bestimmt hilfreich sein, dass du dich hier engagieren möchtest. Ich finde keine Info wie alt du bist und kann deine Kritikfähigkeit nicht einschätzen, weil du selbst mit einer Geschichte, nicht mit einem Kommentar zu einem Fremdtext eingestiegen bist. Daher sag ich mal vorab: Bei allem, was ich schreibe, geht es um deinen Text und um Vorschläge zum Handwerklichen, es geht nicht um deine Person. Da dies ein Kurzgeschichtenforum ist, behandle ich den Text als Prosa und es ist einerlei, ob du das erlebt, beobachtet oder vollkommen ausgedacht hast.

Keine besonderen Blumen, _eine teuren.
k
Es waren meistens die preiswerten, die aus dem Discounter.
Finde ich vom Rhythmus her nicht optimal, hier so stakkatohaft weiterzumachen. Das verliert an Wirkung. Vllt: Es waren meist die aus einem Discounter oder so. Dass Discounter preiswertere Artikel haben, ist ja logisch.
Mit einem Freudenruf brachte er sie nach Hause: "Schatz, sieh was ich dir mitgebracht habe!" Zeilenumbruch Als wäre wieder alles gut.
Neue Zeile bei Sprecherwechsel / Fokuswechsel.
Als wären zu welken begonnene Tulpen, die ihre schlaffen Blätter sinken ließen und erschöpft nach dem Wasser lechzten[Komma, da Ende Einschub] eine Zeitmaschiene.
Uiuiui, das klingt bissl wie besoffen gegen die Leitplanke gefahren. Dafür gäbe es etwas weniger verdreht: welkende Tulpen
schlaff
ist entbehrlich, weil man sich das beim Welken schon denkt und es keinen Mehrwert hat.
Als brächten die Tulpen die beiden sich zuvor Streitenden zurück zu dem Moment, in_dem sich eine gewöhnliche, alltägliche Unterhaltung in etwas verwandelte, wdas ich als Stromausfall bezeichne.
indem ist nicht gleich in dem
Ich bin von einer auktorialen, neutralen Erzählperspektive ausgegangen. Der Erzähler ist nun aber anscheinend mit den Figuren im fiktiven Raum. Das ist - wenn bewusst gemacht - nicht unbedingt ein Fehler, aber ein so starker auktorialer Erzähler, der sich auf die Handlungsebene drängt, ist extrem ungewöhnlich. That said: Einer meiner Lieblingsautoren macht das gern und meisterhaft, Antoine Volodine a.k.a. Lutz Bassmann. Man sollte das aber gut im Griff haben und immer den Überblick behalten, wann der auch mal was sagen darf, wann man dem als Autor eine solche Autorität zugestehen möchte.
Und was das jeweils mit den Figuren macht, was für eine Wirkung es für die Fiktion ergibt. Es wird ja damit der Blick auf die 'Gemachtheit' des Textes gezwungen - man will beim Erzählen ja meist erreichen, dass der Leser vergisst, dass er liest und es ihm so vorkommt, als wäre er dabei. Das genau boykottierst du hier, es sollte also irgendeine Funktion für dich - und am besten für den Leser - erfüllen.

Falls das Ich eine dritte physisch anwesende Figur sein soll, fände ich es nicht übel, wenn sie eine Rolle bekäme, die über inneren Monolog / Beobachtungen / Analysen hinausginge.

Bei Stromausfall Kerzen anzuzünden, daran denken die wenigsten. Panisch wird nach dem Sicherungskasten gesucht. Stromausfall, das bedeutete vielerorts das Ende jedes Lebenssinnes!
Den letzten Satz hier finde ich ziemlich extrem, kann ich nicht nachvollziehen und daher erschließt sich mir die Dramatik nicht.
Zweites Problem: Der Text hat so gut wie keine Handlung, so gut wie keine Charakterisierung, aber wenigstens einen Konflikt - nur läuft alles auf einer extrem symbolischen Ebene. Das gut gewichtet gefiele mir durchaus, aber so empfinde ich den Text als tot, zu fragmentiert und zu distanziert. Es liest sich wie eine Skizze, der ein Plot und eine Entwicklung guttun würde.
Ganz vor allem: Du eröffnest drei symbolische Motive - die Blumen als Zeitmaschine, das Welken als Tod / Vergänglichkeit und der Stromausfall / die Kerzen. Vor der dünnen Handlung und den blassen Figuren und auf der extrem kurzen Strecke sind das zu viele Symbole. Das verwässert das Bild, wird beliebig. Ich denke, die Blumen und die Zeitmaschine reichen, das ist ein guter, sehr frischer Gedanke.
Die Tulpen stehen nicht für die Kerzen, die man hätte anzünden können, um dennoch das wohlige Beisammensein auszukosten. Sie sind auch keine Zeitmaschine.
Zu abstrakt, zu symbolisiert. Zur Abwechslung auch mal die Figuren handeln lassen. Nicht nur denken. Gedanken sind für Leser nicht so spannend wie für die Schreibenden, sorry.
Zeitreisen sind unmöglich. Ich glaube gern an das Unmögliche, aber sterbende Tulpen lassen mich meinen Glauben vergessen.
Die Aussagen klingen wirr. A) rationalistisch, B) Wunsch C) Desillusionierung - das ist so kein stimmiger Kreis bzw. Entwicklung. Hier wäre es sinnvoll, mal Butter bei die Fische zu geben und vom Abstrakten ins Konkrete zu gehen.
Wir sitzen im Wohnzimmer. Sie fängt an, mit ruhiger, liebevoller Stimme mit ihm über Morgen zu reden. Ich zünde eine Kerze an und setze mich zu ihnen.
Hier wieder die Frage, ob die Erzählerin physisch anwesend ist oder als auktorialer, sich einmischender Erzähler wie ein Gespenst da eingreifen und auftauchen kann. Auch frage ich mich, wie sich das Ich da positioniert - es ist ja mehr als nur ein Zeuge.
Die Tulpenvase wirft einen langen Schatten an die bei Tageslicht weiße Wand.
Das klingt wie oben mit den vor sich hinwelkenden Blumen - ziemlicher Infodump, als wolltest du mal eben was zum Setting vermitteln. bei Tageslicht ist doch entbehrlich, weil man sich fragt: wie ist sie bei Lampenlicht? Immer noch weiß. Die Wand ist und bleibt weiß, was sich ändert, ist lediglich das Licht - je nach Wetter, Tageszeit. Dein Satz ist also unpräzise, im Grunde sogar inkorrekt.

So, du hast das Pech, dass du hier Flash Fiction hast, die sich mal schnell kommentieren lassen kann. :gelb::) Auf jeden Fall halte ich es für leichter, aus einem zu knappen Text einen etwas gehaltvolleren, längeren zu stricken, als 20.000 überflüssige Zeichen aus einem redundanten Textmonster zu entfernen.

Ich hoffe sehr, du kannst etwas mit meinen Anmerkungen anfangen und bin gespannt, ob aus diesem Text noch etwas anderes entsteht. Wenn du mal etwas veröffentlichen willst, ist jedenfalls kritische Textarbeit absolut unerlässlich.

Herzlichst, Katla

 

Hey @datpaticularArt

@Katla hat schon einiges gesagt, dem ich gerne zustimme. Noch ein paar Ergänzungen von meiner Seite:

und erschöpft nach dem Wasser lechzten eine Zeitmaschine.

Zeitreisen sind unmöglich
Das ist nicht richtig. Zeitreisen in die Zukunft sind möglich. Wie uns die spezielle Relativitätstheorie lehrt, muss man sich lediglich sehr schnell bewegen oder sich nah an einem Körper mit sehr großer Masse befinden. Allerdings sind derartige Zeitreisen für uns momentan technisch noch nicht realisierbar. Ob Zeitreisen in die Vergangenheit möglich sind, ist nach aktuellem Stand unklar.

Irgendwo machte irgendwas einen Fehler
Meinst du hier wirklich "irgendwas" oder doch eher "irgendwer"?

fanden die neuen, welken Glockenköpfe ihren Platz.
Dass die Blumen so derart verwelkt sind, stört mich irgendwie massiv. Selbst wenn man beim Discounter preiswerte Ware bekommt, sind die Blumen doch nicht verwelkt, zumindest sollte es sich dabei um eine Ausnahme handeln.

Insgesamt finde ich deinen Text schwer zugänglich. Es gibt zwar eine Handlung (Streit -> Tulpen -> Vase -> Friede Freude Eierkuchen Atmosphäre), doch wird diese vollkommen überlagert von Gedanken und Symbolen. Ich frage mich den gesamten Text hindurch, warum ich weiterlesen soll. Spaß hat das Lesen keinen bereitet.

Was mich auch stört, ist dass die Figuren irgendwie blass bleiben. Es bleiben für meinen Geschmack zu viele Fragen offen. Warum streiten sie sich immer? Warum bleiben sie zusammen? Wer ist der Erzähler? ...

LG
Markov

 

Hallo @Markov
Vielen Dank für deine Kritik. Dass die Figuren blass wirken hatte ich befürchtet. Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen und an meinen Texten arbeiten

viele Grüße

datpaticularArt

@Katla Danke für deine sehr ausführliche Kritik. Die von dir aufgeführten Punkte kann ich hauptsächlich nachvollziehen. Ich werde deine Kritik in künftigen Texten versuchen zu berücksichtigen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich glaube gern an das Unmögliche, aber sterbende Tulpen lassen mich meinen Glauben vergessen.

Ich werde deine Kritik in künftigen Texten versuchen zu berücksichtigen.
warum nicht hier schon an Deinem Erstling,

datpaticularArt?

Denn alles schon gesagt und ich erzähl Geschichten ungern nach, gehört die Nacherzählung doch auf die harte Schulbank, um vor allem das Gedächtnis der lieben Kleinen zu trainieren. Zudem sollen die Geschichten doch gelesen werden – aber ich geb noch einen, mehr oder weniger scharfen Senf dazu, nämlich hier schon – und der Senf schmeckt zunächst mal süßlich, wenn es heißt

"Schatz, siehKOMMA was ich dir mitgebracht habe!"

denn Du pflegst (und das ist kein Scherz) das Ausrufezeichen, das hierorts immer seltener genutzt wird, wiewohl Imperative genug verwendet werden. Und Dein „Held“ scheint ein ordentlicher Bürger zu sein, denn ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Blumenstrauß geopfert zu haben zur Versöhnung, weil ich der Auffassung bin, Blumen – wie alles andere Leben auch – haben ein Recht auf Unversehrtheit und man tut ihnen Unrecht, sie abzuschneiden, um in einer Vase zu welken und …,

was natürlich nix mit Schreibkünsten zu tun hat – nur um mich ein bisschen vorzustellen.

Als brächten die Blumen die beiden sich zuvor Streitenden zurück zu dem Moment, in dem sich eine gewöhnliche, alltägliche Unterhaltung in etwas verwandelte, was ich als Stromausfall bezeichne.
Drei Ebenen, davon zwei unterschiedliche Zeiten „verwandelte“ und „bezeichnen“, die formal gegen die Zeiteinheit eines temporalen Satzes verstoßen, und der Konjunktiv II, irrealis oder potentialis, „brächte“, der nicht die Bohne mit der Zeitenfolge zu tun hat, was sich ja schon in dem „als ob“ des darauf ausgebreiteten Nebensatzes „in dem sich …“ äußert – und aber - oder doch besser siehe, wenn man weiß, dass der Konj. II aus dem Prät. des entsprechenden (,zumeist umgelauteten) Verbes gewonnen wird, wandelt sich die Passage
Als brächten die Blumen die beiden sich zuvor Streitenden zurück zu dem Moment, in dem sich eine gewöhnliche, alltägliche Unterhaltung in etwas verwandelte, ...
in einen gelungenen Konj. II, der sogar den präsent- und indikatiefen Appendix erduldet.

Zufall oder Absicht?
Da solltestu aber ehrlich gegen Dich selber sein. Allzu oft gelingt dergleichen Zufall nicht … aber einstweilen hastu einen Stein in meinem Brett ...

Und hier noch einmal

Die Tulpen stehen nicht für die Kerzen, die man hätte anzünden können, um dennoch das wohlige Beisammensein auszukosten.
wobei der Indikativ eigentlich die natürlichere Formulierung ergibt im
"die man (schlicht) anzünden kann", wobei das MOdalverb "können" mit seiner binären Wertigkeit (entweder einer kann es oder eben nicht) genug Möglichkeiten bietet.

Ich bin gespannt, wie's weitergeht und bis dahin

schöne Tage diese Tage und ein herzliches Willkommen hierorts vom

Friedel

 

Ich finde deinen Text sehr schön. Ich finde den Vergleich mit dem Stromausfall sehr passend für die Situation. Diese verankerte Reaktion auf immer dieselbe Situation.

Hier ist schon viel konstruktive Kritik unter deinem Beitrag. Da ich hier neu bin und mich selbst erstmal mit der Website auseinander setzen muss und möchte, schreibe ich erstmal nur "leichte" Kommentare zu anderen Beiträgen.

 

Hallo @datpaticularArt,

ich finde, der Text hat was. Es stört mich auch nicht, dass die Figuren blass bleiben, der Text scheint mir nicht auf eine starke Figurenzeichnung angelegt zu sein, spiegelt eher eine Stimmung wider. Und die ist dir gut gelungen, wie ich finde. Das liegt nicht zuletzt daran, dass du sehr stilsicher schreibst. Ich wurde nirgendwo rausgeworfen oder bin über holprige Formulierungen gestolpert.
Bis zum Stromausfall liest sich das Ganze druckreif für mich, nur die Erzählinstanz beginnt zu wackeln, weil plötzlich das Ich hinzukommt. Ab da beginne ich mich zu fragen, wer die Figuren sind, und das wirkt dann schwammig. Wäre die Situation ausschließlich aus der Sicht der Frau geschildert, hätte ich mich das nicht gefragt, keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil ich mir durch sie als Erzählerin bereits ein Bild machen kann.

Irgendwo machte irgendwer einen Fehler in ihren funktionierenden, eintönigen Worten. Der Strom fiel aus. Sie vergaßen sich, vergaßen den Grund, den Auslöser.
Bei Stromausfall Kerzen anzuzünden, daran denken die wenigsten.
Das gefällt mir sehr gut.


Die Tulpen stehen nicht für die Kerzen, die man hätte anzünden können, um dennoch das wohlige Beisammensein auszukosten. Sie sind auch keine Zeitmaschine.
Ich glaube gern an das Unmögliche, aber sterbende Tulpen lassen mich meinen Glauben vergessen.
Der Absatz wäre entbehrlich.

Ebenso wortlos beschnitt sie die Stiele der traurigen Blumen. In der Vase, die nie leer war, fanden die neuen, welken Glockenköpfe ihren Platz.
Das ist mir zu melodramatisch. Genau wie einer meiner Vorredner, finde ich es auch etwas übertrieben, dass die Blumen die Köpfe hängenlassen müssen. Die Aussage, dass deren Verhältnis oberflächlich ist, ist schon klar genug, wenn ich weiß, dass er nach jedem Streit mit Discounter-Blumen nach Hause kommt.

Gern gelesen von Chai

 

Hallo @datpaticularArt,
dein Text gefällt mir! Aber auch die Kritik in den Kommentaren halte ich für angebracht.
"dem Moment, in dem sich eine" Hast du das so korrigiert? Dann ist es gut. Das "in_dem" in dem Kommentar klingt so, als solltest du es zusammenschreiben, was ich aber für falsch halte: das zweite "dem" ist ja ein Relativpronomen.
gez. Der Grammatikpapst (ich habe schon als 10jähriger meinen Deutschlehrer korrigiert. Aber dieser Kommentar wird sicher vernichtet...)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom