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Der Taubenschlag

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19.01.2004
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Der Taubenschlag

Caroline rückte den beigen Sessel ein Stück nach links. Irgendetwas gefiel ihr noch nicht an diesem Raum, doch bisher hatte sie nicht herausfinden können, was es war. Jedesmal, wenn sie sich auf das neue Sofa setzte und sich eine Zigarette anzündete, fühlte sie sich unbehaglich und dieses Gefühl lies ihr keine Ruhe. Doch vielleicht war es gar nicht die Einrichtung der neuen Wohnung, sondern der Streit mit Paul am Vorabend, der ihr die Ruhe stahl. Wieso kam er plötzlich so spät nach Hause? Als Caroline ihn darauf angesprochen hatte war er wütend geworden, hatte es auf das neue Projekt bei seiner Arbeit geschoben und ihr danach beschwichtigend die Hände auf die Schultern gelegt, wie einem kleinen Kind, das sich irgendwo beim Spielen das Knie aufgestoßen hatte. Doch Caroline war eine erwachsene Frau. Sie würde sich das alles hier nicht von irgendeinem Flittchen kaputt machen lassen. Sie liebte ihren Mann und sie liebte diese Wohnung. Einen Moment lang saß sie reglos auf dem Sofa und starrte ins Leere, dann sprang sie erneut auf und rückte den Sessel abwechselnd nach links und rechts, bis ihr die ersten Tränen über die Wange liefen und lautlos auf den Teppich tropften. Danach sank sie selbst zu Boden. Sie schämte sich dafür. Für die Wut in ihrem Bauch, für die Angst in ihrem Kopf und für die Tatsache, dass sie Paul für immer verlieren könnte, weil sie nicht gut genug für ihn war. All diese schrecklichen Gedanken brachten sie fast um den Verstand, denn wenn Paul gehen würde, wäre sie wieder ganz allein. Und die Furcht davor schlängelte sich durch Caroline´s ganzen Körper.

Lange Zeit später zog sich Caroline wieder auf die Beine, die Augen rot und verschwollen, die Hände immer noch zu Fäusten geballt, die sich nur langsam wieder öffneten. Sie taumelte durch die Wohnung, holte sich in der Küche ein Glas Mineralwasser und warf eine Kopfschmerztablette hinein. Irgendetwas muss ich unternehmen, dachte sie sich, während sie zum Fenster ging, damit der kühle Wind den Schmerz aus ihrem Gesicht blasen konnte. Wie sehr hatte sie sich auf diese Wohnung gefreut, mit ihren riesigen, hellen Fenstern und den großen Holzbalken an der Decke. Als Caroline vor zwei Wochen von einer kleinen Erkundungstour nach Hause gekommen war, hatte Paul sie schon an der Tür erwartet und ihr gesagt, wie sehr er sich freue, dass sie bei ihm sei und das er immer gut auf sie aufpassen würde. Caroline war sich die ganze Zeit vorgekommen wie eine Prinzessin aus einem wunderschönen Märchen, die von einem stattlichen Prinzen aus den Fängen der Einsamkeit gerettet worden war. Doch dann hatte es plötzlich angefangen, nur wenige Tage später. Paul kam nicht mehr pünktlich von der Arbeit nach Hause und schien verändert. Er war auf einmal so aggressiv, schlecht gelaunt und wirkte irgendwie nervös. Wenn Caroline ihn küssen wollte, wich er vor ihr zurück und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Und es hatte nicht lange gedauert, bis Caroline auf eine Erklärung für sein seltsames Verhalten gestoßen war. Paul hatte eine andere. Sie hatte diese Vermutung vor ihm noch nicht laut ausgesprochen, doch in ihrem Innern war sie sich sicher. Da war eine andere Frau.

Caroline lehnte immer noch am Fenster und nippte gerade an dem mittlerweile scheußlich schmeckenden Wasser, als sich plötzlich eine Taube neben ihr auf dem Fensterbrett niederließ. Caroline erschrak und ließ ihr Glas mit dem bitteren Wasser auf den Boden fallen, wo es klirrend in tausend Scherben zersprang. Die Taube erhob sich daraufhin wieder in die Lüfte und flatterte hinüber zu dem leerstehenden Haus, das gegenüber von Caroline´s Wohnung stand. Ihr Blick folgte dem Vogel bis hinauf zu einem kaputten Fenster im obersten Stock. Im Grunde war es nur ein schwarzes Loch, gesäumt von den Überresten einer zerbrochenen Glasscheibe. Doch anscheinend war dort oben im Dachstuhl so etwas wie ein Taubenschlag, denn kaum war das Tier darin verschwunden, erschien auch schon ein anderes auf dem Sims und gurrte aufgeregt, bevor es die Flügel ausbreitete und davonflog. Caroline´s Augen konnten nicht mehr von dem schwarzen Loch in der bröckeligen Hauswand ablassen und plötzlich glaubte sie, dort in der Dunkelheit die Umrisse eines Menschen erkannt zu haben und es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Angestrengt versuchte sie, mehr zu erken-nen, doch nur kurz darauf verschmolz alles wieder zu einer einzigen schwarzen Masse. Könnte dort oben jemand sein? Jemand, der sie beobachtete? Der jeden ihrer Schritte verfolgte? Er musste von dort oben einen ausgezeichneten Blick in die Wohnung haben. Und besonders gut musste er sie sehen können, wenn sie abends allein auf dem Sofa saß und auf ihren Mann wartete.

Als Caroline im Bett lag, konnte sie sich nur schwer entspannen. Wahrscheinlich hatte sie sich das mit dem Fremden im Taubenschlag nur eingebildet. Schließlich waren alle dunklen Orte auf irgendeine Weise unheimlich und boten genug Platz für Schauergeschichten. An allem ist nur Paul Schuld, dachte sie sich, als sie plötzlich ein Geräusch auf dem Flur hörte. Schnell schloss sie die Augen. Die Tür des Schlafzimmers öffnete sich einen Spalt und Paul steckte seinen Kopf hindurch. Er musterte die schlafende Frau einen Moment, dann schloss er die Tür wieder. Caroline war erleichtert, denn einen Streit wie den am Abend zuvor wollte sie unbedingt vermeiden. Irgendetwas musste sie sich einfallen lassen. Doch bevor sie beginnen konnte, genauer darüber nachzudenken, hörte sie Paul´s Stimme. Er schien in der Küche zu telefonieren und dabei sprach er sehr leise. Einen Augenblick lang überlegte Caroline, ob sie nicht einfach liegen bleiben sollte, doch dann siegte die Neugier und sie schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Genaueres konnte sie nicht verstehen, dafür sprach Paul zu leise. Nur einen Gesprächsfetzen, bei dem seine Stimme lauter wurde und etwas verärgert klang, konnte sie deutlich hören: „Dann weiß sie es eben. Das spielt auch bald keine Rolle mehr! Es wäre ohnehin das beste, wenn ich sie wieder loswerde!“ Plötzlich war es still. Caroline machte diese Stille Angst. Sie versuchte so leise wie möglich zurück ins Bett zu hasten, wollte das Gehörte ignorieren und so schnell wie möglich einschlafen. Doch sie wusste genau, dass es ihr nicht gelingen würde. Weder das eine, noch das andere.

Als Caroline am nächsten Morgen aufwachte, war die andere Seite des Bettes leer. Paul war also bereits gegangen, doch das konnte ihr nur Recht sein. Sie stand auf, machte das Bett und wollte in die Küche gehen, um sich einen Kaffee zu kochen. Doch als sie hinaus auf den Flur trat, fiel ihr sofort Paul´s schwarze Ledertasche auf, die er wohl vergessen haben musste. Dabei verwahrte er darin wichtige Unterlagen. Die Tasche stand neben der Komode auf dem Boden. Erst als Caroline sie aufhob, kam ihr die Idee, einen Blick hinein zu werfen. Vielleicht fand sie ja eine Telefonnummer oder irgendeinen anderen Hinweis auf die Schlampe, die dabei war, ihr den Mann auszuspannen. Sie ging hinüber zum Telefon und wählte die Nummer von Paul´s Arbeitsstelle. Während es läutete, begann sie damit, die Tasche etwas näher zu untersuchen. Es waren allerlei Unterlagen darin, Geschäftsbriefe und ein paar Akten von Paul´s Kunden, die Caroline nicht näher interessierten. Dann kam sein kleines Notizbuch zum Vor-schein, in dem er seine Telefonnummern und Adressen aufbewahrte. „Wallace & Smith Insurance, was kann ich für sie tun?“ fragte eine freundliche Frauen-stimme plötzlich. Caroline fuhr zusammen. „Guten Morgen, ich würde gerne mit meinem Mann sprechen, Mr. Pearson.“
„Oh, ich wusste gar nicht, das Paul verheiratet ist. Einen Augenblick bitte. Ich verbinde“, antwortete die freundliche Stimme. Es läutete wieder und Caroline unternahm einen neuen Versuch, das Notizbuch in Paul´s Tasche zu untersuchen. Sie schlug es auf, blätterte ein paar Seiten und fand dann ein Foto, auf des-sen Rückseite ein Datum stand: 25.10.03. Das war vorgestern gewesen. Der Tag, an dem sie sich mit Paul gestritten hatte. Caroline wendete das Bild. „Guten Morgen, was gibt es?“ fragte plötzlich Paul´s Stimme. Doch Caroline hatte es die Sprache verschlagen. Das Foto. Sie selbst war darauf zu sehen, wie sie auf dem Sofa in ihrem neuen Wohnzimmer saß. Doch derjenige, der das Foto gemacht hatte, war zu diesem Zeitpunkt nicht in demselben Raum gewesen. Er musste das Foto vom Haus gegenüber aufgenommen haben, vom Taubenschlag aus. Verwirrt blickte sie hinaus und da war es wieder. Das schwarze, gähnende Loch, in dem diese Viecher nisteten. „Hallo? Caroline? Hast du irgendwas?“ fragte Paul ungeduldig. Diese musste sich zum reden zwingen. „Nein. Ich - du hast nur deine Tasche vergessen.“ Paul schwieg eine Weile, dann sagte er ruhig: „Ja, das hab ich auch schon gemerkt. Ich werde sie in der Mittagspause holen. Sonst noch was?“ Caroline starrte immer noch ungläubig auf das Foto. „Nein, nichts.“ Dann legte sie auf.

Langsam schlich sich die Abenddämmerung heran. Reglos saß Caroline in der Küche und rauchte eine Zigarette nach der anderen, während sie überlegte, was das alles zu bedeuten hatte. Paul´s seltsames Verhalten, das Telefonat, das Foto. Was hatte er nur vor? Wurde sie wirklich von ihm beobachtet? Und was wollte er damit bezwecken? Es waren scheußliche Dinge, die in Caroline´s Kopf umherschwirrten. Als Paul mittags gekommen war, um die Tasche zu holen, hatte er kaum ein Wort mit ihr gesprochen. Und sie glaubte in seinem Blick so etwas wie Verachtung erkannt zu haben. Das Telefon klingelte. Caroline stand auf und wollte ins Wohnzimmer gehen, doch sie zögerte. Seit der Entdeckung am Vormittag hatte sie diesen Raum gemieden wie eine Katze das Wasser. Denn wenn sie das Zimmer betrat, würde ER sie sehen. Der widerliche Fremde im Taubenschlag. Und allein der Gedanke bereitete ihr eine Gänsehaut. Das Telefon verstummte. Etwas erleichtert setzte sich Caroline wieder in die Küche, bis das Telefon wenige Minuten später erneut zu klingeln begann. Und es schien nicht mehr aufzuhören. Es klingelte und klingelte, eine halbe Ewigkeit, bis es Caroline nicht mehr aushielt und ins Wohnzimmer ging. Doch gerade als sie zum Hörer greifen wollte, verstummte der Apparat.

Draußen war es bereits dunkel geworden. Man hörte langsame Schritte, wie sie die Stufen hinaufkrochen und vor der Wohnungstür inne hielten. Caroline hatte einen Entschluss gefasst. Sie wollte es darauf ankommen lassen, denn die Angst in ihrem Bauch hatte sich allmählich in Wut verwandelt. „Hattest du einen schönen Tag?“ fragte Paul, der gerade zur Tür hereingekommen war und sehr müde wirkte. „Das müsstest du doch eigentlich wissen, oder?“ antwortete Caroline und der zynische Unterton in ihren Worten war deutlich zu hören. „Wie soll ich das wieder verstehen?“ fragte Paul und versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, was ihm sichtlich Mühe bereitete. „Was hast du dir denn jetzt wieder ausgedacht? Das ich mit Drogen deale? Oder vielleicht Mitglied einer Sekte bin?“ Bevor Paul ein weiteres Beispiel bringen konnte, brach Caroline in Tränen aus, doch das schien ihn nicht zu stören. Er redete weiter auf sie ein bis sie plötzlich aufstand und ihn anschrie: „Wieso tust du mir das an du Dreckskerl!? Gib doch zu das du eine andere hast! Ich bin dir nicht mehr gut genug, das ist es doch, oder?“ Sie stand auf und schlug auf Paul ein, der mit einer derartigen Anschuldigung offensichtlich überfordert war. „Was redest du da für einen Mist? Überleg mal was du da sagst!“ Doch Caroline lies sich nicht beruhigen. Sie war außer sich vor Wut und dann traf sie Paul mit voller Wucht ins Gesicht. Er wich einen Schritt zurück und hielt sich die Hand auf sein Auge. Das war einfach zuviel für ihn. Er packte Caroline an den Schultern und schleuderte sie gegen den Küchentisch, woraufhin sie mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden sank. Bevor sich der schwarze Schatten über ihre Augen legte sah sie Paul, wie er sich über sie beugte: „Es tut mir Leid. Ich werde all dem ein Ende bereiten.“ stotterte er. Dann verlor Caroline das Bewusstsein.

Es war schon nach zweiundzwanzig Uhr als Caroline wieder zu sich kam. Sie lag auf dem Sofa. Das Herz schlug ihr bis zum Kopf und ihr ganzer Körper tat weh, dennoch versuchte sie, aufzustehen. Draußen war es stockdunkel. Noch nicht einmal der Taubenschlag war richtig zu erkennen. Caroline schlich zur Tür und öffnete sie so leise wie nur möglich. Paul war nirgends zu sehen. Sofort dachte Caroline an seine letzten Worte. Er würde dem ein Ende machen, hatte er gesagt. Caroline hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Schluchzen zu ersticken. Sie traute Paul alles zu. Er hatte sie angelogen und mit einer dreckigen Hure hintergangen. Und anscheinend machte es ihm Spass, seine eigene Frau heimlich zu beobachten, wie sie zu Hause saß und seinetwegen wahnsinnig wurde. Oder diente dieses kranke Spiel einem anderen Zweck? Vielleicht hatte er jemanden engagiert, der sie für ihn aus dem Weg räumen sollte? Und dieser jemand studierte sie jetzt, wie ein wildes Tier das nur schwer zu fangen war. Dabei hatte Caroline geglaubt, ihren Mann genau zu kennen. Sie waren doch schon eine Ewigkeit zusammen. Einen Moment lang versuchte sie sich zu erinnern, an die Zeit vor zwei Wochen, vor den Streitereien und den Verdächtigungen. Doch da war nichts. Alles war verschwommen, nur der Hauch einer Erinnerung schien übrig geblieben zu sein. Plötzlich wurde Caroline aus ihren Gedanken gerissen. In dem Taubenschlag hatte sich etwas bewegt und dieses Etwas war zu groß, als das es eines der Tiere hätte sein können. Wer oder was versteckte sich dort drüben hinter dem zerbrochenen Glas? Und wo war Paul hin-gegangen? Dieser Horror muss aufhören, dachte sich Caroline. Sie ging in die Küche, griff in eine Schublade und holte ein langes Messer heraus. Dann verlies sie, fest entschlossen diesem Spuk ein Ende zu bereiten, die Wohnung.

Die Vordertür des unbewohnten Gebäudes war mit einem Eisengitter versperrt und es sah nicht so aus, als hätte es in letzter Zeit jemand geöffnet. Es musste einen zweiten Eingang geben und Caroline fand ihn auch, auf der Rückseite des Hauses. Die klapprige Tür war nur angelehnt, auf dem Boden davor lagen mehrere Zigarettenstummel. Vorsichtig versuchte Caroline, die Tür weiter aufzumachen, doch nach einer kurzen Berührung öffnete sich diese unter leisem Quietschen von selbst und gab den Weg in die Dunkelheit frei. Zuerst zögerte Caroline und wollte einen Moment lang sogar wieder umkehren, doch sie musste ein-fach herausfinden, was hier vor sich ging. Und so trat sie ein und ging ein paar Schritte, bis die Finsternis sie vollkommen verschluckt hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie etwas erkennen konnte. Ein langer Flur führte zu einer breiten Treppe. Caroline tastete sich an den Wänden entlang, bis sie mit dem Fuß an den ersten Absatz stieß. Dann ging sie hinauf und die Stufen ächzten unter ihren Schritten, als ob sie unsägliche Schmerzen erleiden mussten. Von den oberen Stockwerken her kam ein widerlicher, modriger Geruch, der sich in Caroline´s Nase bohrte, doch sie lies sich davon nicht abhalten. Langsam stieg sie nach oben. Ihre Hand fuhr am Geländer entlang, weiter über die nächsten Etagen bis zu der Treppe, die auf den Dachboden führen musste. Dort blieb sie einen Augenblick stehen und starrte hinauf zu der verrotteten Tür, hinter der sie die Antwort auf all ihre Fragen zu finden glaubte. Irgendetwas krabbelte über Caroline´s Hand und ihr entfuhr ein leiser Schrei, denn der Ekel war überwältigend. Panisch blickte sie wieder hinauf, doch dort oben rührte sich nichts. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn und der Gestank schien sie langsam zu vergiften. Ihre Schritte wurden immer schwerer, gebremst von der Angst die mit jeder Stufe größer wurde. Doch dann berührte Caroline´s Hand plötzlich das feuchte Holz der Tür. Ihr Herz raste. Ihre Augen waren weit aufgerissen um auch die kleinste Bewegung ausfindig zu machen. Die Tür öffnete sich. Es war still. Vor ihr auf dem Boden saß eine Taube. Sie musterte Caroline misstrauisch, dann flog sie ein Stück durch den hohen Raum der mit Holzbalken durchzogen war und landete auf einer Apparatur, die an dem Fenster mit der zerbrochenen Scheibe stand. Caroline näherte sich ihr, schlüpfte vorbei an dutzenden von Tauben, deren ängstliche Blicke sie verfolgten. Und plötzlich stand sie vor einer Videokamera, die auf einem Stativ angebracht war. Caroline wollte hindurchsehen, doch sie stolperte über einen der Balken und fiel gegen die Kamera. Mit einem lauten Knall landete diese auf dem Boden und all die Tauben schreckten auf und flatterten panisch durch den Raum. Caroline zog sich an dem Fensterrahmen wieder auf die Beine. Paul´s Blick lies ihr das Blut in den Adern gefrieren. Er stand hinter dem Fenster des Wohnzimmers und starrte sie an. Caroline konnte sich nicht bewegen, bis er plötzlich verschwunden war. Er wird kommen, dachte sie. Ich habe sein dreckiges Spiel durchschaut und jetzt kommt er um mich zum schweigen zu bringen! Panisch kniete sie sich auf den Boden. Das Messer war ihr bei dem Sturz abhanden gekommen. Sie tastete völlig aufgelöst in der Dunkelheit umher, doch sie fand es nicht. Hastige Schritte waren zu hören. Sie wurden immer lauter, kamen immer näher.

Paul öffnete die Tür zum Dachboden. Caroline war nirgends zu sehen. Er ging zum Fenster, entdeckte die Kamera und beugte sich, um sie wieder aufzurichten. Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch. Schlagartig drehte er sich um und auf einmal wünschte sich Paul, das alles wäre nur ein böser Traum gewesen. Wäre er doch nur nicht ans Telefon gegangen, als die Ärztin ihn angerufen hatte. Niemals hätte er anbieten sollen, Caroline eine Weile bei sich wohnen zu lassen. Die Ärztin hatte ihn doch vor den Gefahren gewarnt, die Caroline´s Krankheit mit sich brachten, doch er wollte nicht hören. Immerhin wurde sie mit der Kamera rund um die Uhr beobachtet, was sollte da schon passieren? Er wollte Caroline doch nichts Böses, er wollte ihr doch nur helfen, schließlich war sie seine eigene Schwester. Die Klinge hatte sich tief in Paul´s Brustkorb gebohrt. Er wich ein paar Schritte zurück und blickte hinunter auf sein blutgetränktes Hemd. Caroline stand vor ihm, das Messer immer noch auf ihn gerichtet. Und in diesem Augenblick, kurz bevor ihn der Schmerz in die Knie zwang, erkannte Paul den Wahnsinn in Caroline´s Augen. Sie trug nichts weiter als ein weißes Nachthemd, an dem nun ein paar Spritzer Blut klebten. Es flatterte aufgeregt im Wind, fast wie die Flügel einer Taube, dachte sich Paul. Dann schloss er die Augen.

Ende

 

Hallo Alistair.Isen,

was für ein furioser Einstand! Eine tolle Geschichte. Bis zum vorletzten Abschnitt habe ich mir vorgenommen, das etwas sprunghafte Verhalten der Protagonistin zu kritisieren. Aber daran ist gar nichts zu kritisieren, wie der letzte Abschnitt zeigt.

Beste Grüße und weiter so.
knagorny

 

Hallo!

Also um ehrlich zu sein habe ich einen
Luftsprung gemacht, als ich die ERSTE Kritik
zu meiner ALLERERSTEN Kurzgeschichte gelesen habe. Vielen Dank an dieser Stelle an knagorny! Es freut mich wirklich sehr!!!

Natürlich hoffe ich, dass sich weitere Leser finden werden.

Die Grundidee für "Taubenschlag" hatte ich schon vor ca. einem Jahr, als ich bei meinen besten Freunden im Wohnzimmer saß und aus dem Fenster sah. Dort bot sich mir ein ähnlicher Anblick wie in der Geschichte beschrieben. Eigentlich als Drehbuch für einen Kurzfilm geplant, wurde diese Idee nach einiger Zeit wieder verworfen und ich entschloss mich im Januar 04, daraus eine Kurzgeschichte zu machen.

Zur Zeit arbeite ich an zwei weiteren Geschichten, jeweils eine für die Rubriken Spannung und Fantasy.

 

Hallo

Prima Geschichte, gefällt mir auch.

Vielleicht könntest du, um sie vollends perfekt zu machen, die Bindestriche (Silbentrennung) entfernen.

lieben Gruß

 

Hallo Alistair.Isen und willkommen auf Kg.de

Auch von mir Respekt für deinen Einstand hier.

Eine tolle erste Geschichte, die Spannung erzeugt. Der dunkle Taubenschlag am Nachbarhaus hat mir sehr gut gefallen und die Auflösung war wirklich nicht leicht vorherzusehen (Ich selbst dachte ja, dass ihr "Mann" vielleicht von einem Unbekannten erpresst wird).

Hat mir sehr gut gefallen, auch sprachlich in Ordnung.

mach weiter so :)

porcupine

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen vielen Dank! *rotwerd* :bounce:

Ich werde mich bemühen, die nächste Geschichte genauso gut, wenn nicht noch besser zu schreiben.

Den Bindestrichen nehm ich mich bestimmt noch an, wenn ich endlich mal ein bisschen Zeit hab... :sad:

Viele Grüße

Alistair/Alex (Kimahri)

 

Hey Alistair.Isen!

Wow, also, auch mir hat deine Geschichte gefallen.

Du hast eine gute Spannungskurve erzeugt und am Ende eine gute Pointe ins Leben gerufen.
Obwohl eine leichte Kritik zur Pointe hab ich schon. Irgendwie kam mir das zu plötzlich - also die Sache mit der Schwester und so. Ein kleiner dezenter Hinweis wär schon cool (obwohl man eigentlich das Telefonat mit der Sekretärin dazu zählen könnte). Ich hoffe, du weißt, was ich meine *g*

Stilistisch gesehen: hm, ein paar kleinere Kommafehler glaub ich gesehen zu haben, aber die Kommasetzung ist nicht wirklich mein Freund - von daher :whistle:

Dennoch eine echt coole Geschichte! :thumbsup:

Liebe Grüße
Alisha

 

Die Geschicht ist wirklich spannend geschrieben und auch die Idee gefällt mir sehr gut. Eine kleine Kritik muß ich leider dennoch loswerden.
Ich finde, dass Du am Schluss zu hektisch wirst. Die Auflösung kam mir zu schnell und war auch teilweise etwas verwirrend. Nachdem die Frau auf dem Dachboden stürzt, liest sich die Geschichte nicht mehr so gut wie vorher. Vielleicht solltest Du das Ende nochmal überarbeiten. Ansonsten gibt es ein Lob von mir!

Grüße,

DarkLady

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin, Alistair.Isen!

habe erst bei den Kritiken gesehen, wie alt die Geschichte eigentlich schon ist, aber da deine letzte Aktivität auf KG.de laut deinem Profil erst gestern war, habe ich doch noch die Hoffnung, dass die Kritik nicht auf taube Ohren stößt.

Edit: Inzwischen sagt das Profil wieder "26.08.2005" als letzte Aktivität. Wohl doch für die Katz.
:(

Erst einmal zum Inhalt. Ja, die Geschichte hat mir gefallen, aber eigentlich erst aufgrund des letzten Abschnittes, der sie dann bündig macht. Wäre ich nicht so neugierig gewesen, ob du die Geschichte allzu simpel auslaufen lässt, hätte ich vermutlich schon vorher abgebrochen.
So habe ich mir dann schon Verbesserungsvorschläge zurecht gelegt, weil ich ehrlich gesagt fest davon überzeugt war, dass es wirklich auf ein "Mann betrügt Frau, Frau wird umgebracht, Leistung der Geschichte: Die Frau symapthisch machen, damit der Leser mit ihr mitfühlt." hinausläuft.
Das Ende hat mich dann vollends überrascht und somit breite ich mal über meine Vorschläge den Mantel des Schweigens. Inhaltlich also: :thumbsup:

Aber neben dem Inhalt gibts dann eben noch das Erscheinungsbild ... und das ist dann doch überarbeitungswürdig. Hier lediglich das, was mich beim Lesen gestört hat. Ist alles nur exemplarisch und wenn ein Fehler aufgeführt ist, dann findet er sich meist noch an anderen Stellen.
Insbesondere die Zeichensetzung verdient noch einmal genauere Betrachtung.

Ganz allgemein: Solange sie kein Buch vor sich hat, heißt es "ließ" statt "lies", und "verließ" statt "verlies".

Caroline erschrak und ließ ihr Glas mit dem bitteren Wasser auf den Boden fallen, wo es klirrend in tausend Scherben zersprang.
Übertreiben wir da nicht ein bisschen? Das "klirrend" ist ja schon Geschmackssache, aber das "in tausend Scherben" würde ich komplett streichen.

Die Taube erhob sich daraufhin wieder in die Lüfte und flatterte hinüber zu dem leerstehenden Haus, das gegenüber von Caroline´s Wohnung stand.
Auch wenn es ein englischer Name ist, hat er im Deutschen keinen Anspruch auf englische Grammatik. ;)
Der Apostroph wird nur verwendet, wenn der letzte Buchstabe des Eigennamens ein "S" ist.
Carolines Wohnung aber Thomas' Wohnung.

Angestrengt versuchte sie, mehr zu erken-nen, doch nur kurz darauf verschmolz alles wieder zu einer einzigen schwarzen Masse.
Trennstrich weg.

An allem ist nur Paul Schuld, dachte sie sich, als sie plötzlich ein Geräusch auf dem Flur hörte. Schnell schloss sie die Augen. Die Tür des Schlafzimmers öffnete sich einen Spalt und Paul steckte seinen Kopf hindurch. Er musterte die schlafende Frau einen Moment, dann schloss er die Tür wieder.
Der Satz funktioniert nicht, denn bisher schreibst du aus ihrer Perspektive. Deshalb kannst du nicht behaupten, dass sie schläft. Würde hier als wenn überhaupt nur schreiben, dass er sie kurz mustert.
Zweitens: Da du wie schon gesagt, die Geschichte aus ihrer Sicht (be)schreibst und sie die Augen geschlossen hält, kann sie nicht wissen, dass er genau sie mustert. Vielleicht sucht er ja nur etwas im Raum oder nimmt tatsächlich etwas von einem Tischchen. Da sie in der Szene nur hören kann, ist sie nicht sicher.
Was du allerdings beispielsweise machen könntest, wäre zu sagen, dass sie die Augen schloss, sich schlafend stellte und schon im nächsten Augenblick seinen Blick auf sich spürte.

Dann kam sein kleines Notizbuch zum Vor-schein, in dem er seine Telefonnummern und Adressen aufbewahrte.„Wallace & Smith Insurance, was kann ich für sie tun?“ fragte eine freundliche Frauen-stimme plötzlich
Wie oben.

Oh, ich wusste gar nicht, das Paul verheiratet ist.
"Dass". Eigentlich wollte ich nicht auf die Rechtschreibung und Grammatik eingehen, da es sich noch in einem recht gesunden Rahmen hält, aber "das-dass" ist zu elementar. ;)

Es läutete wieder und Caroline unternahm einen neuen Versuch, das Notizbuch in Paul´s Tasche zu untersuchen.
Auch das ist schon wieter oben erläutert. Gehe ab jetzt nicht mehr darauf ein, falls en noch einmal vorkommt, ich denke mal, das wirst du dann auch so finden. Gleiches bei den Trennstrichen.


Trotz meines Vorsatzes, hier eine Korrektur, da sich die Fehler in diesem Abschnitt häufen!

„Hattest du einen schönen Tag?“[1] fragte Paul, der gerade zur Tür hereingekommen war und sehr müde wirkte. „Das müsstest du doch eigentlich wissen, oder?“[2] antwortete Caroline und der zynische Unterton in ihren Worten war deutlich zu hören. „Wie soll ich das wieder verstehen?“[3] fragte Paul und versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, was ihm sichtlich Mühe bereitete. „Was hast du dir denn jetzt wieder ausgedacht? Das[4] ich mit Drogen deale? Oder vielleicht Mitglied einer Sekte bin?“[5] Bevor Paul ein weiteres Beispiel bringen konnte, brach Caroline in Tränen aus, doch das schien ihn nicht zu stören. Er redete weiter auf sie ein[6] bis sie plötzlich aufstand und ihn anschrie: „Wieso tust du mir das an[7] du Dreckskerl!? Gib doch zu das[8] du eine andere hast! Ich bin dir nicht mehr gut genug, das ist es doch, oder?“[9] Sie stand auf und schlug auf Paul ein, der mit einer derartigen Anschuldigung offensichtlich überfordert war.
1-3,5,9: Nach wörtlicher Rede folgt ein Satzzeichen. Je nachdem, wie der Satz fort geführt wird hier ein KOMMA oder PUNKT.
4,8: Dass
6,7: Komma


Fazit:
Schöne Geschichte und für einen Einstand auf jeden Fall lobenswert!

LG,
:zensiert:

 

Hiya!

Vielen Dank fuer diese Kritik so lange Zeit nach der Veroeffentlichung!

Ich habe mir alles ganz genau durchgelesen und stimme zu. Wenn ich die Geschichte selbst jetzt durchlese sehe ich viele Dinge anders als damals. Aber meine Erfahrung kommt meinen neuen Projekten zugute.

Mittlerweile lebe ich in Neuseeland und schreibe hauptsaechlich in Englisch, dazu kommt noch, dass ich jetzt Kurzfilme mache, also bitte nicht boese sein wenn ich meinen Taubenschlag unveraendert lasse. Busy busy busy! :)

Es ist durchaus moeglich dass der Taubenschlag demnaechst von mir verfilmt wird. Aber das steht noch in den Sternen.

Viele Gruesse aus Christchurch!
Alex

 

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