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Pizzajunge

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08.01.2005
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Pizzajunge

Pizzajunge

„Bist Du fähig, einen Menschen zu töten?“
Verdammt knifflige Frage, nicht wahr? Und sie wird nicht gerade einfacher, wenn Dir jemand mit einer Knarre auf deinen Kopf zielt. Einer wirklich großen Knarre, die Deinen Schädel zerplatzen lassen kann wie eine überreife Wassermelone. Wovon Du eine ziemlich genaue Vorstellung hast, denn eben gerade bist du Zeuge einer Demonstration geworden. Und Du hast selbst abgedrückt. Ohne es zu wissen, ja, und ohne es zu wollen, aber durch Dich ist ein Mensch gestorben. Und jetzt soll ein zweiter sterben, und alles, was Du denken kannst, ist: Bitte Gott, lass es nicht mich sein.
Scheiße, Mann, Du bist doch nur der verfluchte Pizzalieferant! Wieso muss ausgerechnet Dir so ein verfickter Mist passieren?
Dabei hatte der Tag ganz gut angefangen. Sie haben Jenny endlich nach Hause gelassen. Seit dem Unfall... nur, dass es kein Unfall war, ganz und gar nicht, aber ihr nennt ihn so, alle sagen sie Unfall dazu, außer Jenny, die seit dem Unfall kein Wort gesprochen hat. Drei Tage war sie verschwunden, die süße, kleine Jenny. Es war ihr zwölfter Geburtstag, und sie war mit ein paar Freundinnen zum See gefahren, Schlittschuhlaufen. Und nicht wieder nach Hause gekommen. Am Abend nicht, und auch in der Nacht nicht, und am nächsten Tag, als meine Eltern und ich schon halb wahnsinnig vor Sorge waren, immer noch keine Spur. Die Polizei schickte ihre Suchtrupps los, vergeblich. Deine Mutter schluckte mehr Beruhigungstabletten, als gut für sie war. Und dann, nach drei Tagen, nach drei endlosen, qualvollen, verzweifelten Tagen, finden sie Jenny am Rand einer Landstraße, mehr tot als lebendig. Geschlagen, misshandelt, benutzt und dann weggeworfen wie ein kaputtes Spielzeug. Die Ärzte, sie kämpften die ganze Nacht um ihr Leben, und gewannen knapp. Sie retteten ihren Körper, aber ihre Seele... sie war fort. Da war nur noch diese leere Hülle mit glasigem Blick, wie eine dieser elend teuren Porzellanpuppen. Jenny sagte nichts. Sie weinte nicht. Sie lächelte nicht. Sie lag einfach nur so da, ließ alles über sich ergehen, aß, wenn man sie fütterte, schlief, wenn man das Licht ausmachte. Aber sie sah niemanden an, schien keinen eigenen Willen mehr zu haben, und schwieg. Eine Polizistin versuchte, sie zu dem ‚Unfall’ zu befragen, aber Jenny schien nicht mal zu bemerken, dass sie mit ihr im gleichen Raum war. Oder auch nur im gleichen Universum.
Schließlich entließen sie Jenny nach Hause, zu Euch. Das war vor einer Woche, und heute Morgen, Du bist nicht ganz sicher, aber dir war so, als hätte sie dich angeschaut, als du zur Arbeit aufgebrochen bist, in deinem gelben Pizza-Quick-Outfit. Und war da nicht der Anflug von einem Lächeln? Du hast Dir das sicher nur eingebildet, aber es war ein schöner Gedanke, und er trug Dich durch den Tag wie Engelsflügel.
Bis zu eben dieser Tür, Zimmer 319 in einem dieser anonymen Hochhäuser. Stammkunden von Pizza-Quick. Sehr spendabel, einmal haben sie Dir einen Zwanziger Trinkgeld gegeben, für eine Bestellung, die gerade mal Elffünzig gekostet hatte. Seltsame Kerle, schon, trugen immer schwarze Anzüge, gute Anzüge, feine Qualität, so weit Du das beurteilen kannst, was nicht allzu weit ist. Bei jedem Wetter trugen sie dieses Outfit. Da konnte es 40 Grad im Schatten haben, und diese Kerle lockerten nicht mal die Krawatte oder zogen das Sakko aus. Seltsam, wie gesagt, aber bei so einem Trinkgeld fragst Du die Kundschaft nicht über ihre Marotten aus. Außerdem, es waren Russen, zumindest glaubst Du das, ihrem Akzent nach, und hey, andere Länder, andere Sitten.
Den Pizza-Jungen zum Mörder zu verdingen war allerdings ein Brauch, dem Du nicht so viel abgewinnen konntest.

Du hast angeklopft, wie immer, und eine Stimme sagte: „Komm rein, die Tür ist offen.“ Und da war noch ein anderes Geräusch, ein gedämpfter Laut, wie eine quietschende Tür, die man durch Watte hört. Aber Du hast Dir nichts dabei gedacht, wieso auch, hast nur das Bild von Jenny vor Augen gehabt, wie sie Dich angelächelt hat oder auch nicht, den Türknauf in die eine Hand genommen und mit der anderen die Pizzas balanciert und dann die Tür aufgezogen.
Ein Sektkorken knallt. Das war zumindest Dein erster Gedanke. Dann siehst Du den Kerl, der gegenüber der Tür auf einem Stuhl gefesselt sitzt. Siehst, wie sein Kopf zerplatzt wie eine überreife Melone, und jemand sagt „Scheiße Mann, hättest Du nicht ein kleineres Kaliber nehmen können?“ Du siehst die Pistole neben dem Ort, wo sich eben noch ein menschlicher Kopf befunden hatte. Siehst die Schnur, die um den Auslöser geknotet ist, und mit Zwischenstation durch eine Öse mit genau der Tür verbunden ist, die Du eben geöffnet hast. Zum ersten mal seit Wochen denkst Du nicht an Jenny. Pizzakartons klatschen hohl auf den Teppich. Du willst schreien, aber eine Hand legt sich von hinten um deinen Mund und zerrt Dich in das Zimmer. Etwas kaltes presst sich gegen Deine Schläfe, und Du siehst einen der Anzugträger, links neben der Tür, der mit einer Knarre auf Deinen Kopf zielt, die der Kopfwegpustkanone verdammt ähnlich sieht.
Deine Blase entleert sich, aber das ist nur ein unwesentliches Detail am Rande.
„Hallo, Pizzajunge“, sagt eine Stimme aus dem Off. „Tut mir leid wegen der kleinen Show, aber ich wollte, dass du dir im klaren bist, wie ernst die Situation ist.“ Dann, zu zwei weiteren Muskelbergen in Anzügen: „Räumt das weg. Unser Pizzajunge will sich bestimmt setzen.“
Die zwei Muskelberge packen eine Plastikplane, welche zwischen Todesstuhl und nun Mann ohne Kopf plus Sauerei ausgelegt ist, legen sie zusammen wie ein Tischtuch, auf dem noch Krümmel liegen, die man im Garten abschütteln will, und ziehen sie in einen der Nebenräume. Jetzt wird Dir klar, was die Stimme mit „Setzen“ meint. Du versuchst verzweifelt, den Kopf zu schütteln, aber die Hand über Deinem Mund hält Dich in ihrem Schraubstockartigen Griff. Der Mann, dem diese Hand gehört, zerrt Dich zu dem Todesstuhl und drückt Dich darauf nieder. Nicht, dass Deine Beine sonderlich viel Widerstand leisten. Wenn die Hand Dich nicht halten würde, wärest Du wahrscheinlich längst in Dich zusammengesackt.
Ein neues Gesicht taucht vor Dir auf. Die Stimme aus dem Off, wie Du richtig vermutest. Ein freundliches, rundes Gesicht, schon ziemlich alt und faltig, der klassische nette Onkel aus der Nachbarschaft. Es lächelt Dir freundlich zu.
„Du wirst doch nicht schreien, wenn Ivan seine Hand wegnimmt, oder?“
Du bezweifelst, dass Du noch die Kraft hast, um zu schreien. Vorsichtig versuchst Du, den Kopf zu schütteln. Die Hand erlaubt es Dir.
„Guter Junge.“ Das Gesicht nickte Ivan zu, und die Hand verschwindet.
Du beugst Dich zur Seite, kannst nicht anders, und kotzt Dein Frühstück auf den Teppich.
„Verdammt, Boss, wir hätten die Plane noch liegen lassen sollen“ sagt eine Stimme von hinten, wahrscheinlich Ivan, und wird mit verhaltenem Gelächter honoriert.
„Das war nicht nett, Ivan. Der Junge ist so was nicht gewöhnt. Gebt ihm einen Moment. Lass nur alles raus, Pizzajunge. Ist besser so.“
Du würgst noch eine Weile weiter, selbst als Dein Magen definitiv nichts mehr in sich trägt, von sich geben kann. Dann packt Dich Ivans Schraubstockhand im Nacken und richtet Dich wieder auf. Links und rechts von dem freundlichen Gesicht haben zwei der Anzugträger Stellung bezogen. Sie zielen mit den großen Mündungen genau auf Dein Gesicht.
„Sag mal Pizzajunge,“ sagt die väterliche Stimme im Plauderton, „was denkst du. Bist du fähig, einen Menschen zu töten?“
„W-Was?“ stammelst Du. Eine panische Herde riesiger schwarzer Hengste gallopiert durch Deinen Verstand. Ihre Angst gräbt sich mit jedem Hufschlag tiefer in Dein Gehirn. Es ist schwer, einen klaren Gedanken aus dem Chaos zu fischen. Immer wieder siehst Du den explodierenden Kopf des Fremden vor Dir. Du hast ihn umgebracht. Du wolltest das nicht, aber durch Dein Handeln ist ein Mensch jetzt tot. Was geschieht hier nur? Was für ein gottverdammter Trip ist das?
Das freundliche Onkel-Gesicht lächelt Dich beschwichtigend an.
„Einen Menschen töten. Ganz bewusst. Bist Du dazu fähig?“ wiederholt er geduldig und betont dabei jedes Wort.
„Ich weiß nicht...“ sagst Du, ohne die Frage wirklich zu verstehen. Die Hufe der schwarzen Hengste sprengen mit jedem Schlag Gedankenfetzen nach oben. „Bitte. Tun sie mir nichts.“ Du wimmerst. Flehst um Dein Leben. Und dann, ein Gedanke, Glasklar in dem wilden, schwarzen Chaos. „Jenny. Sie braucht mich doch.“
Als ob diese Männer wissen, wer Jenny ist. Oder sich einen Dreck darum scheren. Etwas steigt in Dir auf, Wut, nur ein Funke in all der Todesangst, aber es hilft. Du versuchst mit aller Kraft, Dich an dieses Gefühl zu klammern.
Der freundliche Onkel-Boss streicht Dir mit der Rückseite seiner Hand über die Wange. Eine Berührung, die wohl beruhigend wirken soll, in Dir aber nur Ekel und Abscheu hervor ruft.
„Nicht doch,“ sagt er mit dieser freundlich, schmeichelnden Stimme, „wir wollen Dir nichts tun. Ganz im Gegenteil, mein Junge. Wir wollen Dir helfen. Dir und Jenny, und allen Jennys dieser Welt.“
Das geht zu weit! „Lassen sie Jenny aus dem Spiel!“ Du versuchst zu brüllen, bringst aber nicht mehr als ein Flüstern hervor. „Sie wissen nichts. Nichts!“
Der Boss seufzt und zieht seine Hand zurück. Dann nickt er Ivan zu.
Panik steigt in Dir auf, droht die kleine Flamme der Wut zu ersticken. Ivan wird Dich jetzt packen, mit seinen riesigen Pranken deinen Kopf einklemmen, und ein kleiner Ruck, ein knirschendes Geräusch, das Du vielleicht gar nicht mehr hörst...
Aber Ivan packt Dich nicht. Er hält Dir einen Vortrag. Mit der rationalen Stimme eines Nachrichtensprechers. „Jenny wurde am zehnten November entführt“ beginnt er, und dann leiert er emotionslos ihre Leidensgeschichte herunter. Mit allen Details, jeder Abartigkeit, die ihr zugefügt wurde. Seine Stimme vermischt sich in Deinen Gedanken mit der des Arztes, der Euch und der Polizei anhand ihrer Verletzungen den wahrscheinlichen Tathergang schilderte, gespickt mit medizinischen Fachbegriffen, die Ivan allerdings weglässt. Er berichtet weit bildlicher. „Sie schreit, und seine Faust schlägt ihr auf den Mund, immer und immer wieder, um sie still zu kriegen. Er bricht ihr ein halbes Dutzend Zähle aus, aber das interessiert ihn nicht. Es macht ihm sogar Spaß, sie zu zerstören. Stück für Stück macht er alles kaputt, was sie ausmacht. Ihren Körper. Ihren Geist. Er will alles brechen, nicht nur die Zähne.“
Und so geht es weiter, während Deine kleine Flamme der Wut sich zu einem wahren Inferno ausbreitet und die Angst rot glühend verzehrt. „Aufhören“, flüsterst Du. „Aufhören!“ schreist Du. Aber Ivan erzählt weiter. Unbarmherzig kalt, wie die Täter das Bündel, das einmal Jenny war, die lebensfrohe, immer gut gelaunte und freche Jenny, in den Straßengraben werfen, wie man ein kaputtes Spielzeug einfach wegwirft. Du verstehst das nicht. Woher wissen sie das alles? Warum tun sie Dir das an? Die Hufe der schwarzen Pferde brennen und setzen alles unter Feuer, was sie berühren. Tränen fließen über dein verzerrtes Gesicht. Du bemerkst es kaum, so wenig wie Deinen feuchten Schritt oder den Geruch des Todes, der immer noch im Zimmer hängt.
Endlich beendet Ivan seinen Bericht, und das faltige Gesicht taucht wieder vor Dir auf. „Und, Junge, was ist nun? Bist Du fähig, einen Menschen zu töten? Einen Menschen wie dieses Schwein, das Deiner Jenny all das angetan hat?“
„Ja!“, brüllst Du unter Tränen. Und das ist die Wahrheit. Wenn sie Dir jetzt eine Waffe geben würden und auf jemanden zeigen, der Jenny das angetan hat, Du würdest abdrücken. Ohne zu zögern.
Das Onkel-Gesicht nickt Dir zufrieden zu. Wie auf Kommando kommt einer der Anzugträger, die bis eben noch mit ihren Waffen auf Dich gezielt haben, auf Dich zu und legt einen Umschlag auf den kleinen Fernsehtisch vor Dir.
„Dann bist Du einer von uns“ sagt der Boss. „Wir hassen diese Monster genau wie du. Monster wie diese haben meine Tochter, mein kleines Mädchen...“ Er stockt. Und schluckt. Sein Gesicht sieht noch älter aus als zuvor. Der Mann mit dem Umschlag legt ihm die Hand auf die Schulter. Aber der alte Mann streift sie wieder ab. Sein Gesicht ist jetzt nicht mehr freundlich.
„Sie haben bezahlt. Das haben sie. Mit ihrem Leben.“ Er deutet auf den Umschlag. „Und Dir, Pizzajunge, wollen wir die gleiche Chance geben. Da drinnen sind die Antworten auf all Deine Fragen.“
Du starrst auf den Umschlag, wie die Maus in den Rachen der Schlange. Wie in Zeitlupe nimmst Du ihn vom Tisch und öffnest ihn. Deine Hände zittern, als Du hineingreifst und ein Foto herausziehst.
Es zeigt zwei Männer, die einen kleinen, nackten Körper aus dem Wagen zerren. Es ist die Stelle, an der Jenny gefunden wurde. Und einer der Männer...
... es ist das Gesicht, dass sich unauslöschbar in Deinen Verstand gebrannt hat. Du hast es nur den Bruchteil einer Sekunde gesehen, aber das war genug, um es nie wieder zu vergessen. Es ist der Mann, der vor ein paar Minuten auf diesem Stuhl seinen Kopf eingebüßt hat.
Ungläubig starrst Du auf das schreckliche Bild, dann auf den alten Mann vor Dir, dann wieder auf das Bild. Das ganze ist verrückt, total krank, aber auf eine perverse Art und Weise macht es langsam Sinn. Schließlich deutest Du auf das zweite Monster in Menschengestalt auf dem Foto. Seine Hand, die Jennys Kragen gepackt hält, ist noch blutig von den Schlägen. An einem der Finger steckt ein großer, schwerer Goldring. Du erinnerst Dich an Jennys Gesicht, kurz noch dem Unfall. An die Furchen, die dieser Ring hineingegraben hat.
„Wer ist das?“ fragst Du, und Deine Stimme ist jetzt ruhig und kalt. Aber du weißt es schon. Du kennst diesen Mann. Seit einem Jahr liefest Du Pizzas aus, und er ist einer Deiner Stammkunden. Unten im Wagen liegt eine Pizza Speziale, mit extra Peperoni. Dieser Mann steht als nächstes auf Deiner Lieferliste.

Die nächsten zwanzig Minuten sind ziemlich verschwommen. Die Männer in den feinen Anzügen erschießen Dich nicht. Im Gegenteil, sie sind sehr freundlich zu Dir. Einer drückt Dir ein kleines Fläschchen in die Hand. Ivan, glaubst Du. „Pass auf, dass Du nichts davon auf die Finger bekommst“ sagt er und zwinkert Dir zu. Das freundliche Gesicht sagt etwas von Geld, für Jennys Genesung, nur die beste Behandlung und all das. Du musst nur die Pizza ausliefern, und kurz davor den Inhalt des Fläschchens der Speziale-Mischung hinzufügen. „Es wird ihn lähmen“, erklärt Dir das freundliche alte Gesicht, „er wird sich nicht mehr bewegen können, und dann werden seine Lungen versagen, ganz langsam. Ist wie ertrinken.“ Er sagt es im Plauderton, aber seine Augen sind sehr ernst. Du fragst kleinlaut, was Du machen sollst, wenn Du selbst was von dem Zeug abbekommst, und der freundliche Onkel zeigt dir ein kleines schwarzes Lederetui, in dem drei Phiolen mit einer leicht bläulichen Flüssigkeit und eine Spritze eingebettet sind. „Dann solltest Du Dir schnell eine davon in die Vene spritzen, mein Junge. Du weiß, wie das geht?“
Du nickst schwach, und sie stecken Dir so ein Etui in Deine Pizza-Quick-Jacke.
Dann geben sie Dir eine neue Hose, die Dir etwas zu groß ist, und schwarz und so gar nicht passen mag zu dem gelben Pizza-Quick-Shirt. „Du kannst schlecht mit vollgepisster Hose Pizzas austragen“, sagt Ivan, und Du ziehst sie wortlos an. Mit einem „Guter Junge“ schieben sie Dich aus der Tür. Und da stehst Du, kannst nicht fassen, dass Du noch lebst, stehst einfach nur da, schwankst von einem Fuß auf den anderen und versuchst, Deine Gedanken auf die Reihe zu bekommen. Ein Ding der Unmöglichkeit.
Irgendwie gelangst Du wieder in Dein Auto und setzt Deine Tour fort. Es ist ein gottverdammtes Wunder, dass Du keinen Unfall baust. Alles scheint verschwommen. Die Lichter der Straßenlaternen ziehen lange, leuchtende Striche in den schwarzen Nachthimmel. Du siehst das Foto vor Dir, das Bild mit den zwei Monstern und der geschändeten Jenny, und versuchst verzweifelt zu verdrängen, was Du gleich tun sollst. Und mit wem. Vor allem, mit wem.
„Ich liefere nur eine Pizza aus“, flüsterst Du und reißt das Steuer rum, um Deinen Wagen wieder auf die richtige Fahrbahnseite zu bugsieren. „Liefere nur eine Pizza aus.“ Vor Deinem inneren Auge zerplatzt immer wieder der Kopf des anderen Monsters, in einer grotesken Endlosschleife. „Nur eine Pizza“, und dann, oh Wunder, bist Du wirklich da, hälst vor dem Haus, ein kleines, gemütliches Haus für eine kleine, gemütliche Familie. Es sieht nicht aus wie das Haus eines Monsters, aber das wäre auch zu einfach, nicht wahr? Monster sind nicht leicht zu erkennen. No, Sir, sie verstecken sich, verkleiden sich als gute Menschen, manchmal sogar als Monsterjäger. Du schüttelst den Kopf, vielleicht zum hundertsten Mal an diesem Abend. Die Welt verwischt kurz und kehrt dann gnadenlos klar zurück. Kein Verneinen. Kein Entkommen.
Du starrst auf das kleine Fläschchen in Deiner Hand, dann auf den Karton mit der Pizza neben Dir. Ist die letzte in Deiner Schicht. Die digitale Uhr auf dem Amaturenbrett blinkt Dir ein 11:32 entgegen. Showdown um Mitternacht wäre passender, denkst Du Dir, und kicherst. Gleich darauf reißt Du die Autotür auf und erbrichst ein klägliches Pfützchen Galle auf den Randstein.
So geht das nicht.
Du lehnst Dich zurück und atmest tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal. Die Welt hört auf, wie hinter Wasser hin und her zu wabern. Reiß Dich zusammen, sagst Du Dir, und denkst an das Foto. Er hat Jenny das angetan. Und er wird damit durchkommen, wenn Du nichts dagegen tust. Es ist nur gerecht. Nur gerecht.
Du öffnest den Pappkarton. Der Duft der bestenfalls lauwarmen Speziale lässt Dich wieder würgen, aber Du reißt Dich zusammen. Vorsichtig, ganz vorsichtig öffnest Du das Fläschchen. Sie hätten Dir Handschuhe mitgeben sollen, wenn das Zeug wirklich so gefährlich ist, aber jetzt ist das auch schon egal. Behutsam tröpfelst Du die Hälfte des Inhalts auf die Pizza. Deine Hand zittert dabei nur ganz leicht.
Irgendwer hat Dir mal gesagt: „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen“, und das stimmt. Nachdem Du die Pizza wahrhaft speziale gemacht hast (wieder dieses Kichern aus Deinem Mund, wie von einem Fremden), ist der Rest gar nicht so schwer. Du schnappst Dir den Karton, wie Du es schon so oft getan hast die letzten Monate, gehst Du durch das kleine Gartentor, über die runden Steinplatten, die den Weg zur Haustür markieren, und klingelst. Kurz, Du machst das, was Du immer tust. Du lieferst eine gottverdammte Pizza.
Keine Reaktion zuerst, und Du denkst, vielleicht ist er schon schlafen gegangen. Du bist zu spät, deutlich zu spät, und vielleicht hatte er das Warten satt, oder ist vor dem Fernseher eingenickt. Der Gedanke erleichtert Dich, und er macht Dich wütend, beides zu gleichen Teilen. Du willst das nicht tun, aber Du musst, Du MUSST! Für Jenny. Die süße, kleine, immer fröhliche Jenny, die jetzt in ihrem Zimmer liegt und die Decke anstarrt mit leeren, glasigen Augen. Deine Hand wandert ein zweites mal in Richtung Klingelknopf, als auch schon Licht durch das kleine Fenster neben der Tür fällt. Die Tür öffnet sich, und er steht vor Dir. Schaut Dich mit wachen, berechnenden Augen an. Augen, die kalt geblieben sind, ohne Mitleid, als Jenny ihn angefleht hat, ihr nichts zu tun. Du kannst es fast vor Dir sehen.
„Du bist spät“, sagt er ruhig und lächelt leicht. Der Drang, ihm dieses Lächeln aus dem Gesicht zu prügeln, ist übermächtig. Stattdessen sagst Du: „Tut mir leid, Reifenpanne. Für die Pizza müssen sie natürlich nicht zahlen, die geht aufs Haus, ist sogar noch halbwegs warm...“
„Wie geht es Jenny?“ Er verzieht keine Miene, als er das fragt. Jedesmal fragt er Dich das, und warum auch nicht, er bearbeitet schließlich den Fall, ist nur ein Polizist, der etwas Mitgefühl zeigt. Der Bastard! Wie konntest Du nur so blind sein. Was musste es ihm eine perverse Freude gemacht haben, von ihren Leiden zu hören, und Du Idiot hast ihm freimütig davon erzählt, hast ihm Dein Herz ausgeschüttet, ja, bist sogar manchmal nach der letzten Lieferung noch mit ihm in seinem kleinen Wohnzimmer gesessen. Er lebt allein, geschieden, sagte er, seine Frau habe ihn verlassen, und seine Tochter, sie sei tot, aber darüber spricht er nicht gerne. Mein Gott, kommt es Dir in den Sinn, hat er sie etwa auch...? Hat seine Frau ihn deshalb verlassen?
Du merkst, wie er Dich komisch anschaut, fast besorgt. Merkt er etwas? Du siehst bestimmt schrecklich aus, und die Gedanken, die in Deinem Kopf Ping-Pong spielen, machen es sicher nicht besser. Reiß Dich gottverdammtnochmal zusammen. Du schluckst, und murmelst etwas von wegen ja, es gehe ihr den Umständen entsprechend ganz gut, reichst ihm die Pizza, drängst sie ihm regelrecht auf. Deine Beine fühlen sich an wie Gummistelzen. Du packst das nicht viel länger. Du musst hier weg.
„Junge, Du schwankst ja. Alles in Ordung?“
„Ja doch“, sagst Du, etwas zu hektisch. „Hören sie, ich muss weiter, ich...“ muss noch Pizzas ausliefern, willst Du sagen, aber zögerst im letzten Moment. Seine Lieferung ist immer die letzte, das weiß er, seit dem Unfall hast Du es so eingerichtet, um noch ein wenig mit ihm zu reden. Er war immer so nett, und Du wolltest alles wissen, über die Ermittlungen, ob es etwas Neues gibt, all das. Und mit ihm konntest Du über die ganze Sache reden, als einzigem. Deine Eltern, sie waren wie Jenny, wenn es um den Unfall ging, genauso stumm und leer und unnahbar. Und Deine Freunde, Gott, sie verstanden nichts. Sie wollten es, aber wie konnten sie? „Das schlimmste, was du einem Menschen antun kannst, dem du alles genommen hast, ist, ihm etwas Zerbrochenes zurückzugeben.“ Das stand in einem Roman von Stephen R. Donaldson. So etwas verstand man nur, wenn man es selbst erlebt hatte, und dieser Mann, er schien es wirklich zu begreifen. Ihr hattet geredet, die erste Nacht drei Stunden. Es hatte sich so gut angefühlt. Zum ersten Mal seit dem Unfall hattest Du das Gefühl gehabt, nicht mehr zu ertrinken.
und dann werden seine Lungen versagen, ganz langsam. Ist wie ertrinken flüstert die Stimme des Onkel-Gesichts in Deinem Kopf. Er hat Dir nur zugehört, weil er wissen wollte, ob Jenny ihm noch gefährlich werden kann. Denk nach, Pizzajunge. Es war sicher nicht geplant, dass sie überlebt. Schlampige Arbeit. Jetzt muss er sicher gehen, dass sie nicht plötzlich auspackt, von dem netten Polizisten petzt, der auf einmal gar nicht mehr so nett war, nachdem er sie in sein Auto gelockt hatte.
Dein Zögern war etwas zu lang.
„Papperlapapp“, sagt das Monster und schiebt Dich sanft, aber mit Nachdruck, über die Türschwelle. „Du bist käseweiß, Junge, so kann ich Dich nicht fahren lassen. Setz Dich kurz und trink ein Schluck Cola. Oder willst Du was anderes?“
Hinter Dir fällt krachend die Tür ins Schloss.
Da steht er vor Dir, schaut Dich an, immer noch lächelnd, immer noch mit diesem forschenden Blick. Er spürt, dass etwas nicht stimmt, da bist Du Dir sicher. Sieht es in seinen Augen. Die Panik kommt zurück wie eine riesige Welle, droht Dich unter sich zu begraben, den letzten Rest Deines Verstandes mit sich zu reißen. Würdest Du die Tür aufreißen und wegrennen. Und was dann? Vielleicht würde er Dir kopfschüttelnd nachschauen, sich kurz wundern, es sich dann gemütlich machen und die Pizza vorm Fernseher futtern, um dann mitten in Akte X qualvoll zu krepieren. Das war ein schönes Bild... aber dieser Blick, dieser misstrauische Blick. Wenn Du jetzt das Weite suchst, dann riecht er Lunte. Was, wenn er Pizza Pizza sein lässt und sich stattdessen aufmacht, das zu beenden, was er mit Jenny angefangen hat? Nein, Du kannst nicht weg. Du musst das durchstehen.
„Cola wäre nett“, hörst Du Dich sagen, von sehr, sehr weit weg. Wie in Trance folgst Du ihm ins Wohnzimmer.
Er geht in die Küche, gleich nebenan. Legt den Pizzakarton auf die Durchreiche. „Setz Dich doch“, sagt er im Plauderton, während er den Pappdeckel hochhebt. „Auch ein Stück?“
Du setzt Dich auf die Couch neben den niedrigen Fernsehtisch und lächelst verquält. „Nein danke, sie wissen doch, ich kann Pizza auf den Tod nicht ausstehen.“
Und da ist es wieder, dieses irre Kichern, was sich durch Deine Kehle pressen will. Auf den Tod nicht ausstehen! Was für ein Killerjoke!
Du beugst Dich vor, um aus dem Blickfeld des Monsters zu kommen, und beißt mit aller Kraft in die geballte Faust, um nicht laut loszulachen.
Aus der Küche hörst Du das glucksende Geräusch der Cola, die in ein Glas gefüllt wird.
„Sieh an, sie ist sogar noch lauwarm.“
Du schaust auf, und da steht er, vor der Mörderpizza, den Zeigefinger mitten in den Käse gepresst.
„Wirklich alles in Ordung mit Dir?“ fragt er, und hebt den Finger zum Mund. „Du bist käsebleich.“
Er leckt den Finger ab. Eine kleine, so furchtbar normale Geste, mit der er das erste bisschen Gift in sich aufnimmt. Wenn Dein Magen auch nur die geringsten Reserven gehabt hätte, Du hättest ihm mitten auf den schmucklosen Fernsehtisch gekotzt.
Ob das reicht, fragst Du Dich. War es das schon?
Er kommt zu Dir, stellt Cola und Pizza auf dem Tisch ab. Sein Gesichtsausdruck heuchelt echte Besorgnis.
„War ein langer Tag“ murmelst Du, und greifst nach der Cola. Das letzte, was Du jetzt tun willst, ist diese klebrige braune Brühe zu trinken, aber es erspart Dir, ihm in die Augen zu sehen.
Unschlüssig bleibt er vor Dir stehen.
„Hör zu, Junge, ich wollte mit Dir über etwas reden. Wir haben eine neue Spur, was Jennys Fall angeht. Aber das hat auch bis morgen Zeit. Wollte Deine Eltern eh aufs Revier bestellen...“
Du setzt das Glas wieder ab. „Mir geht’s gut. Ehrlich. Alles in Ordnung“, sagst Du, eine Spur zu hektisch. Laber nicht rum, setzt dich endlich hin und iss die gottverdammte Pizza, schreist Du ihn in Gedanken an. Irgendwie gelingt es Dir, ein Lächeln auf deine Lippen zu quälen. Sicher kein sehr überzeugendes, aber es scheint dem Schwein zu reichen. Er nickt und greift sich eine Akte von dem kleinen Telefontischchen neben der Treppe.
Was für ein Kunststück soll das jetzt werden? Neue Erkenntnisse? Hah! Der Kerl hat doch alle Erkenntnisse, die es nur geben kann. Er hatte Jennys Gesicht eigenhändig zerstört, und ihre Seele, und alles, alles, was sie ausmachte. Was für ein krankes Spiel ist das eigentlich? Vielleicht will es Dich testen? Rausfinden, was Du weißt?
Deine Kehle ist schmerzhaft trocken. Wie gebannt starrst Du die braune Akte an. Gott, mach, dass es endlich vorbei ist. Mach, dass er endlich die Pizza isst und verreckt. Du hältst das alles nicht mehr viel länger durch.
Aber die Pizza scheint für den Moment vergessen. Das Monster ist in seine gefälschten Spuren vertieft, blättert gedankenverloren durch die Papiere.
„Ah, hier“, sagt er und zieht ein Blatt aus der Akte. „Die Spurensicherung hat die Verletzungen in Jennys Gesicht mit anderen Fällen verglichen. Der Täter trug scheinbar einen Ring, mit zwei scharfen Kanten. Die Schnitte passen zu einer anderen Sache, die ich schon seit einem Jahr verfolge. Mehrere Kinder, die entführt wurden und dann...“ er schluckt, und wischt sich mit dem Arm über die Stirn. Eine dicke Schweißperle rinnt seine Wange hinab wie eine einzelne Träne.
„... ein paar der Kinderleichen, die wir gefunden haben, hatten ähnliche Schnitte im Gesicht. Wir haben einen russischen Kinderpornoring im Verdacht. Noch nichts konkretes, leider, bisher beruht alles auf Indizien und Vermutungen. Jennys Fall passt in das Schema. Seltsam ist nur, dass sie Jenny am Leben gelassen haben.“
Wie in Trance greifst Du nach dem Colaglas und nippst daran. Das klebrige Süß liegt zäh wie Gelee in deinem Mund. Deine Gedanken rasen, versuchen das, was Du da gerade gehört hast, einzuordnen, ihm einen Sinn zu geben.
Der Ring! Der Ring auf dem Foto, an der blutigen Hand. Du siehst ihn ganz deutlich vor Dir. Ein schwerer, goldener Ring, an einer großen, brutalen Hand. Er hatte fast zierlich gewirkt an dieser Pranke, die viel größer war als die Deines Gegenübers. So groß wie die Hand, die Dich vor knapp einer Stunde von hinten gepackt und auf den Stuhl gedrückt hatte...
Du schluckst.
Großer Fehler. Dein Magen ist gar nicht begeistert von dem süßen Nass und schickt es postwendend zurück. Alteingeübte Reflexe übernehmen, lassen Dich aufspringen und den Gang hinunter ins Bad rennen, während sich die Galle schon in Deinem Mund sammelt. Du schaffst er gerade so bis zur Kloschüssel.
Alles bricht aus Dir heraus. Die Galle, ein erstickter Schrei, die Erkenntnis, was für ein Riesentrottel Du bist. Die haben Dich benutzt. Die Kerle, die Jenny das angetan haben. Nur, um Dich zu ihrem Werkzeug zu machen. Sie hatten das von Anfang an geplant. Den Polizisten loswerden, und Dich zum Sündenbock machen. Der Ring, Ivans Ring, da bist Du Dir sicher, haben sie bestimmt irgendwo platziert, vielleicht in Deiner Pizzahose. Der durchgedrehte Pizzajunge, der kleine Mädchen killt, sich am Ende sogar an seiner eigenen Schwester vergeht, und dann den Polizisten vergiftet, der ihm auf die Spur gekommen ist. Und so, wie das ganze aussieht, werden die Russen Dich kaum dazu kommen lassen, Deine Version zu erzählen. Wahrscheinlich wartet Ivan oder ein anderer Gorilla draußen schon auf Dich...
Kraftlos und leise wimmernd sinkst Du neben der Kloschüssel auf den gefliesten Boden.
„Was ist los, Junge? Alles...“
Etwas fällt im Gang laut polternd zu Boden.
Oh Gott. Der Polizist! Wenn er von der Pizza gegessen hat...
Irgendwie bringt Dich der Gedanke wieder auf die Beine. Du stürzt aus dem Bad und stolperst fast über den Körper, der regungslos vor der Tür liegt.
Nein! Nein, nein, NEIN! Du rast ins Wohnzimmer. Die Pizza, Gott, lass ihn nicht...
Aber die Pizza liegt immer noch unberührt im Karton.
Der Finger, wie es sich in den Käse bohrt und danach im Mund des Polizisten verschwindet. Nein, bitte, das kann nicht...
Ein Stöhnen dringt aus dem Gang hinter Dir.
Du machst auf dem Absatz kehrt und eilst zurück zum Polizisten. Ja! Er bewegt sich, ein wenig, versucht sich aufzurichten. Ohne Erfolg, nicht mal im Ansatz, aber er lebt noch.
Noch.
Das Gegengift! Sie haben Dir doch so ein Etui mit dem Gegengift zugesteckt. Panisch durchsuchst Du die Taschen Deiner Pizza-Quick-Jacke, und ja, da ist es! Du willst es rausziehen, aber eine Ecke verhakt sich, es gleitet Dir aus den Fingern und fällt zu Boden.
Du erstarrst.
Kein Klirren. Lass es heil sein, betest Du und gehst vor dem Etui in die Knie. Vorsichtig hebst Du es auf und öffnest es mit zitternden Fingern.
Keine Scherben. Keine zerbrochenen Phiolen. Gar keine Phiolen, um genau zu sein, und auch keine Spritze. Nichts. Nichts! Rein gar nichts. Das Scheißteil ist leer!
Natürlich ist es leer, sagt eine seltsam kalte Stimme in Deinem Hinterkopf. Bist Du echt so blöde, dass Du ernsthaft glaubst, die geben Dir ein Gegengift mit? Damit Du zurück kannst, wenn Du Zweifel kriegst? Das war doch nur eine Finte, um Dich in Sicherheit zu wiegen.
Aber Du hast es doch gesehen, hast die Phiolen gesehen. Es GIBT ein Gegengift. Muss es geben.
Ja, sagt die kalte Stimme, aber Du hast es nicht, sondern die. Also, was nun?
Ein Krankenwagen! Du musst sofort den Notruf alarmieren. Nur, reicht das? Du hast ja keine Ahnung, womit Du ihn vergiftet hast. Aber warte, warte mal, Du hast noch die Hälfte von dem Gift übrig, und Du weißt, was es bewirken soll. Vielleicht ist das genug, um das Gegengift rauszufinden.
Du ziehst das kleine Glasfläschchen aus Deiner Innentasche. Kalt und glatt liegt es in Deinen zitternden Händen. Das gottverdammte Gift.
Du starrst auf die klare Flüssigkeit. Unfassbar, wie schnell diese kleine Menge den Polizisten Schachmatt gesetzt hat. Selbst, wenn der Krankenwagen schon hier wäre, glaubst Du kaum, dass sie schnell genug ein Gegenmittel beschaffen könnten. Und draußen warten mit Sicherheit die wahren Monster. Wenn die Blaulichter anrücken sehen, sind sie verschwunden, auf nimmer wiedersehen. Die haben bestimmt einen Notfallplan, wenn ihr Pizzajunge nicht nach ihren Regeln spielt. Und da ist immer noch Jenny, die kleine, unschuldige Jenny. Du bist durch all das hier gegangen, um sie zu beschützen. Wenn diese Kerle entkommen, dann ist ihr Leben auf ewig in Gefahr.
Das kannst Du nicht zulassen, sagt die kalte Stimme, und sie hat recht. Und noch etwas flüstert sie Dir zu. Die Chance, wenn auch verschwindend klein, den Polizisten doch noch zu retten.
Eine seltsame Ruhe erfasst Dich. Und ein Plan, ein vollkommen verrückter Plan, baut sich Stück für Stück in Deinem Kopf zusammen. Kein sehr realistischer Plan, aber, mal ehrlich, Du hast eh nicht mehr viel zu verlieren.
Du wirst einen letzten Blick auf den Polizisten und machst Dich an die Arbeit.

Ein paar Minuten später verlässt Du das Haus. Eine Hand hält etwas unter Deiner Jacke versteckt, die andere steckt tief in Deiner Tasche.
Vor dem Gartentor bleibst Du stehen und schaust Dich um. Das ist verrückt, vollkommen verrückt. Vielleicht ist Deine Phantasie mit Dir durchgegangen. Deine Mutter sagt immer, Du schaust zu viele Filme...
Ein Wagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern kommt langsam die dunkle Straße entlang. Also doch. Es hält neben Dir, und die Beifahrertür wird aufgestoßen.
Ivan und die Mündung eines Schalldämpfers grinsen Dir entgegen.
„Steig ein, Pizzajunge“, sagt er freundlich, aber bestimmt.
Du folgst seinem Befehl, was gar nicht so einfach ist, ohne die Hände zu benutzen. Aber wenn Dein Plan gelingen will, darf Ivan nicht zu früh Verdacht schöpfen.
Du windest Dich in den Sitz und starrst regungslos in Ivans Mündung.
„Mach die Tür zu“ befielt er barsch.
Du ziehst die Hand aus der Jackentasche und tust, was er sagt. Du hoffst nur, dass Dein Körper die Hand dabei gut genug verdeckt.
Ivan nickt zufrieden. „Und,“ fragt er, „alles glatt gegangen.“
Du deutest mit dem Kinn auf die Waffe. „Muss das sein?“
„Bin ein vorsichtiger Mensch“, sagt er, lässt die Mündung aber ein wenig sinken. Jetzt zeigt sie auf Deine tieferen Regionen, was nicht wirklich eine Verbesserung ist. „Also, was jetzt, ist das Schwein tot?“
Du nickst.
„Hat ja ziemlich lange gedauert“ stellt Ivan fest. Die Mündung wandert wieder etwas höher.
„Ich, ich...“ stotterst Du. Schluckst einmal kräftig. „Ich wollte keinen Verdacht erregen. Und ich hab was, das dürfte Euch interessieren.“
Lass die Bösen Jungs so neugierig sein wie im Kino, betest Du stumm.
„Ja?“ fragt Ivan, mäßig interessiert. „Was denn?“
„Eine Akte.“ Du ziehst die Hand unter der Jacke hervor.
Die Mündung schnellt nach oben.
„Langsam, Junge. Ganz langsam.“
So vorsichtig wie möglich holst Du die Akte ins Freie.
„Was steht da drin“, fragt Ivan.
Du zuckst die Schultern. „Weiß nicht“, sagst Du so tonlos wie möglich. „Die lag auf dem Tisch. Ich glaube, die wollte er mir zeigen.“
„Und Du hast nicht reingeschaut?“ fragt Ivan höhnisch.
„Doch, klar.“ Du öffnest den Pappdeckel. „Aber das sind nur so komische Berichte. Irgendwas von Verletzungen mit einem Ring, in Jennys Gesicht...“ Du lässt Deine Stimme abbrechen.
„Zeig her.“ Ivan reißt Dir die Akte aus der Hand. Die Pistole immer noch auf Dich gerichtet, wandert sein Blick zwischen Dir und dem obersten Blatt hin und her.
Er bleibt an Deiner nun leeren Hand hängen.
„Wieso hast Du Küchenhandschuhe an?“
Verdammt. Du hast gehofft, der Frage zu entkommen.
„Ich wollte keine Fingerabdrücke hinterlassen. Hab alles abgewischt, was ich angefasst habe, und dann die Handschuhe übergezogen, um den Puls an dem Scheißkerl zu fühlen. Um nix zu hinterlassen, was weiß ich, ’n Abdruck, oder DNA, oder so was.“
Das ist eine selten dämliche Story, aber hey, sie halten Dich ja auch für einen selten dämlichen Jungen.
Ivan lacht laut auf. „Kluger Junge“, meint er herablassend, und widmet sich wieder der Akte. Mit der freien Hand versucht er, zur nächsten Seite umzublättern. Doch die Seiten kleben scheinbar aneinander. Natürlich tun sie das. Du hast etwas Klebestift auf die Ecken geschmiert. Nicht viel, nur gerade so viel, dass die Seiten sich nicht so leicht voneinander lösen konnten.
Alles hängt jetzt von Ivans Reaktion ab.
Der Kinderschänder murmelt etwas Verärgertes auf Russisch. Feuchtet dann den Finger mit der Zunge an, wie es so viele Menschen tun, wenn sie durch widerspenstige Seiten blättern.
Du schaffst es gerade so, Dir ein Grinsen zu verkneifen. Mit versteinerter Mine schaust Du zu, wie der Russe durch die Akte blättert, und wie sein Finger noch ein halbes Dutzend Mal zum Mund wandert.
Schließlich wirft er die Akte verächtlich auf den Rücksitz und widmet Dir wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
„Gut gemacht, Pizzajunge. Aus Dir hätte echt was werden können.“
Seine Waffe wandert wieder nach oben. Aber das bemerkst Du kaum. Du starrst vielmehr auf Ivans Stirn. Dort funkeln dicke Schweißperlen im matten Licht der Straßenlaternen.
„Kennen sie den Film ‚Im Namen der Rose?’“ fragst Du, und jetzt endlich lässt Du Deinem Grinsen freien Lauf.
Ivan zögert. „Was ist das für eine dämliche Frage?“
Du fährst ungerührt fort: „In dem Film sterben Mönche in einem Kloster durch ein verbotenes Buch. Wissen sie, die Seiten sind in Gift getränkt, und beim Umblättern feuchten sie immer die Finger mit der Zunge an.“
In Ivans Augen leuchtet Erkenntnis auf, und blanke Angst.
„Kann ich einen Menschen töten?“ sagst Du kalt. „So ein Monster, das meiner Schwester all das angetan hat? Verdammte Scheiße Ja! Und es wird mir ein Vergnügen sein, dir Bastard beim Verrecken zuzuschauen.“
„Nein.“ Ivans Stimme ist kaum mehr als ein Krächzen. Er lässt die Waffe sinken und beugt sich rüber zum Handschuhfach.
Darauf hast Du gehofft. Blitzschnell greifst Du nach der schweren Pistole. Ivan versucht, sie festzuhalten, aber sein Griff ist schwach wie der eines Säuglings. Mit letzter Kraft schafft er es, das Handschuhfach zu öffnen, dann bricht er auf Deinem Schoß zusammen.
„Nicht so schnell“, flüsterst Du, und wuchtest den massiven Körper zurück auf die Fahrerseite. Hektisch durchwühlst Du das Handschuhfach. Und ja, da ist es, da ist es wirklich, ein kleines, schwarzes Lederetui. Mit zitternden Fingern öffnest Du es.
Drei kleine Phiolen und eine Spritze lächeln Dir entgegen.
„Das Gegengift?“ fragst Du Ivan, der auf dem Fahrersitz zusammengesunken ist wie ein großer Sack Kartoffeln und keuchend nach Luft ringt.
„Gib mir“, flüstert er. Seine Augen starrend Dich voller Angst an. So, wie Jennys Augen ihn ansahen, als er sie schlug, und in sie eindrang.
Du beugst Dich ganz nahe über sein schweißnasses Gesicht.
„Wo verstecken sich die Anderen?“
Er sagt es Dir.
Du nickst. Dann nimmst Du eine Phiole aus dem Lederetui und legst es neben Dich auf den Beifahrersitz. Kaum eine Armlänge von Ivan entfernt, aber genauso unerreichbar wie der Mond.
Wortlos nimmst Du das restliche Gegengift und steigst aus.
Ivans Waffe liegt schwer und kalt in Deiner Hand.

Es ist sicher schon nach Mitternacht, als Du in das Haus des Polizisten zurückkehrst. Aber die Nacht ist für Dich noch lange nicht vorbei. Der Polizist atmet noch, als Du ihm den Inhalt einer der Phiolen spritzt. Die andere legst Du neben ihn, zusammen mit einem Zettel, auf den Du hastig eine Adresse kritzelst.
Das Nest der Monster.
Das sollte Dir genug Vorsprung geben, flüstert die kalte Stimme Dir zu. Genug Zeit für einen kleinen Besuch. Sie klingt sehr laut, jetzt, wo es still geworden ist in Dir.
Du wählst die Nummer des Notrufs. Ignorierst all ihre Fragen, gibst nur die Adresse des Polizisten an, legst auf.
Dann gehst Du in aller Seelenruhe zu Deinem Pizza-Auto, legst die Pistole auf den Beifahrersitz.
Sie haben Dich gefragt, ob Du einen Menschen töten kannst.
Du fährst los, mit Jennys Gesicht vor Augen, wie sie Dich angelächelt hat, heute Morgen, vor hundert Jahren.
Du schuldest ihnen noch eine Antwort.

 

Hallo NachtPoet,

erst einmal herzlich willkommen auf kg.de. :)
Ich habe deine Geschichte zwar schon vorgestern gelesen (also als du sie gepostet hast), komme aber leider erst heute zu einer ausführlichen Kritik.

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Und mit sehr gut meine ich wirklich sehr gut. Ich bin ein Mensch, der in Geschichten immer überraschende Wendungen erwartet. Wenn sie ausbleiben, bin ich in meiner Erwartungshaltung enttäuscht. Du hast es aber geschafft, meine Erwartungen noch zu toppen. Wirklich sehr gelungen, wie du eine Wendung nach der anderen herbeiführst, ohne ins Konstruierte abzudriften, also beim Leser den Eindruck zu erzeugen, das sei alles künstlich herbeigeführt.
Der Plot gefällt mir ebenfalls sehr gut. Gut durchdachter Thriller-Stoff, den ich so noch nie gelesen habe. Der Spannungsaufbau ist ebenfalls gelungen. An keiner Stelle wurde mir langweilig. Als ich angefangen hatte zu lesen, blieb ich auch am Ball und wollte auf jeden Fall wissen, wie es ausgeht.

Auch deine Sprache und der gewählte Stil gefallen mir gut. Hier habe ich auch absolut nichts auszusetzen. Die Geschichte ist flott erzählt und lässt sich angenehm flüssig lesen.

Sooo, bis hierhin ist alles wundervoll. Leider sind dir aber einige Fehler (Rechtschreibung, Zeichensetzung, Tempusfehler) unterlaufen. Bitte korrigiere die Geschichte entsprechend. Eine Liste füge ich an. Zwei Dinge gelten aber für die gesamte Geschichte, für die eine Einzelauflistung den Rahmen sprengen würde:
Du – Dir – Dein: In Geschichten werden sie allesamt klein geschrieben. Lediglich die höflichen Formen „Sie“, „Ihr“ und „Euer“ werden groß geschrieben, also nur die Pronomen, die für Personen verwendet werden, die man siezt.

Die Zeichensetzung bei wörtlicher Rede stimmt nicht. Ich gebe drei Beispiele, wie es nach neuer Rechtschreibregelung gilt:
„Das Wetter ist schön“, sagte sie.
„Ist das Wetter schön?“, fragte sie.
„Das Wetter ist schön!“, rief sie entrüstet.
Du hast meist das Komma hinter der wörtlichen Rede vergessen. Das Ausrufezeichen in Beispiel 3 muss nicht unbedingt stehen, im Grunde reicht auch das Verb „rufen“, damit der Leser weiß, dass sie nicht leise spricht. Bei normalen Aussagesätzen (Beispiel 1) wird nie ein Punkt ans Ende der wörtlichen Rede gesetzt, wenn es danach mit zum Beispiel „sagte sie“ weitergeht. Das Fragezeichen in Fragen ist zwingend nötig, aber selbst dort kommt (nach neuer Rechtschreibregelung) ein Komma hinter die Abführungszeichen.

Nun zu den restlichen Fehlern:

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Ivan wird Dich jetzt packen, mit seinen riesigen Pranken deinen Kopf einklemmen, und ein kleiner Ruck, ein knirschendes Geräusch, dass Du vielleicht gar nicht mehr hörst...
dass = das
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Seine Stimme vermischt Dich in Deinen Gedanken mit der des Arztes, der Euch und der Polizei anhand ihrer Verletzungen
Dich = sich
Euch = euch (klein geschrieben)

----------
Unbarmherzig kalt, wie die Täter das Bündel, was einmal Jenny war, die lebensfrohe, immer gut gelaunte und freche Jenny, in den Straßengraben werfen, wie ein kaputtes Spielzeug einfach wegwirft
Bündel, das (statt „was“)
einfach wegwerfen (es geht immer noch um die Täter, also Plural)

----------
Einen Menschen wie dieses Schwein, dass Deiner Jenny all das angetan hat?“
dass = das
----------
„Ja!“ brüllst Du unter Tränen.
„Ja!“, brüllst (Komma)
----------
Wenn sie Dir jetzt eine Waffe in die Hand gerückt hätten
gedrückt (+ d)
----------
Du schüttelst den Kopf, vielleicht zum hundersten Mal an diesem Abend.
hundertsten (+ t)
----------
Showdown um Mitternacht währe passender, denkst Du Dir, und kicherst.
wäre (- h)
----------
Irgendwer hat Dir mal gesagt: „Der Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen“,
- Der
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Du schnappst Dir den Karton, wie Du es schon so oft getan hast die letzten Monate, gehst Du das kleine Gartentor,
gehst durch das kleine Gartentor
----------
Was musste es ihm eine perverse Freude gemacht haben, von ihren leiden zu hören,
Leiden (groß geschrieben)
----------
Er war immer so nett, und Du wolltest alles wissen, über die Ermittlungen, ob es etwas neues gibt, all das.
Neues (groß geschrieben)
----------
„Das schlimmste, was du einem Menschen antun kannst, dem du alles genommen hast, ist, ihm etwas zerbrochenes zurückzugeben.“
Zerbrochenes (groß geschrieben)
----------
Ihr hattet geredet, das erste mal drei Stunden. Es hatte sich so gut angefühlt. Zum ersten mal seit dem Unfall
Mal (groß geschrieben); kommt hier zwei Mal vor, würde ich ändern; ist sonst eine unschöne Wiederholung
----------
Er hat Dir nur zugehört, weil er wissen wollte, on Jenny ihm noch gefährlich werden kann.
on = ob
----------
Nein, Du kannst nicht weg. Du musst das druchstehen.
durchstehen (Buchstabendreher)
----------
Auf den Tod nicht ausstehen! Was ein Killerjoke!
Was für ein Killerjoke! (Der Satz wirkt ohne das „für“ unvollständig)
----------
Ob das reich, fragst Du Dich. War es das schon?
reicht (+ t)
----------
Der durchgedrehte Pizzajunge, der kleine Mädchen killt, sich am Ende sogar seine eigene Schwester vergeht,
sich am Ende sogar an seiner eigenen Schwester vergeht,
----------
„Was ist los, Junge? Alles..:“
der letzte (dritte) Punkt hat sich in einen Doppelpunkt gestreckt
----------
Die Chance, wenn auch verschindend klein, den Polizisten doch noch zu retten.
verschwindend (+ w)
----------
Alles hängt jetzt von Ivans Reaktion ab.
Der Kinderschänder murmelte etwas verärgertes auf Russisch. Feuchtet
Verärgertes (groß geschrieben)
Außerdem bist du hier in den Zeiten durcheinander geraten

----------
„Gib mir“ flüstert er.
[/I] „Gib es mir“, flüstert er. (+ „es“; Komma) [/I]

Fazit: Eine sehr spannende, sehr gut erzählte Geschichte. Lediglich die vielen Fehler hemmen das Lesevergnügen, lassen sich aber ja leicht beheben.

 

Hi katzano,

Danke für Deine Kritik. Ich gestehe, es ist meine neuste Geschichte und die Rohversion, also noch nicht gründlich genug nach Fehlern durchkämmt. Kann meine eigenen Geschichten ca. 2 Wochen nach fertigstellung selbst nicht lesen *g* geschweigedenn überarbeiten.

Die groß geschriebenen Du, Dich, Euch, die den Protagonisten ansprechen, sind absichtlich groß geschrieben. Ich weiß, nach der neuen Rechtschreibung ist diese Großschreibung der Ansprache des Lesers sicht mehr vorgesehen, aber für die in der Du-Form erzählte Geschichte weigere ich mich stur, sie aufzugeben *g* ebenso wie in von mir verfassten Briefen.

Fehler sind korrigiert. Was die Kommasetung in der wörtlichen Rede angeht, war ich wohl noch falsch informiert. Nach meinem letzten Wissensstand kommen nach "?" und "!" keine Kommas, ebenso wenig wie innerhalb einer wörtlichen Rede eingefügten Teilen, wenn sie nach einem "," eingefügt werden, wie „Sag mal Pizzajunge,“ sagt die väterliche Stimme im Plauderton, „was denkst du. Bist du fähig, einen Menschen zu töten?“

Wurde das in der neuen Rechtschreibung geändert? Über Auskunft wäre ich dankbar, bevor ich mich über das Bearbeiten der Kommasetzung mache... Dumm das, noch ein Punkt auf meiner Liste, den ich beim bearbeiten meiner Geschichten für meine Kurzgeschichtenbücher beachten muss...

 

Nach der neuen Rechtschreibregelung ist es tatsächlich so, dass auch nach wörtlicher Rede, die mit einem Ausrufe- oder Fragezeichen endet, ein Komma gesetzt wird. Zu deinem dritten Beispiel: Ich persönlich würde das Komma nicht in der wörtlichen Rede setzen, sondern nach außen holen, also:
„Weißt du, Pizzajunge“, sagte er, „wir haben noch viel vor."
Hierzu kann ich aber keine Regel liefern, deshalb nur mit halber Gewähr. :D

 

Hallo Nachtpoet.

Ganz so begeistert wie mein Vorredner bin ich leider nicht. Vorallem in einem Punkt muss ich katzano deutlich widersprechen: Diese Geschichte ist meiner Meinung nach von vorne bis hinten konstruiert.
Der Polizist, ein Stammkunde des Pizza-Services, ist rein zufällig der zuständige Beamte für den Fall. Die Russen sind zufällig und ohne erkennbaren Grund die Täter, natürlich ebenfalls gute Kunden. Um einen Kinderpornoring kann es hier kaum gehen, sondern eher um eine Kindesmisshandlung aus Triebsucht, was gegen eine ganze, in das Geschehen involvierte Bande spricht. Das Mädchen kommt nach wenigen Tagen schwerverletzt wieder frei, das spricht nicht dafür, als hätte man sie wegen eines Kinderpornorings entführt.
Des weiteren habe ich direkt vermutet, nachdem der Pizzajunge das Haus des Polizisten betritt, dass er in Wirklichkeit nicht der Täter ist.
Außerdem: Der Plan am Ende ist in sich nicht schlüssig. Warum kommt der Russe plötzlich alleine zu dem Haus? Warum kommt er überhaupt? Warum bringt seine Bande den Beamten nicht selbst zur Strecke? Weshalb die Sache mit der Selbstschussanlage? UND vorallem: Warum ist der Polizist auf dem Photo zu sehen? Weil es nachbearbeitet wurde? Dann ist der Aufwand aber eindeutig zu groß. Diese ganze Sache mit dem Gift und dem Pizzaboten ist völlig unlogisch, da passt einfach überhaupt nichts zusammen.
Was noch hinzukommt: Du hast sehr große Probleme mit der korrekten Zeitenverwendung. Ich will erstmal einige Zitate aus deiner Geschichte liefern und dann mit meiner Kritik fortfahren.

Zum ersten mal seit Wochen denkst Du nicht an Jenny. Pizzakartons klatschen hohl auf den Teppich. Du willst schreien, aber eine Hand legt sich von hinten um deinen Mund und zerrt Dich in das Zimmer.

Diese Stelle fand ich im Zusammenhang sehr gut.

Deine Blase entleert sich, aber das ist nur ein unwesentliches Detail am Rande.

Hat mir auch gut gefallen.


So, nun die erwähnten Zeitprobleme:

Die zwei Muskelberge packten eine Plastikplane, welche zwischen Todesstuhl und nun Mann ohne Kopf plus Sauerei ausgelegt war,

...Muskelberge PACKEN eine...Sauerei ausgelegt IST - Im übrigen würde ich nicht "welche" schreiben, das klingt immer recht schwülstig; ist aber Ansichtssache.

Wenn die Hand Dich nicht gehalten hätte, wärest Du wahrscheinlich längst in Dich zusammengesackt.

...dich (klein) nicht halten würde, wärest...

Du bezweifelst, dass Du noch die Kraft gehabt hättest,

...die Kraft HAST,

Du würgst noch eine Weile weiter, selbst als Dein Magen definitiv nichts mehr in sich trägt, was er hätte von sich geben können.

...,was er VON SICH GEBEN KANN.

„Ja!“, brüllst Du unter Tränen. Und das ist die Wahrheit. Wenn sie Dir jetzt eine Waffe gegeben hätten und auf jemanden gezeigt, der Jenny zerbrochen haben soll, Du hättest abgedrückt. Ohne zu zögern.

...Waffe geben und auf jemanden zeigen würden...du würdest abdrücken.

Am liebsten hättest Du die Tür aufgerissen und wärest weggerannt.

Am liebsten würdest du die Tür aufreißen und wegrennen.

Neue Erkenntnisse? Hah! Der Kerl hatte doch alle Erkenntnisse, die es nur geben konnte.

er HAT alle Erkenntnisse, die es nur geben KANN

Was für ein krankes Spiel war das eigentlich?

IST


Okay, soviel dazu.

Du beugst Dich zur Seite, kannst nicht anders, und kotzt Dein Frühstück auf den Teppich.

Klischee! Warum müssen die Leute in Geschichten immer gleich kotzen? Du wiederholst diesen Drang noch mehrmals in der Geschichte.

„Verdammt, Boss, wir hätten die Plane noch liegen lassen sollen“

Noch ein Klischee. Dieses "Boss Gehabe" erinnert mich immer an billige Ganovenfilme.

„Sag mal Pizzajunge,“ sagt die väterliche Stimme im Plauderton, „was denkst du. Bist du fähig, einen Menschen zu töten?“

Diese Stelle hat mir gefallen, weil sich hier schön der Kreis zum einleitenden Satz schließt.

„Wir hassen diese Monster genau wie du. Monster wie diese haben meine Tochter, mein kleines Mädchen..."

Wenn sie seine Tochter noch immer haben, weshalb erwähnt er dann einige Sätze weiter, dass sie mit ihrem Leben dafür bezahlt haben?

Es ist der Mann, der vor ein paar Minuten auf diesem Stuhl seinen Kopf eingebüßt hat.

Dein Prot. hat diesen Mann nicht gesehen. Du schreibst selbst, dass er nur ein Geräusch wie von einer Sektflasche gehört hat.

Du fragst kleinlaut, was Du machen sollst, wenn Du selbst was von dem Zeug abbekommst, und der freundliche Onkel zeigt dir ein kleines schwazes Lederetui, in dem drei Phiolen mit einer leicht bläulichen Flüssigkeit und eine Spritze eingebettet sind. „Dann solltest Du Dir schnell eine davon in die Vene spritzen, mein Junge. Du weiß, wie das geht?“

Ein meiner Meinung nach weiteres Merkmal, das für die Konstruiertheit deiner Geschichte spricht. Kein normaler Mensch würde in dieser Situation eine solche Frage stellen. Zu allem Überfluss sind die Russen auch noch auf die Frage vorbereitet und präsentieren die Phiolen. Hier merkt man deutlich, dass du das Gegengift unbedingt in den Text mit einbauen musstest, weil es am Ende wichtig ist.
Glaubwürdiger wäre gewesen, wenn der Prot. denn nun wirklich fragen würde: "Dann musst du halt mit deinen Fingern aufpassen."

und reißt das Steuer rum, um Deinen Wagen wieder auf die richtige Fahrbahnseite zu bugsieren.

Das passt nicht. Wenn man einen Wagen lediglich bugsieren will, reißt man nicht gleich das Steuer rum.

Monster sind nicht leicht zu erkennen. No, Sir, sie verstecken sich, verkleiden sich als gute Menschen, manchmal sogar als Monsterjäger. Du schüttelst den Kopf, vielleicht zum hundertsten Mal an diesem Abend. Die Welt verwischt kurz und kehrt dann gnadenlos klar zurück. Kein Verneinen. Kein Entkommen.

Schön geschrieben.

Du beugst Dich vor, um aus dem Blickfeld des Monsters zu kommen, und beißt mit aller Kraft in die geballte Faust, um nicht laut loszulachen.

Gelegentlich habe ich während des lesens geglaubt, dein Prot. hat selbst nicht alle Tassen im Schrank. Ich glaube kaum, dass einem in dieser Situation nach Lachen zumute ist. Eher ist man nervös und angespannt.

Er leckt den Finger ab. Eine kleine, so furchtbar normale Geste, mit der er das erste bisschen Gift in sich aufnimmt.

Gut.

Wie eine Maus die Schlange starrst Du die braune Akte an.

Mal abgesehen davon, dass dieser Vergleich nicht besonders originell ist, hast du ihn vorher auch schon einmal gebracht (den mit der reifen Wassermelone übrigens auch).

Dein Magen ist gar nicht begeistert von dem süßen Nass und schickt es postwendend zurück.

Wirkt an dieser Stelle viel zu flacksig.


So, insgesamt gesehen fand ich deine Geschichte schon spannend. Allerdings besteht sie ausschließlich aus diesen kurzen, abgehackten Sätzen, ist also immer voller Tempo. Du lässt dem Leser keine Zeit zum Verschnaufen. Es geht ununterbrochen in hoher Geschwindigkeit voran, und das ist nicht gut. Ab und an brauche ich als Leser auch ruhige Abschnitte, die etwas ausführlicher sind, und in denen ich nicht mit der Peitsche durch die Handlung gejagt werde.
Insgesamt ist dein Stil aber dennoch schön flüssig zu lesen (von den erwähnten Zeitfehlern einmal abgesehen). Ich denke, du hast durchaus Talent und Spaß am Schreiben. Aber in vielen Bereichen fehlt dir noch die nötige Erfahrung, der gewisse Feinschliff. So hinterlässt dieser Text bei mir leider einen ziemlich zwiespaltigen Eindruck, was vorallem auch am Plot selbst liegt, den ich einfach unglaubwürdig finde.

Nichts für ungut.

Viele Grüße

Cerberus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Cerberus81

Danke für die Kritik 8^), gar nichts für ungut, im Gegenteil, danke für die Ausführlichkeit und die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Und danke für den Hinweis auf die Tempus-Fehler, sind jetzt hoffentlich alle behoben. Wie gesagt, ist die Roh-Version, vor nicht ganz zwei Wochen entstanden, und das ist in der Regel die Zeitspanne, die ich mir gönne, bevor ich meine eigenen Geschichten das erste mal wieder selbst lese...

Die Sache mir dem Du groß geschrieben hab ich oben schon erläutert...

Das mit den Klischees... hm. Werd ich mir durch den Kopf gehen lassen. Die Kotzeritis meines Protagonisten wird allerdings später noch wichtig (sein Run aufs Klo).

Zitat:
„Wir hassen diese Monster genau wie du. Monster wie diese haben meine Tochter, mein kleines Mädchen..."


Wenn sie seine Tochter noch immer haben, weshalb erwähnt er dann einige Sätze weiter, dass sie mit ihrem Leben dafür bezahlt haben?


Er beendet den Satz nicht. Sie haben seiner Tocher (angeblich)... angetan.


Zitat:
Es ist der Mann, der vor ein paar Minuten auf diesem Stuhl seinen Kopf eingebüßt hat.


Dein Prot. hat diesen Mann nicht gesehen. Du schreibst selbst, dass er nur ein Geräusch wie von einer Sektflasche gehört hat.


Er öffnet die Tür. Er sieht den Kopf explodieren. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er den Kopf noch heil, dann nur noch Matsch. Also ja, er hat ihn gesehen.

Zitat:
Du fragst kleinlaut, was Du machen sollst, wenn Du selbst was von dem Zeug abbekommst, und der freundliche Onkel zeigt dir ein kleines schwazes Lederetui, in dem drei Phiolen mit einer leicht bläulichen Flüssigkeit und eine Spritze eingebettet sind. „Dann solltest Du Dir schnell eine davon in die Vene spritzen, mein Junge. Du weiß, wie das geht?“


Ein meiner Meinung nach weiteres Merkmal, das für die Konstruiertheit deiner Geschichte spricht. Kein normaler Mensch würde in dieser Situation eine solche Frage stellen. Zu allem Überfluss sind die Russen auch noch auf die Frage vorbereitet und präsentieren die Phiolen. Hier merkt man deutlich, dass du das Gegengift unbedingt in den Text mit einbauen musstest, weil es am Ende wichtig ist.
Glaubwürdiger wäre gewesen, wenn der Prot. denn nun wirklich fragen würde: "Dann musst du halt mit deinen Fingern aufpassen."


Yup, die klassische Waffe im zweiten Kapitel auf dem Kaminsims, welche im letzten zur Mordwaffe wird. Aber ist die Frage so unwahrscheinlich? Ganz ehrlich, da geben mir ein paar Leute ein echt eklig gefährliches Zeug, um etwas zu tun, was ich normalerweise eh nicht zu tun bereit wäre. Jedes Mittel, den Jungen in Sicherheit zu wiegen und keinen Widerstand aufkommen zu lassen, ist da besser als eine Flapsige Antwort. Er soll die Männer ja als seine Verbündeten ansehen, nicht sich als ihr austauschbares Werkzeug.

Zitat:
und reißt das Steuer rum, um Deinen Wagen wieder auf die richtige Fahrbahnseite zu bugsieren.


Das passt nicht. Wenn man einen Wagen lediglich bugsieren will, reißt man nicht gleich das Steuer rum.


Ich schon *g* mal 'ne Kippe fallen lassen, wollte sie wieder aufheben, bin dabei auf die falsche Fahrbahn und hab etwas sehr energisch zurückgelenkt, aus dem Schreck heraus.

Zitat:
Du beugst Dich vor, um aus dem Blickfeld des Monsters zu kommen, und beißt mit aller Kraft in die geballte Faust, um nicht laut loszulachen.


Gelegentlich habe ich während des lesens geglaubt, dein Prot. hat selbst nicht alle Tassen im Schrank. Ich glaube kaum, dass einem in dieser Situation nach Lachen zumute ist. Eher ist man nervös und angespannt.


Ich komm mir ja gerade wie ein trotziges Kind vor, das allem widersprechen muss, aber auch hier: Noch nie an Deine Grenzen getrieben worden und dann plötzlich angefangen, zu grinsen, auch wenn Dir gar nicht danach war? Oder eben zu kichern, über etwas, was eigentlich gar nicht wirklich lustig ist? Ich schon *g* und mehrfach bei anderen beobachtet...


Zitat:
Wie eine Maus die Schlange starrst Du die braune Akte an.


Mal abgesehen davon, dass dieser Vergleich nicht besonders originell ist, hast du ihn vorher auch schon einmal gebracht (den mit der reifen Wassermelone übrigens auch).


Yo, da sind wir uns einig.

Zitat:
Dein Magen ist gar nicht begeistert von dem süßen Nass und schickt es postwendend zurück.


Wirkt an dieser Stelle viel zu flacksig.


Hast Du auch recht, ist aber so eine Eigenheit von mir, in jeder Geschichte an genau so einer Stelle einen kleinen Stilbruch einzufügen. Der bleibt *g*


Gut, kommen wir zum Plot. Er ist ausgesprochen unwahrscheinlich, absolut ja. Aber undenkbar? Ich denke nicht. Er funktioniert.

Nehmen wir besagte Bande. Die Ploizei ist ihnen auf der Spur (wie wir reichlich spät vom Polizisten erfahren). Nehmen wir weiter an, sie wollen ihre Spur verwischen. Nun, sie beobachten das Haus des leitenden Beamten. Sehen den Pizzajungen, immer den gleichen, der dieses Haus beliefert.

Entwickeln diesen ziemlich abgefahrenen Plan.

Mieten sich (über einen Mittelsmann) in dem Liefergebiet des Jungen ein Zimmer, entführen seine Schwester, machen ein Foto und manipulieren es (was nun wirklich kein großer Aufwand ist, selbst ich krieg das inner Stunde mit Photoshop hin). Inszenieren diese nette kleine Szene in dem Zimmer, um erstes den Jungen keine Zeit zu geben, um einen klaren Gedanken zu fassen (weshalb die Geschichte auch in diesem irren Tempo geschrieben ist) und zweitens seine Hemmschwelle gleichmal ein wenig zu senken (den ersten Menschen hat er, wenn auch unfreiwillig, getötet). Versuchen ihn auf diese kleine Mission zu schicken (wenn das nicht geklappt hätte, nun, ich glaube nicht, dass er das Zimmer lebend verlassen hätte). Schicken natürlich einen von ihren Leuten hinterher, der a) sicherstellen soll, dass der Junge keinen Abstecher auf dem Präsidium macht und b) nach getaner Arbeit den Jungen verschwinden lässt (Ivan). Wenn alles klappt, können sie noch ein paar belastende Indizien gegen den Jungen plazieren, um ihn mit ihren eigenen Schandtaten in Verbindung zu bringen (sie haben seine Hose, da könnte der Ring rein, und das ganze in der Nähe des toten Polizisten platziert).

Ob das die Polizei wirklich überzeug, ist fraglich, aber es würde sehr viele Fragen aufwerfen und für Verwirrung sorgen. Genug Zeit, um die restlichen eigenen Spuren zu verwischen und sich dünne zu machen.

Nur eine mögliche Erklärung, und wie gesagt, eine ziemlich verrückte Geschichte, aber es könnte... und das ist in meinen Augen die Faszination einer jeden Geschichte. So lange man innerhalb seiner eigenen Regeln spielt, ist ein Plot, der in sich funktionsfähig ist, legitim.

Meine Meinung 8^) wenn noch mehr anders denken (oder auch mir zustimmen), würde es mich freuen, davon zu lesen.

 
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Hi NachtPoet,

ersteinmal möchte ich dir sagen, dass ich deine Kg äußerst spannend fand. :thumbsup:
Flüssig, gute Sprache. Auch das Tempo hat mir gefallen. Eine Atempause hätte ich vielleicht gebraucht, wenn die KG doppelt solang gewesen wäre und du das Tempo beibehalten hättest.
Aber, das ist natürlich reine Geschmacksache. ;)

Das der Polizist nicht der Täter war, habe ich mir auch gedacht.
Wegen der Pointe. :shy:

Was die Logik deiner KG betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher.
Doch wenn man nur hiervon ausgeht:

Ah, hier“, sagt er und zieht ein Blatt aus der Akte. „Die Spurensicherung hat die Verletzungen in Jennys Gesicht mit anderen Fällen verglichen. Der Täter trug scheinbar einen Ring, mit zwei scharfen Kanten. Die Schnitte passen zu einer anderen Sache, die ich schon seit ein paar Jahren verfolge. Mehrere Kinder, die entführt wurden und dann...“ er schluckt, und wischt sich mit dem Arm über die Stirn. Eine dicke Schweißperle rinnt seine Wange hinab wie eine einzelne Träne.
„... ein paar der Kinderleichen, die wir gefunden haben, hatten ähnliche Schnitte im Gesicht. Wir haben einen russischen Kinderpornoring im Verdacht. Noch nichts konkretes, leider, bisher beruht alles auf Indizien und Vermutungen. Jennys Fall passt in das Schema. Seltsam ist nur, dass sie Jenny am Leben gelassen haben.“

könnte es schon sein, dass die Russen deinen Prot als Mörder der Kinder darstellen wollen, der den ermittelnden Polizist umbringt, weil er Angst vor Entdeckung hat.

Doch wenn die Todesfälle der Kinder Jahre zurückliegen, denke ich, das der Pizzajunge noch zu jung gewesen wäre. :hmm:

Ich frage mich auch, warum die Russen den Jungen umbringen wollen.
Denn es sieht ja so aus, dass er erschossen werden soll.
Nur, was soll die Polizei von einem Mord halten? Wer soll den Jungen umgebracht haben? Die Spur könnte zurück zu den Russen führen, da der Verdacht schon zu groß ist.
Es sei denn, die Russen würden es als Selbstmord aussehen lassen.
Aber das kann ich nicht herauslesen.

Und warum haben sie die Kleine nicht getötet?
Das könntest du lösen, indem der Schänder geglaubt hat, dass sie tot ist und sie in Panik "weggeworfen" hat.

Ich habe zwar keine Ahnung, aber ich glaube ein Kinderpornoring, hinterlässt nicht offen, tote Kinder, oder doch?

Vielleicht wäre es glaubwürdiger, wenn du von sagen wir einem oder zwei perversen "Schweinen" sprichst, die der Russenmafia angehören (Familie) die jetzt versuchen ihre Jungs, durch einen vorgesetzten Täter, verdachtfrei zu machen?

Aber gut, es werden sicher noch andere deine KG lesen und etwas dazu sagen.
Denn lesenswert ist sie auf jeden Fall :)

lieben Gruß, coleratio

 

Hi coleratio

Danke für die Anregungen.

Wir wissen zwar nicht, wie alt der Pizzajunge ist, aber Du hast recht, die Jahre zurückliegenden Fälle sind etwas zu weit in der Vergangenheit... werd ich korrigieren.

... so, aus den Jahren wurde ein Jahr, damit müsste es klappen.

Was die lebende Jenny angeht... "Das schlimmste, was Du einen Menschen antun kannst, dem Du alles genommen hast, ist, ihm etwas zerbrochenes zurück zu geben". Erstens das, und zweites haben sie so ein lebendiges Kind, welches sie im Zweifelsfall noch als Druckmittel hernehmen können. Sie am Leben, aber derart vertrört zu lassen, erschien mir effektiver. Wobei es riskant ist... sie könnte ihre Täter ja in der Tat identifizieren. Auf der anderen Seite, wir wissen nicht, ob sie Jenny absichtlich am Leben gelassen haben. Könnte tatsächlich ein Versehen gewesen sein. Nahe genug am Tode war sie ja.

Zwei Einzeltäter wären vielleicht realistischer, was den Plan angeht, aber der Aufwand, der hinter dem Plan steckt, scheint doch eher auf eine Organisation hinzudeuten. Muss ich mal drei Takte drüber nachdenken *g*

... einen Takt drüber nachgedacht, und ja, Du könntest recht haben. Würde das ganze auch etwas weniger Klischeelastig machen *g* mal sehen, was die anderen beiden Takte sagen.

 

Hi nochmal!

Es ist immer schön zu sehen, wenn ausführliche Kritiken von dem Autor ausführlich behandelt werden, denn so weiß ich, dass meine Kritik nicht umsonst entstanden ist.

Er öffnet die Tür. Er sieht den Kopf explodieren. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er den Kopf noch heil, dann nur noch Matsch. Also ja, er hat ihn gesehen.

Das geht aus dem Text aber nicht hervor. Denn zuerst denkt er an einen Sektkorken, würde er gleichzeitig den platzenden Schädel sehen, würde er auch nicht an einen Sektkorken denken.
Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass er sich das Gesicht des Mannes in der kurzen Zeit so gut einprägen kann, dass er es später auf dem Photo wiedererkennt. Außerdem verstehe ich immer noch nicht, warum er getötet wurde, schließlich gehört er zu der Bande.

Aber ist die Frage so unwahrscheinlich?

Meiner Meinung nach schon. Vermutlich gehen einem in so einem Moment tausend Dinge durch den Kopf, aber nicht die Frage danach, was ist, wenn man selbst etwas von dem Gift abbekommt. Schließlich kann er sich ja die Finger waschen.

Ich schon *g* mal 'ne Kippe fallen lassen, wollte sie wieder aufheben, bin dabei auf die falsche Fahrbahn und hab etwas sehr energisch zurückgelenkt, aus dem Schreck heraus.

Dann beschreibe es doch einfach so. BEISPIEL: Du schreckst aus deinen Gedanken hoch und findest dich auf der Gegenfahrbahn wider. Mit einem schnellen Ruck reißt du das Steuer herum.

Ich komm mir ja gerade wie ein trotziges Kind vor, das allem widersprechen muss, aber auch hier: Noch nie an Deine Grenzen getrieben worden und dann plötzlich angefangen, zu grinsen, auch wenn Dir gar nicht danach war?

Verstehe mich nicht falsch, ich will dir lediglich Ratschläge geben, und keine Belehrungen. Es ist deine Geschichte und es ist völlig normal, dass du sie verteidigst. Das hat mit trotzig nichts zu tun.
Was das Grinsen angeht: Ich weiß, was du meinst, aber in dieser Situation passt es nicht, da es für den Prot. um Leben und Tod geht. Der Selbsterhaltungstrieb des Menschen wird ihn dazu bringen, alles zu tun, um nicht auffällig zu werden.

Nehmen wir besagte Bande. Die Ploizei ist ihnen auf der Spur (wie wir reichlich spät vom Polizisten erfahren). Nehmen wir weiter an, sie wollen ihre Spur verwischen. Nun, sie beobachten das Haus des leitenden Beamten. Sehen den Pizzajungen, immer den gleichen, der dieses Haus beliefert.

Tut mir Leid, aber es bleibt trotzdem völlig unlogisch. Ich meine, wie lange observieren sie ihn denn? Vierundzwanzig Stunden ohne Unterbrechung? Es gehört schon eine Menge Zeit dazu, um festzustellen, dass jemand immer von dem gleichen Pizzaboten beliefert wird. Außerdem kann der gute Mann ja auch nicht jeden Abend dort bestellen. Wohlgemerkt, sie beobachten ihn ja schon vor der Entführung, also zählt der Punkt mit dem "Der Beamte will etwas mit dem Prot plaudern" hier auch nicht.

Nur eine mögliche Erklärung, und wie gesagt, eine ziemlich verrückte Geschichte, aber es könnte... und das ist in meinen Augen die Faszination einer jeden Geschichte. So lange man innerhalb seiner eigenen Regeln spielt, ist ein Plot, der in sich funktionsfähig ist, legitim.

Da will ich grundsätzlich nicht widersprechen. Es GIBT im Leben definitiv manchmal völlig unglaubliche Zufälle, aber bei dieser Geschichte habe ich den Eindruck, als wenn du ausschließlich auf diesen aufgebaut hättest, und das stört mich eben.


Wie gesagt, ich will dir nur meine subjektive Meinung mitteilen. Andere können es wieder ganz anders sehen.

Bis dahin

Viele Grüße

Cerberus

 

@Cerberus81,

Tut mir Leid, aber es bleibt trotzdem völlig unlogisch. Ich meine, wie lange observieren sie ihn denn? Vierundzwanzig Stunden ohne Unterbrechung? Es gehört schon eine Menge Zeit dazu, um festzustellen, dass jemand immer von dem gleichen Pizzaboten beliefert wird.

Ich glaube nicht, dass die Russen die Wohnung des Polizisten beobachten müssen. Warum auch?
Viel wichtiger wäre es doch, den Jungen zu beobachten.
Die Russen werden den Pizzajungen schon kennen, schließlich ist er der Bruder des geschändeten Mädchens.
Denn für die Russen müßte es auch wichtig sein, zu erfahren, wie es um die Kleine steht. Ob sich ihr Zustand verbessert hat, sie vielleicht Aussagen machen kann.
Dabei stellen sie dann fest, dass der Junge den Polizisten beliefert und sich hin und wieder dort aufhält.
Damit wird der Junge erst recht wichtig. Und so könnten die Russen auch auf die Idee gekommen sein, ihn als "Opfer" zu benutzen.
So wäre die Pizzalieferung bei den Russen, in einem ein Test gewesen, ob der Junge etwas wichtiges weiß. Sie merken, er weiß nichts, also kann ihr Plan starten und somit beide Gefahrenpersonen ausschalten.
Eigentlich wäre es sogar logich, wenn die Organisation versuchen würde, das Kind im nachhinein zu töten, aber dann wäre der Verlauf der Geschichte ein anderer.

@ Nacht Poet

Er öffnet die Tür. Er sieht den Kopf explodieren. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er den Kopf noch heil, dann nur noch Matsch. Also ja, er hat ihn gesehen.

Nein, hier ist die Zeit eindeutig zu kurz.
Das könntest du lösen, indem dein Prot die Tür zuerst nur einen Spalt öffnet und mit dem Kopf herein schaut.
Er blickt in ein entsetztes Gesicht.
Dann öffnet er die Tür weiter, die Schussanlage wird ausgelöst und der Junge sieht den Kopf zerplatzen. (igitt)
Damit hat er aber dem Opfer voll ins Gesicht gesehen und kann sich daran erinnern.

Es ist schon interessant, so einen Krimi auseinander zu nehmen. Ich meine nach Logik.
Doch wenn man sich so manchen Krimi im Fernsehen ansieht, kann man auch nur den Kopf schütteln wegen der fehlenden Logik.
Um so schöner ist es doch, dass hier alles besprochen werden kann, oder? ;)

Also, mal sehn was noch draus wird.
Gruß, col.

 

@coleratio

Ich glaube nicht, dass die Russen die Wohnung des Polizisten beobachten müssen. Warum auch?
Viel wichtiger wäre es doch, den Jungen zu beobachten.
Die Russen werden den Pizzajungen schon kennen, schließlich ist er der Bruder des geschändeten Mädchens.

Eben nicht! Denn so wie Nachtpoet es erklärt hat, entwickeln sie den Plan ja erst, um einen "Schuldigen" zu finden; also quasi um die Polizei von ihrer Fährte abzulenken, was an sich schon recht schwer nachzuvollziehen ist, denn schließlich werden sie ja bereits seit längerem gesucht.
Dies bedeutet aber, dass das entführte Mädchen Teil des Plans ist, und so erst im ANSCHLUSS an das Observieren entführt wurde, daher wusste die Bande zuvor gar nichts über den Pizzaboten, sondern haben ihn erst durch ihre Beobachtungen "gefunden", und dies wiederrum bedeutet, dass sie wohl doch eine ununterbrochene Observation durchgeführt haben.
Puhh...allmächlich wirds kompliziert, aber ich hoffe du weißt, was ich meine.

 

Ich weiß jetzt, wie ich es einfacher formulieren kann:

1. Die Russen wollen den Polizisten loswerden, weil ihre Bande seit längerem gesucht wird.

2. Also observieren sie sein Haus.

3. Sie werden auf den immer gleichen Pizzaboten aufmerksam.

4. DANN entwickeln sie ihren Plan, seine Schwester zu entführen.

Also doch ständige Beobachtung. Unglaubwürdig daher, weil niemand jeden Abend Pizza bestellt und man solange einfach nicht beobachten kann. Da gäbe es einfachere Wege, den Polizisten aus dem Weg zu räumen. Schließlich nimmt die Bande sogar noch den Tod eines eigenen Mitglieds in Kauf.

 

@Ceberus81 & : Bin leider gerade im Aufbruch (geb 'nen kleinen Origami-Kurs), aber zwei kurze Anmerkungen, der Rest kommt später 8^)

1. Haben sie wirklich einen von ihren eigenen Leuten umgebracht? Denkt mal nach, ein Kopf auf dem Foto war ausgetauscht, warum nicht beide?

2. Es reicht, den Pizzajungen ein- bis zweimal zu sehen. Bei gestressten Leuten, die selbst nicht gerne kochen, ist es nicht unüblich, den Lieferservice mehrmals pro Woche zu rufen. Vielleicht nicht immer den gleichen, aber durchaus regelmäßig. Danach ein Anruf bei der Pizzaria, mit dem Hintergrund, sich selbst angeblich eine Pizza zu bestellen, und die Frage, wer die Pizza liefert, und ob das immer der gleiche Lieferant in der Gegend ist, die Zeiten sind ja ziemlich unsicher geworden heutzutage...

Und da der Polizist schon seit einem Jahr an ihnen dran ist, wre auch eine längere Observation nichtmal so unwahrscheinlich. Kenne Deinen Feind...

Die andere Lösung wäre tatsächlich die Erklärung von coleratio, wobei hier der Faktor Zufall und Glück wirklich etwas strapaziert wird... aber hey, es gibt Zufälle im Leben... *g*

Genau wissen wir es nicht, die Geschichte gibt hinweise, die zu Spekulationen einladen, aber keine konkrete Antwort... wie das so ist mit Kurzgeschichten, kein Anfang, kein richtiges Ende, nur ein Ausschnitt.

Wie gesagt, später mehr 8^)

 

nochmal

Das die Russen schon vor der Entführung des Kindes observiert wurden, habe ich in der KG wohl überlesen.
Insofern hast du cerberus, natürlich recht.

Hm, ich glaube ich lese die KG nochmal, denn langsam wirds kompliziert :shy:

 

Das die Russen schon vor der Entführung des Kindes observiert wurden, habe ich in der KG wohl überlesen.
Ich auch. Ich hatte den gleichen Ablauf gelesen und beim Kritisieren im Kopf, wie coleratio. Und so fand ich es auch alles sehr logisch.

Hm, werde diese Diskussion auf jeden Fall weiter mitverfolgen. Bin schon gespannt, was sich noch auflöst bzw. inwieweit die KG noch überarbeitet wird.

 

„Ah, hier“, sagt er und zieht ein Blatt aus der Akte. „Die Spurensicherung hat die Verletzungen in Jennys Gesicht mit anderen Fällen verglichen. Der Täter trug scheinbar einen Ring, mit zwei scharfen Kanten. Die Schnitte passen zu einer anderen Sache, die ich schon seit einem Jahr verfolge. Mehrere Kinder, die entführt wurden und dann...“ er schluckt, und wischt sich mit dem Arm über die Stirn. Eine dicke Schweißperle rinnt seine Wange hinab wie eine einzelne Träne.
„... ein paar der Kinderleichen, die wir gefunden haben, hatten ähnliche Schnitte im Gesicht. Wir haben einen russischen Kinderpornoring im Verdacht. Noch nichts konkretes, leider, bisher beruht alles auf Indizien und Vermutungen. Jennys Fall passt in das Schema. Seltsam ist nur, dass sie Jenny am Leben gelassen haben.“

Die Polizei ist an der Sache also schon seit einem Jahr dran.

 

Ja, ich hatte nur nicht rausgelesen, dass sie schon konkrete Personen observieren und es sich dabei um die Russen handelt, denen er die Pizza liefert. Hätte man auch drauf kommen können, aber das ist eher eine Frage der Lesart und was sich der Leser dabei denkt, als dass man es aus der Geschichte konkret rauslesen könnte. Zumindest kam es mir an der Stelle nicht gleich in den Sinn. Im Nachhinein denke ich aber auch, dass ich hier wohl zu unaufmerksam gelesen hatte.

 

Hallo NachtPoet,

wow! Ich bin ehrlich beeindruckt von deiner Geschichte. Ich musste zwischendrin mit dem Lesen aufhören und das hat mich ziemlich genervt, weil ich es kaum noch erwarten konnte, wie es weitergeht.
Spannend von der ersten bis zur letzten Zeile!
Kritikpunkte habe ich keinen.

Ausgezeichnete Geschichte!

LG
Bella

 

Hallo Nachtpoet,

Ich bin der Empfehlung gefolgt, und ich kann mich Bella und denn meisten anderen nur anschließen. Du hast da wirklich eine spannende, rasante Geschichte gezaubert, die sich sehr gut liest. Hier und da sind mir noch Rechtschreibfehler aufgefallen, die aber kaum ins Gewicht fallen, und die du sicherlich in einer späteren Überarbeitung ausmerzen wirst.
Freue mich schon, mehr von dir zu lesen. :)

Lieben Gruß,
moonaY

 

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