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Eier - nein danke

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03.07.2004
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Eier - nein danke

Mit einer anmutigen Bewegung strich Ilonka ihre feuerroten Löffel glatt. Der Osterhasendirektor, der ihr gegenüber saß, seufzte leise:
"Was machen wir nur mit dir?"
Ilonka zuckte nur allerliebst mit ihrem Näschen.
"Vor einem Monat wurdest Du in die Eiermalstube eingeteilt. Nach zwei Wochen mussten wir Dich herausnehmen, weil alle Eier mit Herzchen verziert waren."
"Herzchen sind doch schön."
"Das ist wohl richtig. Aber außerdem stand auf allen Eiern 'Ich liebe Ilonka' - wir mussten die Produktion von zwei Wochen unter Preis verramschen."
"Das tut mir wirklich leid."
"Ich weiß, Du kannst nichts dafür, aber mit deinem roten Fell verdrehst du allen Rammlern den Kopf."
"Ich möchte aber gar nicht alle Männer verdrehen."
Der Oberrammler ging gar nicht erst auf diesen Einwurf ein. Ihn plagten andere Sorgen:
"Seit zwei Wochen bist Du in der Schokoladeneierproduktion und seit zwei Wochen sehen alle Schokoladeneier aus wie Schokoladenherzen. Was sollen wir mit 50.000 Schokoladenherzen. Der Valentinstag ist längst vorbei."
Ilonka zuckte wieder mit ihrem Näschen und ließ ihre wunderschönen feuerroten Löffel ein wenig hängen.
"Kannst du dich nicht einfach für einen Rammler entscheiden, damit hier Ruhe im Betrieb einkehrt? Ich wüßte sonst nicht, wo ich dich unterbringen soll."
"Und wenn ich einfach zu Hause bleibe und nicht arbeite?" Ilonka schaute den Osterhasendirektor hoffnungsvoll mit ihren großen ausdrucksvollen Augen an. Aber der ließ sich nicht beeinflussen:
"Das ist leider nicht möglich. Alle Hasen sind verpflichtet, von Weihnachten bis Ostern in der Eierproduktion zu arbeiten. Und dieses Jahr liegt Ostern sehr früh. Da brauchen wir wirklich jede Pfote."
Ilonkas Löffel sanken immer tiefer. Selbst ihr süßer Puschel hing traurig herunter. Sie seufzte nur leise und einige dicke Tränen suchten sich einen Weg über ihre zarten Wangen:
Am liebsten würde ich auswandern, so weit weg, wie nur möglich."
"Das wäre dann Australien, aber da gibt es keine Osterhasen."
"Nein, das wäre ja toll." Ilonka wurde ganz aufgeregt, aber der Direktor bekam dies gar nicht mit. Die verschiedenen Ostereierbräuche waren sein Hobby und wenn er erst einmal anfing, zu erzählen, war er kaum zu stoppen.
"In Australien bringen die Bilbys die Ostereier. Das sind eine Art kleine Känguruhs mit langen Ohren, einer spitzen Schnauze und einem Beutel für ihre Kinder. Deshalb heißen sie Beuteltiere." Der Osterhasendirektor wühlte in einer Schublade und zeigte dann Ilonka das Bild eines Schokoladen-Bilby.
"Kann ich nicht nach Australien auswandern?"
"Das würde ich dir nicht raten. Früher gab es keine Kaninchen in australien, die sind von den Europäern eingeführt worden und sind eine Landplage. Deshalb mögen die Australier auch Hasen gar nicht und haben den Bilby an Stelle des Osterhasen. Und was willst Du denn schon in Australien?"
Ilonka seufzte: "Ich will gar nicht nach Australien. Mein rotes Fell verdreht allen Rammlern Augen und Ohren. Deshalb will ich weg von hier."
"Das ist ja richtig und der Eierproduktion würde es wohl gut tun, wenn Du nicht hier wärest. Aber woanders hast du die gleichen Probleme. Dein samtweiches rotes Fell kannst du doch nicht ausziehen."
Ilonka schaute argwöhnisch auf den Direktor, ob sich seine Ohren auch schon verknoteten. Aber er sah sie nur freundlich an.
"Ich habe eigentlich gar kein rotes Fell. Sobald Ostern vorbei ist, wird mein Fell wieder braun wie bei den anderen Hasen."
"Was hat denn deine Fellfarbe mit Ostern zu tun? Das verstehe ich nicht."
"Ich glaube, ich bin allergisch gegen Eier. Schon als Kind mochte ich keine Eier. Meine Mutter hat immer einige Eier in mein Moosnest gelegt, damit ich mich an sie gewöhne. Aber erst habe ich nur grüne und blaue Flecken bekommen und jetzt wird mein Fell immer ganz rot und juckt, wenn ich in die Nähe von Eiern komme."
Der Osterhasendirektor schaute Ilonka erstaunt an: "Dein Fell wird von Eiern rot? Dagegen müssen wir was unternehmen. Auswandern ist keine schlechte Idee. Komm mal mit."
Der Direktor ging mit Ilonka zu einer bunten Weltkarte, die an einer Wand hing.
"Die Länder sind aber nicht richtig", meinte Ilonka nach dem ersten Blick. Schließlich hatte sie sich in der Hasenschule für Erdkunde interessiert und kannte die große Weltkarte, die im Klassenraum hing, sehr genau.
"Die Farben zeigen ja auch nicht Länder an, sondern die Verbreitung unterschiedlicher Ostereierbräuche."
"Hier bei dem großen blauen Land ist ein Osterhase aufgemalt."
"Ja, die blaue Farbe bedeutet, dass der Osterhase die Ostereier bringt. Hier die grüne Farbe, da kommt der Storch und bei der gelben bringt der Fuchs die Eier."
"Nein, da will ich nicht hin," zeterte Ilonka, "Füchse mag ich gar nicht leiden."
"Diese Bräuche sind heute auch kaum noch bekannt. Inzwischen bringt der Osterhase in den meisten Ländern die Eier. Deshalb müssen wir ja so viel schaffen."
Ilona schaute sich während der Erläuterungen des Direktors weiter die Karte an. "Die sehen ja süß aus." Sie zeigte auf einige rot gefärbte Länder im oberen Teil der Karte. Dazu waren zwei puschelige gelbe Küken gemalt.
"Das sind Osterküken. Die bringen in Skandinavien die Ostereier. Diesen Brauch gibt es auch heute noch."
"Da möchte ich hin."

Der Osterhasendirektor besorgte alle nötigen Papiere, Ilonka packte ihre Koffer und schon nach zwei Wochen fand sie in Schweden ein neues Zuhause. Sie heiratete einen stattlichen Rammler und wenige Monate später tummelte sich eine große Schar kleiner Häschen in ihrem Nest. Ilonka hatte jetzt das ganze Jahr über ein braunes Fell wie jeder andere Hase. Auch ihr Nest unterschied sich nicht von anderen Hasennestern - mit einer Ausnahme. Neben dem Nest hing ein Verbotsschild. Es war aber kein Schild 'Einfahrt verboten' oder 'Halteverbot'. ZWar hatte es auch ein rotes Kreuz wie das Halteverbotsschild, aber dahinter war ein Ei gemalt. Und alle Tiere, die zu Besuch kamen, verstanden soft, dass Eier in diesem Nest nicht erlaubt waren. Und wenn die Osterküken zum Osterfest kamen, brachten sie für jedes Hasenkind einen Schokoladenosterhasen. Denn mit Eiern wollte Ilonka nichts mehr zu tun haben.

 

Hallo jobär!
Bei dem Titel dachte ich zunächst, es würde eine Geschichte über ein trotziges Kind kommen. Und dann hast du so ein süßes Ostermärchen für uns! Ich konnte Ilonka richtig vor mir sehen. Vielleicht solltest du am Anfang noch erklären, was ein Rammler ist, ich weiß nicht, ob man selbstverständlich davon ausgehen kann, dass alle Kinder mit dem Begriff sofort ein Hasenmännchen verbinden.
Das Ende fand ich fast ein bisschen zu schnell. Aber das kann auch daran gelegen haben, dass ich gern noch ein bisschen mehr über die Osterhasen gelesen hätte. :)
Also, insgesamt wirklich eine niedliche Geschichte. Habe auf Textkram nicht weiter geachtet.
In welchen Ländern bringt denn der Fuchs die Eier?
Ach Mensch, eigentlich wollte ich auch eine Ostergeschichte schreiben ...
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche!

Freut mich sehr, dass dir meine kleine Ostergeschichte gefallen hat. Ich habe mich jetzt für die beiden Länder entschieden, weil dort auch heute noch der Hase nicht er Ostereierbringer ist. Ansonsten hat sich der Osterhase ja in gut einhundert Jahren weltweit verbreitet. Vor dem ersten Weltkrieg war er nur in deutschen Städten bekannt. Auf dem Lande brtachte der Fuchs oder der Storch oder der Kuckuck oder ein anderes Tier die Eier. Dabei wissen wir heute wohl gar nicht so genau, welches Tier wo die Eier brachte (wenn es denn überhaupt Eier gab). Der Fuchs wird in verschiedenen Quellen für Hannover, für Hessen und für Brandenburg angegeben. In Berlin solls übrigens nach einem Bericht der Kuckuck gewesen sein, aber ich halte das eher für eine Ente, denn der Kuckuck ist sonst nur in der Schweiz bekannt.

LG

Jo

 

Hallo Jobär,

eine total nette Idee hast du in deiner kleinen Ostergeschichte verbraten! :) Ein Hase hat eine Eierallergie! KLasse.
Allerdings hätte ich mich gefreut, ruhig noch etwas ausführlicher über die unterschiedlichen Osterbräuche informiert zu werden. Außerdem finde ich es schade, dass du fast ausschließlich die Dialogform verwendet hast. Ein wenig mehr Beschreibung hätte deiner Geschichte für meinen Geschmack sehr gut getan.

Wie immer habe ich noch ein paar kleine Anmerkungen:

"Mit einer anmutige Bewegung " --> anmutigen Bewegung

"der Eierproduktion würde es wohl gut tun, wenn Du nicht hier bist" --> wärest

"Aber woanders hast du doch die gleichen Probleme. Dein samtweiches rotes Fell kannst du doch nicht ausziehen." --> Wortwiederholung "doch"

"Was hat denn deine Fellfarbe mit Ostern zu tun? Das verstehe ich nicht."
(Hier fehlen Anführungszeichen!) Ich glaube, ich bin allergisch gegen Eier. ...


Lieben Gruß
al-dente

 

Hallo, Jobär,

mir hat deine Geschichte supergut gefallen. Immer ein innerer Aufschrei meinerseits, wenn eine ungewöhnliche Wendung eintrat, wie: Herzgestaltung, Eierallergie, Bewußtmachung der Unterschiede in der Kultur der Eierbringer...


Das Ende hätte ich mir nicht mit Zigarettenverbotsschild gewünscht, weil es nicht der Realität eines Kindes unter 10 Jahren entspricht und es mit einem nicht altersgerechten Thema/Hinweis konfrontiert. Nicht, dass es nicht wüßte, daß geraucht wird, sondern es setzt sich mit seinem persönlichen Leben nicht mit Rauchen auseinander. (Oder doch?) Verkehrsschilder z.B. und deren Anwendung sind da eher im Bewusstsein.

LG
Pierra

 

Haööp aldente und pierra!

Ich habe jetzt die angemerkten Stellen korrigiert und ein klein wenig mehr Text eingefügt.
Ich hatte bisher von einer ausführlicheren Beschreibung abgesehen, weil ich dachte, der kleine Text wird dann zu belehrend. Aber vielleicht kann ich ja die Geschichte noch ausbauen.

Liebe Grüße

Jo

 

Hello jobär,

zwar ist Ostern schon vorbei, aber hier ist Dir eine rundum niedliche Geschichte aus der Feder geflossen!
Sehr hübsch: 'Da brauchen wir wirklich jede Pfote'

Das ist mir aufgefallen:

'Früher gab es keine Kaninchen in australien'

'Und alle Tiere, die zu Besuch kamen, verstanden soft,'

Viele Grüße vom gox

 

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