Der alte Löwe
Ja, dieser Spanier kann tanzen. Obwohl er mindestens fünfzehn Pfund leichter ist als ich, hat er mich im Griff. Er gibt sich herrschsüchtig, fragt nicht, klopft nicht an - er dirigiert mich rückwärts, vorbei am Bass, an den Violinen und schließlich an den beiden Bandoneóns, bis uns das Licht flutet. Er starrt mich mit stechenden Schwarzaugen an, die den ganzen Abend schon meine Beine taxiert haben. Ich weiß nicht, ob sein Blick mir etwas sagen soll oder ob er sich einfach nur auf das konzentrieren muss, was unterhalb unserer Schultern passiert.
Und dann ist da noch der Blick des alten Löwen. Ich kann ihn im verrauchten Zwielicht nicht sehen, aber ich weiß, dass seine Augen mir folgen, abwartend, amüsiert und ein bisschen hungrig. Der kleine Spanier fordert zu viele Ganchos, zeigt meine Beine, tanzt eigentlich allein und für sein Publikum. Ich lehne seine Einladung ab - Gracias, keinen Drink mehr - und lasse ihn stehen. Der Löwe wartet schon im Treppenhaus.
In der Wohnung ist es noch dunkler als unten im Lokal, aber wir kennen uns aus. Er nimmt meinen Mantel und meine Handtasche. Dann nimmt er mich; ich spüre seinen Arm unter meiner Achsel, rieche das Aroma von Rauch und verbranntem Scheinwerferstaub im Gewebe seines Hemdes und auf meiner Haut.
Wir tanzen durch die kühle Stille des Zimmers, im Takt seines geflüsterten „Rat-tat-tat-tat“. Stoff raschelt, Ledersohlen rutschen über das Parkett. Er ist stämmig, er fühlt sich gut an und er führt mich ohne Druck, gibt federleichte Signale mit Brust und Bauch, die mir Raum für Entscheidungen lassen. Meine Hüfte stimmt zu, als er mich zum Sofa tanzt. Ich falle langsam, seinen hungrigen Mund auf meinem. Heiß schmiegt sich seine Hand unter meinem Rock nach oben. Ich lasse mich von ihm spreizen, pfählen und im Rhythmus wiegen, furche durch sein Fell und kralle mich in schweres Fleisch. Er kommt vor mir, nimmt die Finger zur Hilfe und lässt sie Ochos und Giros tanzen, bis ich seinen Namen stöhne.
„Leonard.“
Er tritt die Zigarette aus, während er sich zu mir umdreht. „Hallo!“
Sein Kuss kratzt auf meinen Lippen, die immer noch ein bisschen wund sind. Er nimmt meinen Mantel und meine Aktentasche, hält mir die Tür auf. Die Mädchen streiten sich auf dem Rücksitz. Mit etwas Glück sind sie nächstes Wochenende wieder unterwegs. Als hätte er meine Gedanken gelesen, raunt mir der Löwe unter dem lautstarken Gezicke hindurch zu: „Samstag tanzen?“
Ich kuschle mich tiefer ins Nappa und lächle.