Zunächst: Vielen Dank liebe Fliege, für diesen Thread!
Worüber ich jetzt nicht spreche, was aber dennoch zu einer Humorgeschichte gehört:
Pro- und Antagonist, ein sich steigernder Konflikt und am Ende dessen Lösung.
Und damit, so meine ich, habe ich mich von der üblichen Fernseh-Comedy schon meilenweit entfernt. Mario Barth und Konsorten sind keine Humoristen, es sind Witz- und bestenfalls Anekdotenerzähler.
Dennoch kann man vieles, was die selbsternannten Comedy-Lehrer unter dem Link http://on3.de/element/13033/spielwiese-on3-radio-wie-geht-eigentlich-humor
an Weisheiten zusammengestoppelt haben, zum Finden einer Grundlage/Idee für eine gute Humorgeschichte verwenden. Wichtig ist danach, dass man noch einen Schritt weiter geht als die Comedy es tut, den Schritt hin zur Lösung oder Aussöhnung mit dem Konflikt.
Gestern hatte ich dazu ein Beispiel unter Bergs „Irritationen“ gegeben, das ich hier noch einmal aufgreifen möchte.
Sagt ein Arzt zu seinem Patienten: „Tut mir leid, aber Sie haben nicht mehr lange zu leben.“
Der Patient ist entsetzt und fragt: „Wie lange noch, Herr Doktor, ein paar Wochen oder Monate?“
Sagt der Arzt: „Tja, wie soll ich es sagen? Also, eine Langspielplatte würde ich mir an Ihrer Stelle nicht mehr kaufen.“
Das ist ein bekannter Witz und entspricht dem Muster der Standup-Comedy. Eine relativ ernste Situation wird auf skurrile Weise (Kontrast) an die Wand gefahren und Schluss.
Mit mehr Worten etwas ausgeschmückt, ginge diese Grundidee als Anekdote durch. Mit Schauspielern dargestellt, wäre es ein Sketch. Hallervorden kann ich mir gut in der Rolle des Arztes vorstellen.
Ich würde sagen, der Patient ist der Protagonist und der Arzt der Antagonist. Der Patient will etwas wissen, er bekommt eine unangenehme (wenn auch witzig verpackte) Antwort und was nun? Dieser entscheidende Schritt fehlt bei einem Witz und auch bei einer lustigen Anekdote.
Wenn ich aus dem alten Arztwitz ein kleines Stück mit Humor machen wollte, dann sähe die Fortführung so aus:
Patient: „Reicht die Zeit wenigstens noch für eine Single?“
Arzt: „Aber ja, machen Sie sich da mal keine Sorgen!“
Patient: „Und welche können Sie mir empfehlen?“
In dieser Fortführung geht es um Hoffnung zur Lösung des Konfliktes (dem Entsetzen des Patienten über sein baldiges Ableben) oder zumindest um eine Aussöhnung mit selbigen auf originelle Weise.
Man könnte, so meine durchaus noch diskussionswürdige Hypothese zum Erstellen einer ersten, simplen, aber durchaus griffigen Humorgeschichte, einen Witz oder eine lustige Anekdote als Basis nehmen und diese inhaltlich fortführen und dann nach dem Muster einer Kurzgeschichte erzählen.
Der obige Patient könnte als großer Musikliebhaber charakterisiert werden, dem jedoch bisher, weil er gleichzeitig ein Workoholiker ist, die Zeit zum Musikgenuss fehlte.
Die hat ihm der Arzt nun verschafft. Wenn auch nur sehr wenig davon.
Somit hätte man auch einen unverbrauchten Blickwinkel auf diesen wahrlich uralten Witz.
Unter dem neuen Blickwinkel könnte das Gespräch sogar noch weitergehen. Etwa so:
Arzt: „Vielleicht hat ja Beethoven was Neues herausgebracht?“
Was den Patienten vielleicht in einen neuen, und aus seiner Sicht noch viel größeren Konflikt stürzt als sein baldiges Ableben: Wem vermacht er seine geliebte riesige Sammlung von ihm nie gehörter Schallplatten? Wer könnte dieses „Erbe“ würdig antreten?
Aufgrund des prognostizierten Zeitmangels steht nur der Musikbanause Doktor Sowieso zur Verfügung. Der Patient versucht nun, diesen im Schnelldurchgang zu einem Musikkenner und –Liebhaber zu trimmen. Das könnte ein witziger Dialog werden. Und so weiter. Das Ende lasse ich hier mal offen.
Das wäre also für den Anfang mein kleines, einfaches Rezept zu den ersten Gehversuchen in Sachen Humorgeschichte.
Es gibt dann ja noch viele andere Fragen: Sollen/müssen die Figuren Humor haben oder besser der Erzähler? Oder alle zusammen? Was wäre da zuviel, was wäre zuwenig? Was wirkt am Besten? Usw.