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Serie Umbau

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09.09.2013
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Umbau

Umbau

Endlich werde ich wieder zu meiner Familie kommen, weiß aber nicht, wohin die Reise geht. Zehn Kunststoffwesen sitzen mir in der Raumkapsel gegenüber. Ihre Körper pulsieren, als ob sie sich unterhielten, und ihre Oberflächen blubbern, berühren sich aber nicht. Meine Wunden schmerzen. Eiter fließt aus meiner Bauchwunde. Eines der Kunststoffwesen, der Kleinen, kommt näher zu mir und holt dann zwei andere dazu. Ich muss das über mich ergehen lassen, weil ich noch angeschnallt oder, besser gesagt, gefesselt bin. Wenigstens berühren mich die Kleinen nicht, denn das kann ja sehr weh tun.

Es scheint als wollten die drei, von denen zwei auffällig kleiner sind, Kontakt mit mir aufnehmen, doch ich fürchte mich vor ihnen. Ich habe nur Sehnsucht nach meiner Familie und wünsche mir, dass meine Schmerzen endlich aufhörten.

So vergehen viele Stunden, bis wir endlich landen. Die Landschaft besteht aus grauem Gestein und würfelförmigen Blöcken mit Eingängen aber ohne Fenster. Ich suche nach Menschen, nach den Leichten, die vor mir weg durften. Ich sehe keine. Sind sie nicht hier? Ich rufe. Keine Antwort. Die Kleinen führen mich. Diese kann ich nicht nach den Menschen fragen, weil Kommunikation immer von den Kleinen ausgeht. Zudem bekomme ich kaum Luft. Die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre ist niedriger als zu Hause. Wie gut könnte ich jetzt das Blut gebrauchen, das ich verlieren musste, um leichter zu werden. Die Kleinen quetschen mich durch ein enges Loch in einen der Blöcke. Im Inneren ist es dunkel. Auch keine Spur von Menschen. Schon wieder wächst meine Angst. Ist alles umsonst gewesen?

Ich fühle Berührungen in der Dunkelheit und erschrecke. Es riecht nach Klebstoff. Drähte, wahrscheinlich aus Plastik, werden um mich gelegt. Sie schnüren mich so eng ein, dass das Blut staut. Ich muss nachgeben und werde irgendwohin gefesselt. Ich schreie wieder, brülle sogar. Keine Reaktion.

Die Kleinen bringen weitere Drähte an. Dann werden sie gelockert. Trotzdem kann ich mich derart eingedrahtet kaum bewegen. Ein leises Surren kommt aus der Nähe. Dann kommt es mir vor, als ob Schnüre in mich eindrängen. Mein Angstschweiß tropft auf den Boden. Und es gibt noch keine Spur von anderen Menschen.

Jetzt krabbelt es an meinem Körper, wie wenn durch den Kunststoff ein elektrischer Strom fließen würde. Besser kann ich es nicht sagen. Aber die Schmerzen gehen weg. Haben die Kleinen meinen Wunsch doch begriffen? Ich glaube es nicht.

Es wird etwas Inneres von mir genommen, es kommt wieder, dann geht es wieder. Wellenartig. Es sind Bilder, Erinnerungen, Gefühle. Es bläst, zischt und saugt. Abwechselnd. Schreien, rufen und sprechen wird unmöglich. Meine Zunge verschwindet. Ich werde von meiner Welt getrennt, fühle bereits außen am Körper nichts mehr, kein Druck, kaum noch Schmerzen. Plötzlich riecht es auch nicht mehr nach Plastik. Die ganze Prozedur scheint wenigstens nichts zu kosten; das beruhigt ein bisschen. Für so was kann man mich unmöglich zur Kasse bitten. Das habe ich nie bestellt.

Meine Frau erscheint. Verschwindet wieder. Ich fürchte, sie könnte für immer Abschied nehmen. Wo ist sie? Neben mir? Die Kunststoffdrähte an meinem Kopf scheinen sie wie Erinnerungssauger aus meinem Gedächtnis zu ziehen. Dann bläht etwas in meinem Kopf, das zu platzen droht, fällt jedoch gleich in sich zusammen und reißt weitere Bilder und Geräusche aus meiner Erinnerung. Meine Gedankenschwere fällt ab und ich kann nicht mehr grübeln.

Mein Körper wird weich und schrumpft. Furcht und Panik wachsen, obwohl die Schmerzen inzwischen völlig verschwunden sind. Darüber sollte ich mich eigentlich freuen. Ich bewege mich etwas. Das geht inzwischen, weil ich kleiner geworden bin. Meine Knochen geben keinen Widerstand, die Sehnen kann ich nicht mehr dehnen. Ich erschrecke, weil sich dafür etwas anderes in mir ausweitet. Ich denke, dass jetzt sogar Hohlräume oder Luftblasen in mir sein könnten. Verwandelt sich mein Körper in Kunststoff? Werde ich meinen kaputten Körper los? Bekomme ich etwas Besseres? Meine Substanz löst sich irgendwie auf. Lästige Körperpflege scheint damit überflüssig zu werden.

Meine beiden Kinder spielen am Bach. Das Bild verschwimmt und das Kindergeheul wird leise. Auch die Erinnerung an die Kinder wird mir genommen werden. In verschiedenen Größen erscheinen und verschwinden die Kinder. Stinkende Windeln kommen und gehen. Wenigstens die werde ich nicht so sehr vermissen. Aber die fast erwachsenen Kinder! Und meine Frau! Sie brauchen mich doch! Ihre Rufe drehen sich in mir, bevor sie ebenfalls abgesaugt werden.

Es blitzt in mir. Musik überlappt mit Farben. Melodiefragmente verwischen. Naturbilder blinken. Zum letzten Mal. Dann verblasst mein inneres Farbensehen. Sogar der Unterschied zwischen hell und dunkel. Alles schmilzt weg. In Plastik? Dafür zieht sich über meinen ganzen Körper ein anderes Empfinden. So hatte ich das vorher nie gefühlt. Es ist, wie wenn alle Sinne gleichzeitig in der Haut wären. Konzentriert. Ja, das muss es sein, die Haut nimmt alle Arten von Wellen und Strahlung wahr. Sehr ungewohnt. Das Äußere wird ein Rezeptor für hundert Sinne.

Meine gewohnten Sinne sind verschwunden. Ich höre nichts mehr. Ohren, Nase und Augen scheinen nicht mehr da zu sein. Dafür fühle ich sanfte Berührungen wie von Luftstößen am ganzen Körper. Sehen konnte ich der Dunkelheit sowieso nicht viel, aber inzwischen bin ich sicher blind. Ich versuche verzweifelt das Bild meiner Kinder zu behalten, doch es geht nicht. Meine Erinnerungen und Gefühle werden - wie von einem Magneten angezogen - geraubt. Hoffentlich bleibt die Seele, dieses Nichts sollte mir ja nicht genommen werden können.

Dann läuft ein Bikinimädchen vor dem Rest meines inneren Auges entlang. Meine Frau als junges Mädchen? Ich kann sie bereits nicht mehr klar erkennen. Eine letzte Welle bringt mir das Aussehen eines weiblichen Körpers. Das Interesse daran schwindet, wird entzogen, verwandelt sich in andere Materie. Ich werde leerer. Dafür pulsiert meine Haut. Der letzte Gedanke wird aus mir geholt. Es ist, als ob ich nur noch aus Schleim bestehen würde. Aber es fühlt sich auch wohl ohne Sorgen. Das Leben im Fleischkörper ist sowieso keine bequeme Sache gewesen.

Ich werde losgebunden. Ich kann meine gesamte Körperoberfläche nach meinem Willen bewegen. Ich habe keinen Wunsch. Nur noch ein Ich-Gefühl.

Mit den Kleinen gehe ich irgendwohin. Die Welt ist farblos, stumm und welk. Ich fühle Signale in mir. Noch kann ich sie schwer analysieren und schon gar nicht beschreiben. Aber ich merke, dass ich laufe oder rolle. Ich tue das sogar irgendwie selbst, ich kann ja die gesamte Köperoberfläche verformen. Nur der Wille dazu ist anders, irgendwie elastischer. Ich fühle mich zwar befreit, doch von was, weiß ich nicht mehr.

Dann nehme ich etwas wie eine innere Stimme wahr: „Du gehörst jetzt zu uns. Der Umbau in ein höheres Wesen hat bei dir besonders viel Energie gekostet. Es ist teuer, Fleisch in hochwertigen Kunststoff zu verwandeln. Für die Verwandlung nehmen wir nur Auserkorene. Solche, die leicht sind. Wir gratulieren.“ Ich verstehe die neue Sprache, eine Verständigung über Strahlen, die in den Körper dringen. Eine andere Macht ist über mir.

Ich gehe mit den Kleinen weiter und warte auf Anweisungen. Ich bin zufrieden. Meine Zukunft scheint eine stille zu werden.

 

Heia,
Da ist also die Fortsetzung von Schwere. Damit haben wir die aauflösung.:schiel:
Mir fehlt etwas das brutale, schockierende vom ersten Teil. Am Anfang hier gibt es Stellen, wo das reinpassen würde.
Aber schon im ersten Teil wurde das ja wiederum bemängelt, wäre also geschmackssache.

Am Ende hier musste ich erst noch mal nachlesen, um die Pointe zu verstehen. Kunststoffwesen. Die Kleinen. Ist zwar inhaltlich da, könnte vielleicht etwas deutlicher kommen (minimal), damit auch langsamdenker wie ich damit umkönnen.

Ansonsten: .... Sehr gut, gefällt mir und habe ich gern gelesen. Daumen hoch :thumbsup:

 
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Jessas, Fugu, hat dieser bedauernswerte Selbstverstümmler, diese menschliche Schlachtplatte, es tatsächlich geschafft und noch immer nicht den Löffel abgegeben? Respekt.

Und dir zolle ich auch Respekt, weil du dir hier ein wahrhaft schwieriges Thema gewählt hast: Die Transformation eines Menschen in ein, ja in was eigentlich? Nennen wir’s der Einfachheit halber mal ein Plastik-Alien.
Wohl kaum etwas ist hirnsträubender, als sich in die Gefühlswelt und in die physiologische Verfasstheit einer nichtmenschlichen Lebensform hineinzudenken. Ein Meister darin war zweifellos Stanislaw Lem. Aber wir Normalsterbliche tun uns dabei verdammt schwer. Kein Wunder, kennen wir ja von Geburt an nichts anderes, als mit unseren menschlichen Sinnen zu spüren, zu fühlen, wahrzunehmen, zu kommunizieren. Schon sich die Weltwahrnehmung z.B. eines Fisches vorzustellen, überfordert uns schlichtweg, ganz zu schweigen von der einer, was weiß ich, Fledermaus oder so. Umso wesensfremder und unbeschreiblicher (sic) müssen uns außerirdische Lebensformen erscheinen, da deren evolutionäre Entwicklung vermutlich gänzlich anders als auf der Erde verlaufen ist. (Vielleicht ausgehend von erdölbasierten Polymeren, die sich zu putzigen Blubberwesen entwickelten und irgendwann auf dem Weg über Polyethylen, Polypropylen und Polyvinylchlorid Bewusstsein entwickelt haben?)
Ob du diese Aufgabe gemeistert hast? Ich will’s mal so sagen, grandios gescheitert bist du für mein Gefühl daran nicht. In Ansätzen ist das nämlich schon sehr klug und geschickt gemacht. Die Sprache des Erzählers klingt schlicht und schnörkellos und ist insofern dem Stoff angemessen. Immerhin versucht er ja, das Unbeschreibliche zu beschreiben, da dürfen ihm schon mal die passenden Worte fehlen. Ich mein, wie soll man sowas denn in die richtigen Worte fassen? Dieses Rausfallen aus der eigenen Existenz, den schleichenden Verlust der Erinnerungen und des ich-Bewusstseins, den Verlust des Menschseins an sich, diese Plastifizierung quasi und die gleichzeitige unterschwellige Neugier dabei. Also du beschreibst das schon spannend und teils echt beklemmend.

Mal sehen, wie es dem unfreiwilligen Sternenfahrer weiterhin ergeht.
Dem Lesevergnügen wäre es übrigens durchaus zuträglich, würdest du uns die einzelnen Episoden nicht häppchenweise servieren, sondern sie in einer einzigen Geschichte zusammenfassen. Als eigenständige Kurzgeschichte funktioniert dieser Teil für mein Gefühl nämlich nicht so recht.
Dadurch wärest du auch gezwungen, zu straffen und zu verdichten, unnötige Längen rauszuschmeißen, das ganze halt einfach dramaturgisch stringenter zu machen, zu perfektionieren.
Das könnte eine richtig coole Story werden. Und für die nicht ganz so Science Fiction-affinen Leser wie mich könntest du ja vielleicht noch ein paar gesellschaftskritische und ökologische Aspekte reinpacken, was weiß ich, z.B. das Zumüllen unseres Planeten mit Plastikabfällen als Allegorie für was auch immer.

Eine Fehlerliste (vorwiegend Kommafehler) hab ich dir auch zusammengestellt, aber so ein scheißverficktes unangekündigtes Windows-Updating hat meinen Laptop vorwarnungslos runtergefahren und nach dem Neustart war die scheißverfickte Fehlerliste einfach weg, verschwunden, terminiert, vaporisiert, verbltzdingsbumst. Fuck!
(Verzeih meine Ausdrucksweise.) Zum neuerlichen Raussuchen der Fehler hab ich jetzt echt keine Lust mehr. Das darfst du selbst tun.

Also, Fugu, war mir ein Vergnügen.

offshore

 

Hallo Fugusan

Ich finde, du solltest das als Serie deklarieren. Ich habe auch den ersten Teil gelesen, aber für jemanden, der den nicht kennt, geht hier etwas verloren, finde ich.

Was diesen Teil angeht, ich denke, es hätte ihm gut getan, wenn du ihn noch ausgebaut hättest. Als eigenständige Geschichte gerät er etwas knapp und lässt für mich zu viele Fragen offen. Neben der durchaus interessant beschriebenen Verwandlung hätte ich mir noch einen weiteren Handlungsstrang gewünscht, irgendwas, das die Geschichte vorantreibt. So trittst du hier etwas auf der Stelle, was man auch daran merkt, dass bestimmte Dinge sich wiederholen:

Meine Frau erscheint. Verschwindet wieder.

Dann läuft ein Bikinimädchen vor dem Rest meines inneren Auges entlang. Meine Frau als junges Mädchen?

Die Bilder in die Vergangenheit - die Kinder, der Bach, die Nachtigall - sind zwar ein schöner Kontrast zu der kargen Welt, in der sich der Prot. befindet, so fern der Heimat - aber ein echtes Gefühl des Vertrautseins stellt sich nicht bei mir ein. Dazu sind die Bilder zum einen etwas beliebig gewählt - vielleicht fällt dir hier noch etwas Individuelleres ein - und zum anderen fehlt mir schlicht der Bezug zu deiner Figur. Man kennt ihn zwar schon aus Teil I (nenne ich jetzt einfach mal so), aber wirklich etwas erfahren hat man noch nicht über ihn. Hier, in diesem Teil, noch viel weniger.

Auch finde ich die gewählte Perspektive problematisch. Auch zum Schluss, wenn die Verwandlung beinahe abgeschlossen ist, spricht er immer noch sehr klar und analysiert sehr gut.

Von außen kommen fremdartige Signale in mich.

Schon dieses "fremdartig" hier ist eine Wertung, bei der ich mich frage, ob er die in seinem jetzigen Zustand überhaupt noch vornehmen könnte.

Also ich finde das über weite Strecken schon gut geschrieben, ich wüsste auch nicht, wie man so etwas aus der Ich-Perspektive groß anders machen könnte - aber ich frage mich, wie das jetzt weitergeht. Im weiteren Verlauf könnte sich die Perspektive noch als Problem herausstellen, hier deutet sich das zumindest schon einmal an.

Auch die Idee mit dem Leersaugen und die Verwandlung in so ein Kunststoffwesen finde ich prinzipiell gut. Aber allein diese Verwandlung reicht mir nicht für eine eigenständige Geschichte. Wie gesagt, ich finde, du hättest jetzt daran noch anknüpfen und die Handlung weiter voran treiben sollen.

Also ich bin mal gespannt, wie es weitergeht.

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Ihr Drei,

herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Es freut mich, dass Euch die Geschichte zum größten Teil gefallen hat. Leider habe ich den zweiten Handlungsstrang nicht richtig rübergebracht; nämlich, dass seine Frau und seine zwei Kinder auch in der Raumkapsel sind und mit ihm Kontakt suchen. Das werde ich versuchen, besser hinzukriegen. Einen Rest der menschlichen Empfindung und die „Seele“ behalten die Kunststoffwesen (zumindest ein paar unter ihnen). (Die Polymerisation ist nicht vollständig.) Sonst werden sie (für eventuelle weitere Folgen) „unbrauchbar“.

Hallo Sven,
ja, man hätte die Umwandlung von Fleisch und Knochen in Kunststoffe an einem lebenden Organismus auch sehr brutal beschreiben können. Aber das Rausziehen der Erinnerungen und Gefühle soll im Vordergrund sein. Das wäre sonst in den Hintergrund gerückt. Hier ist es so, dass das Schmerzgefühl zuerst verschwindet.
Die Kleinen und die Kunststoffwesen kann ich vielleicht in einer Apposition zusammenbringen. Dann sollte es klar werden.

Hallo offshore,
ich scheue mich davor, lange Geschichten einzustellen. Deswegen die Teile (siehe auch Kommentar von Schwups). Deine fortführenden Gedanken decken sich ziemlich mit meinen; das zeigt mir, dass ich nicht so daneben denke.

Ich will’s mal so sagen, grandios gescheitert bist du für mein Gefühl daran nicht.
Aber doch ziemlich gescheitert! Wenigstens gibt es noch Möglichkeiten zur Verbesserung. Aber Deine Analyse gefällt mir sonst.

Hallo Schwups,
ich kann alle Deine Vorschläge nachvollziehen. Eine Serie könnte man daraus machen, darüber habe ich mir anfangs keine Gedanken gemacht.
Ja, das mit der Nachtigall erscheint mir jetzt auch sehr speziell und werde ich verallgemeinern. Das gedankliche Auftreten seiner Frau ist jedoch zentral. Zumal sie ja sogar nahe bei ihm ist und möglicherweise sogar Drähte anlegt. Da ist auch noch Nacharbeit erforderlich. Danke für den Hinweis.

Von außen kommen fremdartige Signale in mich.
Die neuen Signale sind schwer zu beschreiben. Ich überlege, ob ich „fremdartig“ weglasse oder mit „andere “ersetze.
Die Perspektive muss ich irgendwann in möglichen Fortsetzungen ändern. Das habe ich auch schon bemerkt. Vor allem die „höhere Macht“ ist bisher nicht aufgetreten und kann sich wahrscheinlich nur selbst beschreiben.
Aber allein diese Verwandlung reicht mir nicht für eine eigenständige Geschichte.
Wie gesagt, da ist noch die Handlung mit seiner Familie, die bereits Kunststoffwesen sind und ihn begleiten, versteckt. Das kann der Typ natürlich nicht wissen und nicht merken. Der Leser sollte es aus dem Verhalten der drei Kleinen in der Kapsel schliessen. Ist leider misslungen!

Nochmals großen Dank an Euch alle für die Mühe. Ihr habt mir sehr geholfen.
Viele Grüße
Fugu

 

Hallo Fugu,

nur kurz mein Kommentar zur Morgenstund. Diesen Teil fand ich angenehmer zu lesen, weil du schnörkelloser die Geschichte erzählst. Von SF verstehe ich nichts, irgendwelche Polyxxx sind mir fremd. Aber deine Geschiche ist für mich eine moderne Initiation, eine Eingliederung in herrschende Existenzformen. Damit bekommt auch der Marxsche Begriff der Entfremdung ein schönes Bild aus der Jetztzeit. Deine Titelwahl unterstützt meine Auffassung. Wie soll man psychische und soziale Prozesse sonst darstellen, als durch die Einschränkung von Körperlichkeit (Selbstverstümmelung, Eindrahtung). Moderne Sozialisierungverfahren verzichten auf Körperstrafen und setzen auf geistige Manipulation. Um diese sichtbar zu machen, hast du richtig die Körperqualen geschildert.
Respekt, dass du diese Metapher so konsequent durchführst.
Kann man hier schreiben: gern gelesen. Eher: mit Grausen gelesen, was aber hilfreich ist.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Fugusan schrieb:
offshore schrieb:
Ich will’s mal so sagen, grandios gescheitert bist du für mein Gefühl daran nicht.
Aber doch ziemlich gescheitert! Wenigstens gibt es noch Möglichkeiten zur Verbesserung.
Tschuldige, Fugu, das klingt wirklich missverständlich. Ja ja, mein blöder Drang zu pointierten Formulierungen.

Gemeint war es eigentlich so:

Ich will’s mal so sagen, gescheitert bist du für mein Gefühl daran nicht. In Ansätzen ist das nämlich schon sehr klug und geschickt gemacht.
[...] Also du beschreibst das schon spannend und teils echt beklemmend.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Zusammen,

anhand Eurer Vorschläge habe ich Korrekturen eingebracht und hoffe, dass es jetzt klarer wird:

Eines der Kunststoffwesen, der Kleinen, kommt näher zu mir
Meine Frau erscheint. Verschwindet wieder. Ich fürchte, sie könnte für immer Abschied nehmen. Wo ist sie? Neben mir?
Melodiefragmente verwischen. Naturbilder blinken. Zum letzten Mal.
Ich fühle Signale in mir. Noch kann ich sie schwer analysieren und schon gar nicht beschreiben.

Hallo Schwups,
ich bitte Dich, "Umbau" und "Schwere" - wenn möglich - als Serie zu markieren.

Hallo Wilhelm,
vielen Dank für Dein Lob. Es ist schön zu erfahren, wie Du die Geschichte interpretierst, wenn Du den SF-Teil wegdenkst. Es freut mich, dass Du die Geschichte - wenn auch mit Grausen - gelesen hast.

Hallo offshore,
Du brauchst Dich doch nicht entschuldigen. Die Zweideutigkeit war mir klar und Deine Kommentare haben mir sehr weitergeholfen.

Viele Grüsse
Fugu

 
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Hallo Fugusan,

zu Deiner Geschichte kann man eine Menge sagen, Wilhelm hat ja sogar eine tiefgehende sozialpsychologische Analyse geliefert und Ernst und Schwups haben ebenfalls viele hilfreiche Anmerkungen gemacht. Ich will mich mal auf einen Aspekt konzentrieren, nämlich, dass Du Dir – meiner Ansicht nach – genauer überlegen solltest, welche Funktion Dein Text haben soll, also wie er auf wen wirken soll.

Alpha und Omega einer Schreibtechnik, die faszinierende Geschichten für einen großen Leserkreis erzählen kann, sind Konstruktion (also Entwicklung der Handlung) und Sprache: Eine irritierende, verworrene oder nicht ausbalancierte Handlung wird auch von guter Sprache nicht gerettet, und schlechte Sprache verdirbt in jedem Fall den besten Plot.

Im Fall von Umbau schwächelt die Konstruktion der Geschichte: Jemand wird von fremdartigen Wesen entführt, muss gegen seinen Willen schmerzhafte körperliche Eingriffe über sich ergehen lassen, erlebt dabei Visionen und Erinnerungen und erfährt schließlich eine Umwandlung zu einer anderen Art Lebewesen.

So faszinierend diese Idee auch sein mag, sie ergibt in der Form keine gute Geschichte, finde ich. Vom Ende her gedacht, ist es ein Problem, dass da eine Auflösung fehlt, das am Leser rüttelt, ihn nachdenklich macht. Der Leser darf lediglich die vollendete Dekonstruktion der Hauptfigur bezeugen, was in mir nichts oder nicht viel auslöst. Es gibt keine Überraschung, keine befriedigende oder befreiende Wendung, nur eine sang- und klanglose Transformation in ein Plastiklebewesen. Das ist ein bisschen lasch und auch depressiv.

Die Entwicklung selbst ist nicht spannend genug. Du hast zwar Aspekte drin, die ungewöhnlich sind – ein Mensch, der gefoltert wird, erregt immer Aufmerksamkeit – aber das erzeugt bei mir keine Spannung, sondern es zermürbt mich eher. Was soll den Leser erregen, interessieren, hoffen lassen, ihn sich identifizieren lassen, wenn Du ihm nur die Beschreibung eines industriell ablaufenden Vernichtungsprozess resp. Transformationsprozess lieferst?

Solche Themen taugen meiner Ansicht nach immer nur dazu, das Thema einer Geschichte vorzugeben oder sie bilden den Hintergrund wie die Gen-Experimente Alien IV, aber für sich genommen wird noch keine gute Story da draus.

Was fehlt ist die äußere oder innere Bewegung des Protagonisten. Deine Hauptfigur ist zu passiv. Sie erlebt die Dinge nicht aktiv, sondern erduldet nur, was mit ihr geschieht.

Die Sprache, die Du verwendest ist – aus meiner Sicht - das zweite Problem des Textes. Schon die ersten drei Worte: "Ich befinde mich …" klingen wie aus dem Mund eines Reporters im Fernsehen. Es ist keine elegante Sprache, was nicht schlimm ist. Aber es ist auch eine wenig treffende, oberflächliche Sprache – und das ist schlimm.

Ein paar Beispiele: Kunststoffwesen (was soll das sein?), massige Blöcke (ungenau), dünne Drähte (Drähte sind immer dünn, jedenfalls nie armdick), meine Substanz (was meinst Du damit) …

Besser kann ich es nicht sagen.

Das solltest Du aber üben. Denn das ist ein wesentlicher Aspekt des Geschichtenerzählens, die Dinge (auch gewöhnliche) besser sagen zu können. Nicht in dem Sinne, möglichst schöne Worte zu finden, sondern sie präziser, treffender, kontextbezogener zu beschreiben, so dass Zusammenhänge beleuchtet werden, die einem bei flüchtigem Blick entgehen.

Fazit: Ich empfehle Dir, Dich mehr an klassischen Geschichten zu orientieren, um ein Gefühl für runde Plots zu entwickeln. Lass Dich nicht von Nebenschauplätzen wie der grausigen Schilderungen einer Zerfleischung vom eigentlichen Geschichten erzählen ablenken. Eine Geschichte ist mehr, als die Schilderung von Gefühlen und Erinnerungen in einer bestimmten Situation – sie ist ein sinnhafter Zusammenhang aus Geschehnissen und Handlungen. Trainiere Deine Sprache.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,
vielen Dank für das Lesen und ausführliche Kommentieren. Vor allem für die Zukunft sollten mir Deine Hinweise sehr helfen. Der grösste Teil Deiner Kritik ist von allgemeiner Art, so dass ich gar nicht groß was dazu sagen kann. Ich glaube aber Deinen Ausführungen entnehmen zu können, warum Dir die Geschichte nicht gefällt. Vieles ist (noch) nicht erklärt, was zu den merkwürdigen Umständen geführt hat. Die „Ich-Perspektive“ macht Einschränkungen.
Der Protagonist wird eigentlich nicht gefoltert. Folter ist, wenn jemand durch Zufügen oder Androhen von Schmerz Informationen erhalten oder ein bestimmtes Verhalten erreichen möchte. Aber hier wird der Protagonist in Kunststoff verwandelt, ohne dass man von ihm dafür was will. Der Begriff „Folter“ kann aber vielleicht weiter ausgedehnt werden, bis hin zum Ausfüllen eines Formulars. So könnte man es dann hier auch als Folter sehen.
Der erste Satz wird geändert.
Ich gehe davon aus, dass im Fastzeitalter von Bioethanol, Bioplastik und Biogas (bis hin zu kompostierbaren Plastikautos) und all dem Gerede von Nachhaltigkeit der Schritt zu Kunststoffwesen nicht so weithergeholt ist. Eine Beschreibung ihrer Zusammensetzung würde hier zu weit führen, obwohl es spannend ist: das Material muss hart, trotzdem biegsam, leitend, Informations-tragend, etc. sein. Die Gefühlsebene dieser Kunststoffwesen ist mager, die Sinneswahrnehmung dagegen komplex. Das sollte in der Kürze etwas rübergekommen sein; kann ich in Zukunft aber richtig aufnehmen.
Der Protagonist ist passiv, weil er nichts mehr gegen die Verwandlung unternehmen kann. Im ersten Teil (Schwere) konnte er noch mit einer Restaktivität Einfluss auf sein Schicksal nehmen.
Es gibt doch dicke und dünne Drähte? Die dicken sind manchmal schwer biegsam. So werde ich dünne mit biegsam ersetzen. Nein, das Adjektiv kann ganz raus.
„Massige Blöcke“ ist jetzt durch „würfelförmige Blöcke“ ersetzt.
Mit „meiner Substanz“ meint der Protagonist seine gegenwärtige Zusammensetzung aus Fleisch, Blut und Knochen oder eine Ebene darunter aus Proteinen, Fetten, Zuckern und Nukleinsäuren. Das beinhaltet auch die Verschaltung der Neuronen im Gehirn. Aber so genau wollte ich darauf nicht eingehen.
„Besser kann ich es nicht sagen.“ Der Protagonist erlebt Gefühle, wie sie Menschen vorher nie gekannt haben. Solche neuen Gefühle sind nicht beschreibbar.
Ich bin Dir für Deine Analyse sehr dankbar und will jetzt nicht den Anschein erwecken, etwas aus Deinen Kommentaren wegzureden.
Viele Grüsse
Fugu

 

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