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- 05.01.2015
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Die Nordwölfe
»Verdammt, wer hätte gedacht, dass die so durchdrehen, nur weil ich einen Ring geklaut habe?«, fluchte Jonathan und watete durch den hüfthohen Schnee.
Der Grenzwald, der die Provinzen Northwood und Dumping Grounds voneinander trennte, erwies sich als unangenehmer Geselle. Eine ausgeschilderte Straße gab es nicht und von Winterdienst hatte offenbar noch nie jemand etwas gehört. Es machte überhaupt keinen Unterschied, ob man auf der Straße oder am Rand ging, überall lag das weiße Teufelszeug in gleicher Höhe. Die hohen Nadelbäume hatten Mühe, die sich stapelnde Last zu tragen und beugten ihre Köpfe, um die Schneemassen abzuladen. Von überall prasselte das Weiß auf ihn ein; es kam vom Himmel, von den Bäumen, unter ihm türmte es sich auf, als würde Väterchen Frost persönlich am Boden entlang kriechen und immer wieder etwas nachschieben, es annektierte seine Kleidung, seinen Rucksack, einfach alles.
Ich konnte die anhänglichen Idioten von der Stadtwache erst am Waldrand abschütteln und jetzt stecke ich in der Tinte. Warum bin ich auch davon ausgegangen, dass es eine gute Entscheidung wäre, wenn ich mich bis zum Einbruch der Nacht im Wald verstecke?, dachte er und schniefte. So fest er seine Stinkedecke auch um sich schlang, ihm wurde einfach nicht wärmer. Wie auch, wenn sich der Schnee wie ein aufdringlicher Kneipengast an ihn kuschelte? Es fehlten nur noch zufällige Verwehungen auf seinen Schenkeln und das Dreckswetter stand auf derselben Stufe wie die ganzen Trottel, die einen Jungen mit langen Haaren nicht von einer Frau unterscheiden konnten.
Umdrehen konnte er nicht, da ein beißender Wind peitschte und seine Spuren schneller verwischte, als er sie machen konnte. Wenn er zu lange stehen blieb oder gar die Dreistigkeit besaß, sich für einen Moment auszuruhen, würde ihn der pfeifende Spießgeselle des Winters in eine hübsche Eisfigur verwandeln, bevor er bis drei gezählt hätte. Er musste laufen, laufen und verdammt nochmal laufen! Es galt, die Müdigkeit und die Erschöpfung auszublenden und einfach gerade aus zu schauen, um die Orientierung nicht zu verlieren. Irgendwann käme er schon irgendwo an.
Flomp! Eine Schneemasse ging von einer Baumkrone herab auf ihn nieder, die so schwer war, dass Jonathan mit dem Gesicht voran zu Boden gedrückt wurde. Ihm war, als könne er die Bäume und die darin sitzenden Eulen lachen hören. Das setzte dieser Nacht die Krone auf.
»Elender Scheißdreck!«, murmelte er und sprang auf. Sein Körper wurde von Frust und Frost gleichermaßen durchgeschüttelt.
»Hoo, hoo!«, lachte eine Eule. »Hoo, hoo! Hoo, hoo!«
»Ach, lach nicht so blöde«, flüsterte er dem Tier entgegen und klopfte sich den Schnee vom Körper. »Anstatt schadenfroh über Reisende zu lachen, könntest du dich ruhig etwas nützlich machen und ein wenig Schnee schieben, aber nein, Miss oder Mister „Ich kann meinen Kopf unnatürlich weit drehen" sitzt den ganzen Tag im Baum.«
»Hoo, hoo«, antwortete die Eule. »Hoo, hoo. Hoo, hoo.«
»Du kannst mich mal«, sagte er zu dem Vogel, hielt Augenkontakt mit dem Tier und ging ein paar Schritte.
Krrrk. Ein morscher Ast brach. In einem Wald sollte das nichts ungewöhnliches sein, doch Jonathan wurde sofort hellhörig. Er wollte einen schnellen Satz zurück machen, doch seine Reaktion war zu langsam. Ein Seil schlang sich straff um seinen Fuß und zog ihn mit einem unangenehmen Ruck von den Beinen. Sein Kopf traf beim Sturz den Boden, wurde durch den Dreck geschliffen und wenige Momente später konnte er die Welt aus der selben Perspektive wie die Eule betrachten.
Scheiße. Ich hätte aufmerksamer sein müssen!, dachte er und fing sofort an, seinen Körper in Bewegung zu setzen. Wenn ich so hänge, kann ich den Knoten nicht lösen. Unter Umständen bricht der Ast, wenn ich ihn genug belaste. Dazu brauche ich Schwung! Die Bemühungen des Jungen brachten die gesamte Baumkrone in Bewegung und befreiten sie von ihrer weißen Last. Der Vogel, der nur einen Ast weiter entfernt saß, schlug mit den Flügeln und hoote hektisch.
»Sei still!«, zischte Jonathan giftig, beugte seinen Oberkörper so weit er konnte nach oben und lies ihn ruckartig zurück in die Ausgangsposition sacken. Das Holz ächzte erst angestrengt, knackte beim zweiten Durchgang und brach beim dritten.
»Woah!«, rief Jonathan, als er zu Boden stürzte. Die hohe Schneedecke dämpfte den Aufprall, trotzdem definierte er einen sanften Sturz anders.
Bleib bloß nicht liegen, sagte er zu sich selbst, setzte sich auf und entwirrte den Knoten, der das Seil um seinen Fuß schlang. Die Befreiungsbemühungen, das Schreien der Eule und sein Aufruf waren alles andere als leise. Ich muss weiter. Die Falle war frisch, die Jäger sind bestimmt noch in der Nähe.
Ein grollendes Knurren ging durch den Wald wie ein anrollendes Gewitter, prallte an den Bäumen ab und drang aus allen Richtungen gleichzeitig. Die Morphlinge waren auf ihn aufmerksam geworden. In den Northwoods tobte seit vielen Jahren ein Krieg zwischen den Truppen der Regulation und den humanoiden Wolfskreaturen, die sich von den Menschen aus ihrem Lebensraum verdrängt fühlten. Eigentlich war sich Jonathan sicher, dass aus dieser Sache ein klarer Sieger hervorgehen würde, doch die gerissenen Viecher kannten die Landschaft besser als die Soldaten und errangen einige Siege. Erst in den letzten Monaten fanden die Regulationstruppen Anschluss und konnten die Wölfe an mehreren strategisch wichtigen Punkten zurückdrängen. Offensichtlich war der Grenzwald keiner dieser Punkte.
Hier komme ich nicht schnell genug weg. Ich habe die Orientierung verloren und in der derzeitigen Witterung finde ich keinen Weg aus dem Wald, bevor die Viecher aufschließen. Wenn ich es versuche, könnte ich mich auch gleich bunt anmalen, einen Ausdruckstanz aufführen und ein lautes Lied singen. Die Wölfe haben gute Nasen und sind mit Sicherheit auch größer und stärker als ich. Er hockte sich hin und schob eine Hand in den Schnee. So leicht wie hoch. Ideal für ein kleines Versteckspiel.
Ihm blieb nicht viel Zeit! Jonathan sprang auf, wickelte sich aus seinem Stinkedeckchen aus, riss es in kleine Fetzen und verteilte die Schnipsel in einem größeren Gebiet, als würde er ein Feld bestellen. »Tut mir leid, Deckchen.«, sagte er zu dem treuen Stück Stoff, dass ihn sooft Wärme gespendet hatte. »Es geht um mein Leben, also hast du sicherlich Verständnis dafür, dass ich dich benutze, um ihre Nasen zu täuschen?«
Danach lief er einige Bahnen durch das markierte Gebiet und wirbelte das jungfräuliche Fleckchen ordentlich durcheinander. Je chaotischer das Ergebnis aussah, umso größer wurden seine Chancen. Das wird nicht angenehm und verdammt kalt. Aber ein Versuch ist alle mal besser, als aufzugeben.
Er hockte sich in den Schnee, zog seine Kapuze über den Kopf und den dunklen Wollschal über die Nase. Der schneidende Wind deckte ihn rasch mit einer frischen, dünnen Schneedecke zu.
Sollen sie nur kommen, dachte er und versuchte seine Atmung zu beruhigen.
»Ich kann es kaum glauben, wie viel Glück wir haben. Zwei Eindringlinge an einem Tag!« Rexis war vor Freude ganz außer sich. Er ging voraus und schob den Schnee beiseite. Sein weißes Fell war nur etwas dunkler als der Niederschlag und ließ ihn in der Finsternis fast gänzlich darin verschwinden, weswegen er den Pelz eines Bären übergezogen hatte. Der Kopf ihres Abendessens diente ihm als Mütze und als Schaufel missbrauchte er eine alte, beinahe stumpfe Schlachtaxt mit schwarzem Doppelblatt.
»Du weißt, was der Than gesagt hat, Rexis. Wir werden die Beute suchen und gefangen nehmen«, mahnte Raxes. Er war der größte von ihnen und hatte pechschwarzes Fell. Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten drohend auf und warfen dem kleinen Rexis warnende Blicke zu. Raxes hatte sich die Felle eines Hirsches umgelegt und trug das Geweih des Tieres als imposanten Kopfschmuck, der ausgehöhlte Kopf eines widerspenstigen Nordwolfmännchens biss in seine linke Schulter. Er hielt einen Jagdbogen in den Pranken und hatte einen Pfeil in die Sehne gespannt.
»Komm schon, Raxes!«, protestierte der weiße Wolf. »Zwei an einem Tag? Das kann kein Zufall sein. Die Regulation schickt Spione, um uns ausräuchern! Sag doch auch mal was dazu, Roxas!«
»Die erste war ein Mädchen«, sagte Roxas und fuhr sich durch die graue Mähne, in die mehrere lange Zöpfe eingeflochten waren. Er wusste, dass Rexis seinen Beistand wollte, damit sie ihren Bruder überstimmen und die Beute für sich beanspruchen konnten. »Ich glaube nicht, dass die Regulation ein halbes Kind zu uns schickt und meint, dass wir sie verschonen, weil sie sich harmlos verhält und ungefährlich aussieht.«
»Jetzt hörst du dich an wie der Than!«, bellte Rexis frustriert und schaufelte sich durch den Schnee.
Roxas brummte missmutig. Er musste sich schon immer vorwerfen lassen, dass er sich anhörte wie dieser oder jener. Ihm kam es vor, als ob er niemals eigene Worte sprach, sondern immer das sagte, was man von ihm erwartete. In diesem Fall schloss er sich der Meinung seines Bruders Raxes und des Thans an, die sich einstimmig gegen die Exekution ihrer Gefangenen ausgesprochen hatten, als sie erkannten, dass ein junges Mädchen keine Gefahr für ihr Lager darstellte.
Manchmal war er neidisch auf seine Geschwister. Auf Raxes, weil er mit donnernder Stimme und festem Wort sprach. Was er sagte, war Gesetz. Wenn er argumentierte, hatten seine Aussagen Hand und Fuß. Und so sehr er es hasste, musste er sich eingestehen, auf Rexis eifersüchtig zu sein. Der kleinste seiner Brüder hatte nicht viel zu sagen und sein Wort hatte so gut wie kein Gewicht, doch trotzdem hatte der Kerl feste Überzeugungen, an denen er auch dann noch festhielt, wenn die anderen sich gegen seine Vorschläge ausgesprochen hatten. Rexis nutzte die Schwäche von Roxas aus und versuchte immer wieder, seinen Bruder mit seinen Wertvorstellungen zu beeinflussen, um einen Nordwolf mit mehr Mitspracherecht auf seine Seite zu ziehen, auch wenn Roxas nicht verstand, wieso er mehr zu melden hatte - wo er doch so schlecht darin war, sich ein Urteil zu bilden.
»Lass dich von Rexis nicht verunsichern«, sagte Raxes und sah seinen Bruder an. »Er riecht Blut und vergisst, nachzudenken. Wegen Wölfen wie ihm sind die Nordwolfstämme in Verruf geraten. Wenn er uns nicht hätte, wäre er längst tot.«
»Du hast vermutlich recht«, sagte Roxas und biss die Zähne fest zusammen, als er merkte, dass er es schon wieder getan hatte.
Ist es so schwer, „Nein!“ zu sagen?, fragte er sich. Natürlich, Raxes hatte mit seiner Aussage recht, aber es wäre eine Erleichterung für Roxas gewesen, einfach zu widersprechen.
»Hier ist es!«, rief Rexis aufgeregt. »Spuren! Überall Spuren! Seht nur, wie ziellos die Beute herumgeirrt ist, als ich sie rief! Ha! Alle fürchten Rexis!«
»Ruhig«, dröhnte Raxes so tief, dass sich ein Schwung Schnee aus den Nadelbäumen löste und zu Boden stürzte. Rexis erschrak und senkte seinen Kopf. »Die Beute ist nicht planlos herumgerannt.« Das Schwarzfell sah sich aufmerksam um. »Es möchte uns verwirren.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Roxas und ignorierte Rexis, der mit seiner Axt den Schnee umbrachte und immer wieder »Hab die Beute, hab die Beute!« rief.
Raxes überlegte. »Vielleicht, um sich Zeit zu verschaffen, damit es sich davon stehlen kann, wenn wir danach suchen?«
»Die Nase!«, hechelte Rexis. »Ich hab die Beute in der Nase! Sie ist da! Und da! Und da! Und da! Und ... Har?« Rexis witterte. »Es sind viele! Sie haben uns umstellt! Ich hab‘s gewusst!«
»Es sind nicht viele, du Idiot!«, schimpfte Raxes und zog den herum tobenden Rexis an seine Seite. Mit der Nase deutete er auf einen Stofffetzen, der über den Schnee tanzte. »Es hat Stoff verteilt, um unsere Nasen zu täuschen. Auf die brauchen wir uns nicht zu verlassen.«
»Dann gehen wir den Spuren nach! Viele Spuren!« Rexis zeigte aufgeregt durch den aufgewühlten Schnee.
»Zwecklos«, sagte Raxes. »Es ist Runden gerannt und hat dafür gesorgt, dass die Spuren zusammenlaufen. Du würdest im Kreis laufen.«
»Es ist schlau«, sagte Roxas.
»Ist es nicht«, antwortete Raxes. Die Worte stachen in der Brust des Graufells. Du solltest den Rand halten, dann kannst du nichts falsches sagen, dachte er und senkte seinen Kopf. »Es hat sich selbst hier eingeschlossen. Wir müssen es nur in dem Gebiet suchen, dass es selbst abgesteckt hat.
Rexis wurde von etwas hartem im Nacken getroffen und mit der Schnauze voran in den Schnee geworfen. Das Schwarzfell brummte amüsiert, schulterte seinen Bogen und verschränkte die Arme. »Ich mag es«, sagte er zu Roxas, der selbst nicht anders konnte und schadenfroh die Zähne bleckte.
»Was hat es getan?«, fragte Roxas und zog seinen kleinen Bruder auf die Beine.
»Es friert und bewegt sich unter dem Schnee entlang. Rexis macht es der Beute mit seinen unvorhersehbaren Aktionen schwierig, in Bewegung zu bleiben. Also versucht es, den Wildfang zu kontrollieren. Dabei hat es vergessen, dass wir jetzt wissen, wo es sitzt.« Raxes nahm seinen Bogen, spannte einen Pfeil ein, fuhr herum und feuerte in den Schnee.
»Argh!«, schrie jemand, Raxes nickte Roxas und Rexis zu.
Die Nordwölfe begaben sich zur Einschlagstelle des Pfeils und staunten nicht schlecht, als sie feststellten, dass Raxes‘ Schuss ins Leere gegangen und der Schaft zerbrochen war. Das Schwarzfell runzelte die Stirn ... und wurde Sekunden später von einem Schneeball an der Wange getroffen. Rexis lachte hysterisch, rief »Das hat es bei mir auch getan!«, zeigte auf seinen Bruder, klatschte und wurde von einem weiteren Schneeball in den Schnee zurück befördert.
»Es fordert mich zum schießen auf. Du hattest recht, Roxas«, knurrte Raxes und wischte sich die Schneereste aus dem Fell. »Es ist schlau.«
Roxas zog die Mundwinkel nach oben und sah in die Nacht. Diese Worte fühlten sich an, wie ein Bad in einer heißen Quelle. »Was werden wir tun, Raxes?«, fragte er.
»Hast du eine Idee, Roxas?«, fragte sein großer Bruder und schulterte seinen Bogen. Roxas wusste nicht, ob er seinen kleinen Bruder nur aufbauen wollte, oder ob das Schwarzfell diese Frage tatsächlich ernst meinte, doch seine Brust schwoll vor Stolz an.
»Wir nutzen einen Vorteil, den es nicht hat«, sagte Roxas.
»Waffen! Waffen! Tot! Tot! Wir machen es tot!«, bellte Rexis wütend und wurde rasch von einem weiteren Schneeball zu Boden geworfen. »Ich HASSE es!«
»Ich glaube, ich weiß was du meinst«, sagte Raxes und klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
»Wir harren aus. Es wirft nur Schnee und hat kein Fell, sonst müsste es sich nicht vor uns verstecken. Entweder erfriert es irgendwann oder es zeigt sich.«
Raxes und Roxas fixierten das Weißfell, indem sie die Pranken um ihren kleinen Bruder legten und ihn an sich drückten. Er war ein ausgezeichneter Schild gegen die Schneeballkanonade.
Erin schniefte. Nach mehreren Stunden durchgängigen Weinens waren ihr die Tränen ausgegangen und die Nordwölfe im Lager weigerten sich vehement, ihr Wasser zu geben, da sie das wieder zum heulen bringen würde.
Sie war mit groben Seilen an einem Stamm festgebunden. Die Wölfe hatten extra für sie einen Baum gefällt und die Äste abgetrennt, was bei den Monstern aus dem Wald als eine zuvorkommende Geste gewertet werden durfte. Sie hatte Geschichten darüber gehört, wie diese Bestien sonst mit ihren Gefangenen umgingen und war froh über den riesigen Wolf, der mit Schild und Streitkolben in der Mitte des Lagers stand und sein wachsames Auge auf die anderen Lagerbewohner warf.
Das Mädchen verstand die Sprache der Wölfe nicht, die sich hauptsächlich aus knurrenden, schnaufenden und bellenden Lauten zusammensetzte, doch dieser Hüne schien sich für sie eingesetzt zu haben. Er hatte sich vor sie gestellt, den Körper angespannt und seinen Artgenossen etwas zu geknurrt, wobei er eine zur Faust geballte Pranke in die offene Fläche der anderen schlug, woraufhin alle anderen zurückwichen und sie plötzlich zuvorkommend behandelten. Jetzt warf er ihr immer wieder einen aufmerksamen Blick zu und stand dann weiterhin wie eine Salzsäule in der Gegend herum. Der Große erwachte nur zum Leben, wenn sich zu viel Schnee auf ihm gesammelt hatte und er ihn wegwischen musste.
So habe ich mir das nicht vorgestellt, dachte Erin, als sie einen Weinkrampf in sich aufsteigen spürte, der sich in unkontrolliertes Schluchzen verwandelte. Ich wollte doch nur ausreißen, damit sich meine Eltern Sorgen machen und am Abend nach Hause gehen. Jetzt stellen sie bestimmt die ganze Stadt auf den Kopf und suchen nach mir. So war das nicht vorgesehen. Vielleicht sehe ich sie gar nicht mehr wieder und das nur, weil ich so blöd bin. Mein Vater hatte doch recht. Ich bin nichts wert und meine Ideen sind dumm!
Ihr innerer Monolog wurde von genervt bellenden Nordwölfen unterbrochen, die einen wild strampelnden Fellwurm in ihr Lager trugen. Der große, schwarze Wolf, der sie gefangen hatte, trug Bündel auf seiner rechten Schulter, die kleineren, der Weiße und der Graue, hielten den wildesten Teppich aller Zeiten fest.
Sie warfen das Bündel in die Mitte des Lagers und unterhielten sich mit der Wolfsalzsäule. Der Weiße setzte sich auf das Bärenfell, dass er bei seiner Abreise noch als Kleidung getragen hatte und lachte wie eine Hyäne.
Noch einer, dachte Erin und schniefte. Dann bin ich wenigstens nicht mehr so alleine.
Die drei Wölfe diskutierten mit dem Hünen, der Kleine schien sich sogar mit ihm anlegen zu wollen. Der Große knurrte laut, drückte seine Nase gegen die des wesentlich kleineren Wolfes und stellte drohend sein schneeweißes Nackenfell auf, woraufhin der Aufmucker die Schultern und den Kopf einzog.
Kurz darauf strampelte das Bündel, dass sich als junger Mann mit ungekämmten Haaren offenbarte, an einem Pfahl neben ihr und kam nicht zur Ruhe. An seiner Nase klebte gefrorenes Blut, er war dreckig und wirkte unterkühlt, doch das hielt ihn nicht davon ab, sich zu winden.
»Hallo«, flüsterte Erin. Erst da kam der Hitzkopf etwas zur Ruhe und sah sie an.
»Tag«, sagte er knapp und fuhrwerkte weiter herum.
»Ich bin Erin«, stellte sie sich vor. Sah er nicht, dass sie jemanden zum Reden suchte? Es ging ihr nicht gut und sie wollte sich ablenken.
»Ich bin Jonathan. Du kannst auch Johnny sagen, dass machen alle«, sagte er. »Jetzt stör‘ mich nicht. Wenn du mich mit Geschwätz ablenkst, kommen wir niemals hier raus.«
Erin zog perplex den Kopf zurück. »Hier raus? Wie willst du das anstellen?«
»Die Wölfe denken, dass ein fester Knoten reicht, um einen Gefangenen zu halten. Da sieht man, dass sie keine Erfahrung mit so was haben. Ich habe mich schon aus komplexeren Fesseln gewunden.«
In Erins Brust keimte Hoffnung auf. »Ist das dein Ernst?«
»Nein, ich mag es nur, an der Stange zu tanzen«, antwortete Johnny trocken.
»Ich möchte wieder nach Hause«, sagte sie leise. Der Junge hörte mit dem herum zappeln auf und sah sie an. »Meine Eltern machen sich bestimmt Sorgen um mich. Ich war dumm.«
»Bist du abgehauen?«, fragte er und Erin nickte. »Warum?«
»Mein Vater möchte mich auf ein Mädcheninternat in Wellington schicken, dass sich auf Wirtschaft spezialisiert hat und ich dachte, dass er sieht, was er an mir hat, wenn ich nicht mehr da bin«, antwortete sie. Johnny lachte - so laut und so spöttisch, dass die Wölfe des Lagers zu ihnen blickten.
»Du verarschst mich doch«, sagte er.
»Nein«, entgegnete Erin. »Er möchte unbedingt, dass ich später seine Firma übernehme, da er keinen Sohn hat. Deswegen ist er immer sehr streng mit mir gewesen. Er hat mich nie gelobt und nur meine Fehler angekreidet.«
»So ein Unfug«, sagte Johnny und zeigte ihr durch einen Fingerzeig, dass er seine Hände frei bekommen hatte, bevor er sich wieder hinsetzte, als wäre er gefesselt.
»Nicht wahr? Man muss doch jeden mal loben.«
»Ich meine dein Verhalten«, sagte er. »Wegen so einem Mist haust du ab und landest in dieser Situation? Schön blöd bist du. Es könnte dir später so gut gehen! Macht dein Vater im Betrieb etwas, dass dir nicht gefällt? Schön. Ändere es! Läuft es einwandfrei? Noch besser. Behalte es bei und lebe wie eine Königin!«
»Du hast doch keine Ahnung, was ich ertragen musste!«, zischte Erin.
»Wir reden hier von schlechten Vätern, ist das richtig?«
Erin nickte. »Exakt!«
»Schön. Mein Vater hat mich mit zwölf Jahren auf die Straße gesetzt, weil ich mich dazu erdreistet habe, mich nicht mehr für Geld an irgendwelche reichen Säcke verkaufen zu lassen und sie danach noch auszurauben. Du bist dran.«
Johnny sah sie an. Sie konnte in seinen grünen Augen lesen, wie schwer es für ihn war, diese Worte auszusprechen. Die Erinnerungen nagten an ihm, denn wenige Momente später brach sein Blick und wich ihr aus.
»Es tut mir leid«, sagte sie nach einer längeren Ruhepause.
»Muss es nicht«, antwortete er. »Du warst nicht dabei. Und jetzt hör mir zu. Ich erkläre dir unseren Fluchtplan.«
Erin sah zu Boden und tat so, als würde sie schluchzen. Sie hörte Johnnys Worten genau zu und spürte, dass er immer wieder nach ihrem Knoten griff und ihn langsam öffnete.
»Was machen wir mit ihnen?«, fragte Roxas und rieb sich über die Wange. Die Beute hatte ihm mit den Zähnen ein Büschel Fell herausgerissen, als er versuchte sie zu überwältigen. Der Schmerz pochte und Rexis hatte auf dem Rückweg fleißig über ihn gelacht.
»Wir knüpfen sie an der Straße auf und setzen ein deutliches Zeichen!«, knurrte das Weißfell, spannte die Muskeln an und schlug mit seiner Axt auf die Grenzsteine des Lagerfeuers.
»Eine Stunde später fallen Regulationstruppen bei uns ein und reiben uns auf«, antwortete Raxes und verschränkte seine Arme.
»Wir nehmen es mit ihnen auf! Wir nehmen es mit allen auf!«, bellte Rexis und starrte in die Richtung der Beute.
»Das bezweifle ich«, antwortete Raxes und nahm seinem Bruder endlich die Waffe ab. »Wir sind kaum mit dem kleinen Mistkerl fertig geworden, weil er uns auf dem falschen Fuß erwischt hat.«
Der Than hörte sich die Diskussion still an. Roxas wusste, dass er ihnen zuhörte, weil sein gesundes Auge zwischen den Sprechenden umherwanderte. Eine seiner Pranken fuhr durch seinen langen Kinnbart, den er mit zwei goldenen Perlen in Form hielt.
»Wie denkst du darüber, Roxas?«, fragte er schließlich. Seine tiefe Stimme brummte wie ein dumpfer Kanonenschlag in der Brust.
Roxas stockte. Er verstand sowohl Raxes‘ Standpunkt als auch den seines kleinen Bruders. Der Biss der Beute hatte ihn wütend gemacht und beinahe hätte er den Jungen gerissen, doch das Schwarzfell ging dazwischen, als er seine Pranke als geballte Faust gegen die Nase des Gefangenen donnern ließ. Das war ein Moment der Schwäche, sagte er zu sich selbst. Ich bin nicht wie Rexis!
Er wollte den kleinen Bastard hängen sehen! Das nagende Lachen von Rexis klingelte immer noch in seinen Ohren. Roxas war noch nie ein Wolf von starker Persönlichkeit und der frisch aufgebaute Stolz wurde durch dieses Erlebnis eingerissen wie eine brüchige Mauer. Der Junge und sein kleiner Bruder hatten den frischen Erfolg unter sich begraben wie eine Lawine und da es unter Stammesbrüdern mit dem Tod bestraft wurde, einem Angehörigen etwas anzutun, musste er einen anderen Sündenbock finden.
Doch ihm war auch klar, dass Rexis und sein Zorn nicht gewinnen durften. Er war nicht so. Raxes und der Than inspirierten ihn! Diese zwei hatten ihren Stamm von den anderen, wilden Nordwölfen abgekoppelt und waren auf dem beste Weg, eine Amnestie bei der Regulation zu erwirken. Er konnte diese Fortschritte nicht wegen einem persönlichen Groll zunichte machen.
Ich weiß es nicht, dachte er verzweifelt. Sie warten auf meine Antwort und ich weiß es nicht.
»Ich sage, wir bringen sie um!«, schrie Rexis und fand nur wenige Heuler in den Reihen seiner Brüder. Der Than und Raxes hielten den herum tobenden Wolf an den Armen fest.
»Nein«, brach es aus Roxas. Er war von sich selbst überrascht. Seine Brüder schienen nicht anders zu denken, denn ihre Blicke trafen ihn. »Wir lassen sie gehen.«
»Wir lassen sie gehen?«, fragte der Than. »Das musst du mir erklären.«
»Raxes hat recht«, sagte Roxas und zeigte auf das Schwarzfell. »Wenn wir sie töten, endet der Waffenstillstand mit den Regulationstruppen und sie fallen über uns her. Wenn wir die beiden jedoch aus dem Wald führen, sie an die Soldaten übergeben und der Than erklärt, dass sie in unsere Jagdfallen getreten sind, zeigen wir ihnen, dass wir es ernst meinen und eine friedliche Lösung anstreben! Es ist ein Schritt in die richtige Richtung!«
Der Than dachte nach. »Mir gefällt deine Art zu denken, Roxas.«
»Mir auch«, sagte Raxes und legte dem Graufell eine Pranke auf die Schulter.
»Mir nicht!«, rief Rexis.
»Halt die Fresse«, sagten der Than und Raxes.
»Dann ist es beschlossen«, sagte der Than und nickte. »Morgen lassen wir sie gehen. Ich werde gleich zu den beiden rübergehen und ihnen die ganze Sache erklären.«
Roxas zog die Lefzen rauf und gluckste kurz. Das in ihm aufsteigende Glücksgefühl überwältigte ihn, sodass sein Körper keinen anderen Weg sah, um damit fertig zu werden, als ihn auflachen zu lassen.
»Haha!«, rief Rexis plötzlich. »Sie fliehen! Sie fliehen!«
Nein!, dachte Roxas, als das warme Gefühl von der Brust hinab in seinen Magen sackte und schwer wie Blei darin landete. Er sah zu den Stämmen und erkannte, dass die Beute verschwunden war. O, bitte nicht, nein. Es war alles umsonst.
»Ich halte sie auf, ich halte sie auf!«, sang Rexis, wand sich aus dem Griff seiner Brüder, klaubte sich einen Bogen und verschwand auf allen vieren in die Nacht.
Roxas schüttelte mit dem Kopf. Diesmal nicht!, beschloss er. Erst wenn Rexis sie erwischt, war alles umsonst.
Johnny hielt sie fest an der Hand und zog sie hinter sich her. Wenn sie hier ein Lager haben, gibt es einen Weg rein und wieder raus, hatte er gesagt. Wir finden diesen Weg und rennen so schnell wir können.
Er hatte recht! Sie fanden einen zurecht getrampelten Pfad und folgten ihm. Ihre Flucht blieb lange unbemerkt, da die meisten Wölfe an einem Stammestreffen teilnahmen und so konnten sie einen gesunden Vorsprung herausarbeiten.
Es ging über Stock und Stein, oft stürzten sie, doch der Junge zog sie immer wieder auf die Füße und trieb sie zum weiterlaufen an. Über einen im Weg liegenden Baumstamm stieß er sie, machte einen Satz darüber, packte sie an der Hand und eilte weiter. Ihr grünes Kleid riss dabei und sie verlor einen Schuh, doch das störte Erin überhaupt nicht.
Er tut, was er tun muss, dachte sie. Und ich werde tun, was ich tun muss, sobald ich wieder Zuhause bin.
Als sie merkte, dass Johnny die Puste ausging, übernahm sie die Führung. Sie hielt ihren Retter an der Hand und zog ihn hinter sich her. Der Schnee machte sie langsamer und ihr Kleid erwies sich als Hindernis, also pausierte sie kurz, um das Kleidungsstück und ihren zweiten Schuh zurückzulassen. Glücklicherweise trug sie wegen den frischen Temperaturen dicke Wollkleider darunter.
»Lauf«, sagte sie zu Johnny, als sie spürte, dass er immer öfter stolperte. »Einen Fuß vor den anderen.« Sie sah, dass er völlig übermüdet war, doch zu seinem und ihrem Wohle konnte sie darauf keine Rücksicht nehmen.
»Es geht nicht mehr«, hauchte er. Die tiefen Ringe unter seinen traurigen Augen erzählten Geschichten, die Erin zu diesem Zeitpunkt nicht verstand.
»Stell dich nicht so an!«, rief sie. »Erst schwingst du große Reden und dann hängst du durch? Schön blöd bist du!«
»Ich glaube nicht, dass ...« Ein Pfeil schlug neben ihnen in einem Baum ein. Erin und Johnny zuckten zusammen. »Jetzt geht‘s wieder!«, rief er, ließ sich erst mitziehen und wurde immer schneller. Schließlich nahm er sie sogar auf die Arme und hüpfte wie ein Hirsch über im Weg liegende Hindernisse.
Hinter ihnen schallte die Hyänenlache des Weißen, der bereits einen weiteren Pfeil in den Bogen spannte.
»Lass mich runter!«, rief Erin. »Wenn du mich trägst, sind wir langsamer. Wir müssen etwas weiter auseinander laufen, dann kann er nur einen von uns anvisieren!«
Den Satz hatte sie noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als sie bereits wieder ihre eigenen Füße trugen. Sie blinzelte und sah zu Johnny.
»Ich hoffe, dass er auf dich zielt!«, rief der Junge, ob es sich dabei um einen Scherz handeln sollte, wusste Erin nicht.
»Du hattest Recht!«, sagte sie und schnaufte. Sie stellte sich vor, mit Johnny um die Wette zu laufen, um ihre stechende Brust noch etwas länger zu ertragen. »Ich hatte keine Ahnung, was es hieß, wirklich zu leiden. Aber nach dem, was du gesagt hast und dieser Situation am heutigen Tag, kann nichts schlimmeres mehr kommen.«
»Ich stimme dir zu«, antwortete der Junge und hechtete über einen verblüfft aus der Wäsche schauenden Fuchs. »Und jetzt halt die Klappe, spar‘ dir deinen Atem und LAUF!«
Erin schmunzelte und hechtete ebenfalls über den Fuchs, der jetzt gar nicht mehr wusste, was eigentlich los war. Entschuldigung, Meister Renard!, dachte sie, als das Tier ihnen ein genervtes „Yip Yip Yap“ hinterher bellte. Erin Bell. Geschäftsführerin des Bell Uhrenimperiums. Das hört sich gar nicht schlecht an. Die Pfeile des Nordwolfes verfehlten die beiden deutlich. Der Wilde war im Umgang mit dieser Waffe nicht geschult und Erin war ihm dankbar dafür. Es war kurios! In dieser Situation ging es um Leben und Tod und sie fühlte sich erschreckend lebendig. Das durfte nicht so sein. Völlig egal, was es ist., beschloss sie. Ich werde meinem Vater zeigen, dass ich es kann. Er schimpft nicht mit mir, weil er mich nicht mag, sondern weil er will, dass ich es richtig mache. Warum sollte er mich anders behandeln, als einen Sohn? Ich brauche keine zusätzlichen Streicheleinheiten und eine Sonderbehandlung, nur weil ich ein Mädchen bin. Sie blickte zu Johnny, bevor sie sich weiter auf ihre Flucht konzentrierte. Danke, Johnny. Du hast mir gezeigt, dass ...
Erin ging zu Boden wie ein nasser Sack. Ein langer Pfeil bohrte sich durch ihren Hinterkopf, trat durch ihr linkes Auge aus und warf sie zu Boden. Jonathan wurde langsamer und blickte ungläubig auf den Schnee, der sich rasch rot färbte.
»Erin?«, fragte er, obwohl er es besser wusste. Er erhielt keine Antwort.
Der Dieb verharrte. Seine Muskeln schmerzten und fingen an zu pochen. Sie fühlten sich unsagbar schwer an. Er bekam nur beiläufig mit, dass der weiße Wolf, der den Pfeil abgeschossen hatte, von dem schwarzen und dem grauen Biest übertölpelt und zu Boden geworfen wurde. Der ganz große Kerl mit der Augenklappe folgte ihnen, brüllte den Weißen an und presste seinen Kopf gegen einen Baum. Die Nordwölfe näherten sich vorsichtig.
»Was wollt ihr?«, fragte Jonathan und schlang seinen Mantel um sich. Ihm war nicht kalt, aber hundeelend.
Die Wölfe sahen ihn nachdenklich an. Der Schwarze gab bellende und knurrende Laute von sich und zeigte auf die am Boden liegende Erin. Der graue im braunen Lendenschurz lud das Mädchen auf seine Schulter und stapfte voraus, die anderen Wölfe folgten ihm.
Jonathan sah ihnen nach und neigte den Kopf. Erst, als sich die Augenklappe zu ihm umdrehte, »Folgen« knurrte und winkte, ging er ihnen nach. Sie bringen mich hier raus, stellte er fest. Ich bin ein Idiot. Warum habe ich nicht gewartet? Vielleicht haben sie darüber gesprochen!
Sie geleiteten Jonathan bis zur Hauptstraße, die nach Snowbrook führte und brachten ihn zum Stützpunkt der Regulation. Ihm war klar, dass er vorneweg gehen musste, um ein Sperrfeuer von den Soldaten zu vermeiden und das kam ihm recht. Er war kraftlos. Immer wieder mussten die Wölfe ihn anstoßen, damit er sich nicht einfach auf die Straße legte.
»Halt!«, schrie ein Soldat und trat mit entsichertem Karabiner auf die Straße, als die Wölfe sich näherten. »Junge, was schleppst du da an?«
»Sie haben mich gerettet«, antwortete Jonathan mit bebender Stimme.
»Die andere?«, rief der Wächter. Sie heißt Erin.
»Das war nicht ihre Schuld«, versicherte er.
Der Graue stieß den Weißen nach vorne und zeigte auf ihn. Ein kehliges Knurren drang aus seiner Kehle.
»Er war es.« Ich war es.
»Ist das wahr? Bei allen Göttern, schwöre, dass es wahr ist!« Mehr Wächter fanden sich auf der Straße ein. Sie bildeten eine Formation.
»Ich schwöre es. Er war es.«
Es gab keine Verhandlung mit Wilden. Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf den weißen Wolf aus und feuerten eine Salve auf ihn. Die anderen Wilden zuckten zusammen, aber hielten sich zurück. Augenklappe legte eine Pranke auf Jonathans Schulter und brummte beruhigend.
Der Offizier richtete den Lauf auf die anderen Nordwölfe und winkte mit seinem Gewehr in Richtung des Waldes. Sie hoben ihre Pranken und bewegten sich langsam zurück in den Grenzwald. Jonathan sah, dass der Graue am Waldrand hielt, sich für einen Moment hinhockte und nachzudenken schien, bevor ein tiefes Knurren ihn zum weitergehen animierte.
»Findet die Eltern von dem armen Ding«, sagte der Offizier und behielt die Wölfe im Auge.
»Sie heißt Erin«, sagte Jonathan. Mehr brachte er nicht über die Lippen.