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Serie Sewa - Kringel Haken Kreis (5)

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Beitritt
03.07.2004
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Sewa - Kringel Haken Kreis (5)

Noch zwei Monate bis zum Sommerfest. Bewohner und Mitarbeiterinnen hatten einen Festausschuss gebildet, der eifrig Vorschläge sammelte und Aufgaben verteilte. Dabei kam es ab und an zu leichten Irritationen.
Frau Kistner, eine fünfundachtzigjährige rüstige und aktive Bewohnerin, sagte zu Frau Wolfram, der Geschäftsführerin unserer Seniorenwohnanlage und Vorsitzenden des Festausschusses:
„Ich gehe heute zum Supermarkt und kaufe alles ein.“
Frau Wolfram war irritiert: „Was meinen Sie denn mit alles?“
„Naja, die Zutaten für die Kuchen, die ich für das Sommerfest backen soll. Morgen fange ich dann an mit Backen.“
„Aber das Fest ist doch erst in zwei Monaten.“
„Ich hatte verstanden, in sechs Tagen.“
„Nein, in sechzig Tagen. Ich glaube, Frau Gröner hätte doch lieber zwei Monate sagen sollen.“

Nach Frau Kistner kam Frau Meyerbier mit Frau Waller im Schlepptau.
„Was meinen Sie denn, wie viele Blumen wir für den Tischschmuck brauchen?“
Und Frau Waller, die meistens umherhuschte wie eine furchtsame kleine Maus, ergänzte leise: „Wir haben hier ja nur Rasen, deshalb können wir keine Blumen im Garten pflücken.“
Frau Wolfram wusste ja nun schon Bescheid und erwiderte nur: „Das Sommerfest ist erst in zwei Monaten und wir werden ihnen rechtzeitig Bescheid geben, wie viele Blumen wir brauchen.“

Eine Woche später musste Herr Waller, ein immer freundlicher ehemaliger Zugbegleiter bei der Eisenbahn, ins Krankenhaus. Anscheinend hatte er schon seit längerer Zeit Krebs gehabt, seine Schmerzen aber mit einem Lächeln überspielt. Nach fünf Tagen verstarb er und seine Ehefrau schien in ihrer Trauer zu versinken.
Am Dienstag morgen kam sie zu Frau Holmen. Hauptberuflich arbeitet Frau Holmen bei der Behindertenhilfe, aber ehrenamtlich ist sie bei uns tätig und berät uns, wenn wir Fragen zu irgendwelchen Bescheiden und Formularen haben. Frau Waller legte einen Stapel Briefe auf den Tisch. „Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Den ganzen Schreibkram hat immer Herbert erledigt.“
„Ihr Sohn kann Ihnen doch bestimmt helfen.“
„Ja, dann müsste ich ihn anrufen. Aber ich kann mir die Nummer nicht merken.“ Frau Waller legte ein Blatt mit Telefonnummern auf den Tisch. Frau Holmen schaute auf das Blatt und zeigte auf den Eintrag ‚Klaus Waller‘: „Da steht er ja.“
Frau Waller legte ihren Finger unter die Telefonnummer, auf die Frau Holmen zeigte, und murmelte „Kringel - Haken - Kreis - Strich - Haken - Kreis.“
Frau Holmen brauchte einige Zeit, das Gemurmel zu verstehen: 870170 war die Telefonnummer von Klaus Waller. Dann schaute sie Frau Waller an, die auf ihrem Stuhl immer kleiner zu werden schien: „Sie können nicht lesen?!“
„Nein, ich war nie in der Schule und dann habe ich Herbert kennengelernt, der hat mir immer geholfen. Aber ich habe es nie richtig verstanden.“ Frau Waller flüsterte nur noch.
„Nun, ich werde Ihnen mit den Briefen helfen. Aber ich werde auch ihren Sohn anrufen. Wir werden schon eine Lösung finden.“
Und schon war Frau Waller aus dem Zimmer gehuscht.

Noch am gleichen Abend kam Klaus Waller zu Frau Holmen. Ihre Schilderung der Ereignisse des Vormittags schien ihn zu bedrücken. Sie ergänze deshalb: „Sie brauchen sich hier keine Vorwürfe zu machen.“
Herr Waller schwieg lange, aber dann begann er zu reden: „Doch, ich wusste es nicht. Ich bin Lehrer an der Grundschule und habe immer gedacht, ich könnte Legastheniker erkennen. Aber der Grund für meine Betroffenheit liegt in meiner eigenen Kindheit. Ich habe zwei Schwestern und wir drei waren als Schulkinder oft sauer und ärgerlich, weil unsere Mutter sich immer wieder weigerte, uns bei unseren Hausaufgaben zu helfen. Unser Vater war den ganzen Tag und manchmal auch nachts auf der Arbeit und dann musste er uns noch mit den Hausaufgaben zur Seite stehen. Aber den Grund haben uns unsere Eltern nicht erklärt. Jetzt bin ich sehr betroffen. Ich werde jeden Sonnabend vorbeikommen und meiner Mutter helfen. Das ist das mindeste, was ich tun kann.“
„Das freut mich. Sie kommen ja auch sicher zu unserem Sommerfest in sieben Wochen.“
„Ein Sommerfest. Das ist etwas Neues, oder?“
„Ja, die Bewohner haben sich ein Fest für ihre Kinder und Enkel gewünscht mit Spielen und Aufführungen. Wir haben schon ein Spielmobil bestellt, der Kinderchor der Kirchengemeinde wird singen und eine Laienspielgruppe der Volkshochschule wird einige Sketche aufführen.“
Herr Waller nickte. „Da kann ich bestimmt auch mitmachen. Wir haben an der Realschule ein Schülerorchester und die Kinder der vierten Klasse haben gerade ein Musical einstudiert und ich weiß von einigen Kindern, dass ihre Großeltern hier im Haus leben - das wäre ja doch ein Grund mehr für die Eltern auch zu kommen, um ihre eigenen Kinder zu erleben.“
Frau Holmen war begeistert. „Das sind wunderbare Ideen. Ich sehe schon, wir werden ein tolles Fest feiern können.“

Am Donnerstagvormittag kam der Festausschuss zusammen. Es war zwei Wochen her, dass allen Angehörigen der Termin des Sommerfestes und eine Einladung zugeschickt worden war und Frau Bremer aus dem Büro las nun die Absagen vor:
„Frau Walzer, die Tochter von Frau Mörke, arbeitet an dem Wochenende ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Das gilt auch für Herrn Leimbesser. Das Ehepaar Wierusch spielt im Spielmannszug des Schützenvereins. Her Bongert hat Schichtdienst und Herr Kistner, der Enkel von Frau Kistner, hat Wochenenddienst bei der Feuerwehr.“
Frau Bremer unterbrach ihre Aufzählung, denn anscheinend konnte Frau Wolfram nicht mehr still auf ihrem Stuhl sitzen. Da sie sonst immer die Ruhe in Person war, rief ihr Herumrutschen einige Unruhe hervor. Und dann erklärte sie: „Ich muss sofort einige Anrufe machen.“
Frau Wolfram griff sich ihr Handy, das vor ihr auf dem Tisch lag und begann mitten in der Runde zu telefonieren. Die anderen wussten gar nicht, was sie sagen sollten, fanden dieses Verhalten aber im Moment recht rücksichtslos.
„Frau Dunker? Guten Tag, hier ist Elisabeth Wolfram. Sie sind doch für die Einsatzpläne der Rotkreuzhelfer zuständig?“
Da Frau Wolfram ihr Handy laut geschaltet hatte, mussten alle nun zuhören: „Ja, hallo Frau Wolfram. Freut mich, von Ihnen zu hören. Ja, ich bin für die Einsatzpläne der Ehrenamtlichen zuständig. Kann ich da etwas für Sie tun?“
„Wir haben in einigen Wochen, am Sonntag, dem 27. Juli, ein Sommerfest. Und da viele Menschen kommen werden, wär es schön, wenn wir auch zwei Helfer vom Roten Kreuz dabei hätten.“
„Da haben Sie völlig recht. Ich werde mal schauen, wen wir zur Verfügung hätten.“
„Vielleicht darf ich um Frau Walzer und Herrn Leimbesser bitten. Die beiden kennen das Haus und das Gelände.“
„Oh, ja, das ist schon mal gut. - Ja, beide haben Dienst und ich werde sie dann für das Haus Vergissmeinnicht eintragen. Ich werde auch vorbeikommen. Vielen Dank und auf Wiedersehen.“
„Ich danke Ihnen und dann spätestens am 27. Juli.“
Frau Wolfram drückte das Gespräch weg und während sich die anderen noch erstaunt ansahen, hatte sie bereits den nächsten Teilnehmer am Ohr:
„Guten Tag Herr Bonndorf. Hier spricht Elisabeth Wolfram.“
„Frau Wolfram, welche Freude Sie zu hören. Was kann ich Ihnen Gutes tun?“
Man merkte schon: Herr Bonndorf war Fleischermeister mit eigenem Laden und gegenüber potentiellen Kunden immer freundlich.
„Es geht um den Spielmannszug. Wir haben am 27. Juli ein Sommerfest und vielleicht könnten die Musiker ja am Morgen im Rahmen des ökumenischen Gottesdienstes spielen?“
Herr Bonndorf schien in Papieren zu blättern, dann meinte er: „Können wir auch Mittagessen bekommen?“
„Selbstverständlich. Der Spielmannszug ist herzlich eingeladen zu einem kostenfreien Essen.“
„Dann passt das sehr gut. Denn am Nachmittag spielen wir zum siebzigsten Geburtstag meines Vorgängers ein Ständchen. So einige Stücke zu spielen ist doch recht wenig für den Aufwand. Ich glaube, zwei Einsätze und ein Essen, das gefällt eher.“
„Wunderbar, ich freue mich auf Sie und ihre Leute. Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen, Frau Wolfram:“
Und schon war der nächste Teilnehmer dran.
„Guten Tag, Herr Kistner, mein Name ist Wolfram. Ich bin die Geschäftsführerin vom Haus Vergissmeinnicht.“
„Ist Oma was passiert?“
„Nein, nein, gar nicht. ich rufe wegen des Sommerfestes an.“
„Ja, am 27. Juli habe ich Dienst, da kann ich nicht kommen.“
„Das habe ich gehört und da kam mir eine Idee. Wir werden hier viele Besucher haben, da wäre ja die Anwesenheit der Feuerwehr vielleicht ratsam. Aber vor allem könnte man die Gelegenheit nutzen, unsere Mitarbeiter und Bewohner über das Verhalten bei Bränden zu unterrichten.“
„Das ist eine gute Idee und als Zugführer bei der Berufsfeuerwehr bin ich da auch ihr Ansprechpartner. Ich werde ihre Bitte im Leitungskreis vortragen und mich wieder bei Ihnen melden. Jetzt kommt gerade ein Einsatz. Auf Wiedersehen.“
Frau Wolfram ließ ihr Handy sinken.
Während alle anderen nur staunten, warf die Buchhalterin Frau Gröner ein: „Hoffentlich passen die vielen Menschen überhaupt auf das Gelände.“
Frau Wolfram lächelte: „Liebe Frau Gröner. Wir haben nicht nur einen großen Park. Wir bekommen von der Stadt einen LKW voll mit Biertischen und Bänken. Der Arbeitersamariterbund kommt mit zwei Gulaschkanonen. Der Zeltverleih bringt uns drei große Zelte, so dass wir uns bei Regen nicht ins Haus drängeln müssen. Und die Behindertenwohngruppen waren von unseren Plänen so begeistert, dass wir die Pforten zwischen den Grundstücken öffnen werden und die Besucher auch das Nachbargelände nutzen können.“
Nur einer schien nicht begeistert. „Mein schöner Rasen“, stöhnte der Hausmeister.

 

Hallo Jobär,

Eine nette Geschichte. Problemlösungen am laufenden Bad. Ich glaube aber du versuchst hier zwei Themen in eines zu verpacken. Die unkonventionellen Problemlösungen ums Sommerfest und den Analphabetismus älterer Menschen. Obwohl eingebettet in die Sommerfestgeschichte glaube ich, dass du das weglassen könntest. Es stellt irgendwie einen zweite Höhepunkt dar, der der Geschichte nicht wirklich hilft.

Sonst nett beschrieben, wie Fr. Wolfram für ein gelingen des Sommerfestes sorgt.

LG

BRM

sind Thama genug für eine Geschichte.

 

Hallo BRM,

Du hast recht, es sind zwei Themen in einer kleinen Geschichte. Hauptthema sollte eivgentlich das Sommerfest sein, das auch bereits in der vorigen Episode eine Rolle spielte. Dagegen wird der hier nurangerissene Analphabetismus in einer weiteren Folge die Hauptrolle spielen.

Vielen Dank für Deine Kritik

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo jobär,

wie auch deine anderen Sewa-Stories fand ich auch diese wieder sehr sympathisch.
Die Charaktere gehen einem ans Herz, die Grundstimmung ist locker und beruhigend. Man liest das so runter, gemütlich und flüssig. Klar, wie auch bei den anderen Teilen ist der Text nichts Weltbewegendes, aber ich denke, das war auch nicht deine Intention. Es ist einfach ein netter Text für Zwischendurch, ohne Aufreger, hin und wieder sogar zum Nachdenken. Man kommt ja nicht umhin, sich vorzustellen, wie es wäre, säße man selbst in der Seniorenwohnanlage Vergissmeinnicht und würde mit diesen Situationen konfrontiert.

Das mit den zwei Konflikten - Analphabetismus und das Ausrichten des Festes - find ich gar nicht mal so verkehrt, da du ja sagst, der Analphabetismus wird in dem nächsten Text wieder aufgegriffen. Das verleiht der Serie eine gewisse Konsistenz, es wirkt nicht alles so streng episodenhaft. Das finde ich persönlich immer besser.

Ein paar Fehler habe ich aber dann doch gefunden:

„Was meinen Sie denn, wieviele Blumen wir für den Tischschmuck brauchen?“
rechtzeitig Bescheid geben, wieviele Blumen wir brauchen.

Wie viele

Ja, dann müsste ich ihn an rufen.

anrufen

Unser Vater war den ganzen Tag und manchmal auch Nachts auf der Arbeit und dann musste er uns noch mit den Hausaufgaben zur Seite stehen.

nachts

„Ein Sommerfest. Das ist etwas Neues Komma oder?“

Am Donnerstag Vormittag kam der Festausschuss zusammen.

Donnerstagvormittag

Es war zwei Wochen her(.) Komma dass allen Angehörigen der Termin des Sommerfestes und eine Einladung zugeschickt worden war und Frau Bremer aus dem Büro las nun die Absagen vor

Her Bongert hat Schichtdienst und Herr Kistner, der Enkel von Frau Kistner, hat Wochenenddienst bei der Feuerwehr.

Herr

Da sie sonst immer die Ruhe in Person war, rief ihre Herumrutschen einige Unruhe hervor.

ihr

„Ja, am 27. Juli habe ich Dienst, da kann ich nicht kommen“

Da fehlt der Punkt.

das ist eine gute Idee und als Zugführer bei der Berufsfeuerwehr bin ich da auch ihr Ansprechpartner. Ich werde ihre Bitte im Leitungskreis vortragen und mich wieder bei Ihnen melden. Jetzt kommt gerade ein Einsatz. Auf Wiedersehen.“

Das

Wieder gerne gelesen!

Beste Grüße
gibberish

 

Hallo gibberish,

aus irgendwelche Gründen ist meine Antwort verschwunden. Also nochmal in Kurzfassung.

Danke für Deine Kritik. Die Korrekturen habe ich eingearbeitet. Man sollte sich nicht auf die Word-Rechtschreibprüfung verlassen und bei Änderungen auch die Umgebung prüfen, ob sie noch stimmig ist.

Herzliche Grüße

Jobär

 

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