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Treffen mit Birke

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30.03.2010
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Treffen mit Birke

Der Mann gehört nicht hierher, liegt aber auf dem Tisch in der Bücherei und streicht mit der Hand über Narben auf seiner Brust. Dabei berührt es mich peinlich, dass wir uns so sehr voneinander unterscheiden. Ich schäme mich dafür, dass ich selbst unschuldig bin und Gefallen an der Verworfenheit des anderen finde.
Ich zögere, aber schließlich fährt mein Finger neugierig über eine Stelle an seinem Bauch, die aussieht, als sei sie zerfleischt worden. Ich will die Struktur des Narbengewebes ertasten, aber das Papier unter meiner Haut ist weniger als ein unbefriedigender Kompromiss.
Der Vernarbte verschwindet zwischen den Buchhälften und es bleibt das Gefühl, ich hätte jemanden verlassen. Als ich den Band zurückstelle, begrabe ich den Geliebten. Dann gehe ich zum Unterricht.

Leise verschließe ich die Tür zur Außenwelt. Es ist still, aber ein unangenehmes Geräusch sitzt mir in den Ohren. Die Lautstärke, die in der Schule herrscht, wird einen Tinnitus verursachen.
Meine Jeans landet auf dem Bett, das weiße T-Shirt auf dem Boden, meine Fingerspitze im Bauchnabel. Der Nagel bohrt sich in die Geburtsnarbe, bis es schmerzt, bis mir schlecht wird. Dann höre ich auf und fahre mit den Armen in das schwarze Hemd, führe Knopf für Knopf durch das richtige Loch. Den Blick auf den Spiegel gerichtet bürste ich Glanz in das Blond meines halblangen Haares.
Danach lehne ich an der Fensterbank, nehme Einstellungen an der Kamera auf ihrem Stativ vor. Mit Hilfe des Selbstauslösers beginne ich meine heutige Selbstportraitserie. Sicherheit liegt in den Bewegungen, eine Routine, die in der täglichen Pflichtübung besteht. Zum Schluss nehme ich eine kurze Pause zum Arrangieren meiner Bildidee. In das Kristallglas auf dem Nachttisch gieße ich Wasser, nehme es am Stiel in die Linke und packe mit der Rechten das Totenkopfreplikat. Das poetische Synonym für Leben wiege ich gegen den Tod auf. Der Tod wiegt mehr, und so warte ich im Ungleichgewicht auf das erlösende Klicken der Kamera. Ich wünschte, Sonnenstrahlen brächen sich im erhobenen Glas, doch mit Perfektion, die allein dem guten Willen des Zufalls zuzuschreiben wäre, ist nicht zu rechnen.
Es folgen Profilaufnahmen, Aktphotographien - das tägliche Procedere in meinem eigenen Theaterstück.

Im Nebenraum findet Alltagsleben statt, während die Welt in diesem Zimmer eine schwarzweiße ist. Birke sitzt mir gegenüber und sieht mich aus müden Augen an. Sein magerer Körper ist in eine grobe Wolldecke gewickelt.
„An mir ist nichts mehr, das wärmt“, sagt er und hustet. Sein Gesicht ist ein schwarzes Loch. Nur noch die Konturen erinnern an frühere Schönheit. Ein kantiger Kiefer, ausgeprägte Wangenknochen.
„Ich will den Selbstauslöser drücken, wenn ich sterbe“, flüstert er. Ich wage es nicht, ihn fragend anzusehen. Da sind zu viel Respekt und die Angst, mich vor ihm zu blamieren, falls er nicht von Suizid sprach. Dann schweigen wir, er in Erschöpfung, ich in Anerkennung, bis Birkes Freundin in den Raum kommt, und sofort weiß erstrahlt. In einem blendenden Licht legt sie ihren Arm um ihn und küsst das tiefe Schwarz seiner eingefallenen Wangen.
„Du musst dich ausruhen. Bitte hör auf zu sprechen.“
Mit langen Fingern, deren Nägel hell leuchten, fährt sie durch sein dunkelgraues Haar.
„Es ist noch erstaunlich voll, obwohl er krank ist“, sagt sie mit einem entrückten Lächeln. Als sie ihr Gesicht in seinem Haar vergräbt, krönt sie Birke mit einem Heiligenschein.
Nach einer Weile fordert sie mich, ohne den Kopf zu heben, zum Gehen auf. Ich nicke, und langsam sinken die Kontraste, Schwarz und Weiß gehen ineinander über, bis ich nur noch den Umriss der Wolldecke erkennen kann und schließlich aufwache.
Ich bin dem Photographen Birke in seinen letzten Tagen begegnet.

Der Mann streckt mir seinen Arm entgegen, auf dem Einstichnarben inmitten ornamentaler Tätowierungen untergehen. In einem Dickicht aus schwarzen Strichen erhebt sich weißes Fleisch mit gezackter Oberfläche. Doch statt des Seidenschimmers dieser feinen Neuhaut reflektiert das Hochglanzpapier. Das Gesicht des Mannes ist markant, in seinen Augen liegt etwas Brutales. Er fordert mich auf, ihm weh zu tun, um es hinterher zu bereuen. „Ins Fleisch“, flüstert er mir über seinen ausgestreckten Arm hinweg zu. Die Pausenklingel beendet unser Machtspiel und diesmal flüchte ich in Angst.

Die Magie unserer Treffen ist gewaltvoll. Die Eindrücke füllen mich an und ich drohe zu zerbersten, weil niemand da ist, mit dem ich sie teilen könnte.
„Kennst du Birke?“, fragte ich einst jemanden, den ich fast meinen Freund nannte.
„Nein“, antwortete er und rechnete seine Matheaufgabe.
„Ich muss dir was zeigen“, flüsterte ich, und dachte, endlich jemanden in mein Geheimnis einweihen zu können.
In der Pause brachte ich ihn in die Schulbücherei. Am Ende des Ganges und hinter weiteren Regalen war die Kunstbuchabteilung. Klein und wertlos, bis auf dieses Juwel. Das fast dreikiloschwere Heiligtum riss mich jedes Mal beinahe in die Tiefe. Doch dieses Gewicht war dem Inhalt nur gebührend.
Ich schlug gezielt eine Seite auf, um meinen Freund mit einem meiner Liebsten bekannt zu machen.
Aber es löste nicht die Reaktion aus, die ich mir erhofft hatte.
„Was ne perverse Scheiße!“, seine Finger schnellten zum Buch und blätterten um, „Ist ja widerlich. Warum ist so was in einer Schulbücherei? Wenn das die braven Muttis sehen würden, die hier Dienst haben. Das käme für die doch ins Altpapier. Stell dir mal vor die Fünftklässler …“
Ich ließ ihn reden, lauschte dem weniger grauenhaften Ton in meinen Ohren und löste mich innerlich von dem Gedanken, ihn einen Freund zu nennen. Er hatte den Test nicht bestanden.
Jetzt waren nur noch ich, Birke und seine durch Zerstörung vollkommenen Männer da.

Nach mehreren uninspirierten Aufnahmen falle ich nackt aufs Bett. Mein Körper ist noch makellos, jungfräulich und glatt. Ich wünschte, ohne Schmerz gezeichnet werden zu können.
Als ich mich umsehe, bin ich wieder in Birkes schwarzweißem Zimmer. In seinem Lehnstuhl sitzt er, hinter ihm seine leuchtend weiße Freundin. Ihre Hände fahren über seine Wangen und immer wieder senkt sich ihr Kopf, um sein Haupt zu küssen. Mit ihrer Wange streicht sie über sein Haar und flüstert Liebesgeständnisse, traurig und verzweifelt.
Birke gleicht einer Kohlezeichnung, die zu stark schattiert wurde, während an seiner Freundin nur das nötigste geschwärzt wurde, um ihrem Licht eine Gestalt zu geben.
„Sei nicht so feige“, flüstert er und ist danach außer Atem.
„Dieser Mensch soll gehen, dich in Ruhe lassen!“, ruft die weiß Leuchtende aus und schlingt ihre Arme um Birkes Schultern. Unter der Decke kommt seine Hand hervor. Jede Sehne und jedes Knöchelchen liegt schutzlos unter einer dünnen Haut, die leicht zu zerreißen wäre. Das einzig lebendige auf seinem Handrücken sind dicke Adern. Kraftlos legt er die Finger um das Handgelenk seiner Freundin.
„Er muss hier sein. Er erbt mich.“
Dann zerfließt Birke in zähflüssigem Öl, während das Licht in dieser Konzentration von Schwärze untergeht.
Fassungslos wache ich auf. Kurz darauf sehe ich meiner Hand zu, wie sie das Glas vom Nachttisch schiebt, langsam über den Rand, bis es auf die Fliesen fällt und zerschellt.
Eine Scherbe hebe ich auf, und stelle den Serien-Selbstauslöser der Kamera ein.
Ich versuche einen Fuß über meine Schmerzgrenze zu setzen. Unter der Rippe drücke ich die Spitze hinein. Mit dem ersten Zug ist die Haut abgeschürft, mit dem zweiten brechen kleine Tropfen unter der Oberfläche hervor und mit einem Schnitt fließt es warm über meinen Bauch. Als das Blut meine Lenden erreicht, sinke ich auf die Knie und huldige Birke.

Nicht mal in der Bibliothek ist es still. An mir rennen Fünftklässler vorbei und werfen fast eines der Regale um, die Mütter an der Verleihtheke lachen laut und schreddern Kaffeebohnen.
Das erste Mal, seit ich die Kunstbuchabteilung regelmäßig besuche, schaffe ich es nicht, den schweren Band herauszunehmen. Ich verzichte darauf, mir eine Geschichte erzählen zu lassen. Eine Geschichte ohne Worte, die mein Verlangen anspricht, meine Sehnsucht nach dem Etwas, das ich in meinem Leben nicht haben kann. Wahnsinnige Besessenheit, psychotische Ekstase, Mut zur Selbstzerstörung.
Mit dem Finger streiche ich über den leinenbezogenen Rücken, ziehe ihn dann aber schnell zurück. Niemand soll mich mit dem Band in Verbindung bringen können. Ein Grund, warum ich ihn nie ausgeliehen habe. Es hätte die Aufmerksamkeit auf uns gelenkt. Die nächsten Tage werde ich ihn deshalb auch nicht besuchen. Ich muss verzichten, um dann zu besitzen.
„Ich hol dich hier raus“, flüstere ich und gehe.

Nach drei Wochen nutze ich eine Freistunde, um meinen Plan umzusetzen. Während des Unterrichts ist die Bibliothek verlassen und still.
Die Kunstbuchabteilung ist von der Verleihtheke aus nur schwer zu sehen, schon gar nicht zu kontrollieren. Auf dem Tisch, der zwischen den zwei Regalen steht, sind trotz des Essverbots immer Krümel und Saftflecken. Nicht nur ich fühle mich hier sicher. Unauffällig ziehe ich am grauen Leinen, drücke das Buch gegen meinen Bauch und setze mich.
Mit einem Taschentuch wische ich über die Tischplatte und breite meine Sachen darauf aus. Block und Hefte, Mäppchen und Stifte. Auf dem Birke-Band liegt mein Atlas. Ich blättere in ihm, betrachte Weltkarten. Die Narben der Erde sind politische Grenzen. Aber die interessieren mich nicht.
Es vergeht eine halbe Stunde des gespielten Arbeitens, dann packe ich ein. Ich greife den Atlas und das, was unter ihm liegt, schiebe es als eins in meine Tasche auf dem Schoß, und genieße die neue Schwere. Ganz natürlich ziehe ich den Reißverschluss des Mäppchens zu, lege es auf die Bücher und stehe auf. Sorgfältig schiebe ich den Stuhl an den Tisch, und verabschiede mich von den zwei Frauen mit einem Lächeln.
Mir fällt kein anderes Wort als „sauber“ für diese Aktion ein.

In meinem Zimmer bin ich müde. Ich wehre mich gegen den Schlaf, aber mehr aus Zierde, denn wirklich. Es ist der Respekt, den ich vor meinen Treffen mit Birke habe. In der heutigen Verfassung kann ich ihm nicht gegenüber treten. Aber noch bevor ich mich vom Bewusstsein verabschiedet habe, sitze ich in seinem Zimmer. Einen Moment wundere ich mich über die zusammengelegte Decke auf dem Lehnsessel, als die Erleuchtete kommt, mich an der Hand nimmt und in den ergrauten Nebenraum führt. Schwarze Tränen sind auf ihrem weißen Gesicht erstarrt und werfen graue Schatten auf ihr Licht.
An den Schultern dreht sie mich um, legt ihre Hand in meinen Rücken und führt mich zu einer Wand, an der ein Selbstportrait Birkes hängt. Sein Gesicht wirkt darauf heller und klarer als bei unseren Treffen, sein Blick dennoch düster. Sein hellgraues Antlitz hebt sich vom Schwarz des Hintergrunds ab, während in seiner ausgestreckten Hand eine eigentümliche Skulptur liegt. Auf den ersten Blick ist es ein silberner Klumpen, auf den zweiten ein zusammengekrümmter Leib in eine Wolldecke gewickelt und am Ende erkennt man das Gesicht des Körpers, das Birkes ist.
„Nimm sie“, flüstert es hinter mir.
Langsam strecke ich Birke meine Hand entgegen, bis ich mit Schaudern seine Fingerspitzen berühre, und schließlich die schwere Silberskulptur nehme. Wie in einem Spiegel entfernen sich unsere Hände voneinander, bis Birkes Gesicht ins Schwarz gleitet, und sein Portrait verschwunden ist. Im Rahmen bleibt nur das dunkle Rechteck.

Meine Finger umschließen die Skulptur noch, als ich wieder in meinem Zimmer bin, die Fingerspitzen bleiben von der Berührung erregt.
Da fällt mir der Bildband in meiner Schultasche ein. Ein heißes, überraschendes Gefühl. Es hat sich keine Sekunde wie Stehlen angefühlt. Ich eile zur Tasche und ziehe das Buch mit beiden Händen langsam hervor.
Ich hocke auf dem Boden und schlage den Band auf Seite eins auf. Es ist meine erste Gelegenheit ihn vollständig durchzublättern. Ich erlebe ein Wiedersehen mit alten Liebhabern, von denen einige mir in Träumen erschienen waren. Darin waren sie dem Papier entflohen, um sich mir in all ihrer Körperlichkeit zu präsentieren. Ich mache Bekanntschaft mit Unbekannten, die nicht weniger tragisch sind als ihre Freunde. Da ist Rob, ein junger Schauspieler, dessen Körper vollkommen unversehrt ist. „Ich bringe dir bei, wie man unbeschadet rauskommt“, sagt er mit einem Zwinkern und fährt mit den Fingerspitzen über seine glatte, unbehaarte Haut.
Tom zeigt mir Wunden und erzählt mit einem Seufzen, dass bei ihm einfach keine Souvenirs bleiben. „Die Dinger heilen schnell und nahtlos ab.“
Schließlich treffe ich auf Adalbert, der sich fragt, wie er bloß vor Birkes Apparat gekommen ist. Oberkörperfrei steht er in einem schmutzigen Hinterhof und bügelt ein weißes Hemd. Auf einem roten Samtsessel liegt ein Jackett, das von einer Katze auseinander genommen wird. Er wirft mir einen hastigen Seitenblick zu, will das Hemd nicht verbrennen.
„Das war halt seine Idee“, erzählt er achselzuckend, „Ich fand sie nicht gut, aber was soll man machen? Birke hatte Narrenfreiheit. Man durfte ihm nichts ausschlagen. Dabei sind Konzepte krasser Gegensätze schon lange verbraucht.“
Dann folgen Bilder, in denen Birke der Sinnlichkeit von Gegenständen nachspürt, mehr oder weniger symbolschwangere Arrangements und Stillleben, bei denen ich Adalbert seufzen höre „… Narrenfreiheit“ .
Als ich die nächste Seite aufschlage, brauche ich einen Moment, um zu begreifen. Ein hagerer Körper, von hinten beleuchtet, streckt seine Arme aus, hält die Hände auf unterschiedlichen Höhen. In der erhobenen Hand ein Gefäß mit Wasser, in dem sich Lichtstrahlen brechen, in der abgesenkten eine Totenkopfnachbildung.

„Noch sehr jung begann er, sich mit moderner Photographie auseinanderzusetzen und suchte dabei stets nach einem eigenen Stil. Der Beginn seines Frühwerkes lässt sich auf sein sechzehntes Lebensjahr datieren. Mit einer unprofessionellen Kamera fertigte er seine ersten Arbeiten an, sich selbst als einziges Model zur Verfügung stehend.
Natürliche Parallelen zum Werk Birkes sind zu erkennen, eine Eigenständigkeit in den Kompositionen war jedoch immer vorhanden. In Interviews erklärte er sein Verhältnis zu Birke: ‚Die Faszination war von Beginn an da. Weil mir eine unbekannte, neue Welt gezeigt wurde, identifizierte ich Birkes Arbeiten als Kunst. Aber schon vor Birke nutzte ich das Medium der Photographie. Ich nahm Blickwinkel wahr, die sich anderen nicht erschlossen, und wenn man die Blinden sehend machen will, wird man Künstler. In diesem Punkt war Birke Bestätigung statt Auslöser‘
Die enge geistige Verwandtschaft mit dem bereits verstorbenen Photographen Birke wird deutlich durch das sensationelle Bild ‚Existential Justitia‘, das derselben Bildidee zugrunde liegt, wie ‚dead is deeper than water‘ von Birke. Ohne letzteres zu kennen entstand ‚Existential Justitia‘.
Als Jugendlicher ein Außenseiter, verbrachte er viel Zeit in der Auseinandersetzung mit sich selbst. In seiner ‚kreativen Isolation‘, wie er selbst seine Abschottung von der sozialen Welt nennt, fand er zu sich und seiner Arbeitsweise. Die soziale Ausgrenzung, die ihm wiederfuhr, macht er heute als den entscheidenden Faktor in seinem Leben aus. Für ihn war die Abstoßung der Gesellschaft das größte Geschenk, das sie ihm machen konnte, wie er selbst in einem Interview verriet.“
Als ich gerade den Stift zur Seite lege, geht die Tür auf.
„Kann ich mit dir sprechen?“
Ich drehe mich um, und verneine. „Ich arbeite, siehst du das nicht?“
„Die Schule hat angerufen. Sie sagen, du hättest einen Bildband gestohlen.“
Sie wirkt nicht überrascht, diese Worte sagen zu müssen, während sie auf ein Buch starrt, das sie noch nie gesehen hat.
Ich nicke knapp, „Einverstanden. Kannst du mich jetzt bitte weiter arbeiten lassen? Es ist sehr wichtig.“
Als sie das Zimmer verlässt, schreibe ich weiter:
„So stahl er mit siebzehn einen Birke-Bildband aus der Schulbibliothek. Dazu sagte er: ‚Es war mir schleierhaft wie etwas so Außergewöhnliches sich in einem Haufen von Banalität einfinden konnte. Ich sah es als meine Pflicht an, Birke nicht im Gewöhnlichen ersticken zu lassen‘
Demnächst werden auch seine Jugendschriften veröffentlicht, unter denen selbstverfasste Interviews und fast als prophetisch zu bezeichnende Texte zu finden sind, in denen er seinen späteren Kritikern bereits Worte vorwegnimmt.“

 

Ich hoffe es passt in "Jugend"
Da der Prot ein Jugendlicher ist, und seine Manie bezeichnend für die Zeit der Ich-Werdung ist, dachte ich, probier ich's mal.
Also dann: Timo

 

Moin TimoKatze,

ich würde sagen 1:0 für Dich im Wettbewerb um das problematischere Thema ;)
Nach der Geschichte musste ich erstmal Verschnaufen. Folgende Sachen sind mir aufgefallen:

aber das Papier unter meiner Haut ist unbefriedigend eindimensional.
Papier ist zweidimensional. Aber die Beschreibung gefällt mir.

Es ist still, aber ein unangenehmes Geräusch sitzt mir in den Ohren. Die Lautstärke, die in der Schule herrscht, wird einen Tinnitus verursachen. Die Gesellschaft macht mich krank.
Das würde ich noch etwas mehr ausmalen. Mir fällt es dann leichter die Parallele zwischen dem Prot. und Birke aufzubauen.

Mein weißes T-Shirt landet auf dem Bett, die Jeans darunter,
Wenn ich das lese, stelle ich mir vor, wie er erst das T-Shirt und dann die Jeans auf das Bett wirft. Aber dann kann die Jeans nicht unter(!) dem T-Shirt landen.

bis Birkes bunte Freundin in den Raum kommt, und sofort weiß erstrahlt.
Das verstehe ich irgendwie nicht. Steht sie in einem Scheinwerfer?

Im ersten und dritten Abschnitt habe ich erst am Ende verstanden, was die Szene ist. Einerseits bringt das Spannung rein, aber beim Lesen wirft es mich leider aus der Bahn.
Vielleicht geht das auch nur mir so.

Ich finde die Geschichte gut und flüssig geschrieben. Die Atmosphäre kommt gut rüber. Das Verlangen den Bildband zu besitzen ist absolut glaubhaft. Selbst die Reaktion, als ihn seine Mutter anspricht, zeigt, dass er das nicht als Diebstahl ansieht. Das hast Du sehr schön ausgearbeitet.
Gruß,
Peter

 

Hey Timo,

wow. Was für eine düstere Geschichte. Gefällt mir ausgesprochen gut.
Ob sie in Jugend passt? Ich will das eigentlich gar nicht entscheiden, weil ich mich weigere, den Text wieder herzugeben ;). Also thematisch gesehen, sollte er unbedingt hier bleiben, auf der anderen Seite, ist die Rubrik ja so angelegt, dass hier Texte stehen sollen, die sich an den 12-16jährigen Leser richten. Und ob ein 16jähriger diesen Text so lesen kann, wie erfahrene Leser, mag ich gar nicht beurteilen wollen.
Auf jeden Fall, solltest Du sowohl den "jungen", als auch den "alten" Leser am Anfang etwas mehr an die Hand nehmen. Denn ich hatte im zweiten Durchlauf sehr viel mehr Vergnügen am Text. Wer, wann, wo. Das muss dem Leser an jeder Stelle klar sein. Es sind ja genügend andere und viel wichtigere Dinge im Text, über die man Grübeln kann, als so banale Sortiereinheiten.

Der Mann liegt ausgestreckt auf dem Bett und wartet. Seine Hand streicht über Narben auf der Brust. Es berührt mich peinlich, dass wir uns so sehr voneinander unterscheiden. Ich schäme mich meiner Unschuld und dem Gefallen, den ich an seiner Verworfenheit finde.

Ich habe wirklich gedacht, der Mann liegt da real vor ihm, dann streicht er mit seinem Finger über den Bauch und auf einmal ist die Rede von Papier zwischen ihnen. Und schwups, ist man raus und denkt erst mal über äh - nach, kann sich aber in diesem Augenblick noch keinen gescheiten Reim drauf machen.
Wenn Du mich fragst, mach klar, dass er in der Schulbibliothek sitzt und ein Bildband in den Händen hält. Ich glaube nicht, dass dadurch die Intensität der Szene verlieren würde. Aber man bekommt einen seichten Einstieg und auch gleich eine Ahnung um die Struktur des Textes. Denn man hat ja die drei Ebenen. Die reale, die Bilder und die "Begegnungen" mit Birke.

Ich will die Struktur des Narbengewebes ertasten, aber das Papier unter meiner Haut ist unbefriedigend eindimensional.

Eindimensional empfinde ich auch nicht als optimale Wortwahl. Ein einfaches glatt ist da sehr viel aussagekräftiger.

Mit dem Reinschieben des Buches zwischen die anderen Bände begrabe ich den Geliebten. Dann gehe ich zum Unterricht.

Reinschieben zwischen andere Bände - wenn ich wüsste, dass er in der Schulbiblio ist, hätte ich damit überhaupt kein Problem. Auch mit dem Unterricht, weiß ich aber nicht. Und so türmen sich nur die unnützen Fragezeichen über meinem Kopf.

Leise schließe ich die Tür hinter mir. Es ist still, aber ein unangenehmes Geräusch sitzt mir in den Ohren. Die Lautstärke, die in der Schule herrscht, wird einen Tinnitus verursachen. Die Gesellschaft macht mich krank.

Schöner Absatz. Aber mach klar, dass es sich um seine Zimmertür zu Hause handelt und nicht die des Klassenraumes. Weil, im letzten Absatz entlässt Du den Leser mit der Schulklingel, also bin ich noch dort und dann kommt ein Ortswechsel von dem ich als Leser nichts weiß. Und er beginnt sich auszuziehen - in der Schule? Äh, ne, er wird wohl zu Hause sein. Das sind unnötige Gedankengänge, die den Lesefluss unterbrechen.

Inhaltlich ist diese Stelle perfekt platziert. Er erkrankt an der Gesellschaft, aber seine Narben wird man nicht sehen können. Das ist ein Problem für ihn. Ein Tinnitus hinterlässt keine Narben. Seine Haut ist glatt und makellos, im Gegensatz zu seinen "Helden", denen man alles ansehen kann. Und als logische Konsequenz kommt dann später die Selbstzerstörung. Allerdings nicht in Form von außen Zugefügt, sondern mehr als nach außen zeigend - so eine Art - schaut mich doch an!

Mein weißes T-Shirt landet auf dem Bett, die Jeans darunter, meine Fingerspitze im Bauchnabel.

Ja, räum den Satz mal logisch auf :).

Danach lehne ich an der Fensterbank, vor der das Stativ mit der Kamera steht, und nehme Einstellungen vor.

Vorschlag: Ich lehne an der Fensterbank, vor mir das Stativ mit der Kamera, und nehme die Einstellungen vor.

Mithilfe des Selbstauslösers beginne ich meine heutige Selbstportraitserie. Sicherheit liegt in den Bewegungen, eine Routine, die in der täglichen Pflichtübung besteht. (Kein Absatz)
Ich nehme eine kurze Pause zum Arrangieren meiner Bildidee.

eine Routine, die in der täglichen Pflichtübung besteht. Kurze Pause zum Arrangieren meiner Bildidee.

In das Kristallglas auf dem Nachttisch gieße ich Wasser, nehme es am Stihl

Stiel

Das käme für die doch ins Altpapier. Stell dir mal vor die Fünftklässler(Leerzeichen)…“

Ich ließ ihn reden, lauschte dem weniger grauenhaften Ton in meinen Ohren und löste mich innerlich von dem Gedanken, ihn einen Freund zu nennen. Er hatte den Test nicht bestanden. Die Welt hatte versagt. Jetzt waren nur noch ich, Birke und seine durch Zerstörung vollkommenen Männer da.

Auch eine Stelle, die ich sehr mag. Das Fette würde ich allerdings streichen, erscheint mir in diesem Zusammenhang zu dick aufgetragen, spricht aber als Thema gut durch den Text.

Ich versuche einen Fuß über meine Schmerzgrenze zu setzen.

unglückliche Formulierung

Mit dem ersten Zug ist die Haut abgeschürft, mit dem zweiten brechen kleine Tropfen unter der Oberfläche hervor ...

unglückliches Verb :)

„Ich bringe dir bei, wie man unbeschadet raus kommt“, sagt er mit einem Zwinkern und fährt mit den Fingerspitzen über seine glatte, unbehaarte Haut.

rauskommt mMn

Dann folgen Bilder, in denen Birke der Sinnlichkeit von Gegenständen nachspürt, mehr oder weniger symbolschwangere Arrangements und Stilleben, bei denen ich Adalbert seufzen höre „…(Leerzeichen)künstlerische Narrenfreiheit“Punkt

Ich nahm Blickwinkel wahr, die andere sich nicht erschlossen,

die sich anderen nicht erschlossen

und wenn man die Blinden sehen machen will, wird man Künstler.

sehend - oder?

Sehr schön. Also mir gefällt der Aufbau. Diese Bilder und das Suchen des Schmerzes darin. Mir gefallen die Traumbegegnungen, die in schwarz weiß verlaufen - bis auf die bunte Frau- als einzige Ausnahme. Und mir gefallen die realen Szenen dagegen, die dann ja zum Ende hin auch was Verquertes, Krankes bekommen.

Ich habe den Text wirklich sehr gern gelesen. Ich mag ihn. Bis auf die Einstiegsprobleme, wo man jetzt aber nicht so viel dran machen müsste.

Beste Grüße Fliege

 

He Timo,

Der Mann liegt ausgestreckt auf dem Bett und wartet. Seine Hand streicht über Narben auf der Brust.

Da stecken zwei Themen drin, die den Text in meinen Augen ausmachen: Homoerotik und Faszination für Selbstverstümmelung. Eine leserfreundliche Einleitung: Wenns ihm nicht passt, kann er wegklicken.

Mit solchen Neigungen kann die Ich-Werdung schon komplizierter werden, lässt sich leicht vorstellen. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, die verschiedenen Ebenen sind abwechslungsreich illustriert und trotz dieser Orchideen-Problematik fand ich den Protagonisten glaubhaft. Etwas Textkram und ein paar inhaltliche Anmerkungen hab ich noch im Gepäck und will die gleich mal loswerden.

Seine Hand streicht über Narben auf der Brust.

hier fände ich seiner wichtig. Es wird wohl seine Brust sein, aber dazu musste ich wenigstens erstmal den Kontext prüfen.

Ich schäme mich meiner Unschuld und dem Gefallen

Hieße so: Ich schäme mich ... dem Gefallen. und für das Gefallen wäre eine Möglichkeit.

Als der Vernarbte zwischen den Buchhälften verschwindet

Warum nicht schlicht im Buch?

Mit dem Reinschieben des Buches zwischen die anderen Bände begrabe ich den Geliebten.

Auch hier böte sich Entumständlichung an. Ich stelle das Buch zurück und begrabe den Geliebten ...

Die Gesellschaft macht mich krank.

Wird schwer für den Leser, sich eine eigene Meinung zu bilden, wenn du Prot in diese Schublade steckst.

Ich nehme eine kurze Pause zum Arrangieren meiner Bildidee. In das Kristallglas auf dem Nachttisch gieße ich Wasser, nehme es am Stihl in die Linke und packe mit der Rechten das Totenkopfreplikat.

Bestandteil des Glases :Stiel. Skull und Kristall - Symbol, ick hör dir trapsen ...

Mithilfe

Mit Hilfe - sprichs mal laut, dann hörst du den Unterschied.

Es folgen Profilaufnahmen, Aktphotographien- das tägliche Procedere in meinem eigenen Theaterstück.

Theater scheint mir etwas viel gesagt für seine Foto-Show.

bis Birkes bunte Freundin in den Raum kommt, und sofort weiß erstrahlt.

Da stutzte ich auch. Eine bunte Frau, die weiß erstrahlt - besteht sie aus Licht und Farben? Diese Szene ist auch nicht so recht zu verorten - ist das eine Zwischenwelt, ein Tagtraum, eine Vision?

Im Nebenraum findet buntes Alltagsleben statt
buntes killen. Hast du ja gleich bei Birkes Frau.

Ich bin dem Photographen Birke in seinen letzten Tagen begegnet.

Okay, Traum. Birke ist ein sehr guter Name für die Figur.

Der Mann streckt mir seinen Arm entgegen, auf dem Einstichnarben inmitten ornamentaler Tätowierungen untergehen. In einem Dickicht aus schwarzen Strichen erhebt sich weißes Fleisch mit gezackter Oberfläche. Doch statt dem Seidenschimmer dieser feinen Neuhaut, reflektiert das Hochglanzpapier.

Anspruchsvoll, detaillierte Bildbeschreibungen. Hier ist die Latte noch zu weit oben. Zumindest bekomme ich kein Bild durch deine Beschreibungen. Das letzte Komma weg.

Birke gleicht einer Kohlezeichnung die zu stark schattiert wurde, während an seiner Freundin nur das nötigste geschwärzt wurde, um ihrem Licht eine Gestalt zu geben.

Schöner Vergleich.

„Er muss hier sein. Er erbt mich.

Hui, eine ungelesene Formulierung für Seelenwanderung. Ungewöhnlich aber gut, kann man gruselig finden, dieses Zwangserbe.

Ich versuche einen Fuß über meine Schmerzgrenze zu setzen.

schief

Als das Blut meine Lenden erreicht, sinke ich auf die Knie und huldige Birke.

Womit er letztendlich sich selbst huldigt. Das ist es, was er tut: Sich als Individuum feiern. Vielleicht diese Überhöhung des werdenden Ich, weil der Erzähler auf die Bestätigung durch das Umfeld verzichten muss, wie es welche mit vordergründig lebensbejahenden Neigungen bekämen.

Wahnsinnige Besessenheit, psychotische Ekstase, Mut zur Selbstzerstörung.

Ick weeß nich, nach diesen Sachen Sehnsucht haben? Die werden ja nicht der Endzweck sein - muss man da nicht tiefer?

Reisverschluss
Reißverschluss

Schwarze Tränen sind auf ihrem weißen Gesicht erstarrt und werfen graue Schatten auf ihr Licht.

Huch! So Vorschlaghammer?

Oberkörperfrei steht er in einem schmutzigen Hinterhof und bügelt ein weißes Hemd. Auf einem roten Samtsessel liegt ein Jackett, das von einer Katze auseinander genommen wird.

Das Bild kenn ich doch. Kommt mir wenigstens sehr bekannt vor. Diese Hochglanzbilder vom Schmutz. Krasse Gegensätze, ja. Auf den Fotos sind einzelne Menschen und Viecher, Vögel erinnere ich gerade dunkel.

Birke hatte künstlerische Narrenfreiheit

künstlerische kann weg. Jetzt ist der Kontext klar.

Die Erkenntnis kommt begleitet von Schock und Faszination: Im letzten Leben war ich Birke.

Wir bräuchten einen neuen Smiley - Zirkusdirektor zieht Vorhang auf. Das ist so Attraktion hier, ich würde den Satz streichen.

Birke wird deutlich durch das sensationelle Bild ‚Existential Justitia‘, das derselben Bildidee zugrunde liegt, wie ‚dead is deeper than water‘ von Birke.

;)

Demnächst werden auch seine Jugendschriften veröffentlicht, unter denen selbstverfasste Interviews und fast als prophetisch zu bezeichnende Texte zu finden sind, in denen er seinen späteren Kritikern bereits Worte vorwegnimmt.

Klingt nach ungesund übersteigertem Selbstbewusstsein, das sich nach dem Größenwahn streckt. Manisch passt, find ich. Er ist besessen von Selbstzerstörung und seiner Darstellung, so sehr, dass er sich eine Wirklichkeit konstruiert, in der er Gefäß für den Geist des verstorbenen Meisters ist. Ganz schön krass. Würde ich nicht als bezeichnend für die übliche Ich-Werdung bezeichnen, aber gern gelesen hab ichs!

Grüße
Kubus

 

Hallo Peter, Fliege und Kubus!

Vielen Dank für eure Kommentare. Ich habe mich sehr über die positive Resonanz gefreut! Hatte ein wenig die Befürchtung, es gäbe Schelte dafür...
Von wegen Klischee und so, aber ein enig spielt mein Text ja auch damit. (Man siehe die Titel der Bilder, für die Kubus ein Zwinker-Smiley übrig hat)
Im Einzelnen:

zu Peter:

ich würde sagen 1:0 für Dich im Wettbewerb um das problematischere Thema
Na ja, deine Prots können nie was für ihre Probleme. Meiner macht sie sich mehr oder weniger selbst. Will gar nicht sagen, was da problematischer sind. Außerdem haben deine Prots Herz und sind sozial, meine sind meist... okay, problematisch- okay, 1:0 pour moi!

Zitat:
Mein weißes T-Shirt landet auf dem Bett, die Jeans darunter,
Wenn ich das lese, stelle ich mir vor, wie er erst das T-Shirt und dann die Jeans auf das Bett wirft. Aber dann kann die Jeans nicht unter(!) dem T-Shirt landen.
Oh, das war eigentlich so gemeint, dass sich das "darunter" dr Jeans auf das Bett bezieht. Also die Hose unterm Bett landet, so weg gekickt, verstehste? Da Fliege das jedoch auch verwirrend fand, und es tatsächlich nicht kla wird, habe ich es geändert. Das sind so Sachen, da brauch man einfach nen Leser, weil der eigene Film im Kopf einen blockiert, sowas selbst zu lesen.

aber beim Lesen wirft es mich leider aus der Bahn.
Vielleicht geht das auch nur mir so.
Keine Sorge, das geht nicht nur dir so. Ist meinem Wirrkopf zu verschulden.

Schön, dass es trotzdem gefallen hat!

zu Fliege:

Ich habe wirklich gedacht, der Mann liegt da real vor ihm, dann streicht er mit seinem Finger über den Bauch
Schade, dass es so verwirrend als Text ist, eigentlich war das, was bei dir eingetreten ist meine Intention. Der Junge steigert sich da so rein, dass er die Fotos zum Leben erweckt, sie sich vor ihm räkeln usw. Als Film im Kopf sieht das gut aus, wenn da erst die Echtaufnahme ist, und das dann erstarrt und aus dem Bild rausgezommt wird, und dann der Junge auf das Buch starrt, in so ner staubigen Biblio. Aber Texte stellen andere Ansprüche an die Erzähltechnik als Filme, darum habe ich da was geändert, und hoffe es wird etwas klarer.

Stihl- Stiel
Das ist mir jetzt schon ein wenig peinlich...
Die Fehlerliste bin ich mal durchgegangen, hoffe, ich habe da nichts übersehen.

die Traumbegegnungen, die in schwarz weiß verlaufen - bis auf die bunte Frau
Wow, das Bild ist angekommen! Freut mich. Haha, die bunte Frau. Die war, mit dem Alltagsleben zuerst in Sepia gestaltet, dann fand ich das irgendwie überkandidelt, dann dachte ich... wie sag i das jetzt, dachte kurz "farbig", was aber auch missverstädnlich wäre, und am Ende, ach, nehmen wir mal bunt. Aber wirklich, klingt lächerlich, und habs rausgestrichen.
Vielen Dank!

Zu Kubus:

Eine leserfreundliche Einleitung: Wenns ihm nicht passt, kann er wegklicken
Lieber gleich an der Tür, als hinterher im Keller, was?

Deine Vorschläge zur Sprache habe ich größtenteils berücksichtigt.

Die Gesellschaft macht mich krank.
Wird schwer für den Leser, sich eine eigene Meinung zu bilden, wenn du Prot in diese Schublade steckst.
Habe ich rausgenommen, ist echt ein biskel dick aufgetragen. GEnauso wie das "Die Welt hat versagt", was von Fliege beanstandet wurde. Ist auch raus.

Zitat:
Ich versuche einen Fuß über meine Schmerzgrenze zu setzen.
schief
Wurde auch von Fliege beanstandet, ist aber ein Kritikpunkt, der mir nicht einleuchten will. Finde das so komisch gar nicht... Mal schauen, ob ich das später noch mal ändere.

Womit er letztendlich sich selbst huldigt. Das ist es, was er tut: Sich als Individuum feiern. Vielleicht diese Überhöhung des werdenden Ich, weil der Erzähler auf die Bestätigung durch das Umfeld verzichten muss, wie es welche mit vordergründig lebensbejahenden Neigungen bekämen.
Tut gut, sowas zu lesen. Schön, wenn es ankommt. Hach...

Auf den Fotos sind einzelne Menschen und Viecher, Vögel erinnere ich gerade dunkel.
Sollte ich da jetzt ein was ganz Bestimmtes denken? Klingelt grad nicht.


Zitat:
Die Erkenntnis kommt begleitet von Schock und Faszination: Im letzten Leben war ich Birke.
Wir bräuchten einen neuen Smiley - Zirkusdirektor zieht Vorhang auf. Das ist so Attraktion hier, ich würde den Satz streichen.
Habe ich auch raus. Wobe das lustig ist, weil ich die Geschichte am Anfang sogar "Im letzten Leben war ich Birke" betitelt hatte. Zum Glück nicht, puh...

Er ist besessen von Selbstzerstörung und seiner Darstellung, so sehr, dass er sich eine Wirklichkeit konstruiert, in der er Gefäß für den Geist des verstorbenen Meisters ist. Ganz schön krass. Würde ich nicht als bezeichnend für die übliche Ich-Werdung bezeichnen, aber gern gelesen hab ichs!
Dafür bräuchte man auch nen neuen Smiley, einen "Seele-Mit-Balsam-Einreib-Smiley"
Können ja meinen Prot fragen, wie sowas auszusehen hat. ;)

Also, lieben Dank.
Grüße: Timo

 

Hallo Maria!

Danke für die Kritik, aber trotzdem muss ich schimpfen:

ich bin der 08/15normal-trottel, der sich mit so einem Thema nicht im Geringsten auskennt
Sag doch sowas nicht! Da komme ich mir prätentiös vor!

der Diebstahl des Buches hat mir am meisten Spaß gemacht
Das macht mir jetzt auch eine linkische Freude... :)

mir vorgestellt, wie sie ausssehn würden, wenn sie brennen, und wie sich die Museumsleute deshalb aufregen würden
Daran werde ich beim nächsten Museumsbesuch denken müssen. Man stelles sich Dalis brennende Giraffe im tatsächlichen Flammen vor ...

Ich check die Faszination nicht.
Aber das hast du doch, wenn du (hoffentlich ironie-frei) schreibst:
Diese Beschreibungen haben mich immer wieder gepackt und ich wollte mehr Fleisch sehen
Mehr verlangt der Text doch gar nicht ??

Vielleicht bin auch zu doof
GRRRRR!!! Noch einmal so eine Aussage!!

aber bis zum Schluss war ich mir halt sicher, ich würde einer weiblichen Stimme zu hören
Was das jetzt über den Autor aussagt, lassen wir mal dahingestellt, ja? Sagen wirs mal so: Unser Prot ist ein kleiner Pink-Narcissus. Oder in diesem Fall: Black 'n' White Narcissus.

aber mit dem Gesamtwerk konnte ich mich einfahc nicht anfreunden.
Ja ja, Birkes Gesamtwerk ist auch schwierig ... Nein, das ist vollkommen ok. Es gibt Dinge, die sind geschmackssache.

Liebe Grüße: Timo

 

Hallo Timo!

Nimm meine folgenden Kritteleien nicht so ernst, ich habe einfach alles zusammengetragen, was mir aufgefallen ist – sind eigentlich Kleinigkeiten.

Da sind zu viel Respekt und der Wille, mich nicht vor ihm zu blamieren, in dem Fall, dass er nicht von Suizid sprach.

- Das ist zu viel Respekt und der Wille ... – das zum einen und dann hörte sich das „in dem Falls, dass“ nicht ganz richtig an. Eher so was wie – sollte er doch nicht von Suizid sprechen. So was in der Art, keine Ahnung.

„Es ist noch erstaunlich voll, obwohl er krank ist“, sagt sie mit einem entrückten Lächeln.

Klar, das sind Traumsewuenzen. Aber die kommen so real rüber, dass mir die Sprache seiner Freundin ein wenig aufstößt. Hört sich für mich zu geschliffen an – insbesondere wenn sie ein wenig „entrückt“ ist. Würde was kürzeres, was umgangssprachlicheres wählen.

Die Magie unserer Treffen ist gewaltvoll. Ich drohe zu zerbersten, weil ich mit niemandem darüber sprechen kann.

Zerbersten ist mir persönlich ein bisschen zu theatralisch. Ich fände es besser, wenn er detaillierter beschreiben würde, wie diese Treffen auf ihn wirken, als sie so zu umschreiben. Aber das ist vielleicht Geschmacksache.

„Sie nicht so feige“, flüstert er und ist danach außer Atem.

Sei ...

„Dieser Mensch soll gehen, dich in Ruhe lassen!“, ruft die weiß Leuchtende aus und schlingt ihre Arme um Birkes Schultern.

Auch hier finde ich die Sprache zu übertrieben geschliffen. Vielleicht willst Du es auch gerade so, weiß nicht, aber das hört sich an wie in der Bibel ...
"Er muss hier sein. Er erbt mich.“

Beerbt mich?

„Ich hol dich hier raus“, flüstere ich und gehe.

Auch noch mal bisschen arg geschwollen – für meinen Geschmack.

An den Schultern dreht sich mich um, legt ihre Hand in meinen Rücken und führt mich zu einer Wand, an der ein Selbstportrait Birkes hängt.

Dreht sie mich um ...

Dann folgen Bilder, in denen Birke der Sinnlichkeit von Gegenständen nachspürt, mehr oder weniger symbolschwangere Arrangements und Stilleben, bei denen ich Adalbert seufzen höre „… Narrenfreiheit“ .

Stillleben (mit drei l)

So. Mir hat’s gefallen – sehr interessantes Thema, gut umgesetzt! Ein bisschen problematisch ist vielleicht, dass die Traumsequenzen sich ein wenig wiederholen. Sie verändern sich nicht wirklich, es gibt keine spürbare Entwicklung, die dem Gesamtkontext hilfreich wäre – oder ich hab’s übersehen. Eigentlich hätte ich es vielleicht wirklich irgendwie besser gefunden, wenn Dein Protagonist Birke tatsächlich kennenlernen würde. Ihn wirklich beim Sterben begleitete. Das wäre auf jeden Fall sehr spannend. Kannst ja noch eine Geschichte mit diesem Thema schreiben. Das Thema ist wirklich stark! Mir hat’s gut gefallen!

Gruß

Hal

 

Hallo Hal!

Und vielen Dank fürs Lesen und kommentieren. Kritteleien nehme ich ernst, da kann der Kommentator sagen, was er will.

"Er muss hier sein. Er erbt mich.“
Beerbt mich?
Ne, das war schon so gemeint. Kubus hat das sehr schön durchschaut, ich zitiere ihn:
Hui, eine ungelesene Formulierung für Seelenwanderung. Ungewöhnlich aber gut, kann man gruselig finden, dieses Zwangserbe.
So war's gemeint. Er erbt mich, also meine Seele.

arg geschwollen; zu theatralisch
Ja, ja, das sind so Mankos in meinem Stil ...

Ein bisschen problematisch ist vielleicht, dass die Traumsequenzen sich ein wenig wiederholen.
Hum... es gibt drei dieser Traumszenen:
1. Das Kennenlernen Birkes
2. Birke klärt den Prot über das Erbe auf und stirbt am Ende
3. Die "Seelenübergabe" findet statt.
Also, wenn das nicht so ersichtlich ist, dann muss ich vielleicht noch mal was dran tun.

Kannst ja noch eine Geschichte mit diesem Thema schreiben.
Seltsam, dass du das gerade sagst. Ich war wirklich am Überlegen, ob ich Birkes "echte" Geschichte mit seiner Freundin und seinem Photographendasein schreiben sollte.
Okay, jetzt bin ich da umso mehr motiviert.

Die Rechtschreibfehler bügel ich mal schnell noch aus ...
Bis dann: Timo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey, nochmal kurz:

Hum... es gibt drei dieser Traumszenen:
1. Das Kennenlernen Birkes
2. Birke klärt den Prot über das Erbe auf und stirbt am Ende
3. Die "Seelenübergabe" findet statt.
Also, wenn das nicht so ersichtlich ist, dann muss ich vielleicht noch mal was dran tun.

Ja stimmt, da hab ich mich blöd ausgedrückt. Hätte mich besser erklären sollen. Ich meinte gar nicht inhaltlich, sondern eher atmophärisch. Immerhin geht es auf Birkes Ende zu, da könnte im Verlauf vielleicht noch ein klarerer Niedergang, mehr Zerfall rein. So meinte ich das in etwa.

Gruß

 

Ich bin dem Photographen Birke in seinen letzten Tagen begegnet.

Dein riesiges Interesse an Fotografie als Kunstform hat ich früher schon beobachtet (an einem Beitrag z. B. zu einer Geschichte Anakreons), aber hier erzählstu dazu eine schöne und gelungene Geschichte mit einem am Ende gekonnt eingefügten Eigenkommentar durch den Icherzähler,

lieber Timo,

in einer eigenen, wenn auch gelegentlich manirierten Sprache (auffällig vor allem bei der Vielzahl der Endungen auf e - was Dich aber nicht beeinflussen soll, es ist DEINE Sprache und soll & muss es auch bleiben). Gleichwohl noch ein paar Bemerkungen

Es ist still, aber ein unangenehmes Geräusch sitzt mir in den Ohren. Die Lautstärke, die in der Schule herrscht, wird einen Tinnitus verursachen.
Nur zu meiner Aufklärung: Dem Icherzähler „sitzt“ (schöne Formulierung) ein Geräusch im Ohr, trotz Stille. Gleichwohl fürchtet er, dass durch Lautstärke ein „Tinnitus“ verursacht werde. Wenn aber ein Tinnitus als nicht-objektiv, wohl aber subjektiv wahrgenommenes Geräusch definiert werden kann – dann wäre der erste zitierte Satz die Beschreibung des zweiten und zugleich eine Erkklärung: egal, wie laut / leise es andern erscheint, der Tinnitus ist immer da.

Meine ausgezogene Jeans landet auf dem Bett, …
Ist das Attribut nicht an sich entbehrlich, oder fürchtet der Icherzähler, der Satz könne sonst als Verschleierung gelesen werden, er steckte in der Hose? Beim shirt klappt’s doch.

…, bis es weh tut, …
fällt m. E. aus der gelegentlich manirierten und doch schönen, durchaus gehobeneren Sprache heraus: Böte sich nicht ein „bis es schmerzt“ an?
Weiter unten wirkt die Formulierung als Aufforderung
…, ihm weh zu tun, …
angemessener.

Es folgen Profilaufnahmen, AktphotographienLEERTASTE- das tägliche ...

Doch statt dem Seidenschimmer dieser feinen Neuhaut reflektiert das …
Besser Genitiv: „Doch statt des Seidenschimmers …“

Das fast dreikiloschwere …
Bin mir nicht sicher, aber mein uraltes Word kringelt sich heftig bei der Zusammenschreibung: könnte das Adjektiv eine Neuschöpfung sein? Auflösen sich die roten Kringel erst bei der Zerschlagung des zusammengesetzten Adjektivs in seine Einzelteile ...

Mein Körper ist vollkommen unbeschädigt, jungfräulich und glatt,
kurz: makellos. Tatsächlich erscheint mir das „vollkommen unbeschädigt“ entbehrlich.

Birke gleicht einer KohlezeichnungKOMMA die zu stark schattiert wurde, …
Relativsatz

…, bis es auf die Fliesen fällt und seine Ganzheit zerschellt.
Ganzheitsphilosophie? Genügte nicht mit gleicher Aussagekraft
…, bis es auf die Fliesen fällt und ... zerschellt.

Als ich die nächste Seite aufschlage, brauche ich einen MomentKOMMA um zu begreifen.
Durch die Rechtschreibreform muss kein Komma mehr bei Infinitivgruppen gesetzt werden - leider mit einigen Ausnahmen, und die fällt darunter (siehe K 117 Duden Bd. 1). Solltest vllt. noch mal alle Infinitvsätze anschauen, hab mit Sicherheit das eine oder andere jetzt gerade überbersehn.

Glückwunsch & Gruß vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Timokatze,

also ich konnte leider auch nicht so viel mit der Geschichte anfangen. Sie ist vom Gefühl her sehr düster und staubig und irgendwie trocken, so wie altes Brot; ich hätte mir noch saftige Tomaten und Salat oder vielleicht auch Erdnussbutter gewünscht. Ja, Erdnussbutter wäre echt toll.

Also mir ging es sehr ähnlich wie Maria.

ich bin der 08/15normal-trottel, der sich mit so einem Thema nicht im Geringsten auskennt und wahrscheinlich führt mein Fehlwissen auch dazu, dass ich mich mit der KG nicht gänzlich anfreunden konnte. Ich habe sie ganz gelesen und ich bin mir halbwegs sicher, worum es geht, doch ganz habe ich mich nicht mit der KG anfreunden können

Ich check die Faszination nicht.

Ich kann mich dem anschließen. Naja.. so im Groben. Also ich hätte das "nicht im geringsten" weggelassen, und auch das "halbwegs sicher". Klingt niedlich und unmännlich... :)

Also die Geschichte hat mich halt nicht gepackt. Ging eigentlich schon mit den Narben los. Selbstverstümmelung .. also ich finde das überhaupt nicht spannend oder romantisch. Selbstverstümmelung ist für mich auf eine Wellenlänge mit Krebs. Und Krebs ist einfach uncool.

MfG,

JuJu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel!

Vielen Dank für deine aufmerksamen Anmerkungen zur Sprache. Sie sind hilfreich, und ich werde sie umsetzen.

in einer eigenen, wenn auch gelegentlich manirierten Sprache
Das nehme ich als Kompliment. "Maniriert" gefällt mir vor allem. :)

Dein riesiges Interesse an Fotografie als Kunstform hat ich früher schon beobachtet
Stimmt, das Interesse ist vorhanden, wenngleich nicht so obsessiv wie bei meinem Prot. Die Thematik ist einfach spannend, momentan lese ich Susan Sontags Essays über Fotografie, und denke ich dabei an meine Geschichte, bekommen Wörter wie "Aggressivität" und "Aneignung" einen geradezu erschreckenden Bezug.

Hallo Juju!

Danke auch für deinen Kommentar. Wie schon gesagt wurde, ist diese Story hier wirklich Geschmackssache.
Aus diesem Anlass jedoch begann ich mich zu fragen, wie diese Geschichte wirken würde, vertauschte man lediglich ein paar Faktoren. Wenn mein Prot zum Beispiel besessen von den Models in der Vogue wäre, und sich allmonatlich aufmachte, um in wechselnden Läden das Magazin zu klauen ... um irgenwann festzustellen, dass er gerne eine von ihnen wäre, und eine Travestie/Transvestiten-"Karriere" beginnt. Das gibt direkt Stoff für eine neue Geshcichte, die jedoch auf viele wiederrum befremdlich wirkte ... Aber vielleicht wäre dann die Faszination für das Objekt der Begierde nachvollziehbarer. :)

Selbstverstümmelung ist für mich auf eine Wellenlänge mit Krebs
Das halte ich dann doch für übertrieben, wenn es nicht mit Augenzwinkern gemeint ist, wobei ich ein Augenzwinkern in Verbindung mit Krebs eher unangebracht finde.
Selbstverstümmelung oder das freiwillige Sich-Verstümmlen-Lassen hat zwar auch Gewebeveränderungen zufolge wie der Krebs, ist dennoch etwas weitaus anderes.
Es
einfach uncool
zu finden, ist dagegen schon akzeptabler.
Ist halt nicht jedermanns Sache, trotzdem gut, eine Rückmeldung von einem dieser Leute zu bekommen.

Bis dann: Timo

 

Hallo Timo,

mich hast du mit der Geschichte gepackt. Ich fand das schön ausbalanciert, diese Andeutungen, die Vermischung der Realitäten, das Ausloten des Größenwahns, alles in einem angemessenem -teilweise gekonnt verschwommenen- schwarz-weiß.
Also länger hätte die Geschichte jetzt nicht sein dürfen und das Ende finde ich in sich konsequent. Diese Faszination am Morbiden und Krankhaften, das kommt angenehm unangenehm rüber. Das ist ja auch so ein klassisches Phänomen, also, diese im wahrsten Sinne krankhafte Suche nach etwas Genial Neuem. Was kann da anderes bei rauskommen, als was Krankhaftes?
Ich glaube, alles was ernstzhaft über schaffen, um des Schaffens Willen hinaus giert, läuft Gefahr im (selbst)Zerstörerischen zu enden.
Kann eben nicht jeder Picasso heißen und finden statt zu suchen ;)

Gerne gelesen
grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Timo,

Das halte ich dann doch für übertrieben, wenn es nicht mit Augenzwinkern gemeint ist, wobei ich ein Augenzwinkern in Verbindung mit Krebs eher unangebracht finde.

Ja stimmt eigentlich, das ist ein wenig übertrieben. Ein Tick interessanter als Krebs ist Selbstverstümmelung durchaus. War ein blöder Vergleich...

Aber vielleicht wäre dann die Faszination für das Objekt der Begierde nachvollziehbarer.

Das kann schon sein. Ich habe die Geschichte gerade nochmal angelesen, und ich glaube, das Problem ist wirklich, dass ich die Faszination nicht wirklich nachempfinden kann.

MfG,

Juju

 

Hallo Weltenläufer!

Danke fürs Kommentieren. Freut mich, dass ich dich mit der Geschichte packen konnte. Kann ich dich also zu den Leuten rechnen, die was mit dem Text anfangen können.

Ich glaube, alles was ernstzhaft über schaffen, um des Schaffens Willen hinaus giert, läuft Gefahr im (selbst)Zerstörerischen zu enden.
Kann eben nicht jeder Picasso heißen und finden statt zu suchen
Ja, das muss man auch als Autor aufpassen ... ;)

Hallo Juju!
Also bei deinen Komms wünschte ich mir, es gäbe Ironie-Zeichen, weil ich da immer das Problem habe, nicht von Ernst oder Spaß zu unterscheiden.

Ein Tick interessanter als Krebs ist Selbstverstümmelung durchaus
Da Hierarchien aufzustellen, dass ist doch ... Verstehste? Ich hoffe mal, es war sarkastisch gemeint. Auch wenns dann gegen mich geht, der so widerliche Themen für Geschichten benutzt. Ich meine, Krebs wählst du nicht, das passiert dir, während Selbstverstümmelung (von einer Debatte über den freien Willen mal abgesehen, und diesen Willen vorausgesetzt) etwas gewähltes und frei entschiedenes ist.
Ehm ... ich hör jetzt auf.

Bis dann:
Timo

 
Zuletzt bearbeitet:

Also bei deinen Komms wünschte ich mir, es gäbe Ironie-Zeichen, weil ich da immer das Problem habe, nicht von Ernst oder Spaß zu unterscheiden.

Interessant, dass du das sagst. Da bist du tatsächlich nicht der erste. Ernst und ich haben irgendwie ein lockeres Verhältnis, wir müssten eigentlich besser als Team arbeiten.


Da Hierarchien aufzustellen, dass ist doch ... Verstehste?

Unüblich, ich weiß ... aber es gibt Leute, die beschäftigen sich auch in der echten Welt mit solchen Dingen, und der eine findet es nunmal cooler, einen Tumor rauszuschneiden, und der andere interessiert sich mehr für Leute, die sich selbst schneiden und sich das Leben nehmen wollen. Das klingt für manchen vielleicht komisch, muss man auch nicht unbedingt verstehen, aber in solchen Kreisen ist es sehr üblich, unter Krankheiten Hierarchien aufzustellen.
Und auch wenn dein Prot mich nicht so gefesselt hat, so finde ich Verhaltensstörungen doch um einiges interessanter als Krebs. So meinte ich das letztlich.

Der Mann gehört nicht hierher, liegt aber auf dem Tisch in der Bücherei und streicht mit der Hand über Narben auf seiner Brust. Dabei berührt es mich peinlich, dass wir uns so sehr voneinander unterscheiden. Ich schäme mich dafür, dass ich selbst unschuldig bin und Gefallen an der Verworfenheit des anderen finde.

Also ich glaube nicht, dass ich mich in meinem Leben jemals dafür geschämt habe, unschuldig zu sein und Gefallen an einem Verworfenen gefunden zu haben. Dieses Gefühl hast du mir letztlich auch nicht vermitteln können, und deswegen bin ich einfach nicht in den Text reingekommen. Ist wahrschinlich einfach ein persönliches Ding. Glaube übrigens auch nicht, dass dein Prot unbedingt eine Verhaltensstörung haben muss, das sind einfach Wesenszüge, die vielleicht anders sind als meine.

Ich freue mich auf deinen nächsten Text.

MfG,

JuJu

 

Hey Juju!

aber in solchen Kreisen ist es sehr üblich, unter Krankheiten Hierarchien aufzustellen.
Ethisch und moralisch zutiefst verwerflich, direkt pietätlos ...

Und auch wenn dein Prot mich nicht so gefesselt hat, so finde ich Verhaltensstörungen doch um einiges interessanter als Krebs. So meinte ich das letztlich.
Okay, das hätte man auch gleich so sagen können, oder?! Ich dachte echt du meinst das als Vorwurf, das "interessanter". So, als schlachte ich hier was aus perverser Geilheit aus.
Dann ist ja alles klar.

Grüße: Timo

 
Zuletzt bearbeitet:

Okay, das hätte man auch gleich so sagen können, oder?!

gut möglich, dass wir hier aneinander vorbeireden..

Ethisch und moralisch zutiefst verwerflich, direkt pietätlos ...

Also damit wollte ich nicht sagen, dass ein Mensch, der an Krankheit x leidet, mehr wert ist, als jemand, der an Krankheit y leidet. Das ist zwar in den Augen vieler tatsächlich so (jemand, der sich in Thailand mit HIV ansteckt wird eher stigmatisiert, als ein Krebspatient,) aber das wollte ich nicht damit sagen..
Es gibt einfach Krankheiten, die unter Mediziner einfach mehr "Interesse" erwecken. Also irgendeine seltene Tropenkrankheit, an der ein Mal alle zwei Jahre ein einziger Deutscher erkrankt, hat einfach nicht denselben Stellenwert wie jetzt EHEC zum Beispiel, und zwar weder im Studium, noch in der Klinik, noch in der Forschung, noch sonstwo. Ich weiß nicht, ob das so pietätlos ist, ist halt die Realität.

Also wenn es dich erwischt, wird man sich schon um dich kümmern. Du musst halt hoffen, dass es dort jemand gibt, der eine Ahnung hat, was man da machen soll. :)

Von ethisch verwerflich kann man vielleicht reden, wenn jemand, der versucht hat, sich umzubringen, nicht dieselbe Behandlung bekommt, wie einer, der ein Autounfall hatte. Das kommt schon immer wieder vor.

Knifflig sind dann auch so Fragen, ob einer, der seine Leber kaputt gesaufen hat, auf einer Transplationlslisste genauso berücksichtigt werden soll, wie einer, der ein Erbleiden hat...

Oder wenn man für eine Krankheit eine Heilung kennt, die Krankheit aber so selten ist, dass es sich für die Pharmaindustrie finanziell gar nicht lohnt, die nötigen Tests zu machen, um das Medikament dann auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Also in der Medizin gibt es extrem viele knifflige ethische Fragen, und es läuft auch nicht alles immer mit rechten Dingen ab, aber dass man Krankheiten von oben nach unten ordnet, und zwar nach allen möglichen Kriterien (Inzidenz, Prävalenz, Mortalität, Letalität, Dringlichkeit, "Interesse", Forschungsgelder, Curriculumsumfang) das ist ganz normal.

Wahrscheinlich hast du mich falsch verstanden.

MfG,

JuJu

 

Hallo Timo,

ich hab erst ein paar Absätze gebraucht, um mich in Deine Geschichte einzufinden (Der anfang packt, aber ist nicht einfach. Zumindest jüngere Jugendliche dürften da erhebliche Probleme haben ...). Beim zweiten Lesen hat sie mich allerdings richtig gepackt, und das Gefühl habe ich jetzt, einige Wochen nach diesem zweiten Mal immernoch gehabt. Das möchte ich Dir schreiben. Du hast hier eine richtige Charakterstudie geschaffen und vermittelst dem Leser nicht durch plumpes Adjektiv-aufzählen, sondern durch die geschickt eingesetzten erzählerischen Mittel das Bild eines besessenen, interessanten, aber nicht unbedingt sympatischen Menschen.
Hab ich gern gelesen.

Ich gebe übrigens Juju recht, mir ging es ebenso:

Also ich glaube nicht, dass ich mich in meinem Leben jemals dafür geschämt habe, unschuldig zu sein und Gefallen an einem Verworfenen gefunden zu haben.
man sehnt es höchstens herbei, ebenso zu sein, sich so zu fühlen oder zu verhalten, oder man schämt sich seiner Feigheit. mMn .

Grüße
Anne

 

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