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Allein
Weiter, immer weiter, niemals aufgeben, einen Schritt nach dem anderen.
Stille zeichnete diese sternenklare Nacht aus. Alles war ruhig, bis auf einen seichten Hauch des Windes war nichts zu hören. Die Ruhe vor dem Sturm? Oder eine von jenen Nächten, welche einem häufig in alten, staubigen Kinderbüchern widerfahren ?
Die Bank war schon porös, doch das kleine Mädchen saß mit Erhabenheit auf ihr, als wäre es ein Thron, der voller Anmut und Würde in einem großen Saal gefüllt mir Gold und Silber steht. Es war ihr Thron, zumindest fühlte sie so.
Sie genoss die Nächte, an denen sie allein war, an denen sie Zeit hatte, sich auf ihrem Thron niederzulassen und einfach nur genießen zu können. Oft saß sie Stunden dort und verspührte den Drang nie mehr fort zu gehen, in den kalten Morgen... Sie wünschte sich endlose Dunkelheit, Dunkelheit in der sie nicht von der kalten, hellen Substanz Namens "Licht" angegriffen werden konnte.
Ein Hauch der Kälte durchfloß ihren Körper, ihre Seele.
Härchen auf ihren Armen richteten sich auf,
sie war allein...
Sie drehte sich zur Seite und schaute sich um. Die Bäume sahen aus wie alte Menschen, deren Seelen in der ewigen Steifheit gefangen waren.
Blätter fielen zum Boden, nachdem sie eine kreisrunde Bewegung hinter sich hatten. Vor zwei Wochen noch hingen sie fest am Baum, keiner vermochte es sie abzureißen, so schön und perfekt sahen sie aus,
perfekt...
Doch auch das Perfekte und das, was einem perfekt erscheint, ist vergänglich.
Das junge Mädchen gab es eines Tages auf perfekt seien zu wollen. Schon allein bei dem Wort, schüttelte es sie.
Sie war nicht wie alle, hatte Träume und doch war sie gefangen in einem Körper der nicht zu ihr passt ..
Sie sah empor zum Himmel und erblickte einen Vogel. Wohin er wohl zieht? Sie fragte sich, ob Vögel wirklich so frei wären, wie es sich die Menschen immer vorstellen,
unbefangen....
Oft schon hatte sie sich gewünscht es den Vögeln und ihren Gedanken gleich zu tun, davon zu fliegen, ohne zu wissen, wohin einen die Reise führt. Fort aus dem Konsum den die Menschen oftmals mit Liebe verwechseln, fort von allem Materialismus.
"Wer die Menschen kennt, liebt die Tiere," sagte das Mädchen leise und seufzte.
Der Wind wurde stärker und es schien, als wollten die steifen Seelen der alten Menschen in den Bäumen mit ihr reden, so stark schwangen die Äste umher.
Doch das Mädchen hörte die Seelen nicht ... legte sich hin und schaute in den Himmel. Endlose Weiten.... Endlose Liebe....
Sie war allein....
Langsam und zart nieselte es auf ihre Nase, die sie wie ein anmutiges Juwel Tag für Tag mit sich trug. Eine kleine Nase, gewöhnlich wie jede andere, aber doch besonders und einzigartig.
Doch das Mädchen bemerkte die Tropfen nicht, war versunken in Gedanken. Sie fror, doch gehen konnte sich nicht, wohin auch?
Sie war allein ...
Ihr Thron wurde nass und der Geruch des Regens lag in der Luft.
Der Geruch von nassem Holz war ihr so bekannt, wie der, ihres heißen Kakaos, den sie damals Morgens so gern trank. Damals ... damals war alles anders, dachte sie.
Ewig wollte sie die stille Nacht genießen, nie mehr allein sein,
allein.... !
Kalt und eisig war es, als der nächste Morgen anbrach. Die Wärme der Sonne war nur ein Schein, vergänglich wie vieles andere.
Das Mädchen lag auf den kalten, harten Boden, gestürzt von ihrem Thron. Tot, erfroren.
Neben ihr ein kleiner Baum, ganz zart und zierlich, kaum 20 cm groß ...
Es schien, als wollte er etwas sagen, doch Tag für Tag gingen die Menschen stumm daran vorbei. Jeder von ihnen war allein!