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Am Feldrand

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26.09.2002
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Am Feldrand

Am Feldrand

Dunkle Sturmwolken verzogen sich und machten der Sonne Platz, die schon ganz warm ihre Strahlen zur Erde zwischen den Rübenfeldern sandte.
Einen Menschenfuß breit neben einem asphaltierten Feldweg hob sich ein winziger Brocken Schlamm. Zwei Mal fiel der kleine Erdklumpen zurück an seinen Platz, bevor er sich ein drittes Mal hob und der rosa-braune, vor Nässe glänzende Kopf eines Regenwurms zum Vorschein kam. Prüfend schien der Wurm, der vom einsickernden Regen aus dem Boden gelockt worden war, die feuchte Luft in alle Richtungen zu schmecken, bevor er seinen im Sonnenlicht glitzernden Körper nachzog und mit einem nur für Regenwürmer hörbaren "Plopp" schließlich ganz ins Sonnenlicht kroch.
"Wie herrlich!", dachte er und streckte sich wohlig auf seine ganze Wurmlänge.
"Es muss wohl bald Sommer werden, so wunderbar, wie die feuchtwarme Welt sich anfühlt! Heute habe ich richtig Lust, auf Entdeckungsreise zu gehen. Mal versuchen, wie der Matsch dort hinten schmeckt!"
Und schon war der kleine Regenwurm unterwegs. Stück für Stück zog er seinen Körper vorn zusammen, streckte sich hinten, streckte sich vorn und kam so Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Dort, wo er kroch, hinterließ er eine wurmdünne, schnurgerade Spur im Schlamm, in den der Regen den trockenen Feldboden verwandelt hatte. So fröhlich, wie ein Regenwurm nur sein kann, zog und streckte der Wurm sich unternehmungslustig durch seine lehmige Welt, bis er plötzlich innehielt. Der Boden wackelte! Und irgendetwas begann in der Ferne dumpf zu dröhnen!
Der Wurm konnte den riesigen Traktor, der sich donnernd näherte, nicht sehen, aber er fühlte, dass er sich in großer Gefahr befand! Verzweifelt versuchte er, sich wieder in den sicheren Boden zu wühlen, doch er war inzwischen in einer Matschpfütze auf den befestigten Feldweg geraten und schon nach wenigen Augenblicken musste er aufgeben, weil der steinharte Asphalt ihn nicht nach unten ins Erdreich durchließ. Er wusste keinen anderen Rat, als sich ganz still und reglos zu verhalten, als das Geräusch immer lauter wurde. Etwas Riesiges wühlte gleich neben ihm den Schlamm auf, zog brüllend vorbei und verschwand wieder leiser werdend in der Ferne.
Schreckensstarr blieb der kleine, rosafarbene Wurm noch eine lange Zeit still liegen. Er wagte nicht, sich auch nur eine Wurmbreite vom Fleck zu rühren. Im Sonnenlicht dampfte die Pfütze, in der er lag und plötzlich fühlte er, wie die für ihn lebenswichtige Feuchtigkeit von der Sonne mehr und mehr aufgetrocknet wurde. Er musste dringend weg hier! Doch schon merkte er, dass der Boden um ihn herum ganz hart geworden war und er seinen Wurmkörper kaum noch bewegen konnte! Zu allem Unglück wackelte schon wieder der Boden, sicher kam wieder eine furchtbare Gefahr heran!

Regenwürmer haben zwar keine Augen, Ohren aber schon, und so hörte der Wurm Kinderlachen und lautes Rufen: "Guck mal, Papa, ich habe einen Regenwurm auf dem Weg gefunden, aber der ist ziemlich ausgetrocknet!" Fast schon ohnmächtig hörte der kleine Wurm eine andere, erwachsenere Stimme: "Komm schon, wirf ihn wieder aufs Feld, vielleicht kannst du ihm damit das Leben retten!" Und schon fühlte der Wurm sich gepackt und durch die Luft geschleudert. Unsanft, aber lebendig, landete er weit im Feld neben einer dicken Futterrübe in einer feuchten Ackerfurche. Dort hatte sich noch ein wenig Regenwasser gesammelt und aufatmend ringelte er sich zusammen, ruhte sich ein wenig aus und grub sich mit schwindender Kraft in den nassen Feldboden.
Mit dem letzten Stückchen Wurm-Hinterteil winkte er den Menschen auf dem Weg drüben einen Dankesgruß zu, bevor er im Schlamm verschwand. "Vielleicht", dachte er dort unten im sicheren, feucht-dunklen Erdreich, "haben sie es ja sogar noch gesehen ..."

Susafee 2004

 

Hallo Susanne,

eine spannende Geschichte (als der Traktor kam, habe ich tatsächlich mit dem Regenwurm mitgefiebert :) ) mit einem guten Ende, sehr niedlich für kleinere Kinder. Allerdings nimmt der Titel ein bißchen was von der Spannung, weil er das Happy End schon andeutet.

Kleine sachliche Anmerkung (die aber dem Text keinen Abbruch tut): Regenwürmer kommen für gewöhnlich nicht nach dem, sondern während des Regens an die Oberfläche. So seltsam es sich anhören mag - sie laufen sonst Gefahr, in ihren Gängen in der Erde zu ertrinken. Das ist auch der Grund, warum bspw. Amseln auf dem Boden herumhüpfen - sie imitieren damit das Geräusch der fallenden Regentropfen und locken so die Würmer aus dem Boden! Na ja, habe ich zumindest mal gelesen... ;)

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo Roy,
hihi, na du bist mir ja ein kleiner "Haarespalter" *lach*! Also dann nehmen wir mal an ... also wenn die Regenwolken gerade mal abgezogen sind, dass die unteren Stockwerke der Erde (so 17. bis 18. Erdschichtzentimeter) hoffnungslos überflutet sind und unser Wurm bis jetzt eben gebraucht hat, um sich nach oben durchzuarbeiten (schaufel, schaufel, hetz, buddel, buddel, hetz ...)
Das mit den rumhüpfenden Amseln ist mir soooo noch nie aufgefallen, du meinst wirklich, dass sie Regentropfen imitieren? Superinteressant, werde mich gleich mal am Fenster zum Garten auf die Lauer legen. Das klingt so lustig, dass es fast schon wieder eine Geschichte wert ist ... wart's ab ...
Jedenfalls freu ich mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!
LieGrü von Susafee

 

Hey Susafee!
Niedliche Geschichte für die Kleinen! Ordentlich Spannung dabei, gefällt den Kindern bestimmt. Und ein Happy-End zum aufatmen ;)

Das mit dem Titel hat Roy hat schon angesprochen. Aber ich bin so einfallslos bei Titeln, ich kann dir leider keine Alternative geben.

Bald bald is mein kleiner Cousin groß genug, dass ich ihm endlich die ganzen vielen Geschichten von hier vorlesen kann :D *zappel* bzw seine Eltern, die wohnen ja leider so weit weg :(

Auf zur nächsten geschichte, susafee ;)

 

Ja, gut, ich ändere den Titel, ihr habt Recht.


"Das Spice muss fließen ..." (Da war doch auch was mit Würmern)-ts ts, bin heute albern ...

 

Hallo Susafee,
Geschichten, die Kindern (und vielleicht auch Erwachsenen) Achtung vor jeder noch so kleinen Art von Leben vermitteln, finde ich toll. Vor allem, wenn sie so unterhaltsam und bildhaft geschrieben sind, wie "Am Feldrand".

Ich habe immer schon aufgepasst, dass ich beim Spazierengehen nicht auf Regenwürmer, Schnecken, etc. steige. Dein Text kann sicher auch andere dazu bringen, sich genauso zu verhalten.

mfg,
Markus

 

Hallo susafee,
Kompliment zu dieser Geschichte. Nur so können die Kinder zur Achtung vor dem Leben erzogen werden.
Besser jedenfalls, als wenn sie probieren, den Regenwurm zu teilen, um zu sehen, ob dann beide Teile weiterlaufen.
Weiter so!
Stauni

 

Liebe Susanne,

das ist mal wieder eine Susafee-Geschichte so richtig nach meinem Geschmack. Ein Protagonist, mit dem man mitfiebern kann, eine große Gefahr (ich sah den armen Wurm schon plattgewalzt auf der Straße liegen) und ein glückliches Ende. Wobei ich als besonderen Pfiff empfand, wie der Wurm zum Abschied mit dem Hinterteil winkt :D.

Was habt Ihr eigentlich alle gegen den Titel? Hieß die Geschichte zuerst anders?

Übrigens, das mit den Amseln, was Roy erzählte, habe ich auch mal irgendwo gelesen ...

Liebe Grüße
Barbara

 

Hi liebe Barbara,
die Geschichte hieß vorher: "In letzter Sekunde!", das war wirklich ein bisschen zu vorhersehbar, deswegen jetzt das neutralere "Am Feldrand".
Winke-winke und schöne Ostereier
von Susanne

 

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