Was ist neu

Beine

Mitglied
Beitritt
12.08.2004
Beiträge
309

Beine

Der Typ kommt total hektisch und wirr redend auf die Bühne und läßt sich fallen, der Helm rollt etwas weiter und wippt dann noch eine Weile weiter.

Also paßt auf. Das war so. Der Typ ja, also der mit dem Schlitten, ne Flunder war das, also der ...Nee ich beginn´ von vorn, ganz von vorn. Also Biker. Das bin ich, ja? Schaut mich an, seh ich wie einer aus. Ja? Der Helm! Wo isser? Da! Ja der Helm ist wichtig, das macht viel aus. Und die richtigen Hosen. Am besten Kurze. Ich sag´s euch. Kurze Hosen, ja! Das ist wichtig! Vor allem wenn die Kette schmiert. Und die Kette muß schmier´n. Damit sie schnurrt wie eine Katze. Also kurze Hosen, okay? Ich hatte kurze Hosen an. So wie jetzt. Ja! Und oben ein lockeres Hemd. Damit der Wind rein kann. Leute! Der Wind, wenn der dir unters Hemd fährt.

Also ich fahr durch den Park, so friedlich. Laß es rollen. Will heim, nach der Arbeit. Heim zu Lu. Und der Typ kommt vorbei, der andere! Der andere Biker kommt vorbeigerast und schaltet, der Sack. Neben mir schaltet der. Scheiße, denk´ ich, der will ein Rennen, der Sack, schaltet neben mir. Das ist Krieg. Ich also setz´ die Füße richtig. Ja auf den Pedalen mußte richtig stehen, damit der Druck drauf kommt. Der Druck muß sein, Du mußt spüren, wie es zieht in den Schenkeln...und der Typ ist schon 20 Meter weiter und ich hab´ kein Bock... eigentlich... aber ich geh´ hoch, aus dem Sattel und rein in die Pedalen. Den krieg´ ich, den Sack. Neben mir zu schalten, wo ich heimfahre von der Arbeit zu Lu. Ja da mußte sparen mit den Kräften. Lu isses egal, wieviel Kilometer du vorher gefahren bist. Der brauchste so nich kommen, aber ich mußte ihn kriegen, den Sack. Wer neben mir schaltet, der is dran. Und ich hab´ ihn gekriegt und wie ich ihn gekriegt hab, den Sack. Unter den Wind hab´ ich mich geduckt an den Lenker geschmiegt hab´ ich mich, den Wind abgleiten lassen, meine Füße voll auf den Pedal´n . Abgehängt hab´ ich den Sack noch im Park, der konnt´ nicht mehr schalten. War kein Gang mehr da!

Ja so war´s, ich war auf der Straße und ich hab´ ihm in den Arsch getreten, dem Sack, hab´ ihm mein Rückprofil gezeigt. Ja ich war drauf. Ganz oben. So ist das, wenn plötzlich die Energie kommt. Von unten rollt das hoch und du merkst, wie sie sich sammelt in der Hüfte sammelt, wo´s dann prickelt und von wo sie sich dann in Explosionen entläd und du nur...nur treten willst, wo du den Beat bekommst, wo du der Beat wirst, wo du schreist “Ich bin der Beat“ und ihn trittst mit einer Affenenergie. Wo dich nix aufhalten kann, wo du nur immer weitertrittst.

Nach dem Park ist diese Ampel, die auf Rot steht und ich in die Mitte von der Straße, die Autos recht´s neben mir stehen wie bescheuert da. Ich bremse nicht. Und wie die Ampel plötzlich auf grün schnippt, weil ich der Beat bin, den keiner halten kann. Ich also vor den Autos wieder auf die rechte Seite. Treten, immer weiter treten. Kein Schalten nur treten und keiner überholt. Kein Auto kommt. Ich dreh´ mich um, seh´ diesen Jaguar, diesen flachen Schlitten, diese Flunder, auf der Straße, wie sie hinter mir hängt. 5 Meter.
"Na gut.", sag´ ich und merk, wie die Energie wieder explodiert. "Jetzt zeig´ ich dir den Beat. Den Beat, der das Leben ist, der Beat, der mich pusht. Schau auf deinen beschissnen Tacho! Schau mir auf die Beine, die den Beat treten."
Ich greif den Lenker, für die Energie, um sie zu bündeln, die Unterarme werden fest, die Muskeln kommen raus, die Waden auch. Die Energie ist da. Nur noch treten. Ich merk, wie die Energie zieht, wie sie zäh wird, wie sie aus den Muskeln gezogen wird und fließt, direkt auf die Pedalen und der Typ überholt nicht, ich trete, wie beschissen, ich tret´ den Beat in die Pedalen. In das Kugellager, in die schnurrende Kette, in die Speichen. Der Schweiß läuft mir den Rücken runter. Der Atem im Beat und der Typ überholt nicht. 2 Kilometer. Ebene Strecke. Wahnsinnsfrequenz. Ein Wahnsinnsbeat.
Dann der Wind von vorn und das Tief. Plötzlich ist alles leer, ich mach´ schlapp, ich merk´, wie die Energie abfließt, der Griff sich lockert, ich kommt hoch und laß es rollen. Wieder atmen, ganz normal und der Typ überholt nicht. Seit 2 Kilometern hängt er hinter mir. Ich schau zurück. Der Typ ist noch da. Ich halt den Finger raus, ich bieg ab, ich muß abbiegen. Ich bin fertig, ich will nach Hause. Zu Lu.
Und dann überholt der Typ. Ich hör´ den Motor nicht. Teurer Schlitten. Ich hör´ gar nix, ich hör´ ein leises piepen im Ohr, daß ist der Beat, der abklingt. Ich roll´ aus, ich bin fertig. Ich seh´ ihn abbiegen vor mir. Er schaut nicht in den Spiegel, weiß wohl, das ich fertig bin, daß er nichts befürchten muß, wenn er jetzt abbiegt, ohne zu blinken, ohne zu schauen.
Er ist weg und ich rolle aus. Beine fahren auf den Pedalen Karussell. Das ist mechanisch. Ich rolle und schau nach vorn und da steht der Jaguar quer auf der Straße. Der Typ lehnt da. Mit seiner Sonnenbrille und die Beine übereinandergeschlagen. Er wartet. Er wartet ganz ruhig, läßt mich heranrollen. Die Straße ist leer. Eine Sackgasse für Autofahrer. Er lächelt.
Ich werd´ langsamer, ich bleib stehen, steig´ ab, die Stange zwischen den Beinen, die Beine zittern, der Schweiß läuft runter wie Wasser.
"Na." sagt der Typ.
"Was ist?", frag´ ich, will nach Hause zu Lu. Ich will zu Lu und nichts wissen.
"53 km/h." sagt der Typ.
"Ja?"
"Kannst nachschauen, ist noch gespeichert im Bordcomputer." Er nickt nach hinten.
Scheiße, ich will das jetzt nicht wissen. Ich steh´ da und die Knie zittern. Der Typ kommt heran. Nimmt die Brille ab. Graue Augen. Harter Blick.
"Du bist gut."
"Ich weiß."
"Du fährst oft hier lang."
"Jeden Tag."
"Ich weiß.", sagt er und schaut mich an. Direkt. Ohne Scheu.
"Deine Beine.", er befeuchtet seine Lippen. „Deine Beine sind schnell.“
Ich schau runter. Sie zittern. Ich setz´ mich auf die Stange.
"Ja.", sag´ ich. "Und?"
Lu wo bist du?
"Du hast gute Beine.", sagt er. "Absolut durchtrainiert."
Pause. Ich warte.
"100 Euro."
"Was?"
"100 Euro, wenn ich sie mal berühren darf."
"Was willst du?"
Er lächelt.
"Ich will sie mal anfassen."
Ich roll´ etwas zurück. Was soll ich machen? Was soll der Mist? Lu!
"Komm´ mir ja nicht zu nah!"
"Keine Angst, ich tu dir nichts. 100 Euro.", er faßt in die Brusttasche seines Polohemdes und holt ein Bündel Scheine raus. Holt einen Grünen raus und legt den Rest wieder zurück, "Für deine Beine."
100 Euro! Scheiße! Da könnt´ ich endlich mal die Rollerskates für Lu kaufen. Sie will die Dinger schon seit Ewigkeiten.
"Ich krieg 100 und du faßt mal kurz an?“"
"Jep."
"Hier auf der Straße?"
"Wie du willst, du kannst auch mit zu mir..."
"Okay hier."
"Deine Entscheidung."
"Und wann krieg ich den Schotter?"
"Danach."
"Nein sofort!"
"Okay!", er kommt näher, den Schein zwischen zwei Fingern. Mit der anderen Hand steckt er sich seine Sonnenbrille ins Hemd. Lächeln. Kalt. Wer weiß wen er sonst schon alles gekauft hat. Scheiße!
"Bleib´ mir fern du verdammte Schwuchtel!", brülle ich.
Er bleibt stehen, weiß nicht, was los ist.
"Ich brauch´ dein beschissnes Geld nicht. Bleib´ mir bloß fern!"
Ich reiß mein Bike rum. Peile die Lage. Vorn links ist eine Abzweigung. Nur für Fußgänger. Da kann er mir nicht folgen. Ich trete. Ich trete nur so. Kein Beat. Panik. Ich schau zurück, er steht noch dort. Abwartend. Ich bieg´ ab, in den Fußweg.
Ich laß´ rollen. Atmen. Will nach Hause. Hab´ schlechte Laune. 100 Euro! Hätt´ ich gut gebrauchen können. Und nur einmal anfassen. Ich bleib stehen. Schau zurück. Keine Flunder, kein Typ. Keiner folgt mir. Kann die Straße nicht mehr sehen. Überlege. Ein Hunderter! Was kann man nicht alles damit machen? Ich dreh um, ich fahr zurück und als ich auf die Straße komm´ ist sie leer, der Typ ist nicht mehr da.

Dann bin ich nach Hause. Zu Lu und hab´s ihr erzählt. Alles haarklein. Von dem Jaguar und von dem Typen, der meine Beine wollte und sie lachte und glaubte kein Wort.

 

Hallo macsoja

Du verwendest sehr viele Wiederholungen, die mich ein wenig stören.
Am meisten war es "Sack" glaube ich. ;)

Deine Geschichte ist sehr amüsant und auch ein wenig spannend.
Die Szene, wie er so dahinrauscht auf seinem Rad, finde ich, ist Dir sehr gut gelungen. :D
Insgesamt hat mir die Geschcichte sehr gefallen.
Allerdings finde ich nichts experimentelles darin.
Was habe ich übersehen? :confused:

Liebe Grüße, Susie

 

Hi mac,

nun muß ich wirklich fragen, warum liest diese Geschichte keiner??? :hmm:

Sie ist witzig, lebendig, temporeich und dazu noch spannend.
Deine Sprache gefällt mir.
Du führst uns in die Gedankengänge eines jungen Mannes, der in seiner Fantasie der Größte ist.
Das er auf einem Fahrrad sitzt, habe ich erst ziemlich spät begriffen.
Das er immer wieder "Sack" sagt, ist verständlich. Damit puscht er sich hoch, steigert sein Adrenalin.
Auch wie du beschreibst, dass der Junge keine Kraft mehr hat, aufgibt, finde ich klasse.
Ich sah alles Bildhaft vor mir.
Zuerst glaubte ich, der,(was war das nochmal fürn Auto?) egal, der Autofahrer hätte ihn als neues Talent für Fahrradrennen entdeckt.

Dein Prot gerät ins schwanken bei der Aussicht auf 100 Euro, es siegt seine Abscheu und doch ärgert er sich letztendlich, auf das Geld verzichtet zu haben.
Was ist schon dabei, einmal seine Muskeln anfassen zu lassen? :shy:

Auch das hast du sehr gut beschrieben. Absolut menschlich, genau so hätte es sein können.

Es tut mir leid, wenn ich dir nichts Produktives zur Verbesserung deiner KG sagen kann. Ich finde sie Klasse, so wie sie ist.
Rechtschreibung, Kommasetzung und son Zeug, liegen mir selber nicht, darum überlasse ich das gerne Anderen. :shy:

Tja, warum wurde sie nur einmal gelesen?
Vielleicht weil du beim ersten Komm. schon nicht geantwortet hast???
Wie du mir, so ich dir, dass ist das Spiel des Lebens. :)

Hoffe, man wird mal auf dich aufmerksam :)
Ich werde jedenfalls, mit der Zeit, deine anderen auch noch lesen.

liebe Grüße, coleratio

 

Hallo Macsoja!

Auch ich finde, eine gute gelungene Darstellung der Gedankenwelt eines Bikers (also eines Porschefahrers auf zwei Rädern?!).
Die Sprache passt, auch und gerade mit den ständigen Widerholungen. Und ich finds gut, dass er seiner Lu und wohl auch sich selbst treu geblieben ist. Nur ihre Reaktion, die gefällt mir nicht so gut. Damit drückt sie sich vor der Entscheidung - Geld oder Integrität. Aber vielleicht ja gewollt, um die Beziehung nicht zu belasten.

Gruss

Jo

 

Hello Mac

Sie ist gut, wie so fast wie alles von dir. Der Protagonist hat ne' super Sprache, die gefällt mir. Vor allem der Typ mit der Flunder, den fand ich super. War ganz erstaunt als der auf einmal auftauchte. Was soll das?, fragte ich mich. Wieso taucht der denn jetzt hier auf? Das kam so gut mit dem
"Kann ich mal deine Beine anfassen, 100 €!"
Echt gut. Also ich, als Freundin dieses Bikers, müsste auch eine Minute überlegen ob ich ihm diese Story glauben würde. Tun würde ich es schon.
:thumbsup: Super :thumbsup:

Herzlichst,
Lea

 

Willkommen im Alltag

Vielen Dank für die vielen Meinungen.

Will mal einen kuren Komm. abgeben, obwohl´s so viele Fragen ja eher nicht gibt.

Ja ins Experiment habe ich es damals gestellt, weil es eben absolut in der Perspektive des Prots geschrieben ist. Er erzählt es praktisch 1:1 und es ist dann schon eher ein Monolog und man kann sich´s auch auf ner Bühne vorstellen (darum oben die kleine Regieanweisung). Darum natürlich auch schwer bewertbar, weil eben so subjektiv, da kann man immer sagen: Der ist eben so.
Naja ansonsten paßt es nirgendwo rein, irgendwie. Man kann es nicht wiederholen, keine Serie draus machen, ihn nicht noch andere Geschichten erzählen lassen. Er ist kein richtiger Erzähler. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es was spezielles ist.

Darum eben in Experimente, weil es für mich keine normale Alltags-Geschichte war.
Jetzt sind wir aber umgezogen und schauen mal ;)

Viele Grüße

mac

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom