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Berühmt

HGD

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11.12.2001
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Berühmt

Um halb zwei morgens kauere ich in meiner kleinen Wohnung und sollte mich freuen, endlich zu Hause zu sein. Keine Hotelzimmer mehr, die aufgeräumt werden und eine Stunde später dem nächsten Star sterile Heimat sind. Mit einmal Whiskey, einmal Shampoo, einmal Zimmerservice, zweimal Zimmerservice. Ich sitze am Boden meines Badezimmers, denn dort höre ich ihre Schreie nicht; die Schreie meiner Fans, die den Boten mit meinem Bier, meinen Zigaretten und meinem Gras anfangs nicht durch die Eingangstür meines Mietshauses ließen. Ich sollte rauskommen, um es entgegenzunehmen; so die Skandierung. Skandal! Endlich bekifft und besoffen gucke ich in den Spiegel, der extra angeschafft wurde, um mich in voller Größe zu reflektieren. Nur meinen Kopf und meine liebste Trainingsjacke. Mehr sehe ich nicht. Bin ich wirklich so berühmt?

Eine feste Frau habe ich, seitdem es anfing, nie gehabt. Ich schreibe über junge Mädchen, die mich verstießen, als ich noch klein und hässlich war. Ohne Geld; ohne Groupies. Betrunken eines dieser Dinger im Bett zu betrachten, wenn sie noch schlafen, ihre Attraktion gewesen zu sein; das hat mir ein falsches Lächeln auf die Lippen gezaubert. Falsch, denn der Sex war gut und mehr ist mir einfach nicht bekannt über eben jenes Groupie. Ich kann ihnen keinen Text widmen; sie sind keine Musen.

Es ist eine Last für sie das zu sein, was die Gala ihnen gibt. Durch eine Gala ihnen gegeben wird, bei der ich über einen roten Teppich wandle und mir eine Beziehung mit Jeanette Biedermann angedichtet wird, weil sie aus der Limousine nach mir stieg. Wir dürfen auf keiner VIP-Party mehr reden, seitdem wir uns vor drei Wochen gut verstanden. Sie ist nett. Ich bin nett. Wir schlafen miteinander. Seit drei Wochen schon.

Drei Wochen lang darf ich andere nicht mehr anschauen. Eine schöne Unbekannte in der Bar neben meinem Auftrittsort; sie zerstört die Beziehung von mir und Jeanette. Sie blieb mir unbekannt dank der exklusiven Kameras. Ich habe dort Benjamin von Stuckrad-Barre getroffen. Und dann mit ihm gesoffen. Ich bin schwul. Und ich nehme Koks, seitdem er mutig genug war, zugegeben damit aufgehört zu haben. Mit Koks würde ich mich vielleicht trauen vor meinem Spiegel aufzustehen. Oliver Kahn hat mir erzählt wo Verena wohnt. Ich bin aus ihrer Wohnung bekommen. Ich hasse München, ohne jemals dort gewesen sein. Bin ich so berühmt?

Ich hab den Krieger von den Fanta 4 geschrieben; und ich heiße nicht Thomas Dürr. Und Millionen Legionen; ich heiße nicht Thomas Dürr! Doch wie jeder Mensch auch habe ich mehr als einen Liebesbrief geschrieben. Gut ich mag diese Band aus Stuttgart und ihre Texte. Doch solch eine Aussage darf ich öffentlich nicht treffen, da ich damit in Frankfurt unbeliebt werde. Egal wie oft ich zu einer Frau sagen möchte: Keine ist, keine andere ist, keine ist, keine andere ist, keine ist, keine andere ist wie du...obwohl es stimmt im stillen Sturm. Ich bin dann und auch noch da einfach unbeliebt. Die weibliche Welt möchte mich besitzen, denn ich bin jetzt der deutsche Brad Pitt. Ich könnte Jennifer Aniston bezirzen, ohne ein Freund zu sein.

Doch wenn ich in diesem Stakkato-Stil schreibe könnte der Welt langsam entfallen, warum ich so berühmt bin, wie ich bin. Genial lange Phrasenfindungen in einem abstraktem Aufbau subtiler Worte, die sich erst beim vierten Verinnerlichen als wichtig herausstellen in der Story, die bis dahin eigentlich nicht vorhanden war, wie die populären Kritiker sagen. Das ist meine Stärke. Das erwarten meine Fans von mir, wenn sie vor meinem schlichten Mietshaus kampieren! Denn ich bin ein Star, der Star den alle anfassen wollen. Momentan wollen sie mich und Jeanette. Die Biedermann und mich. So heißt sie mit Nachnamen. Doch sie wohnt in Berlin und ich in Freiburg. Telefonieren können wir nicht. Die Leitungen werden eh abgehört, das wissen wir beide. Und ihre Nummer hab ich auch nicht. Deshalb ist es besser als der Kulturpate, wie mich meine Fans zärtlich nennen, einfach sie und ihre Bekanntschaft (die von der Bildzeitung gecasteste Sängerin und Ex-Soap-Darstellerin) zu leugnen, die wir aufgrund des so deutlich verschiedenen Backgrounds nie haben dürfen.

Da ich pissen muss, steh ich auf und sehe mich im Vollkörperspiegel. Zu meiner Überraschung habe ich eine Hose und ein Paar Schuhe an, die zu meiner Trainingsjacke passen und voll im Trend liegen. Vielleicht haben auch der Übergenuss von Gras und Alkohol daran seine Schuld. Oder ist Nikotin doch mehr ein Bewusstseinsverdreher als wir alle dachten? Ich bestätige/betätige die Klospülung und hole mir noch ein Bier aus der Küche. Ich höre die leisen Schreie vom Campingplatz und setze mich vor meinen Ganzkörperspiegel.

Ich bin so berühmt! Und seitdem ich wieder sitze weiß ich, warum ein junges Mädchen zu mir sagte: Sag nicht das ich schön bin! Sag zu mir: Ich bin hübsch!

 

Weniger ist mehr

Angekommen und endlich alleine - einer Welt mittels Alkohol und Marihuana nur entrinnen können, die von Außenstehenden als Wunsch geträumt wird.

Ein Aspekt, der vielleicht noch erwähnenswert wäre, ist die Frage, warum der Protagonist keinen ernsthaften Versuch macht, aus diesem Leben auszubrechen. Oder ihn nicht einmal erwägt. Der kleine Dämon, der sich dann doch in dieser Berühmtheit suhlt, eine tiefe Befriedigung aus der reinen Tatsache des Berühmtseins zieht vielleicht? - stelle ich mir höchst spannend vor.

Als Momentaufnahme halte ich den Text für sehr gelungen. Die Plauderei über Menschen, die ich zu kennen glaube, die ich aber nie anders als durch die Linse eines Journalisten gesehen habe, vermittelt einen sehr authentischen Eindruck. Störend sind einige fehlende Kommata, manche Tippfehler, auch einmal der Satzbau. Einige Beispiele:

Betrunken eines dieser Dinger im Bett zu betrachten, wenn sie noch schlafen, ihre Attraktion gewesen zu sein; das hat mir ein falsches Lächeln auf die Lippen gezaubert.

Ich zöge 'schliefen' und 'hatte [...] gezaubert' vor, auch sollte m.E. nach 'schlafen' eher ein Semikolon stehen, denn nach 'sein'. Das anschließende 'das' ist redundant (den Rest des Absatzes halte ich für sehr pointiert: " und mehr ist mir einfach nicht bekannt über eben jenes Groupie. Ich kann ihnen keinen Text widmen; sie sind keine Musen.").

Es ist eine Last für sie das zu sein

Es ist eine Last, für sie das zu sein

Und ich nehme Koks, seitdem er mutig genug war, zugegeben damit aufgehört zu haben.

Wie es richtig lauten soll, weiß ich nicht recht. Vermutlich 'zuzugeben'. Allerdings braucht dieser Absatz meiner Ansicht nach noch eine Redaktion.

Doch wie jeder Mensch auch habe ich mehr als einen Liebesbrief geschrieben. Gut ich mag diese Band aus Stuttgart und ihre Texte.

'wie jeder Mensch, so habe auch ich' und 'Gut, ich mag'.

Wie oben bereits bemerkt, haben mir einige Dinge sehr gut gefallen, nur noch zwei böse Kleinigkeiten: 1. Der Kerl heißt 'Brad' (bei einer Frau würde es ja Sinn machen) und 2. 'Sag nicht, daß (bzw. dass [ich kann kaum glauben, das gerade getippt zu haben]) ich schön bin!'.

Vielleicht einmal mit Rotstift über den Text, vielleicht noch einen ausgefeilteren Schlußsatz, dann habe ich keinerlei weiteren Einwände, weder technischer, noch inhaltlicher, noch thematischer Natur!

 

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