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Blue
Blue
Ein schmaler Film weißer Wolken bedeckte nur unzulänglich das helle Blau des Himmels, dessen strahlende Intensität nachließ, da die Sonne irgendwo hinter ihr, irgendwo hinter dem kugelförmigen weiß-grauen Felsen, der direkt an die Rückseite des Häuschens anschließend in den frühabendlichen Himmel ragte, unterging und dem Meer, das stellte sie sich vor, einen glutroten Schimmer geben würde, welcher zum Horizont hin immer breiter werdend einen Pfad darstellte, der bald zu einem Weg, bald zu einer Straße wuchs, die, da war sie sich sicher, zu einem Ziel führte.
Sie nahm auf dem weißen Plastikstuhl Platz, legte den Kopf zurück und das Einzige, das sich über ihr befand, war das immer mehr verblassende Blau des Himmmels. Sie schloss die Augen und konnte dieses Blau fühlen, schmecken und riechen. In ihrem Innern konnte sie ganz klar und deutlich, zum Greifen nah, die vor ihr liegende Macchia sehen, deren verdorrte Sträucher ihre Äste wie flehende Arme gen Himmel ausstreckten; jener jedoch beschäftigt mit seiner täglichen Metamorphose konnte diesen Bitten keinerlei Beachtung schenken. Sie wusste, dass der Mond mittlerweile aufgegangen sein musste und sich fast unsichtbar neben und inmitten der sich immer wieder in neue Formen und Figuren verwandelnden Schleierwolken befand, der Tatsache gewiss, dass sein großer Auftritt unweigerlich kommen würde.
Sie tastete nach einer Zigarette, die sie auf der Mauer vor ihr abgelegt hatte, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch in den Abendhimmel und malte sich aus, wie der Wind sein verrücktes Spiel mit ihm trieb, ihn formte, wieder auseinander riss, um der neu entstandenen Wolke schließlich irgendwo in dem unendlichen Blau den ihr gebührenden Platz zuzuweisen.
In der Ferne, da befand sich ein langer weißer Sandstrand, an dem, und das wünschte sie sich, während des Sonnenuntergangs Verliebte saßen, die entweder von dem Schauspiel überwältigt, eng umschlungen, den Horizont anstaunten oder in ihrer Liebe gefangen den Blick von diesem mohnfarbenem Wunder abwandten, weil sie die Schönheit im Antlitz des Gegenübers gefunden hatten.
Eine Träne kullerte ihr über die Wange. Sie fing sie mit der Zunge auf und spürte den salzigen Geschmack der Traurigkeit. Nervös tastete sie nach dem Feuerzeug. Sie konnte nicht sehen, dass es in ihrem Schoß lag, versteckt zwischen zwei Falten ihres mit Sonnenblumen bestickten schwarzen Kleides. Sie konnte es nicht sehen, weil sie blind war.