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Das Lachen der Perspektive

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24.09.2004
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Das Lachen der Perspektive

Der Turm prangt in für Menschen schlecht zu schätzender Höhe vor einem dunkelblauen Himmel, der unregelmäßig von Horden grässlicher Flugtiere frequentiert wird. Die unvorhersehbaren Bahnen, die sie in die Luft zeichnen, wirken wie ein verstörtes Flackern, so, als werfe eine riesige fast niedergebrannte Fackel ihr stroboskobhaftes Licht in die weiten Ausläufer der schwarzen Wolken am Firmament. Die Laute der Flugtiere hören sich auf diese Entfernung an wie Halbtote, die den Verlust ihrer Seele beklagend, an dem anderen Ende eines langen düsteren Tunnels wanken. Traurig weinen Regentränen auf die Erde hinab und streifen auch den Turm, der für uns deshalb so unverständlich in seiner Größe anmutet, weil derartiges von Menschenhand noch nicht geschaffen wurde. Die Fenster in den oberen Bereichen sind meist offen und nicht einmal gardinenverhangen, sodass einem Riesen der Einblick sicherlich gewährt sein würde. Doch Riesen, so wie man sie aus Märchen kennt, bewohnen schon lange nicht mehr diesen dunklen verlassenen Fleck dieser Welt, und so bleibt wohl nur den Flugtieren jener Einblick vergönnt, wenn nicht gerade Verkrüppelungen ihres eigenen Körpers die visuelle Wahrnehmung verwehren und den Gebrauch von Sonarbiologie fordern, wie manche von ihnen sie seit ihrer Geburt an zu nutzen imstande sind. Diejenigen, die durch eigenes Verschulden von dieser wundersamen Orientierungsgabe niemals kosten können, fliegen blindlings gegen alles, was sich durch Zufall vor ihnen auftun mag. Da sie von Natur aus ein sehr hohes Flugrevier beanspruchen, befindet sich meist nichts außer der stickigen Luft auf Kollisionskurs, sodass sie manchmal Jahre in blindem Flug verbringen. Der Turm bietet sicherlich eine der wenigen Ausnahmen, und nicht selten hört man das fettige Platschen, das madige Platzen und Reißen von beinahe totem Fleisch, wenn sich wieder einer unwissend und blind mit jenem viel stärkeren Flugpartner vereint und emotionslos sein letztes tödliches Ziel ansteuert.

Natürlich weint hier niemand diesen armen Geschöpfen nach, die hin und wieder eher unfreiwillig einen nicht unbedingt humorlosen Abgang hinlegen. Bei einer solchen Kollision sendet selbst das unbegabteste Gehirn während der Sterbesekunde eine Botschaft auf mentaler Ebene in die umliegenden Gefilde, wodurch, zur passiven Freude aller, für einen Moment das hohe Bauwerk lokalisiert werden kann. Für kurze Zeit sehen selbst schlafende Flugtiere in ihren Träumen ein dreidimensionales Abbild dieser Tötungsmaschine in Gebäudeform. Das Gemüt der Tiere ist langsam, müde und animalisch plump, sodass nach ein paar Tagen sogar solch lebenswichtige Botschaften in Vergessenheit geraten, womit das Spiel früher oder später von Neuem beginnt. Wenn dann ein nächstes Mal im mentalen Bereich die Knochen brechen und die qualitativ minderwertige Gehirnsuppe stinkend ihre lange Reise Richtung Erdboden antritt, meinen manche sogar, die Vibration der Brandung verschwommener Reminiszenzen innerhalb anderer mentaler Räume zu spüren, die ähnliche Informationen schon einmal für die automatische Lebenserhaltung abgespeichert hatten. Für Sekundenbruchteile mag es passieren, dass die besten unter ihnen sogar die Verknüpfung herstellen und wieder das Szenario vorausgegagener Tode vor Augen haben. In solchen Momenten ereignet sich auf ihrer bescheidenen Lebensebene in etwa das Äquivalent der Entdeckung der Lichtgeschwindigkeit, doch leider bleibt diese Erkenntnis wegen ihrer nonkommunikativen Mentalität bis zum eigenen Tod unverbreitet, sodass man wohl zu Recht mitleidig zugeben muss, dass sie ihre Chancen zur Rettung vieler doch gar nicht so sehr aus eigenem Verschulden zu hundert Prozent nicht wahrnehmen. Am Ende stehen sie da wie Bäume, denen man vergeleichsweise vorwerfen könnte, Analphabeten zu sein.

Sicherlich ist es eine Frage der Perspektive, weshalb die Erbauer des Turms auch nicht auf die Idee kommen, jenen wieder abzubauen oder zumindest aus der Flughöhe der intellektlosen Tiere zu nehmen, vielleicht zwei aus ihm zu machen, nebeneinander stehend und dann ja sicherlich immer noch prunkvoll und schön und vor allem geheimnisvoll auszusehen, wie zwei Brüder, die geduldig auf die Dunkelheit warten. Nein, all das geschieht nicht. Die Macht der Perspektive besteht, und immerhin würden sich die Erbauer auch nicht beschweren, wenn ihr Planet plötzlich von einem schwarzen Loch verschluckt würde. Gäbe es ein Leben danach, eine zweite Chance für den Turm und seine Erbauer, so müssten sich diese an die Gefahr erinnern, ob nun durch Information via Zeitreise oder einer entarteten Form der Meme, die vielleicht Universen und ihre Geschöpfe behutsam durch allumfassende Zyklen leitet, wie der Faden das Pendel. Ja, derartiges müsste wahrhaftig geschehen, damit die Sicherheit für den Turm und seine Erbauer in einer potenziellen zweiten Runde gewährleistet wäre, doch da wir uns über das simple Existieren der Perspektive im Klaren sind, lassen wir es vorerst dabei, denn schließlich sollen ja noch ein paar Flugtiere ihren Körper an der steinernen Außenwand des Turms deformieren und an den folgeschweren Verletzungen den Tod erleiden, wenn sie das nicht schon direkt zum Zeitpunkt der unsanften Berührung tun.

Am Ende sind doch wieder alle zufrieden, den Wunsch auf Perspektivengleichheit schnell vergessend. Und vielleicht verschluckt das schwarze Loch ja auch niemanden.

 

Hallo Maschinenfrosch,

es war ziemlich anstrengend, deine Geschichte zu lesen und deinen Argumentationen zu folgen. Dies deshalb, weil du sehr lange, komplizierte Satzkonstruktionen und viele Bilder benutzt, wie du ja wahrscheinlich auch selber weisst. ;) Deine Sprache wirkt daher sehr wuchtig und etwas bemüht, einige Sätze musste ich mehrmals lesen um sie zu verstehen. Ein Beispiel einfach mal herausgegriffen:

Doch Riesen, so wie man sie aus Märchen kennt, bewohnen schon lange nicht mehr diesen dunklen verlassenen Fleck dieser Welt, und so bleibt wohl nur den Flugtieren jener Einblick vergönnt, wenn nicht gerade Verkrüppelungen ihres eigenen Körpers die visuelle Wahrnehmung verwehren und den Gebrauch von Sonarbiologie fordern, wie manche von ihnen sie seit ihrer Geburt an zu nutzen imstande sind.
Was mich außerdem irritiert hat, ist der Wiederspruch zwischen dem unwissenden, blinden Verhalten der Tiere und dem bewussten Ansteuern des Turmes, das du ihnen ab und an unterstellst. Ich gebe zu, dass ich mich mit einer Interpretation schwer tue. Ich weiß nicht, ob du die Tiere symbolisch für uns Menschen siehst, ich weiß nicht, für was für ein Hindernis der Turm steht.
Zwei Details noch:
Am Ende stehen sie da wie Bäume, denen man vergeleichsweise vorwerfen könnte, Analphabeten zu sein.
vergleichsweise
Gäbe es ein Leben danach, eine zweite Chance für den Turm und seine Erbauer, so müssten sich diese an die Gefahr erinnern, ob nun durch Information via Zeitreise oder einer entarteten Form der Meme, die vielleicht Universen und ihre Geschöpfe behutsam durch allumfassende Zyklen leitet, wie der Faden das Pendel.

Liebe Grüße
Juschi

 

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