Dem Tod einen Sprung voraus
Jetzt stehe ich hier und lasse noch einmal mein kurzes, nicht allzu schönes Leben an mir vorbei ziehen.
Mein Vater schlug mich jeden Tag, mein geliebter Bruder sitzt im Gefängnis wegen Bankraub und meine Mutter ist seid einem Jahr tot. Selbstmord. Sie ertrug die Schläge meines Vaters nicht mehr und ich mache ihr auch keine Vorwürfe, dass sie mich alleine gelassen hat. Ich bin froh, dass sie erlöst ist und auch ich werde bald bei ihr sein. Mein Tod wird auf die selbe Weise vollzogen wie der Ihre. So erstelle ich eine Art Verbindung.
Da auch längst Drogen meinen Körper, meine Gefühle und meine Gedanken zerfressen haben ist mein Leben unerträglich geworden. Jeden Tag hab ich so meine Sinne betäubt um die Schläge und mein schreckliches Leben zu ertragen. Ich hatte nie Freunde, welche mir weiterhelfen konnten. Alles musste ich alleine schaffen, aber gleich ist alles vorbei.
Langsam stelle ich meinen ersten Fuß auf das breite Geländer aus Beton. Mein zweiter folgt gleich und ich richte mich auf. Ich werfe einen kurzen Blick die Brücke hinunter, das Wasser, von dem Wind angepeitscht bildet kleine Schaumkronen auf den Wellen. Der Wind streicht durch meine Haare, als würde er mich anfeuern. Ein letztes mal schließe ich meine Augen, und weiß, dass ich sie nie wieder öffnen werde. Ein kleiner Windstoß nimmt mich mit hinunter in den Tod. Der Wind pfeift in meinen Ohren. Ich hatte alles genau berechnet, nur diesen Windstoß nicht bedacht. Wie eine starke Hand drückt er meinen Körper in die falsche Richtung. Hart schlage ich auf dem Brückenpfeiler auf. Ich spüre Schmerzen, welche ich noch nie gespürt habe. Wie tausend Messer, die in meinen Körper gebohrt werden. Ebenso zerbersten viele meiner Knochen unter starken Schmerzen.
In diesem Moment weiß ich noch nicht, ob ich tot bin. Erst als ich meine Augen öffne und sehe wie das Blut aus meinen klaffenden Wunden auf meinem Körper das Wasser rot färben ist mir mein Schicksal bewusst.
Dann höre ich jemanden schreien. Mein Bruder läuft den Fluss entlang und rettet meinen Körper aus dem kalten Wasser. Ich sehe wie er weint, aber auf einmal ist alles wieder dunkel.
Als ich meine Augen ein zweites mal öffne, erblicke ich jenes grelle Licht. Habe ich endlich meine endgültige Ruhe gefunden? Weitere starke Schmerzen zerstören meine Hoffnung. Meine kaum einsatzbereiten Ohren vernehmen ein leichtes Keuchen. Dann blicke ich in ein bekanntes, besorgtes Gesicht. Auch durch meinen misslungenen Versuch bin ich doch bei einer geliebten Person angekommen. Ich will ihn in meine Arme schließen, doch Schmerzen und gegipste Arme vereiteln jäh meinen Versuch. Sanft küsst er mich auf die Stirn und sagt mir, dass alles gut sei, dass es ein Wunder sei, dass ich noch lebe, und dass ich hier schon seit 3 Monaten im Koma liege. Glücklich schließe ich meine Augen wieder und schlafe sanft ein. Ich weiß, dass ich jetzt, da mein Bruder wieder bei mir ist, mein Leben mit ihm gemeinsam in die richtigen Bahnen lenken kann.