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Der Übergang war wunderbar. gekürzte Fassung
Seit zehn Jahren leben wir gemeinsam eine herrliche und glückliche Zeit. Unsere Liebe kennt keine Grenzen. Sie erscheint mir größer als das Universum. Würde sie eines Tages doch an eine Grenze stoßen, dann müßte sich eben ein neues Universum auftun. Liebe macht so etwas möglich. Wir tanzen die Nächte durch und gehen bei Sonnenaufgang durch die Stadt nach Hause. Die hohen Türme der Marienkirche, sind noch in weiße Nebel gehüllt, es sieht aus, als ob sie die Nacht auf einem weichen Federkissen verbracht haben. Gleich, wenn die Sonne hoch kommt, wird alles zerfließen und dann werden sie majestätisch über die Stadt schauen. Wir laufen lachend heim.
Aber nun ist durch eine furchtbare Krankheit alles zerstört worden. Bernhard, meinem Mann, geht es sehr schlecht. Wir sind auf dem Weg in einen langen, schwarzen Tunnel, und die Fratze der Angst lacht uns höhnisch entgegen. Aber das Schlimmste ist, es ist überhaupt kein Ende ab zu sehen.
Das Leben ist eingeschränkt durch Chemotherapie, Schmerzen, Schlaflosigkeit, Angst, Tränen - von Anfang an keine Hoffnung.
Wir verbringen nun nachts immer viele Stunden vor dem Fernseher. Da gibt es diese neue Sendung.
< Unglaubliche Geschichten. >
Tote können mit ihren Angehörigen sprechen, heißt es in der Vorschau. Die sogenannte Tonbandstimmen Forschung wird den Fernsehzuschauern vorgestellt. Bernhard ist wie elektrisiert als er das zum ersten Mal hört.
Ich lachte, „glaubst du das etwa“, sagte ich zu ihm. „Da will sich doch nur einer interessant machen.“
Aber die Sache mit den Tonbandstimmen läßt meinem Mann keine Ruhe. Immer wieder sitz er nachts vor dem Fernseher und verfolgt diese Sendungen. Ich auch.
„Also, wenn es wirklich ein Leben nach dem Tot gibt, dann werde ich erst mal faul in der Sonne liegen und mich richtig ausschlafen.“
„Das kannst du auch als Rentner haben“ ,sage ich, ziemlich wütend, zu ihm.
Ich will keine Gespräche führen, die mit seinem Tod zu tun haben.
„Also gut, dann mache ich es eben als Rentner, wenn dich das beruhigt, aber ich möchte dabei nicht von dir gestört werden,“ meint er dann schmunzelnd. Fügte aber noch hinzu, daß er von mir erwartet, daß, im Falle seines Todes, wann immer das auch sei, es können ja noch Jahre ins Land gehen bis dahin, ich mich aber über diese Geschichte mit ihm in Verbindung setzten soll.
Gott sei Dank, denke ich bei mir, er macht schon wieder seine Scherze, das ist doch ein gutes Zeichen.
Doch das Schicksal macht keine Ausnahme. Einige Tage später, er ist mal wieder für einige Tage im Krankenhaus, kam der schlimmste Anruf den ich je bekommen habe:
„Ihr Mann ist heute Nacht gestorben“, sagt einen Männerstimme zu mir. Ich stehe da wie versteinert und bin nicht in der Lage, den Hörer aufzulegen.
Tot, tot, tot dröhnt es in meinem Kopf. Mein Herz schreit vor Schmerz. Wir werden nie mehr gemeinsam die Sonne aufgehen sehen.
Einige Monate nach diesem Ereignis, fällt mir eine Telefonnummer in die Hand, die eine Anlaufstelle für die sogenannte Tonbandstimmenforschung ist. Bernhard hatte sie noch eigenhändig aufgeschrieben. Ich nehme Kontakt zu dieser Dame auf, und lasse mir die Sache noch einmal genau schildern. So, wie sie mir das erzählt, hört es sich ganz toll an. Es ist wie telefonieren. Ja, man kann mit den Toten sprechen. Sie würde mir zeigen wie es gemacht wird. Es gehört auch etwas Übung dazu.
So langsam erkannte ich die Dimension dieser Behauptung, daß es ein Leben nach dem Tot geben sollte. Will ich das überhaupt alles so genau wissen? Bis jetzt ist es so etwas wie ein Abenteuer gewesen, diese Tonbandstimmen--Theorie einmal aus zu probieren. Aber nun schien ich an einem Scheideweg zu stehen.
Ja, oder nein. Doch ich bin eine neugieriger Mensch. Also, Ja. Ich treffe mich mit dieser Dame und sie macht für mich eine Einspielung, wie sie es nennt. Über einen Kopfhörer hört sie es für mich ab.
„Hier ist ein merkwürdiger Satz, können sie etwas damit anfangen?“ fragte sie mich. „Hier sagt doch eine Männerstimme:“
„Bernhard in der Sonne liegt.“
Schlagartig fällt mir das Gespräch ein, das ich mal mit meinem Mann geführt habe. Wenn er das jetzt zu mir sagt, will er mir doch beweisen, daß es ein Leben nach dem Tot gibt. Dann muß ich auch mit dieser Geschichte anfangen. Ich gehe völlig aufgeregt nach Hause. Tausend Gedanken schwirren mir durch den Kopf.
Wird der Mensch nur geboren um einige Zeit auf der Erde zu leben?
Ist ein Leben auf dieser Erde für jede Seele ein muß? Wird sie daran gemessen? Und wie muß sie sein? Gütig? Strebsam? Erfolgreich? Gottesfürchtig?
Oder kommt es nur darauf an, eine bestimmte Zeit auf dieser Erdkugel zu zu bringen. Egal wie?
Vielleicht ist ja der Aufenthalt auch freiwillig. Die Seele denkt, mal sehen was so los ist auf dieser Erde, und bucht ihr < Dasein > hier, in dieser Welt, in allen Einzelheiten. Nach dem Motto: < Einmal Erde und zurück, > wie so eine Art Abenteuerurlaub.
Der erste Satz den ich selber verstehen kann ist:
"Der Übergang war wunderbar."
War damit der Übergang vom Leben zum Tod gemeint?
„Die Toten leben, wir sind die Toten.“ Diesen Satz hörte ich in der folgenden Zeit immer wieder aus dem Lautsprecher meines Aufnahmegerätes.
< Die schönen roten Rosen da auf meinem Grab. Doch mein Herz gehört da jetzt dem Himmel. Erst hier wirst du die wahre Liebe kennen lernen. Diese Liebe gibt Freiheit. Die Liebe blüht an unseren Ufern. Diese und ähnliche Sätze hörte ich immer wieder. Und auch immer wieder den Satz: „Lebe dein Leben.“
Ja, ich lebe mein Leben, das Leben geht weiter, es zeigt immer neue Wege die man gehen kann. Neue Menschen, neue Ideen, aber das Vergangene wird mich auch immer begleiten.
Von Zeit zu Zeit stelle ich noch mal die Geräte auf den Tisch und suche mir einen Sender. Und dann sage ich leise in das Gerät: Hallo Bernhard, hörst du mich? © 2001