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Der Besucher
Luke krabbelte aus der Kühltruhe und schwang sich in den Pilotensitz. Er hatte gut geschlafen und war voller Tatendrang.
"Computer, wo sind wir?"
„Im Orbit?“
"Nerv nicht. Ich will Fun. Verstehst du?", rief Luke und klatschte in die Hände um die Finger warm zu bekommen. "Was ist das dort für ein blinkendes Ding auf dem Schirm. Das bedeutet doch was."
"Der fünfte Planet dieses Sonnensystems weist intelligente Lebensformen der Stufe 9 auf, aber ich weiß nicht, ob diese schon bereit für einen extraterrestrischen Besuch aus der ..."
"Ach was", schnitt Luke ihm das Wort ab. "Stufe 9. Da sind sie ja schon auf ihrem Mond gewesen. Wieso sollten wir sie nicht besuchen? Endlich mal jemand der begreift, dass da was kommt. Nicht so wie diese Blaualgen auf diesem anderen Planeten."
"Entschuldigung, der Auftrag lautet... "
"Blabla Auftrag ", unterbrach ihn der Orvaner erneut. „Ich muß jetzt ein wenig Fun haben, verstehst du?"
"Ich weiß zwar nicht, wieso euch Orvanern der Sinn nach solch niederen Gelüsten steht, aber bitte wenn sie sogenannten Spaß wollen, kann ich ihnen die Komödie "Drei Novas und ein Raumschiff" mit Clark Chesternees vorschlagen."
"Verdammt noch mal Computer!", fluchte Luke. "Den Film habe ich schon 63 mal gesehen. Du solltest das Ding doch löschen."
"Das haben sie auch schon die letzten 62 mal verlangt." analysierte der Computer trocken.
"Na gut.", gab sich der Spaceranger geschlagen. "Aber laß' diesmal deine Kommentare weg und bring mich zu diesem 5. Planeten.."
Einige Zeit später an einem anderen Ort:
"Heute nacht wirst du sterben Greg Palmer..."
"Na und wennschon. Dies ist mir egal Daniel Baxter, du räudiger Kojote. Aber du wirst mit mir kommen, das schwör´ ich Dir."
Charlie stellte den Ton lauter, da ein ungewöhnliches Brummen außerhalb des Wohnwagens eine Weiterverfolgung der Filmhandlung stark beeinträchtigte. Er griff nach der Fernbedienung und drückte so lange auf den lautstärkeregelnden Knopf, bis er merkte, dass das Fernsehgerät nicht mehr hergab. Die Geräusche schwollen an, es gab einen grellen Lichtblitz, bevor alles wieder vollkommen still war.
"Zieh schon, du stinkende Hyäne!" verlangte Greg Palmer und bewies, dass auch Western gewisse Kenntnisse über die Wüstentierwelt vermitteln können.
Es klopfte.
Charlie sah überrascht auf. Wer konnte das sein? Zu so später Stunde war niemand mehr da, um sich einen Gebrauchtwagen anzusehen. Und falls doch, dann war er, Charlie Bexrott, zuständig, dass derjenige das Interesse ganz schnell wieder verlor. Bis auf ein paar Besoffene hatte es bisher keine Schwierigkeiten gegeben und Charlie hoffte, dass dies so blieb, gerade wo sein Lieblingswestern im Fernsehen lief.
„Wer ist da?“
Die Antwort blieb aus.
Er schaute auf den Kalender. Roletta kam bloß alle 14 Tage und der letzte rot eingerahmte Tag war vorgestern gewesen.
Es klopfte noch einmal, dieses mal energischer.
"Moment.", rief der Wachmann und kontrollierte seine Dienstwaffe. "Ich muß noch den Kaffee runternehmen."
"Nun schieß schon!", forderte Greg Palmer. "Ich zähle bis drei. Eins, zwei..."
Der Geduldsfaden des Fremden schien schon vor drei aufgebraucht zu sein, denn er trat die Tür ein, um mit einem verdammt guten Hüftschuß, die Waffe aus Charlies Händen zu entfernen.
"Moment.", stammelte dieser. "Das können wir doch auch anders regeln oder?"
"Eueumeuneuseufeu." kam es von den Lippen des Eindringlings, der daraufhin einen prüfenden Blick auf seinen Gürtel, an dem ein kleiner silbrig glänzender Kasten hing, dessen Lampen plötzlich zu Leuchten begannen, warf.
Eine Computerstimme sagte:" Wenn du meinst Erdling."
Natürlich fehlte der coole Unterton von Luke, aber die Wirkung, die dieser Satz auf Charlie machte, war auch so kaum noch zu überbieten. Der Parkplatzwärter starrte gebannt auf die schneeweiße Gestalt, die etwa drei Köpfe größer war als er und an mehreren Stellen flackernde Lämpchen besaß. Die Waffe in der 3 fingrigen Hand war auf alle Fälle keine von den harmlosen, das sah Charlie sofort. Luke blieb stehen und sonnte sich im Staunen des alten Mannes, der sich langsam mit der neuen Situation auseinanderzusetzen schien.
"Nimm' dir was du brauchst. Der ganze Wohnwagen gehört dir." Charlie breitete einladend die Arme aus.
Als er sah, dass die Miene des Fremden versteinert blieb, trat er hinaus und deutete in die Dunkelheit:" Da draußen steht ein neuer Mercedes S-Klasse. Ohne Lenkradschloß und wie die Alarmanlage abzuschalten geht, weiß ich auch. Bedien' dich ruhig."
"Du kannst mir nichts bieten, was ich nicht schon habe." kam es aus dem Gürtelkasten, dessen blinkende Dioden jede Silbe betonten.
"Das denkst du.", widersprach der Wachmann. "Ich hab' ja noch nicht von Papis Liebling erzählt. Ein Rolls-Royce Baujahr 58. Steht in einer Spezialgarage mit Lasersicherung."
"Vor mir ist nichts sicher." protzte der Silberkasten im Namen seines Besitzers.
"Wieso denkst du, dass du der King bist?" wollte Charlie wissen und machte einen großen Schritt auf den Orvaner zu.
Jener wich überrascht zurück, fluchte vokallos und donnerte dann mit Hilfe des Übersetzers: „Jämmerlicher Erdling! Siehst du denn gar nicht, dass ich nicht von dieser Welt bin?"
"Na klar seh' ich das.", Charlie klopfte Luke auf die Schulter. "Aber die Schminke ist trotzdem ein bißchen zu dick aufgetragen."
"Schminke!", rief Luke Spacekid, der langsam merkte, dass irgendetwas verkehrt lief. "Ich werde dir zeigen, was ich vermag."
Er hob seinen Phaser und richtete ihn auf einen Kleinwagen, der in der Nähe stand. Ein kurzer bläulich aussehender Strahl und das Auto verdampfte innerhalb von drei Sekunden.
"Toller Trick.", lobte Charlie emotionslos. "Da haben die Leute von den Spezialeffekten ganz schön in der Trickkiste gekramt. Möchte bloß wissen, wo die Kamera ist, in die ich jetzt dümmlich schauen soll."
"Spezialeffekte? Trickkiste? Kamera?", ratterte es aus dem Kasten. "Ich komme aus der 5. Galaxie. Luke Spacekid ist mein Name und ich bin ein Spaceranger der Orvaner Flotte. Status gelb.“
"Und ich bin Charlie Bexrott und wohne, wenn ich keinen Dienst habe drei Straßen weiter in einer 3-Raum-Vollkomfortwohnung 5. Stock, grüne Wohnungstür, Klingel links."
"Wurm!" fand der elektronische Dolmetscher nur einen Begriff für den Schwall intergalaktischer Schimpfwörter, die sein Besitzer nun auf sein Gegenüber hinabschüttete.
"Nein Charlie." korrigierte Charlie und lächelte den Außerirdischen unschuldig an.
"Du glaubst also nicht, dass ich aus dem All komme?" fragte Luke lauernd und mit der Geduld am Ende.
"Sehe ich so aus, als würde ich frühmorgens aufstehen und mein Portomonaie aus dem Fenster schmeißen?" gab Charlie zur Antwort.
"Ich könnte dich allein mit meinen Gedanken töten.“, offenbarte Lukes Gürtelkasten. „Aber statt dessen werde ich dir etwas zeigen, das dein mickriger Verstand nicht fassen wird."
Dann klemmte sich der Orvaner den strampelnden Wachmann unter den Arm, um die 300 Meter bis zum Raumschiff schwebend zurückzulegen.
"Was sollte das?" wollte Charlie wissen, nachdem er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
"Das war mein Antischwerkraftgürtel neuestes Fabrikat." erklärte Spacekid kurz, da er sich nun konzentrieren mußte, um den richtigen Code für das Schloß des Raumschiffes einzutippen. Es war eine 28-stellige Kombination, die er auf der Kadettenschule auswendig lernen mußte, denn diese Zahl in die Fernbedienung eingegeben, machte das Schiff sichtbar und ermöglichte dem Besitzer so den Zugriff zu einem Waffenarsenal, das jedem Armeegeneral den Verstand geraubt hätte.
"Wahnsinn.", staunte Charlie nun zum ersten Mal. "Das sieht aus, wie ein Stadion und es schwebt einfach so zehn Meter in der Luft?“
„Das ist mein Raumschiff.“ erklärt Luke kurz. „Das blaue ist der Beamstrahl, mit dem man an Bord kommt.“
„Und was hast du dort für ein Ding am Gürtel?" fragte Charlie, der sich scheinbar lieber an etwas Greifbareres, als schwebende Fußballstadien hielt.
"Das ist ein vierdimensionaler Projektor der zur Feindablenkung bei Nahkämpfen gedacht ist.", Luke und sein Übersetzer waren froh, endlich mal ein vernünftiges Gespräch führen zu können. Die Blaualgen sonst, waren immer etwas zurückhaltend gewesen.
"Darf ich mal?" fragte Charlie und hatte im nächsten Moment das Gerät in der Hand.
"Aber paß' auf, dass du den dritten Kanal nicht löschst!", warnte ihn Luke. "Dort ist eine Ludmila-3 drauf gespeichert. Meine Verlobte mußt du wissen."
Charlie hörte nicht genau hin, weil er viel zu beschäftigt war, die vielen Knöpfe auszuprobieren. Doch er schaffte es nicht, den Projektor dazu zu bringen, ein vernünftiges Bild abzustrahlen.
Luke betrachtete belustigt den Erdling, der angesichts dieser vielen Knöpfe völlig überlastet war und einfach nur hier und da etwas drückte, ohne das etwas vernünftiges passierte. Nach fünf Minuten schien Charlies Geduld immer noch nicht am Ende zu sein. Immer und immer wieder flogen seine Finger über die Tastatur und langsam bekam der Spaceranger doch Angst um sein Spielzeug.
"Charlie oder, wie auch immer du dich nennst", sagte Luke und trat lächelnd zu dem tippenden Menschen heran. "Laß es sein und gib' mir mal das Gerät."
"Niemals." rief Charlie plötzlich und floh in ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit auf seinen Wohnwagen zu.
Einen Moment war Luke so erstaunt, dass er nicht wußte, was er davon halten sollte. Dann glitt ein finsteres Lächeln über seine Lippen und er nahm belustigt die Verfolgung auf. Der Flüchtling strebte seinem Wohnwagen zu, der für den Orvaner jedoch kein Problem darstellen würde, sollte sich Charlie entschließen, sich darin zu verbarrikadieren.
Etwa 30 Meter vor dem Wagen schnitt der Außerirdische seinem Gegner den Weg ab und versperrte ihm mit gezogenem Phaser den Weg.
„Stop Erdling!“, rief er dem rennenden Charlie zu. „Noch einen Schritt und von Dir bleibt nicht einmal mehr ein Häufchen Asche übrig.“
Der Flüchtende schien es entweder nicht zu hören oder beachtete die Warnung absichtlich nicht. „Nun gut, wie Du willst.“
Luke stieß einen kurzen Fluch aus, bevor er abdrückte.
Der Schuß ging durch Charlie hindurch und verwandelte eine dahinter abgestellte Limousine in eine dampfende Pfütze. Erst als Luke instinktiv weitere drei Autos vernichtet hatte, bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Der Mensch rannte im Kreise um ihn herum und obwohl er der beste Schütze seines Jahrganges war, konnte er ihn nicht treffen.
Als Luke die Erleuchtung kam, dass er soeben auf eine Projektion geschossen hatte, erhob sich sein Ex-Raumschiff vom Parkplatz, drehte in sicherer Entfernung noch eine Ehrenrunde und war im nächsten Augenblick mit einem ohrenbetäubenden Knall verschwunden.
Das einzige, was für Luke Spacekid übrigblieb, war der verbeulte 4D-Projektor, den Charlie bei seiner Flucht zurück gelassen hatte.
Nachdem Luke seinen Ärger an einigen Luxuskarossen ausgelassen hatte und Trost bei Ludmila-3, seinem geliebten Hologramm suchte, erschien auf Kanal drei nicht das liebreizende Gesicht seiner Verlobten, sondern Charlies einprogrammierter Kopf, der akzentfrei in Lukes Dialekt sprach, so dass der Übersetzer nichts zu tun hatte. Die Nachricht war folgende:
"Hallo Luke. Ich wußte, dass einer von Euch irgendwann mal vorbeikommen würde. Aber das es so leicht wird, hätte ich nicht gedacht. Als ich vor fünf Jahren hier strandete, ging es mir ähnlich, wie dir im Moment. Aber mach´ dir nix draus, du schaffst es schon. Ich wünsche dir viel Spaß auf der Erde. Die chinesischen Restaurants sind nicht übel. Und die Starwars-Filme. Vielleicht schicke ich mal eine Minikapsel vorbei, die dich abholt. Kommt drauf an, wie deine Filmesammlung aussieht. Es grüßt dich dein Spaceranger Charlie."
Dann war doch noch eine Minute lang Ludmila-3 zu sehen, was Lukes Stimmung merklich besserte.