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Der Gewinn
Es geschah an einem wunderschönen Morgen im September. Der Tag war einer dieser seltenen Tage, die das Leben eines Menschen komplett ändern konnten. Ich bin Erich, Erich Jola.
Verschlafen wie immer setzte ich mich an den Frühstückstisch. Der Kaffee dampfte, die Semmeln dufteten, die Zeitung lag auf dem Tisch. Mein erster Blick fiel auf die Lottozahlen. Ich riss die Augen auf.
"Schatz!"
Die Luft blieb mir weg. Meine Zahlen! Wo war der Schein? Der Stapel, in dem ich immer alles Mögliche und eben auch den Lottoschein hortete, war nicht mehr da.
"Lea! Wo ist der Stapel?"
Lea kam durch die Küchentür. Sie war gerade unter der Dusche gewesen und sah hinreißend aus, nur mit dem Badetuch bekleidet. Doch das sah ich an diesem Tag nicht.
"Wo ist der Stapel?", fragte ich mit hysterischer Stimme.
"Was ist denn los? Der Stapel ist im Müll. Du hast ihn ja gestern durchgesehen, oder?"
Der Lärm des LKW vor der Tür ließ mich auffahren.
"Nein!", schrie ich. Der Kaffee ergoss sich über den Tisch als ich aufsprang und zur Tür lief. Die zwei Alten, die tagtäglich auf der Bank vor ihren Häuschen saßen, sahen mich neugierig an, wie ich so im Pyjama auf die Straße stürmte.
"Stehen bleiben! Nicht!"
Der Müllwagen bog um die Ecke. Ich rannte los. Die Alten sahen sich an.
"Jola rennt.", sagte einer, und beide kicherten.
Wild gestikulierend schrie ich "Stehen bleiben!".
Erschrocken lief mir unsere Katze genau in die Beine. Es muss seltsam ausgesehen haben, wie ich da in meiner vollen Länge auf der Strasse gelegen bin.
Lea hatte sich inzwischen einen Bademantel angezogen. Ich rappelte mich auf.
"Der Müll. Die haben unseren Müll!".
"Der Müll ist in der Tonne. Die wird nur alle zwei Wochen geleert.", sagte meine Frau verwundert.
Hoffnung keimte in mir auf, und ich fing an im Müll herumzuwühlen.
"Was machst du da?"
Ich ignorierte Lea und die zwei Alten, die inzwischen aufgestanden waren. Essensreste, alte Fetzen, Windeln? Ach ja, die Nachbarn stopften die immer in unsere Tonne wenn ihre voll war.
Jawohl, da war er! Triumphierend hielt ich den Schein hoch. Ich packte die Zeitung, die ich vor der Tür fallengelassen hatte.
"Hier! Alle richtig!"
"Lass mal sehen."
Einer der zwei Alten nahm die Zeitung, machte einen Blick drauf.
"Von letzter Woche."
Mit ausdruckslosem Gesicht gab er mir die Zeitung zurück. Tatsächlich, sie war von letzter Woche, die sechs Richtigen ebenfalls. Die Beiden fingen lauthals an zu lachen. Ich stand nur da und konnte es nicht fassen.
Es hätte wirklich einer dieser seltenen Tage werden können, die das Leben eines Menschen komplett änderten.