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Der große Sieg

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30.10.2003
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Der große Sieg

Der große Sieg

Ihre Kindheit war sicherlich schwer. Eine Geißel aufgezwungener Normen und eingesperrt im eigenen Zimmer, während das Leben der westlichen Welt draußen pulsierte. Noas Eltern hatten zusammen mit Elifs Eltern ohne das Wissen der beiden jungen Leute einen Heiratspakt geschmiedet, ein Umstand, der Noa und Elif gleichermaßen erzürnte. Die Betroffenen wollten ihre frisch aufgekeimte Liebe nicht sofort allen preisgeben, sondern selbst entwickeln. Geheime Liebe ist doch eine schöne Liebe: Man spürt die gegenseitige Zuneigung und versinkt in illustren Gedankenspielereien, die der Partner wortlos auffängt.

Ein Zauber umgab den Tag, als sie sich kennenlernten, obwohl sie sich eigentlich schon gekannt hatten. Elif empfing sofort ihren einzigartigen Magnetismus und erlag ihrem Charme. Als er Noas harte Lebensumstände erahnte, verspürte er das zusätzliche Bedürfnis, sie bald in die weite Welt hinauszuführen, ihr das freie Leben außerhalb ihrer häuslichen Mauern zu zeigen. Die beiden hätten tatsächlich ideal zusammen gepaßt: äußerlich und charakterlich wie auch sozial, und es wäre eine unbeschreiblich schöne Romanze geworden, weil sie einander verstanden. Ihre Gemeinsamkeiten ließen sich nicht verbergen.

Doch Elif konnte nicht fertig werden mit einer Entscheidung, die die Eltern über seinen Kopf hinweg getroffen hatten. Er war zu stolz, seine Liebe zuzugeben. Ja, zu stolz. Dabei brannte sein Herz doch gerade für sie! Er versank in Arbeit, um zu vergessen: die Welt, den häuslichen Alltag und natürlich sie - seine Noa.

Nichtsdestotrotz versuchte er einen selbständigen Kontakt zu Noa zu erstreben. Sie reagierte jedoch nicht. Er wünschte sich von ihr ein winziges Zeichen ihrer Zuneigung, denn er wollte sicher sein, daß sie sich von alleine für ihn entschied, ohne elterliche Beeinflussung. Er wollte seine Macht wiedergewinnen, die er durch die Obrigkeit genommen glaubte. Wie schwer ist es doch für einen Mann, wenn seine Geliebte ihn nicht als eine eigenständig denkende Kraft bewundert! Den elterlichen Eingriff konnte er nicht auf sich ruhen lassen. Weil Noa ihm nicht antwortete, glaubte Elif, daß seine frisch gefundene Liebe auf kein Interesse stieß. Durch ihr Schweigen verursachte Noa eine noch größere Verbitterung als die Eltern, und er wandte sich ab. Vergessen konnte er sie dennoch nicht.

Die Tatsache, daß Noa sich für Elifs Abkehr "rächen" wollte, mochte anhand ihrer Umstände noch verzeihlich sein, aber nicht das Wie. Freilich, ihre Geduld wurde auf eine sehr harte Probe gestellt, und sie hätte ihrerseits so gerne bewiesen, welche Möglichkeiten in ihr steckten. Mit einem anderen Mann hätte sie Elif mit Sicherheit zur rasenden Eifersucht getrieben und womöglich einen neuen Versuch der Eroberung initiiert. Aber musste sie wirklich einen unwiederbringlichen Schaden anrichten?

Noa hatte in der Tat ihr Ziel aus dem Auge verloren. Sie wollte doch Elif zurückgewinnen, zu sich heranziehen. Sie wollte von ihm umworben werden, und er hätte sich bestimmt auf ihr Spiel eingelassen. Vielleicht hätte er ein komplementäres Spielchen versucht? Was bestimmte seine Grenzen?

Noa hatte sich selbst zerstört. Nicht ihre Eltern, nicht Elif, nicht der Fremde - sie ganz allein! Elif hätte die Elektrizität ihrer Sinne verdient, selbst wenn der andere ein Heroe aus den Weiten des Sonnensystems gewesen wäre. An Elif hätte sie sich binden sollen, da sie ihn bewunderte und liebte. Seit ihrer Jugend war er ihr funkelnder Stern, den es zu erstreben galt. Nie hatte sie einen Grund gehabt, etwas an ihm auszusetzen. Doch der Eindringling hatte ihre Haut entspannt und strickte nun neue Fäden um ihren Körper. Die einst edle Liebe zu Elif wurde in andere Kanäle umgeleitet. Das Abwasser floß die Dachrinne herab und kehrte nie wieder zur weißen Wolke zurück.

Noa setzte sich dann der Illusion aus, der Fremde wäre der einzig wahre Lebenskünstler. Er wäre das höchste Gut, das es nun zu bekommen galt. Elif wurde nur noch als unfähiger Bub beiseite geschoben, der ihr keine Erfüllung mehr geben könne. Und keine Führung in ihrem Leben. Eine halbe Stunde Dummheit zerstörte die komplette Lebenszukunft zweier Menschen, die sich einst so sehr geliebt hatten. Eine Liebe, deren Geheimnisse nur noch von der Phantasie genährt wurden.

Elif wußte davon. Oder zumindest hatte er es geahnt. Doch er machte Noa keine Vorwürfe. Und das, obwohl er so bitterlich verletzt war. Tränen flossen, und glücklich konnte niemand mehr werden. Am Boden zerstört, versuchte er immer noch in einem letzten Aufbäumen, Noa zu helfen, sie zu beruhigen. Er wußte von ihrem selbst-zermürbenden Zustand und reichte ihr trotz allen Widrigkeiten stets seine Hand, obwohl das Lächeln schwerfiel. Er verspürte Reue über sein Benehmen, seinen falschen Stolz und die seelische Qual, die er Noa unwillentlich zugefügt hatte. Auch wenn es zu spät war, tat er alles, um mit ihr ein klärendes Gespräch zu führen und das Problem sanft zu bereinigen, was immer es noch zu bereinigen gab. Ungeschehen konnte er es nicht machen, doch wenigstens ihre Last erleichtern. Die minimale Zukunftshoffnung, so klein wie ein Streichholz im strömenden Sommerregen, war, daß er den einzigen Makel im Laufe der Jahre verdauen und akzeptieren würde.

Doch da beging Noa ihren nächsten Fehler. Fehler um Fehler summierten sich zu einer unüberbrückbaren Mauer: Die Arroganz hatte sie übermannt, und sie verlor jegliches Gefühl für Zwischenmenschlichkeit. Die Schuld über das Geschehene einzugestehen, hielt sie für feige; Bedauern unterdrückte sie; Rückbesinnung verweigerte sie; den wirklich Betroffenen um Verzeihung zu bitten, betrachtete sie als entwürdigend, weinerlich und schwächlich. Sie hatte Angst vor Elifs Zorn. Sie hatte Angst vor der Blamage. Angst vor dem ewigen Ausgeliefertseins. Sie fauchte ihn an und beleidigte.

Die Tat hatte sie blind gemacht. Zu blind, um in Elifs gutes Herz zu schauen. Ihr entgingen seine Weitsicht, seine Menschenkenntnis. Seine wahre Natur konnte sie nicht mehr wahrnehmen. Ihre Augen sahen in dem einstigen Prinzen nur noch eine erbärmliche Gestalt, die Elif sicherlich nicht war. So verschwieg sie es weiterhin. Eine Lösung erschien nicht, ein Vergessen unmöglich. Sie begann zu lügen, zu vertuschen, zu hintergehen. Vordergründig zeigte sie keine Scham, aber im Unterbewußtsein gärte es: Noa wurde von grausamen Alpträumen zerfressen. Und sie kamen von überall her und weichten sie auf - zuerst den Geist, dann den Körper. So sehr sie sich dagegen sträubte, die Stimmen tanzten und lachten, und Noa blieb die Gefangene ihrer eigenen Dämonen. Anstatt das einzig Richtige zu tun, richtete die Verurteilte Unschuldige.

Noa konnte sich selbst nicht mehr ertragen - wie sollten es andere noch tun? Konnte irgendjemand ihr überhaupt noch vertrauen? Oder sich auf sie verlassen? Auf ihre Ehrlichkeit zählen? - Eine ihrer Strafen war, daß sie ihr Leben lang niemandem mehr Vertrauen entgegenbringen konnte. Sogar in fröhlicher Gesellschaft blieb sie stets eine einsame Frau.


"Die Stille und die Leere des Raumes sind nun unerträglich. Trotzdem: Ich will nichts daran ändern, alles soll so bleiben, nichts darf mehr wie vorher sein, nie mehr...", waren die Worte, die ihm noch entgegenhallten.

 
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Hallo ababwa!

Also den Plot an sich finde ich gar nicht schlecht, aber die Umsetzung nimmt mich nicht mit, wirkt wie Sirup (also ein Konzentrat). Durch die in meinen Augen viel zu schnelle Abfolge von Ereignissen fand ich besonders in der ersten Hälfte alles ziemlich verwirrend. Später ging es dann besser, als ich mal den Durchblick hatte. ;)

Ich denke, die Geschichte wäre es schon wert, wenn Du Dich nochmal hinsetzt und sie wesentlich detailreicher ausarbeitest, dem Leser erst einmal ein Bild von den beiden zeichnest. Zudem wirkt ein Einleitungssatz wie „Ihre Kindheit war sicherlich schwer“ wahrscheinlich eher abstoßend, als zum Weiterlesen animierend.
Da die Geschichte aber schon eine Weile dasteht und Du seither hier viel gelesen hast, weißt Du sicher eh schon ganz genau, was ich meine, ohne es im Detail zu erläutern. :)

Zu Deinem Posting unter der Geschichte kann ich Dir nur den Rat geben, es löschen zu lassen. Niemand will so belehrt werden, und es ist auch ganz falsch, jungen Menschen zu sagen, sie sollten nur auf ihre Eltern hören. Jeder braucht seine eigenen Erfahrungen, aus denen er lernt – nur dann entwickelt sich ein eigenständiger Mensch. ;)

Ein paar Kleinigkeiten noch:

»Eine Geisel aufgezwungener Normen«
– Du meinst sicher eine Geißel (wie Geißel der Menschheit)

»Noas Eltern hatten zusammen mit Elifs Eltern ohne das Wissen der beiden«
– würde das erste „Eltern“ streichen, es ist auch so klar

»ihr das freiheitliche Leben außerhalb ihrer häuslichen Mauern zu zeigen«
– „freiheitlich“? Oder doch eher „das freie Leben“? Bei „freiheitlich“ muß ich zwangsläufig an Jörg Haider denken…

»daß sie sich eigenwillig für ihn entschied, ohne elterliches Beiwerk.«
– eigenwillig klingt hier seltsam, würde „selbständig“ oder „freiwillig“ nehmen
– das „elterliche Beiwerk“ klingt auch seltsam, vielleicht „ohne elterliches Zutun“, „ohne elterliche Beeinflussung“ oder „ohne Einmischung der Eltern“

»Elif wußte davon. Oder zumindest geahnt.«
– da fehlt vielleicht ein „hatte es“ im zweiten Satz?

»und glücklich konnte niemand mehr werden.«
– die Aussage finde ich zu absolut

»Er wußte über ihren selbst-zermürbenden Zustand und reichte ihr trotz allen Widrigkeiten stets eine lächelnde Hand.«
– entweder „wußte über … Bescheid“ oder „wußte von ihrem …“
– trotz aller Widrigkeiten
– eine lächelnde Hand? :susp:

»Die minimale Zukunftshoffnung, so klein wie ein Streichholz im strömenden Sommerregen, war, daß er den einzigen Makel im Laufe der Jahre verdauen und akzeptieren würde.«
– Der Satz liest sich unheimlich schwer, ich mußte ihn erst ein paarmal herumdrehen, bis mir klar war, daß da nichts fehlt, wie ich anfangs dachte. Vorschlag: Sein Vertrauen in die Zukunft war klein wie ein Streichholz im strömenden Sommerregen. Alles, was er noch hoffte, war, den einzigen Makel mit den Jahren verdauen und akzeptieren zu können. – Allerdings frag ich mich auch noch, ob denn ein Streichholz im Sommerregen tatsächlich kleiner ist als sonst? Theoretisch müßte es ja größer werden, da es sich mit Wasser vollsaugt – ist also nicht so gut, der Vergleich. ;)

»Sie wurde von grausamen Alpträumen zerfressen. Und sie kamen von überall her und weichten sie auf - zuerst den Geist, dann den Körper.«
– ein bisserl weniger „sie“ geht sicher auch

»Trotzdem: ich will nichts daran ändern«
Ich


Wie gesagt, täte der Geschichte eine gründliche Überarbeitung sicher sehr gut, die Idee wäre es wert. Ich würde mich auch für eine Sichtweise entscheiden, also entweder aus Noas Sicht beschreiben, oder aus Elifs. Wären eigentlich beide ganz interessant, so daß ich froh bin, mich nicht entscheiden zu müssen…;)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallöchen liebe Susi,

bin überrascht, daß du diese Klammotte noch einmal ausgegraben hast. Ein Teil deiner Bemerkungen ist gerechtfertigt, ich versuche nachfolgend Stellung zu nehmen:

-- "der Text laufe zu schnell ab": Zu lange Texte halten einen vom Lesen ab, daher wollte ich ein Ausufern vermeiden. Habe dafür versucht, mehrere Aussagen über ein entstandenes Mißverhältnis hineinwürgen. Könnte man in der Tat besser machen.

-- "fehlende Details über die Eigenheiten der Darsteller": Die Charaktere spielen zum näheren Verstädnis eine Rolle (ist ja meistens so), aber hier wollte ich eher eine Situation in den Vordergrund rücken, unabhängig von den Personen. Die Idee muß nicht unbedingt auf wahren Begebenheiten basieren, sondern sollte eine Art Denkhilfe sein, um eventuelle Leser zu warnen, aus Unwissenheit schwere Fehler zu begehen. Die Geschichte entstand sozusagen "prophylaktisch".

-- "die Belehrung im Nachsatz": Das stimmt, die Intention sollte jeder selbst entdecken. Meine Aufgabe ist ja nicht, als >Weltverbesserer< aufzutreten, daher habe ich die Schlaumeierei gelöscht und denke, daß jemand, der sich hierdurch angesprochen fühlt, von alleine wissen wird, an wen er sich zu wenden hat.

-- "Überarbeitung": Ich habe deine stilistischen Fehler nach bestem Gewissen ausgemerzt, doch ich bin mir im Moment unschlüssig, ob eine gründliche Überarbeitung für mich so wichtig ist. Zum Zeitpunkt des Verfassens ging es mir weniger um ein bedeutendes Literaturwerk, stattdessen um die Verarbeitung plagender Gedanken. Hirngespinste eben, ich sonst nicht ausdrücken konnte und nicht mal wußte, wie ich sie loswerden sollte. Wenn die Geschichte irgendwo verstaubt, so sei es. Eher würde ich eine neue Geschichte aufsetzen mit anderen Akzenten und weniger persönliche Probleme einfließen lassen. In der Geschichte geht es mir schlicht um ein Verhaltensprinzip, das seine Gültigkeit keineswegs verloren hat.

Danke, Susi, daß du dir die Mühe des Lesens und Kommentieren gemacht hast!

Liebe Grüße,
Emil

 

Hallo Emil,
Vertrauen, Verrat, falscher Stolz, Kränkung,

Das sind die Stichworte, die mir zu deiner Geschichte einfallen.

Aneinander Vertrauen, setzt Offenheit voraus, die deine Noa in ihrem engstirnigen Elternhaus wohl nie kennengelernt hat. So wird sie die Zurückweisung von Elif, der Stolz mit Rückgrat zeigen verwechselt, als Kränkung empfunden haben, die sie verleitet einen Fehler zu begehen. Und weil sie diesen Fehler aufgrund einer Kränkung machte, versagt sie sich ihre Zukunft.
Traurig deine Geschichte.

Goldene Dame

 

Hallo ababwa,

bin heute auch mal per Zufall auf deine Geschichte gestoßen, die mir gefallen hat.

Wenn du möchtest, schenke ich dir als kleines Vorostergeschenk eine grammatikalische Entdeckung,;) die dir sicherlich entgangen ist... oder ist das absichtlich so geschrieben??:rolleyes:

Elif wußte davon. Oder zumindest geahnt

...hatte er es geahnt

oder

...ahnte er es

fände ich besser.

Schöne WE-Grüße
von
ahino

 

Liebe Goldene Dame,
danke dir herzlich für den Kommentar! Du hast alles korrekt zusammengefaßt -- ich wüßte nicht, was ich noch hinzufügen sollte, sehr schön erkannt.

Liebe ahino,
eigentlich sollte diese Stelle absichtlich so sein. Da sie anscheinend auf Unbehagen stößt, habe ich sie nun doch geändert. Vielen Dank für deinen Beitrag!

Schöne Grüße,
Emil

 

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