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Der Kuhmelker und eine Geschichte in C-Moll mit Ende in Klezmer

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Der Kuhmelker und eine Geschichte in C-Moll mit Ende in Klezmer

Der Kuhmelker und eine Geschichte in C-Moll mit Ende in Klezmer


Er geht aus, um eine Kuh zu melken. Seifenblasen schwirren wie lästige Fliegen um seinen Kopf. Monsterblasen aus Maissirup. Peng. Und auch Süße mit Puderzucker gemischt. Blub. Ungewöhnlich viele Menschen kreisen durch die ausgetrockneten Straßen. Auf der Wiese spielen sie Seifenblasen-Pingpong. Blub, blub-blub. Sie haben Spaß an den Blasen. Das wundert ihn nicht weiter.

Ein kleinwüchsiger, haariger Mann blickt in den Himmel. Wohin des Weges, mein Junge? Auf die Suche. Aber, aber! Die rechte Zeit ist dafür nicht. Schau, die Seifenblasen. Das Vorspiel. Bald zelebriert man Jupiters Festtage. Na und? Jupiter mag es nicht, wenn man an seinen Festtagen nicht teilnimmt! Schau dich um, alle sammeln sich und feiern. Keine Arbeit, keine Sorgen. Feiern sie nicht hier, so feiern sie andernorts. Aber sie feiern! Alle ausnahmslos. Er sieht es. Kennst du Jupiter? Mein Junge, ich bin Jupiter. Der Kuhmelker zuckt seine Schultern und geht.

Mami, wieso sind Seifenblasen nicht eckig? Ein Junge steht am Straßenrand und erstickt seine Hand in Mutterwärme. Kinder flitzen durch Höfe, schlängeln sich an Büschen vorbei und jagen seifige Kugeln mit bloßen Händen. Nur eines fuchtelt wild mit einer Fliegenklatsche herum. Es ist ein Mädchen, das Spüli für das schmutzige Geschirr zuhause braucht. Der Kuhmelker hilft ihr ein wenig und macht sie auf das Muttersöhnchen aufmerksam. Weil du die Blasen durch Ringe pustest, da können doch nur Kugeln entstehen. Der Kuhmelker und das Mädchen lachen. Es geht auf den Jungen zu und drückt ihm die Klatsche in die Hände.

Auf der Brücke spricht ihn ein Clown an. Duuuu, ich mache dich berühmt! Kinder drehen sich um und starren ihn fasziniert an. Frauen taxieren ihn. Es ist wie ein Tropfen in das übervolle Klischeeglas. Der Tag verläuft seifig. Peng.

Unter einer Linde stellt er sich ab und hält Ausschau nach einer Kuh. Bald versinkt er in die Schlieren, die die Seifenbälle umspielen, bis sie platzen. And if I die today, I´ll be the happy phantom. Des Krämers Tochter rückt in sein Blickfeld. Wie eine Seiltänzerin balanciert sie auf der Brückeneinfassung und singt. And I´ll go chasin´ the nuns out in the yard. Blub. Peng. Tip-toe. And I´ll run naked through the streets without my mask on. Tip-toe, tip-toe. Er rückt in ihr Blickfeld und sie tänzelt auf ihn zu. Er entdeckt den Sinn des Seifenblasenfalls neu. Und vergisst, dass er auf der Suche ist. And I will never need umbrellas in the rain. Manchmal kommen Kühe von selbst. Sie ist keine Kuh.

Blau. Blassblau. Tiefblau. Verschlossen. Leuchtend. Graublau. Wasserklar. Er schläft, und sie kann es nicht unterlassen zu vergleichen. Als ob alles von blauen Augen abhinge. Sie streichelt seine Wimpern. Das weckt ihn nicht auf. Vorsichtig schiebt sie sich näher zu ihm, berührt mit ihren Lippen sein Ohr und redet. Sie mag es, ihm alles zu erzählen und zu erklären, ohne dass er eine Miene verziehen kann. Wenn ich allein war, hab ich Simone gelesen. Ich bin jung und da kann ich mir sagen, dass ich noch träumen darf. Leben werde ich, wenn ich alt genug bin. Doch jetzt bin ich jung, und wenn der Mond leuchtet, dann träume ich. Wenn die Sonne an meinen Wimpern ins Auge kriechen will, dann träume ich auch. Und wenn ich geredet hab, dann mit mir selbst. Mit mir selbst. Und wenn ich geredet hab, dann mit mir selbst. Langsam dringen ihre Wortblasen in Fetzen an sein Ohr und formen sich allmählich zu Sätzen. Er lässt sich ins Wachsein ziehen und schmeckt ihre letzten Bilder. Seine Arme legen sich still um sie und ziehen sie heran. Sie hält inne und lauscht seinem Herzschlag. Er bürstet ihr einzelne Haarsträhnchen mit den Fingern aus dem Gesicht und sie erzählt weiter. Der Mond leuchtet orange. Rund und einzigartig. Sie gähnt und schläft ein. Das Bild des Mondes beherrscht ihn.

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Der Zirkusdirektor zieht seinen Zylinder und begrüßt die kreischende Menge: Geld! Geld! Geld! Zirkus Dinero ist wieder in der Stadt, und das Spiel geht von Neuem los! Ich freue mich, Sie so zahlreich hier begrüßen zu dürfen. Dieses Jahr hat Dinero noch mehr Attraktionen zu bieten: Neben dem humorvollen Geldeintreiber, nun auch den strahlenden Schuldner! Die berühmten Bettelbälger mit nur einem Arm, Bein oder Auge begleitet von heulenden, stinkenden Müttern, die mit entblößtem Busen schon einmal ins Publikum stürmen! Der schmucke Drogendealer vom letzten Jahr und die badende Brunnennixe, die sich inmitten von glitzernden Glücksmünzen im Reichtum des Aberglaubens sonnt! Verpassen Sie nicht unseren heißgeliebten, stotternden Aktionär und begrüßen Sie mit mir den exzentrischen Auktionär, der schon drei Finger verloren hat, da er nicht dem Höchstbietenden den Zuschlag erteilt hatte! Applaus!
Die Menge tobt und verneigt sich lärmend vor der neuen Show. Es beginnt. Das Intro zur eigentlichen Musik. Die Vorfreude entzündet sich an dem Hunger der spielenden Geier.

Madame Zastére wird von nackten Armen hineingetragen. Sie thront auf einer Sänfte und streckt der Menge eine Tüte Goldbären entgegen. Die Menge weicht unbewusst zurück und lauert versteinert. Zastére reißt die Tüte auf und einzelne Bärchen landen im Staub. Sie schließt ihre Augen, neigt ihren Kopf nach rechts und bewegt ihn in einem Halbkreis nach links zur Mitte zurück, öffnet groß die Augen: Bum bum bum bum bum bobirov kutz kutz, heija! Mit starr auf das Publikum gerichtetem Blick greift sie in die Tüte und streckt fünf Bären dem Publikum entgegen. Fünf Rote. Das Publikum saugt die Luft hörbar in sich ein. Die Liebe! Madame Zastére richtet sich auf, schreitet zu einer silbernen Truhe, die vom Licht beschienen wird und packt eine Glaskugel, in der ein Goldfisch schwimmt, heraus. Sie hebt ihre Hände und zeichnet Kreisflächen mit ihnen: Spij Kochanie, spij, spij Kochanie, spij. Flüsternd: Spij Kochanie, spij. In der Kugel bündelt sich das Licht, und das Publikum lehnt sich nach vorne mit geöffneter Fratze. Hoch bis an die Zeltdecke schießt Helligkeit und breitet sich aus. Zwei Gestalten zeichnen sich langsam ab, als seien sie eine. Ihre Körper wellen sich aufeinander. Kindern werden die Augen abgeschaltet. Beschleunigender Fluss. Bis zur innigen Erschöpfung. Des Krämers Tochter, die gefallene Seiltänzerin. Dinero kannte sie einst gut. Und der Taugenichts, für den es Jupiters Fest nicht gibt.

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Im Himmel flammt Vollmond, auf der Erde Laternen, die sich in feierlicher Polonäse drehen. Geschminkte Männergesichter geduckt, versteckt, heimlich und fiebrig wie eine Ehebrecherin im Heu einer abgelegenen Scheune. Sie tanzen, zirkulieren und flüstern. Abseits von dem bunten Treiben sitzen Frank und Furt auf einem Hügel. In Gedanken versunken schauen sie auf das helle Zirkuszelt. Mir graut es vor diesem Jahr. Jede einzelne Dorfseele atmet gerade Zirkusluft ein und gibt sich dem jährlichen Spektakel hin. Nur Frank und Furt, Cousins ersten Grades und Liebespaar zweiter Klasse, gleichgeschlechtlich und gleichgebilligt, schließen sich aus. Frank neigt sich zu Furt und küsst ihn. Oh mein Romeo, auch mir graut es davor! Ist denn unsere Liebe so wichtig, dass wir uns weiterhin verstecken dürfen? Das Flüstern erstickt in tiefes Stöhnen. Laternenlicht gibt nackte Männerkörper preis, die sich im Mondlicht verausgaben. Orgy-porgy, fuck and fun. Kiss the dicks and make them One. Boys at one and girls at home. Orgy-porgy´s pouring your foam. Furt lehnt sich weiter zurück, verliert den Zirkus aber nicht aus den Augen. Er weiß genau, was hinter ihnen geschieht. Sie lebten es noch letztes Jahr mit. Mich ekelt das davorne genauso an wie das dahinten. Sie sind sich einig.

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Jupiter schaut dem jungen Kuhmelker hinterher. Er wechselt sein Antlitz im Blitz und Donner, majestätisch und gebieterisch sieht er herab. Der Seifenblasenfall verstärkt sich, wird dichter und schneller. Bald wird sich das Dorf im Zelt versammeln. Ohne dass sie es merken, zollen sie dem Gott des Todes Tribut. Wenn sie es merken, werden sie schon bezahlt haben. Dieser törichte Taugenichts! Dreht sich um und lebt seinen Willen. Ungebunden, gleichgestellt. Allein. Sich selbst verschrieben, Traditionen abgeschrieben. Einst stellten die Götter auf, was sie täglich brechen. Menschen beten, bereuen und versprechen. Noch war er allein und frei. Aber bislang überließ sich keine Seele ewig der Einsamkeit. Eine Verräterin bleibt eine Verräterin. Bei Jupiter!

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Morgen, mein Sonnenschein. Du bist jetzt Günesim, wenn du nichts dagegen hast. Nichts dagegen? Gefesselt und geknebelt bleiben ihm nicht viele Möglichkeiten zu antworten. Der Kuhmelker schüttelt den Kopf und mustert sie fragend. Sie lacht und setzt sich auf seinen Schoß. Vor zwei Stunden kam eine Wandertruppe vorbei. Ich gab ihnen Brot und Milch. Dafür brachte mir der Knotenmeister einige Knoten bei. Den Keltischen beherrschte er leider nicht. Und wir tanzten! Willst du mich tanzen sehen? Sie steht auf, markiert mit ihrem rechten Fuß einen Kreis in der trockenen Erde und lächelt ihn an. Er hat den traurigsten Blick, den sie jemals gesehen hat. Sie bindet ihn los. Tanzt du mit mir? Ich kann nicht tanzen. Er lässt seine Schultern hängen und sieht dabei einem Schimpansen ähnlicher als ihrem Sonnenschein. Chita. Sie flüstert es ihm ins Ohr und er drückt sie auf den Boden. Saftbar! Ein Rascheln in den Büschen beendet ihr Spiel. Er richtet sich auf und geht zu den Büschen. Wer ist da?

Geld! Geld! Geld! Der Zug zieht durch enge Gassen, weite Felder und schmale Frauen. Bälger schreien, Hunde bellen und Weiber flehen. Frauen töten, Männer brechen und Kinder stehlen. Das Leben ist ein Gedanke, den niemand zu Ende denken wird. Bartosch gräbt mit seiner Harke eine schäbige Hütte um. Keine Ecke verlässt er uninspiziert. Malaika hockt in einem dunklen Loch, tropfend, zitternd und aufgeknackt. Haselnüsse liegen um sie herum, bohrten sich in ihren Rücken und krochen ihr in die Finger. Nuno gräbt ein Loch. Denn Sünder verschanzen sich unter der Erde. Malaika sticht von hinten zu, Bartosch fällt. Tick tack, tick tack, tick tack, tick tick tack. Der Zirkusdirektor brüllt in ein Megaphon, um die Menge anzuspornen. Hey, hey, hey. Money, money, money money money! Ole scheucht ein Pärchen auf, das sich in einer Dachkammer die Jagd am entblößten Arsch vorbeigehen lässt. Schuldbewusst stürmt es an bekannte Stellen und sammelt andere liegengelassene Pärchen ein. Jupiter schwächt die Strahlen der Sonne ab und es nieselt ihm zum Wohlgefallen. Vögel zwitschern. Das hört Bubu. Er wartet in seinem Baumhaus. Malaika hat ihn dorthin geschickt. Mira lässt die letzten Seifenblasen auf ihrer Fliegenklatsche abtropfen. Bubu rückt zu ihr und sucht ihre Hand. Der Regen fällt. Auf Miras Hand. Und auf Bubus.

Der Clown hüpft mit Kumpanen durch den trockenen Wald. Er lacht irr in sich hinein. Mit einem Sicherheitsabstand folgen ihm seine Begleiter. Jupiter reitet auf einer Wolke, die nicht vom Clown ablässt. Sie ergießt sich auf ihm und treibt ihn weiter. Bis zum Ziel. Sie löst sich auf, und der Clown wundert sich und schaut sich um. Seine Kumpanen versammeln sich um ihn. Er trocknet seine Augen und es spritzt aus seinen Ohren. Männerstimmen. Vorsichtig kriecht er in die Büsche hinein.

Wer ist da? Der Kuhmelker spricht laut und schiebt sich an ihr vorbei. Frank und Furt befreien sich aus dem kratzigen Geäst. Sie suchen nach euch. Ihr seid doch der Taugenichts und die gefallene Seiltänzerin? Sie fasst ihn um seinen Arm und er hebt seinen Blick gen Himmel. Wann hat es zu regnen angefangen? Wer sucht uns warum? Frank und Furt tauschen einen stärkenden Blick aus. Zirkus Dinero. Nun ja, es ist das jährliche Treiben. Man sagt, du habest Jupiters Fest ignoriert. Sie schreckt zurück und lehnt sich an den Kuhmelker. Jupiter. Ach so, Jupiter. Der mahnende Zeigefinger. Frank und Furt ereifern sich. Nein, der oberste Gott! Aha. Das sah man ihm doch gar nicht an. Und wieso warnt ihr uns?

Haha! Ich habe es dir gesagt! Ich mache dich berühmt. Haha. Besser gesagt deinen Kopf und nun auch ihren Kleinen. Der Clown überrascht sie lachend. Von allen Seiten erscheinen seine Kumpanen. Der Uhrmacher stimmt in das Gelächter ein, als er Frank und Furt erblickt. Und was macht ihr hier? Macht nicht den Fehler die Belohnung für euch einzufordern, schwules Pack! Am besten ihr verschwindet sofort. Die Wolken verdichten sich und singen lauter. Es donnert und blitzt. Wie von einer Wespe gestochen richtet sie sich auf und zeigt mit dem Finger auf Frank und Furt. Ihr wollt diese Verräter ziehen lassen? Die wollten uns warnen! Der Kuhmelker beobachtet sie. Er zeichnet ein Bild von dem Lauf der Dinge. Jetzt hält sie es in Bewegung. Es schaudert ihn. Er fühlt ihren weichen Körper. Ihr weiches Herz.

Das Dorf ist in Aufruhr. Laute Rufe, große Beschimpfungen, heiße Verurteilungen. Des Krämers Tochter und den Kuhmelker würde man von einer Klippe stürzen. So steht es im Tagesprogramm. Jupiter prangt in bedrohlicher Größe und blutverschmiert auf einem Sockel. Aus purem Marmor. Des Menschen Phantasie ist eingeschränkt. Frank und Furt stehen an der Klippe. Umzingelt von einer lärmenden Menge, die den Tod fordert. Sie sind Verräter. Vollstrecker ihres freien Gedankens. Frank und Furt fallen. Tiefer und tiefer. Bis sie aufschlagen und ihre Gedanken vom Leben sterben. Der Taugenichts und die Seiltänzerin sehen sich in die Augen. Du hast dich des Mordes an Frank und Furt schuldig erwiesen. Sie lächelt und ihre Augen füllen sich. Auch du hast dich des Mordes an Frank und Furt schuldig erwiesen. Sie küssen sich und eine Dorfkapelle stimmt versöhnlich Hava Nagilah ein. Hiermit ernannte man sie zu Mann und Frau. Mazel tov.

 

Hallo zaza,
Verstanden habe ich deine Geschichte wohl nicht so richtig. Irgendwie ist sie recht surreal gehalten. Nur soviel. Es geht um eine jüdische Hochzeit. Und es ist eine traurige Liebesgeschichte. Und alle Traurigkeit wird verdeckt von einer absurden Fröhlichkeit und Ausgelassenheit.

Goldene Dame

 

was heisst das immer "die geschichte verstenden/nicht verstanden". du hast etwas in ihr gelesen und mehr an rezeptionsvorgang ist weder nötig noch erstrebenswert.

verstanden: heisst das, dass du dich fragst ob und wie weit deine lesart der der autorin entspricht? wenn ja, dann möchte ich festhalten dass das irrelvant ist für das erleben und auch beurteilen einer geschichte.

ich habe gesprochen.

 

Hallo Zaza,

irgendwie haben auch deine Geschichten mal mehr Beachtung erfahren.

Allerdings muss ich auch sagen, dass es schwer ist, zu dieser GEschcihte etwas zu schreiben. Ich greife mal Harkhov auf.

verstanden: heisst das, dass du dich fragst ob und wie weit deine lesart der der autorin entspricht? wenn ja, dann möchte ich festhalten dass das irrelvant ist für das erleben und auch beurteilen einer geschichte.
Darüber kännte man eine wunderschöne Grundsatzdiskussion führen. Das möchte ich zwar hier vermeiden, aber in diesem Kontext liegt mein Problem mit dieser Art von Geschichten.

Ich tapse durch sioe durch, picke hier mal ein Korn, erhasche dort mal ein Bild und es gibt einen diffusen Gesamteindruck, bei dem ich sicher bin, viele Farben nicht zu erfassen. Es geht mir, als ob ich einen Film sehe, dessen erste halbe Stunde ich verpasst habe.
Vielleicht bin ich dem konservativen Denken verhaftet, auch eine Intention des Autors zu erkennen. So wurde mit in der Schule Interpretation beigebracht. Vor allem ist es aber für mich als "Leser/Kritiker" bequemer, denn ich habe etwas, an dem ich mich festhalten kann, Kriterien, an denen ich beurteilen kann, obn die Intension erreicht und umgesetzt wurde. In dieser Beziehung bleibe ich bei deiner Geschichte im Dunkeln.
Sie steckt zu sehr voller Bilder umintentionslos zu sein
Sie steckt zu sehr voller Handlung, um nur atmosphärisch zu sein
Sie steckt zu sehr voller Gewalt um melancholisch zu sein
Und sie steckt zu sehr voller Melancholie um gewaltvoll zu sein.
Das liest sich nur, also ob ich nach einer Schublade giere, in die ich sie einordnen könnte, ich gieren aber eher nach einem Schlüssel, der mir das Haus öffnet und nicht nur die Veranda.
Darinm steckt für mich in deiner Geschcihte bei aller Poesie, bei allen Formulierungen das Unbefriedigende.

Das soll nun keineswegs heißen, dass sie mir nicht gefallen hätte.
Deine Geschichte liest sich sehr schön, verlangt einem einiges an Konzentration ab (an der es mir leider permanent mangelt).
Gelesen habe ich von Traditionen, von einem wiederkehrenden Fest der fröhlichen Vernichtung, von einem "Gang nach Canossa", der jährlich zelebriert wird und der keine Individualität zuzulassen scheint.
Untergang wird zelebriert. Zirkus, Jupiters Fest versprechen eine Fröhlichkeit, die nie aufkommen möchte in deiner Geschichte und die auch für die Protagonisten eher bedrohlich erscheint.
Allerings werden mir die vielen Rückgriffe auf die jüdische Mythologie nciht klar. Ist es nur eine Tradition unter vielen, die du dir zufällig gewält hast? Oder hast du sie gewählt, weil zu ihr auch die Verfolgung und der Hass gehören, gebaute Siedlungen zur Zementierung eines brüchigen Satus Quo dessen Alltag der Terror ist?

Ich habe mal im Zusammenhang mit deinen Geschichten davon gesprochen, dass sie in mir immer das Gefühl hinterlassen, dumm zu sein. Auch diese Geschichte hinterlässt dieses Gefühl. Sie hat einen sehr traurigen eigentümlichen Charme, fast eine Lust am Untergang, aber ich habe eben das Gefühl, dass mir zu ihrer vollständigen Erfassung etwas fehlt, Allgemeinbildung, Intuition, Instinkt, etwas, das nicht in der Geschichte liegt. Und das fühlt sich unangenehm an, so schön, wie sich der Text für mich auch gelesen hat.

Lieben Gruß, sim

 

Jetzt ist meine ganze Antwort den Bach runtergegangen, weil... Also nochmal:

Viele Rückgriffe? Weiß nicht, richtig bewusst habe ich das nur im letzten Absatz eingebaut, da brauchte ich Hochzeitsmusik, so kam ich auf Klezmer. Hätte sonst etwas wählen können.

Deine Antwort ist sehr ausführlich, läuft aber leider wieder darauf hinaus, dass ich meine Schreibe überdenken solle. Das tue ich bei jedem neuen Text wieder und noch öfter. Soll ich meinen Schreibstil dem wohlgesonnenen Leser opfern und meinen eigenen Vorstellungen nicht mehr gerecht werden?

Es ist richtig, dass in diesem Text sehr viel drinsteckt. Alles steckt drin, auch der Schlüssel zum Verständnis. Nur mag er in vielen Details gut begraben liegen. Kann schon sein. Jedoch ist das kein Text, der nur auf die Intention bedacht ist. Wie z.B. "Leiter zur Aphrodite" oder andere. Straight forward. Das sind in der Mathematik die langweiligsten Beweise.

An Deinen Eindrücken erkenne ich, dass Du so einiges herausgelesen hast. Ich glaube, Dir fehlt gar nichts. Traditionen (blinde Übernahme), Verlust von Individualität (Einschränkung, Unfreiheit) und die Freude an der Vernichtung Anderer. Davon hast Du nicht nur gelesen, davon habe ich auch geschrieben. Eine (wichtige) Komponente fehlt noch, die von dem Paar Kuhmelker und Seiltänzerin gezeichnet wird. Musst aber weder raten, noch rätseln.

Deine Unsicherheit oder Dein Gefühl, dumm zu sein, resultieren meiner Meinung nach aus Deiner Lesart, Deiner unbedingten Absicht, DIE Intention des Autors herauszulesen. Etwas anderes lässt Du nicht zu. Zu Schulzeiten konnte ich Texte, wie ich heute schreibe, nicht leiden. Ich mochte sie weder lesen, noch verstand ich sie. Das lag an dem Druck, den Lehrer immer wieder ausübten. Man musste, DIE Intention aufspüren. DAS Richtige. Da bin ich lieber kläglich gescheitert, als mich auf den Text einzulassen. Dumm kam ich mir dabei auch oft vor. Dem habe ich abgeschworen, ich muss mir ja nicht selbst auch noch so einen Druck antun.

Vielen Dank für Deine lieben Worte, freut mich, wenn sich jemand so stark mit meinen Texten auseinandersetzt!

 

Hallo Zaza,

Deine Antwort ist sehr ausführlich, läuft aber leider wieder darauf hinaus, dass ich meine Schreibe überdenken solle. Das tue ich bei jedem neuen Text wieder und noch öfter. Soll ich meinen Schreibstil dem wohlgesonnenen Leser opfern und meinen eigenen Vorstellungen nicht mehr gerecht werden?

Wenn es so angekommen ist, war es nicht beabsichtigt. Ich habe nur versucht, zu beschreiben, wie die Geschichte auf mich wirkt und welche Schwierigkeiten ich damit habe. Auf keinen Fall wollte ich, dass du anders schreibst als es für dich richtig ist.

Mit bösem Willen könnte man aus deinen Worten über den wohlgesonnen Leser eine Verachtung lesen, ich denke aber auch, dass ich den Leser eher verachte, wenn ich ihm nach dem Munde schreibe, ihn nicht fordere, sondern nur versuche, ihm zu gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

Ja, hab ich schon so verstanden, dass Du das nicht willst. Ich hab halt nur gefolgert, was Deine Worte eigentlich bedeuten für mich. Und das wäre eben die Folgerung.

Wieso hab ich eigentlich wohlgesonnen geschrieben? Da stand was anderes, bevor mein Beitrag verschluckt wurde. War Not-Rekapitulation oder so, haha.
Ich find den Begriff "Verachtung" ja krass gewählt, aber vielleicht könnte man es. Vielleicht könntest aber auch Du es im Besonderen. Jedenfalls wundert es mich nicht, dass Du es so lesen kannst. Ich denke über Leser, die meine Texte nicht verstehen, nicht schlecht, in keinster Weise. Aber ich passe mich ihren Wünschen auch nicht so ohne weiteres an, das ist auch schon alles. Mehr nicht. Sagte ich aber schon oft.

 

Ich finde es auch ziemlich egal, ob deine Geschichte für mich lesbar ist oder nicht. Wenn ich es recht überdenke, wollte ich nett sein. War wohl ein Fehler.

 

Und zwar ein Großer! Jetzt kusch Dich. Danke.

 
Zuletzt bearbeitet:

Zaza schrieb:
Und zwar ein Großer! Jetzt kusch Dich. Danke.
Meine Güte bist du beasty :rotfl: :rotfl:
Zaza, ich denke du hast große Ansprüche. An deinen Texten sieht man, dass du nicht nur so daher schreibst. Ich habe diese Geschichte insgesamt drei Mal gelesen, nur aus dem Vergügen heraus, mir die Geschichte bildlich vorzustellen. Sogar die Musik habe ich gehört. Aus ehrlichem Interesse heraus, habe ich versucht zu sehen, was du siehst. Wenn ich mich nicht gertraut habe, etwas genauer darüber zu schreiben, dann nur weil ich mit deiner Art des Umgangs mit Kritiken nicht so klar komme. Es scheint mir du bist weiter als andere. Nur wie weiter kannst du nicht sagen. Willst du nicht sagen. Wie soll man dass denn auffassen, wenn es nicht als Beleidigung gemeint ist? Als Überheblichkeit oder als Empfindsamkeit?

 

Salut Zaza!

Das Hauptthema in deiner Geschichte ist für mich der (Aber)Glaube. Der Kuhmelker und die Seiltänzerin sind Sünder (nach Jupiter), da sie nicht blind mit dem Strom der Gläubigen schwimmen, sondern aus eigenem Willen handeln.
Jupiter ruft also die anderen Gläubigen zur Jagd nach den Sündern aus. Diese schlechte Tat soll als Gute verkauft werden, es soll ein Fest sein was sie feiern. Der Kuhmelker und die gefallene Seiltänzerin sollen eigentlich bestraft werden. Es müssen jedoch Frank und Furt sterben, weil sie als Verräter betitelt werden. Die Menge, die nie gelernt hat eigenständig zu denken bzw. ihrem eigenen Willen zu gehorchen, schreit nach dem Tod der angeblichen Verräter. Es wird nicht einmal hinterfragt, ob sie wirklich welche sind. Somit hat Jupiter damit, dass er Abhängigkeit forderte, dass Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte.
Der Kuhmelker und die Seiltänzerin nehmen sogar die Worte „Du hast dich des Mordes an Frank und Furt schuldig erwiesen“ als Liebesschwur bei ihrer Hochzeit.

Einmal kam in der Geschichte der Satz: „das Leben ist ein Gedanke, den niemand zu Ende denken wird“ vor.
Das erinnert mich an die Seifenblasen, welche ja ein sehr häufiges Bild im Text sind. Man kann versuchen nach den Seifenblasen zu greifen, aber wenn man sie fasst, werden sie zerplatzen.
„Er entdeckt den Sinn des Seifenblasenfalls neu. Und vergisst, dass er auf der Suche ist.“
Der Kuhmelker versucht nach dem Sinn zu greifen, aber als er ihn erfasst, vergisst er ihn. Vergisst sogar dass er auf der Suche ist. Es bleibt ja auch nichts zurück, wenn eine Seifenblase zerplatzt.

Schon als ich die Geschichte das erste Mal bei dir gelesen habe, gefiel mir die Benennung ‚gefallene Seiltänzerin’ am Besten. Eine Seiltänzerin tritt im Zirkus auf, der Zirkus ist in deiner Geschichte der Festplatz des Glaubens. Ich folgere: Die Seiltänzerin ist vom Glauben gefallen.

Das alles wird von dem Schein einer künstlich fröhlichen Atmosphäre begleitet.

Es ist wie ein Tropfen in das übervolle Klischeeglas. Der Tag verläuft seifig.
Gefällt mir.

Vorsichtig schiebt sie sich näher zu ihm, berührt mit ihren Lippen sein Ohr und redet. Sie mag es, ihm alles zu erzählen und zu erklären, ohne dass er eine Miene verziehen kann. Wenn ich allein war, hab ich Simone gelesen. Ich bin jung und da kann ich mir sagen, dass ich noch träumen darf. Leben werde ich, wenn ich alt genug bin. Doch jetzt bin ich jung, und wenn der Mond leuchtet, dann träume ich. Wenn die Sonne an meinen Wimpern ins Auge kriechen will, dann träume ich auch. Und wenn ich geredet hab, dann mit mir selbst.
Für mich die schönste Stelle in der ganzen Geschichte!

Ich finde es beim Lesen etwas nervig, dass du keine Anführungsstriche bei wörtlicher Rede gesetzt hast. Manchmal verwirrt es unnötig.

Madame Zastére wird von nackten Armen hineingetragen. Sie thront auf einer Sänfte und streckt der Menge eine Tüte Goldbären entgegen.
Gummiebärchenorakel! :D

Gruß!
Das Tochterle :D

 

Zu Miss Gold: Na, entweder Nettigkeit oder Interesse. Du kannst Dich auch nicht entscheiden. Woher soll ich wissen, wie intensiv Du Dich mit der Geschichte auseinandergesetzt hast? Kam aus der ersten Kritik einfach nicht rüber, und mein Kommentar war gar nicht so sehr auf Deine Kritik bezogen. Mehr so: Paar Tage gewartet, kommt nichts (als Antwort auf die Frage von Harkhov), ok dann nicht, egal. Ich hab nicht mehr mit einer Ausführung von Dir gerechnet, das war auch schon alles. Kam halt mehr so rüber wie einmal gelesen, nicht verstanden, also weg. Da sach ich eben: Scheiß drauf!
Wenn Du doch was sagen willst, dann tu es. Ich bin nicht dafür verantwortlich, ob Du mit meinen Kommentaren umgehen kannst. Wenn Du Fragen hast, dann stell sie. Mehr als nicht beantworten, kann ja eh nicht kommen. Sprech ich Dir grad Mut zu? Was solln das???


Ah, mein Töchterlein, hab mich ja schon ewig auf Deinen Kommentar gefreut! Und er hilft mir. An Deiner Interpretation (zusammen mit Sims) sehe ich, was noch verbessert werden muss. Und wieder einmal stellt sich heraus, dass ich es schon vorher wusste. Irgendwie stellen sich zum Schluss eh die Stellen als nicht so gut heraus, bei denen man schon vorher kein gutes Gefühl hat.
Hast Du schön mit dem Glauben rausgelesen. Doch zum Schluss stimmt die Rolle des großen Jupiter, des höchsten Gottes, nicht mehr ganz. Oder besser gesagt, dass auch was Sim schon nicht einordnen konnte, warum Kuhmelker und Seiltänzerin zum Schluss verschont werden und sogar in die Gemeinschaft aufgenommen werden, hast auch Du nicht gesehen. Daran werde ich nach der Prüfung arbeiten. Ist jetzt auch genug Zeit vergangen, dass ich mich gar nicht mehr mit dem Text beschäftigt habe, und es mit Abstand tun kann.

Vielen Dank!

 

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