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Der Straßenbahner

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28.08.2004
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Der Straßenbahner

Es war Montag, die Sonne war gerade aufgegangen und Olec Tamarie kam geradewegs aus dem Toilettenhäuschen Ecke Str. „Kleinholdweg“.
Die schäbige Klotür fiel hinter ihm zu, der Gestank hatte ihn nach draußen getrieben und er hatte das Gefühl in diesen zwei Minuten Notdurft-Verrichten mehr Bakterien eingefangen zu haben, als wenn er durch ein Malaria Gebiet in Indien gelaufen wäre.
Angeekelt lief er den schmalen Weg bis zu den Schienen zurück.
Er eilte zu seinem Wagen zurück der noch fast leer war. Um vier Uhr hatte er seine Arbeit begonnen, mittlerweile müsste es 5:30 sein.
Während er lief, versuchte er krampfhaft seine Hände von seiner Kleidung fern zu halten. Er wollte nicht riskieren, dass die Bakterien auf seine Kleidung übergingen und er sie womöglich noch mit nach Hause brachte.
Er stieg in den Wagen und holte seine Wasserflasche so wie die Hygienetücher heraus. Vorsichtig ging er damit auf die schmale Fläche Rasen und übergoß seine Hände mit Wasser.
Er brauchte 3 Hygienetücher um seine Nerven zu beruhigen.
Als er endlich wieder in den Wagen einstieg, waren die drei einzigen Fahrgäste bereits wieder ausgestiegen.
Er wischte einmal mit dem Hygienetuch über den Schalthebel und nahm die Fahrt wieder auf.
Vereinzelt stiegen Leute zu. Das Publikum wechselte gegen späteren Morgen von Volltrunkenen, über früh Arbeitenden in grau melierten Anzügen, zu den Schulkindern.
Letztere jagten ihm gleich zwei Schauer über den Rücken.
Die Kaugummis und Pokemonsticker an den Sitzen ließen seinen Magensäuregehalt ansteigen.
Er konzentrierte sich auf die Straße, um seine Gedanken abzulenken. Die ersten Krokusse waren aufgegangen und draußen war es bereits relativ warm.
Er versuchte seine Gedanken auf die Wärme und die Blumen zu konzentrieren,
erversuchte seine Aufmerksamkeit von dem Ekel wegzubekommen.

Dieses Gefühl der Hilfslosigkeit, des Entsetzens und unaufhaltsamer Panik begleitete ihn jeden Tag,
fast so, wie ihn diese Straßenbahn begleitete.
Sie war es, die ihn seinen Ängsten aussetzte und ihn gleichzeitig davor bewahrte.
Er sah die Leute einsteigen und aussteigen, er spürte sie, doch sie spürten ihn nicht. Sie kannten seine Angst nicht, manche von ihnen dachten nicht einmal daran, dass er existierte, für sie fuhr die Bahn alleine. Sie kamen, lachten und gingen wieder. Irgendwann würde jeder hier wieder gehen. Er würde der letzte sein, der ging.
Genau wie die Bahn, die immer blieb. Er konnte seinem Ekel nicht entfliehen und die Bahn konnte nicht aus ihren Schienen.
Das war es, was sie zu Verbündeten machten. Sie waren beide hier gebunden und taten ihren Job.
Er versuchte, die Kinder, die mit dreckigen Schuhen an die Sitze tretend an den Stangen turnten, zu ignorieren. Er öffnete die Tür, schloss die Tür wieder, fuhr, hielt und fuhr wieder. Ein kränklich aussehender Junge betrat die Bahn.
Er kam an der wildtobenden Meute vorbei, die er zu kennen schien und begrüßte sie.
Die Aufmerksamkeit des Bahnfahrers wurde erneut auf die Straße gelenkt. Er musste bremsen, da mehrere Leute über die Schienen gingen, das Plastikbäumchen, dass an der Decke seiner Kabine befestigt war, wackelte und verströmte Lavendelduft.
An der nächsten Haltestelle stieg der Junge mit den anderen lauten Rabauken aus. Der Straßenbahner wickelte ein Salbeibonbon aus und schmiss das Papier in den sterilen Müllbeutel neben ihn.
Langsam das Bonbon lutschend, sah er dem Jungen hinterher, der draußen mit den anderen lachenden Jungs die Straße überquerte, sich die Nase putzend und das Tuch, das benutzte Tuch, dann neben sich auf den Gehweg fallen ließ.
Die Türen schlossen sich und der Straßenbahner nahm seine Fahrt wieder auf.
-

 

Hallo Lupiene,

teilweise hat mir deine Geschichte sehr gut gefallen. Du schilderst eindringlich den Alltag des Straßenbahnfahrers und seine Gefühle, vor allem seinen Ekel, und schaffst eine lebendige Atmosphäre. Leider aber vermisse ich einen richtigen Aufbau, und du stellst das Thema nicht ganz klar heraus.
Das Hauptgewicht der Geschichte scheint auf dem Ekel zu liegen, und dass der Prot ein Straßenbahnfahrer ist, scheint nur der Aufhänger, um die Geschichte zu erzählen. Wenn es aber so ist, passt der Titel nicht ganz, und auch die Stelle am Anfang, wo eine Abmahnung wegen unerlaubten Klogehens droht und der Prot wegen der langen Klopause seine Fahrgäste verscheucht, passt auch nicht, weil dieses Thema für den Rest der Geschichte keine Rolle mehr spielt.
Ist aber der miese Alltag des Straßenbahnfahrers das eigentliche Thema, liegt viel zu viel Gewicht auf dem Ekel.
Also würde ich dir raten, dich da klar zu entscheiden und Stellen, die nicht dazu passen, einfach zu streichen.

Auch stört mich etwas, dass die Geschichte so ein bisschen dahinplätschert. Dein Prot ekelt sich, was du sehr farbig rüberbringst. Nachdem du das so gut geschildert hast, kommt die Stelle:

Die Aufmerksamkeit die der man auf den Ekel richtet ist vergleichbar mit dem Blick auf die eigene Nase. Hat man ihn einmal dahin gerrichtet, kann es im schlimmsten Fall passieren, dass man einen ganzen Tag bei allem was man tut seine Nase im Blickfeld hat, so länger man sich auf seine Nase konzentriert, umso länger wird man sie sehen.
Er hatte seine Aufmerksamkeit nicht mehr von seiner Angst wegbekommen.

Hier belehrst du den Leser noch mal ganz sachlich über das, was er durch deine Schilderung schon wunderbar verstanden hat. Hat deine Geschichte gar nicht nötig. Außerdem soll man solche Passagen immer meiden, denn man soll zeigen (was du getan hast), nicht beschreiben oder belehren.

Dein Prot ist also besessen von seinem Ekel, findet überall einen Anlass dafür. Sonst aber passiert in der Geschichte nichts mehr. Man erwartet eigentlich irgendeine Steigerung oder einen Knalleffekt, dass er z.B. auf ein Kind losgeht, das Schokolade verschmiert, und ein Tumult entsteht, oder der Prot es irgendwann nicht mehr über sich bringt, seinen dreckigen Straßenbahnwagen zu besteigen, oder ...

Sprachlich sind noch ein paar Holpersteine drin:

Die schäbige Klotür fiel hinter ihm zu, der Gestank trieb ihn nach draußen

„ ... der Gestank hatte ihn nach draußen getrieben.“ Denn wenn die Klotür zugefallen ist, ist der Prot schon vom Gestank vertrieben worden.

Geschäftiges-Notdurft-verichten
„Verrichten“ auch groß. Aber er verrichtet geschäftig seine Notdurft? Klingt irgendwie komisch. Ich würde einfach nur „Notdurft-Verrichten“ schreiben.

... in diesen zwei Minuten mehr Bakterien eingefangen zu haben, wie wenn er durch ein Malaria Gebiet in Indien gelaufen wäre.

Als wenn er durch ...

Viele deiner Sätze fangen mit „Er“ an, das ist ein bisschen eintönig; vielleicht kannst du es noch ändern.

(Er = fehlt noch) sah die Leute einsteigen und aussteigen, er spürte sie, doch sie spürten ihn nicht. Sie kannten seine Angst nicht, manche von ihnen dachten nicht einmal daran, dass er existierte, für sie fuhr die Bahn alleine.

Die Stelle hat mir sehr gut gefallen.

Also, in deiner Geschichte steckt viel Potenzial, aber ich würde sie noch mal überarbeiten.

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo Pischa,

Ich habe die Geschichte noch mal durch gelesen und überarbeitet.
Die Geschichte thematisiert den Ekel des STraßenbahners und die damit verbundene Zuneigung (Zuneigung ist vielleicht zu viel, eher Verbindung) zu der Bahn.
Ich wollte bewusst einen Bezug zu dem Beruf Staßenbahner, also auch der Bahn schaffen.
Ich habe da noch mal zu Erklärung den Satz "Er konnte seinem Ekel nicht entfliehen und die Bahn konnte nicht aus ihren Schienen." hinzugefügt, um klar zu machen, warum ich keine Steigerung gewählt habe.
Der Gedanke der Aussihtslosigkeit soll gehalten werden.
Es ist dann vielleicht nicht so spannend, wie wenn der Bahner alle Leute in der Bahn einsperren und gehen würde, aber es ist ja das Problem.
Das andere habe ich raus genommen, da hattest (du) recht.
EIns noch, mit Titel habe ich immer Probleme, mir ist einfach nichts besseres eingefallen.
Und das da "er" steht, ist auch ein Problem.
Ich wollte, es eigentlich so lassen, das es näher wirkt, als könnte es jedem Straßenbahner, also ihm so gehen.
Doch das klingt echt nicht so gut.
Vielleicht hast du zu den zwei Punkten noch eine Idee, ansonsten
Danke für die Kritik.
Lupiene

 

Hy,
Ja groper, irgendwie hast du recht.
Ich war wohl in einer etwas negativen Stimmung als ich die Geschichte gesehen habe.
Ich denke, es geht jedem (schreibt man das jetzt groß?) mal so, dass er keine Möglichkeit sieht, etwas anderes zu machen und alles nur noch negativ finden.
Ich bin froh, dass es mir nicht immer so geht.
Es gibt aber sicher Leute, denen es so geht und das Schlimme ist, sie merken es nicht mal.
Grüße Lupiene

 

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