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Die Bombe und die Hure

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13.12.2003
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Die Bombe und die Hure

Nancy erwachte schlagartig und blinzelte. Sie war nackt. Müde rieb sie sich die Augen. Ihr Unterleib schmerzte leicht. Sie streckte sich und öffnete die untere Schublade ihres Nachschranks um daraus die Cremedose zu entnehmen. Nachdem sie sich ihren Genitalbereich eingecremt hatte, strich sie den Finger an ihrem Oberschenkel trocken, nahm eine Marlboro aus der Schachtel und trat nackt hinaus auf den Balkon ihres Apartments.
Die Morgensonne ließ die Stadt glitzern. Kontraste wie man sie nur um diese morgendliche Uhrzeit oder an manchen heißen Abenden sehen konnte. Die gleißenden Glasfassaden zur Sonnenseite und die tiefschwarzen Straßenschluchten dahinter. Die Geräusche der Stadt.
Sie musste lächeln.
Gestern Abend hatte sie mal wieder so viel Kohle gemacht wie die ganzen bornierten Tippsen, Bürotanten und Brötchenverkäuferinnen in einer Woche. Und es hatte schon schlimmere Nächte gegeben als die letzte – viel schlimmere. Auch wenn John in drei vier Stunden sich seinen Teil des Geldes nehmen würde – es blieb mehr als genug, um sich einen gehobenen Standart leben zu können. Einem Standart zu dem auch eine Priese weißen Pulvers von zeit zu zeit gehörte.
Sie schloss die Augen und inhalierte tief. Die erste Zigarette am Tag war etwas, das sie sehr genoss. Genau wie die Ruhe und den Ausblick von ihrem Balkon in diesen Stunden.
Nancy ließ die Balkontür auf, um den Mief ins Freie entweichen zu lassen und ging duschen.
Es fühlte sich auch nach dem Duschen nicht richtig sauber an, aber es half zumindest ein bisschen. Nach der Morgentoilette räumte sie das Bett auf und kleidete sich an. Durch die offene Balkontür war es recht kalt geworden, doch die Luft roch wesentlich angenehmer. Die leeren Ginflaschen stellte sie in den Flur.
Dabei entdeckte sie die Börse. Einer der Wichser hatte sie gestern bei ihr liegen lassen. Das bedeute Ärger. Sie überlegte kurz und durchwühlte sie dann. Sie fand einige Geldscheine, die sie herausnahm und einsteckte. Dann fand sie ihre Telefonnummer mit Johns Handschrift geschrieben. Kreditkarte, verschiedene Visitenkarten, Hotelkarte. Sie steckte auch die Kreditkarte ein und wollte gerade die Geldbörse ins Gebüsch elf Stockwerke unter ihrem Balkon entsorgen als sie stutzte.
Sie klappte das Portemonnaie wieder auf und ließ den Inhalt durch ihre Finger gleiten. Da war sie – eine der Visitenkarten war von Abu Mus'ab Al-Zarqawi, der erst gestern durch die Presse gegangen war. Einer der Köpfe der Al Kaida. Er war erst gestern in Mexiko verhaftet worden. Sie wühlte weiter in den Papieren. Visum, Adressen und ein mehrfach gefaltetes Blatt aus einem Notizbuch. Sie öffnete es und erschauderte.

Nancy nahm sich die letzte Marlboro aus der Schachtel und schritt aufgeregt hin und her. Sie hatte ein klares Indiz für einen geplanten Anschlag in den Händen – andererseits: An wen sollte sie sich wenden? John? Der interessierte sich höchstens für die Kohle, die sie aus der Börse geklaut hatte und die Einnahmen von gestern. Die Bullen anrufen? Die würden nur lästige Fragen stellen. Scheiße!
Sie zerknüllte die Schachtel und warf sie quer durch den Raum, ohne den Papierkorb zu treffen. Sie brauchte jetzt einen klaren Kopf – am besten eine Priese Schnee, aber John kam ja erst in drei Stunden. Fickscheiße!
Unentschlossen griff sie zum Telefon, ließ es in der Hand kreiseln und legte es wieder zurück. Dann griff sie es wieder und tippte die Nummer von Janette, ihrer Freundin.
Es klingelte sieben Mal bevor unverständliches Krächzen aus der Leitung kam.
„Janette?“
„Ja?“, kam es undeutlich aus der anderen Leitung.
„Ich bin’s, Nancy….“
„Nancy?“
Janette hatte noch eine Menge Restalkohol und einige weitere Stoffe im Blut, aber das war Nancy egal.
„Janette, du musst sofort herkommen! Bitte! Es ist ein Notfall.“
„Whä?“
„Janette, bitte!“
„Is’ ja gut Kleines.“, kam nach einem herzhaften Gähnen aus der Leitung.
Nancy hörte es durchs Telefon poltern.
„War’s gestern hart?“, fragte Janette.
„Ist was anderes – ich erklär’s dir gleich. Bitte komm schnell.“
„John?“
„Nein auch nicht John, der Drecksack!“
„Ich bin in zwanzig Minuten bei dir, okay?“, murmelte es aus dem Telefon.
„Okay.“, seufzte Nancy und beendete das Gespräch.

Es vergingen endlose 35 Minuten bis Janette da war. Nancy erklärte ihr kurz ihre Lage.
„Hier. Lies!“
Janette überflog die Notiz und sah Nancy mit dick unterlaufenen Augen an.
„Und?“, fragte Nancy, „Was sollen wir jetzt machen?“
„Wirf’s weg!“
„Und wenn’s echt ist?“
„Egal, du wusstest von nichts.“ Janette goss sich Kaffee nach und rührte abwesend in dem Getränk.
„Ich kann das nicht glauben. Hier ist der genaue Ort und die genaue Zeit angegeben wo die Bombe oder was auch immer hochgehen wird und du sagst mir ‚vergiss es!’“
„Ja, was willst Du denn hören? Sowie ich das verstehe geht heute Nachmittag bei irgendeiner Denkmalseinweihung eine Bombe hoch, die von Al Kaida gelegt wurde. Oder auch nicht. Je nachdem ob sie die Arschficker schon erwischt haben oder nicht. Und ich will dir eins sagen. Wenn da wirklich mehr hinter stecken würde, dann haben unsere guten Cops bestimmt schon von der Sache Wind bekommen. Man, man! Der Präsident und der halbe Senat sind da und seit Wochen ist massig Bullerei, FBI und CIA und was auch immer in der Stadt auf Achse. Die Sicherheit ist so hoch, dass man in seiner eigenen Bude keinen mehr fahren lassen kann ohne das das irgendein Agent mitbekommt. Da wird ein so genialer Al-Kaida-Mensch, der es geschafft hat alle zu vernaschen, nicht so blöd sein am Tag vor dem Big-Bumm bei einer Nutte – tschuldigung – seinen Terrorplan zu hinterlegen.“
„Und wenn doch?“
Janette schwieg eine Weile.
Nachdem sie ihren Kaffee geleert hatte sagte sie: „Wenn du meinst. Geh halt zu den Bullen. Sag Du hast die Börse auf der Strasse gefunden – ganz zufällig. Aber nimm vorher deine Telefonnummer raus und steck auch die Kreditkarte wieder rein.“
Nancy erhob sich ruckartig. „Lass uns gehen“, sagte sie.
„Ne, ne. Nicht mit mir, Kleines. Die Cops mögen ja ganz knackig aussehen ihn ihren Uniformen, aber ich seh’ sie mir dann doch lieber von weitem an.“

Eine halbe Stunde später saß Nancy in der nächsten Wache einem Polizisten gegenüber, der trotz Uniform überhaupt nicht knackig wirkte. Ungeduldig wippte sie auf ihrem Stuhl hin und her.
„Ich nehme an, sie überlassen uns die Geldbörse mit ihrem kompletten Inhalt, wie sie sie gefunden haben?“
„Ja natürlich“, gab Nancy zurück.
„Und sie haben auch kein Geld daraus genommen?“
„Ich habe sie so gefunden, wie sie ist. Was ist mit dem Notizzettel?“
„Ja, interessant;“, sagte der feiste Mittvierziger hinter dem Schreibtisch, „wir kümmern uns darum. Jetzt bräuchte ich zunächst einmal ihre Personalien. Haben sie einen Ausweis dabei?“
Nancy durchwühlte hektisch ihre Handtasche und zog ihre Papiere daraus hervor.
Der Beamte las sie, durchwühlte seine Schreibtischschublade und begann ein Formular auszufüllen.
„Verdammt! Da sind Zeitpunkt und Ort eines Anschlags drauf!“, schrie Nancy.
Die meisten Beamten in dem Großraumbüro blickten sich nun zu ihr um.
Der Cop – ‚Brown’ stand auf seiner Uniform – blickte von seinem Formular zu ihr auf und sagte: „Ganz ruhig, Mrs. Ich sagte doch, es wird sich darum gekümmert!“
„Indem sie mein Geburtsdatum in ein Formular eintragen?“
„Gehört nun mal dazu!“
Brown widmete sich wieder dem Formular, als ein weiter Polizist, schlank, farbig, um die fünfzig mit grauem Haar zum Schreibtisch kam.
„Was gibt’s denn hier, Jason?“, fragte er.
„Die Lady hier gab uns diese Geldbörse mit einem Notizzettel, auf dem ein geplanter Anschlag von Al Kaida vermerkt ist, behauptet sie.“
Der Grauhaarige schnappte sich den Zettel und las ihn. Dann fiel ihm das Visum ins Auge.
„Brown“, sagte er, „gib das sofort weiter!“
„Was ist denn nun los?“, fragte Nancy.
Der ältere Polizist hielt sich das Visum dicht vors Gesicht und kniff dabei ein Auge zu.
„Das ist eine Fälschung!“, sagte er. „Eine verdammt gute sogar.“
„Und das haben sie mit einem Blick erkannt, oder was?“
„Sehen sie sich das Datum an, Mrs.“
Nancy entnahm dem Polizisten das Dokument. Das Datum war von vorgestern.
„Vorgestern war Feiertag, Mrs. Kein Mensch der Welt - und sei es der König von Buthu -kriegt am Freiertag ein Visum.“
Plötzlich wurde es hektisch.
Telefone wurden bedient, weitere Leute kamen an den Schreibtisch.
Fragen, wo sie die Börse gefunden habe. Wie spät es war. Fragen, Fragen.
Nach einer Stunde ließ man sie schließlich gehen.

Janette war auf Nancys gemachtem Bett eingeschlafen. Sie schnarchte leise vor sich hin als Nancy heimkam. „Steh auf, Baby! John wird gleich kommen“
Janette öffnete halb ein Auge. „Soll er doch, der Wichser!“, gab sie zurück.
„Komm schon, steh auf! Ich hab’ Kippen mitgebracht. Du weißt doch das John es nicht gerne hat, wenn außer mir noch jemand in diesem Bett liegt, wenn er kommt.“
„Ja, ja – dein bester Kunde. Und dazu noch der, der am wenigsten zahlt.“
Janette raffte sich auf und gemeinsam rauchten sie eine.
„Und, wie wars, Kleines?“
„Ich glaube, sie haben’s ernst genommen“, gab Nancy zurück. „Weißt du, das Visum war gefälscht“
„Echt?“
„War auf Vorgestern datiert“
„Und?“
„Feiertag….“ - Nancy wurde ungeduldig.
„Achso. Was? – So blöd ist kein Terrorist!“
Die Türglocke läutete.
„Na da ist ja dein Kundenfang schon! Richte John einen schönen Gruß von mir aus, ich mach mich dann mal vom Acker.“, sagte Janette im Aufstehen.

John war wie immer. Er nahm das Geld, rauchte zwei Zigaretten und fickte sie. Er war eigentlich kein schlechter Liebhaber, aber Nancy hatte keine Lust. Sie war Profi genug es ihn nicht merken zu lassen. Als es vorbei war streichelte sie ihn am Ohr. „Hör mal“, sagte sie, „hast Du ein paar Gramm für mich dabei?“
„Klar Schatz“, sagte er, rauchte von ihr abgewandt weiter seine Kippe und griff in seine Weste, die über dem Stuhl hing. „Hier. Haste dir verdient.“ Er warf ihr ein Tütchen zu. „Zehn Gramm, sollte bis Samstag reichen, oder?“
„Klar!“, gab sie zurück.
Er drehte sich noch einmal zu ihr um und massierte ihre rechte Brust. Kein Silikon – sie war stolz darauf. Echte Körbchengröße D.

Sie fühlte sich gut. Das erste Mal heute. John war seit einer viertel Stunde fort und sie hatte einen Drei-Tage-Vorrat Schnee und eine ordentlich Priese intus.
Keine Kunden heute – ein freier Tag. Sie blickte auf die Uhr: zwei Minuten vor drei.
Das ließ sie wieder an die Terroristen denken – an die Notiz – den Zeitpunkt. Drei Uhr nachmittags. Hatte sie einen Anschlag verhindert?
Sie ging zum Kühlschrank, griff zur Whiskeyflasche und goss zwei Fingerbreit in ihr Glas. Eiswürfel dazu und das ganze mit Cola light. Damit ging sie zum Balkon und ließ das Panorama der Stadt auf sich einwirken. Wie lange wollte sie noch so leben?
Irgendwo, dort jenseits des Hudsons wird jetzt gleich der Präsident dieses glorreichen Landes sein und eine dreckige Hure, wie ich habe ihm vielleicht den Arsch gerettet, dachte sie bei sich.
Sie schaute durch den Stadtdunst in die Richtung. Von hier aus war die Baustelle von Ground Zero über eine Meile weg und noch dahinter die Statue of Liberty.

Dann zuckte ein Blitz, blendend hell, so dass sie ihre Augen schloss, doch der Blitz war so hell, dass er durch ihre geschlossenen Lieder drang. Und gleich im nächsten Moment brach das Infernal der Atombombe über die Stadt herein und breitete die Korona der Zerstörung noch viele Meilen weit aus. Für Nancy ging es zu schnell, um etwas zu spüren.

 

Hallo Joe,

ich fand deine Geschichte gut. Sprachlich schön umgesetzt und auf das Milleu angepasst, in dem sie sich abspielt.

Allerdings hat mich auch gestört, dass die Terroristen anscheinend so dämlich sein sollen sich ein Visum auf einen Feiertag ausstellen zu lassen - und einen Zettel mit der Info irgendwo in einer Geldbörse liegen zu lassen.
Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass solche geplanten Anschläge überhaupt aufgeschrieben werden - und wenn, dann in einer Sprache, die man als Nichtprofi wsl gar nicht nachvollziehen könnte...

Wenn am Ende irgendwie herauskommt, dass der Zettel eine Falle war, dann gäbe das ganze wieder einen Sinn...

LG
Bella

 

Erstmal danke für's lesen! Die Länge der Geschichte scheint ja einige echt abzuschrecken!

Das ist ein sehr guter Hinweis, den Du mir da gibst. Werde mir echt überlegen, ob ich das noch so umschreibe, dass die Sache mit der Falle hinterher so herauskommt :D

LG
Joe_Blackwater

 

wie die ganzen bornierten Tippsen, Bürotanten und Brötchenverkäuferinnen

was ist denn ein bürotant? so was wie ein mutant im officebereich?

aja, allein die tatsache dass in deiner geschichte ein top3 terrorist eine visitenkarte hat naja was soll man sagen, gesellschaftlich betrachtet meine ich: wer rtl2-news sät wird solche geschichten ernten.

 

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