Die Dienstleistung
Gestern erst sprach mich mein Vermieter Herr Dietmar Schloz auf die Farbschmierereien an der Hauswand an und heute klingelt er wieder. Ob ich wisse woher die toten Fliegen im Eingangsbereich kommen. Ich habe weder mit der roten Farbe noch mit den Fliegen etwas zu tun. „Fragen sie doch mal den neuen Mieter aus dem zweiten Stock. Vielleicht hat der was gesehen oder Giftköder für die Fliegen ausgelegt.“
Seine Schritte hallen durchs Treppenhaus. Der neue Mieter heißt Samuel. Sich bei den Briefkästen zu treffen ist Gelegenheit für ein Gespräch. Er öffnet einen Brief und redet über Kondom- und Lucky Strike Werbung, über seine israelitische Heimat und dass C&A in seinem persönlichen Ranking vor H&M liegt. Ein Ranking das er bei Werbung genauso führe wie mit Fernsehsendern und Fastfood Anbietern.
Später sitzen wir in meiner Küche, er ließt wir ein bisschen auf hebräisch aus dem Brief aus der Heimat vor und schnibbelt nebenher mit einem Messer Schnitze von einem Apfel. Über der Tischlampe schwirrt eine Fliege und draußen spielen Kinder auf der Strasse. Nachdem er mit dem Apfel fertig ist, schlägt er eine Ausgabe von Auto Motor und Sport auf und fragt mich, ob mir der neue Mercedes CLS besser gefalle oder die neue S-Klasse auf den Vorabfotos.
Mir gefällt nicht, dass es klingelt. Frau Schloz steht vor der Tür. Diesmal schenkt sie mir keine seibergemachte Marmelade, sondern fragt, ob ich mir einen Scherz erlaubt habe mit der toten Ratte in ihrem Briefkasten.
„Das waren bestimmt die Kinder da draußen“ ruft Samuel. Ich gehe zurück in die Küche und sehe gerade noch wie Samuel klatscht. Einmal. Dann fällt die Fliege auf den Küchentisch. Samuel nimmt sie an den Flügeln und wirft sie in den Biomüll.
„Du bist also der Fliegentöter im Treppenhaus?“
„Ja. Fliegen töten mit klatschen kann nicht jeder.“
Wir grinsen und schauen uns zusammen Taxi 3 an und bewundern den Evo 7 den die französische Polizei fährt.
Niemand entfernt die Wandschmiereien. Versucht hatte es jemand. Bestimmt Herr Schloz mit seinem Kärcher Hochdruckreiniger. Satt der Farbe bröckelte jetzt der Putz ab.
Samstagmorgen. Ich komme vom B29 heim, es ist hell und die Vögel singen. Ein Vogel singt nicht mehr, eine Amsel vor dem Hauseingang. Ich nehme einen Karton aus dem Papiermüll als Schaufel und werfe sie in den Müll. Früher hätte ich sie begraben.
Eine Woche vergeht ohne neues tote Tier. Außer die Fliegen sterben weiter.
Ich sitze mit Samuel auf seiner Couch und wir schauen Taxi 2.
Es klingelt. Kurz. Zweimal kurz. Dann lang. Zwei Männer in Lederjacken strecken uns einen Ausweis entgegen.
„Kripo Düsseldorf. Wir haben ein paar Fragen an sie.“
Der Eine fragt uns über die 11-Jährige aus dem Nachbarhaus an, die seit ein paar Tagen verschwunden ist. Das Fenster von Samuels Zimmer liegt genau zum Eingang des Hauses, deshalb werden mir befragt. Wir sind keine Hilfe für die Beamten.
Später spreche ich mit Samuel darüber und dass es besser wäre wir kümmern uns mal um die merkwürdigen Ereignisse mit den toten Tieren dem Mädchen.
Das mit den toten Fliegen wird schlimmer. Als seien ganze Scharen davon gestorben, liegen sie im Hausflur. Herr Schlotz reinigt den Flur jeden Tag mit dem Staubsauger.
Zum Gluck stinken tote Fliegen nicht. Etwas anderes stinkt als wir nachts vom grillen heimkommen. Flora, eine Biostudentin und Samuels erste deutsche Freundin entdeckt die Quelle des Gestanks. Eine übel zugerichtete Katze in der Abstellnische im Flur. Diesmal klingeln wir bei Herr Schlotz. Er nimmt einen Kehrwisch und wirft die Katze in die Alutonne in er auch die tote Amsel liegt.
Abends gehe ich zu Samuel hoch um ein Bierchen zu trinken. Im Vorraum stehen gepackte Koffer.
„Du ziehst aus?“
„Ja, ich bin werde heute noch fertig werden.“
„Fertig mit was?“
„Meiner Arbeit.“
„Dein Praktikum bei Zeller ist zu ende?“
„Macht kein Spaß.
„Und Flora?“
„Hat einen Neuen.“
Dann schickt er mich raus, kommt aber eine halbe Stunde später zu mir runter und nimmt sich eine Rolle Paketschnur mit.
Beim Einschlafen denke ich an die roten Würste vom Grillen in meinem Verdauungstrakt als es anhaltend klingelt. Samuel steht vor der Tür. Verschwitzt, außer Atem und mit aufgeschlagenen Händen und Kratzwunden im Gesicht.
„Ich habe ihn, ich habe ihn. Unten im Keller.“
„Wen?“
„Den Teufel. Unten im Keller. Ich habe ihn.“
Er packt mich und wir rennen los. Rutschen auf dem Marmorboden aus. Stehen auf und hasten über die blutverschmierte Wendeltreppe in den Keller. Es stinkt nach Erde und Schweiß. Samuels Flip Flops liegen auf der Treppe. Er ist barfuss. Im Vorraum des Heizungskellers liegen auf dem Boden die zerbrochenen Einmachgläser, von denen mir Frau Schloz regelmäßig schenkte.
Hinter dem alten 200 Liter Spoiler höre ich ein Schnaufen. Samuel stoppt und hält mich zurück. Er packt mich fest am T-Shirt und zieht mich langsam weiter. Mit der andern Hand hebt er vom Boden eine Eisenstange auf.
Hinter dem Spoiler hängt in den Eisenketten und Schnüren um Hände und Füße ein Körper, dessen Kopf unter einem blutverschmierten Leintuch verdeckt ist. Seine Hände hängen schlapp herunter und meine Paketschnur schneidet sich in sein Fleisch. Er ist schwarz behaart und atmet schwer und röchelnd. Nackt und verkrampft hängt er an den Rohleitungen festgebunden.
„Hol eine Bürste und Seife. Er hier wird die Schmiererei an der Hauswand entfernen.“
„Samuel, wer ist das, verdammt was ist hier los?“
„Der hier war alles.“
Ich werde schwach, torkle rückwärts gegen das Werkzeugregal und sinke auf den Boden. Samuel zieht das Tuch von dem Teufel und ich sehe oben auf dem Spoiler eine Kinderhand hervorschauen.