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Die Gesten des Lebens

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31.07.2002
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Die Gesten des Lebens

Heute habe ich in den Spiegel gesehen und dachte: Was bist du schön! Und ich habe es auch empfunden ohne jede Überheblichkeit, denn es ist keine Arroganz und Selbstgefälligkeit, die aus mir spricht, sondern das, was so vielen Menschen fehlt: die Selbstakzeptanz. Ich gebe zu, dass auch dieses Gefühl bei mir sehr selten ist, jedoch bin ich wenigstens in der Lage, es zu erkennen und es zu fokussieren. So lächerlich es auch wirken mag, ich habe mir ein Lächeln zugeworfen und gedacht: Wie viele Menschen hast Du wohl schon damit erfreut, ohne dass es dir bewusst war? Mit diesem Gedanken kam ich mir plötzlich so wertvoll vor, ein Gefühl, das ich nicht so ohne weiteres verspüre. Doch genau das ist es wohl, was ich mir klar machen sollte Tag für Tag. Jede noch so kleine Geste eines Menschen kann bei jemand anderem etwas auslösen.

Gerade gestern erst sah ich einen Mann in den Zug steigen mit einem großen Koffer, wohl auf dem Weg zu einer langen Reise. Er stellte den Koffer ab und lief freudig ans Fenster und erst jetzt bemerkte ich eine Frau und ein Kind auf dem Bahnsteig. Die Mutter kniend hinter ihrem Kind, einen Arm schützend um die Schulter des Kindes gelegt, winkte dem Mann in unserem Zug zu. Das Kind, erst noch etwas zurückhaltend, stimmte bald mit ein in die Abschiedszeremonie des Winkens. Das Lachen dieser drei Personen war so aufrichtig und ehrlich und gleichzeitig auch so paradox angesichts der bevorstehenden Trennung. Doch ich musste lächeln, wollte gern mitwinken und fühlte mich einfach nur beglückt.

Und wenn ich jetzt an diese Situation zurückdenke, dann wird mir klar, wie viel doch verloren geht bei all der Verschlossenheit und dem Stolz der Menschen. Es geht nicht wirklich um das eigene Versagen, das Gefühl ungenügend zu sein, sondern es zählt nur, die kleinen Gesten des Lebens deuten zu können. Denn wenn man sich darin übt, wird man schnell erkennen, dass man selbst ein wichtiger Teil dieses Reaktionsgefüges ist. Wenn man etwas von sich preisgibt, ist das kein Wagnis oder Risiko, sondern ein wundervolles Ereignis, das viele Menschen erfreuen kann, so wie ich es im Zug empfunden habe.

Und woher nehme ich die Kraft dazu, werden sich viele fragen. Aber diese pseudo-rhetorische Frage ist im Grunde genommen sehr leicht zu beantworten. Die Kraft kann ich aus diesen kleinen Gesten des Lebens schöpfen, muss mich öffnen für die Schönheiten des Alltags. Und schließlich werde wohl auch ich irgendwann bereit sein, der Welt etwas mehr zurückzugeben als ein Lächeln. Ich werde noch etwas öfter wohlwollend in den Spiegel sehen müssen, um das zu begreifen, aber das ist zumindest ein Anfang. Heute fühle ich mich wertvoll, möchte anderen so viel von mir und meiner Kraft abgeben, morgen kann das schon wieder anders aussehen und Minderwertigkeitsgefühle können mich hemmen, zerfressen. Aber wenn das Morgen kommt, werde ich suchen nach diesen kleinen versteckten Gesten des Lebens, die immer wieder die gleiche, nicht leicht zu findende Botschaft enthalten: Erfreue dich am Leben, so wie das Leben sich an Dir erfreut!

 

Hallo Katrinchen,

Zuerst möchte ich dir bestätigen dass Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber den Mitmenschen eine Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben ist. Auch das Selbstwertgefühl eines Menschen hängt stark davon ab, ob Sehnsüchte erfüllt werden können.

Mir hat der Text jedoch nicht gefallen,
Deine Geschichte liest sich wie ein Tagebuch.

Versuche doch mal, die veschiedenen Ereignisse, aufgrund der du Resümee ziehst in nur eine Handlung hineinzubeziehen. Versuche Charaktere und deren Konflikt in diese Handlung einzubringen.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Hach,

Erbauungsliteratur! Die - ansonsten nahezu überall verpönt - liebe ich am meisten. Allerding stimmt es nicht, was Goldene Dame schreibt: Wer sein Herz auf der Zunge trägt, wird leiden und nicht zwangsläufig den direkten Weg zu einem erfüllten Leben finden. Dahingegen sehe ich nicht, ass Charaktre oder Handlungen fehlen, Kurzgeschichte sind Kurztexte oder Kurz Prosa - und genau das ist dein Text, auch wenn er überwiegend aus Gedanklichem und Reflexionen besteht.

 

@ Schriftbild

Allerding stimmt es nicht, was Goldene Dame schreibt: Wer sein Herz auf der Zunge trägt, wird leiden und nicht zwangsläufig den direkten Weg zu einem erfüllten Leben finden.

Das habe ich auch nicht so geschrieben, wie du es auslegst.

Dahingegen sehe ich nicht, ass Charaktre oder Handlungen fehlen,

Wenn du mal genau lesen würdest, war mein Vorschlag Charaktere in nur eine Handlung hineinzubeziehen.
Goldene Dame

 

Ja, ja, das ist schon eine eigenartige Sache mit den kleinen Gesten. Hier geht es um Dinge, die im Grunde nur jeder selbst erlernen kann (falls "lernen" überhaupt der richtige Ausdruck ist). Dazu gehört der Blick für das richtige Handeln. Ein Außenstehender kann kaum etwas zu dem Lernprozeß, den die Protagonistin hier macht, beitragen, sondern nur aufmerksam machen.

Es ist sicherlich in erster Linie die Umgebung, die einen dazu erzieht, Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen zu finden. Wenn dies fehlt, wird es schwer sein, in derselben zu bestehen. Für einen psychisch Stabilen sind die erwähnten Gesten so gewöhnlich, daß er sie als Selbstverständlichkeit wahrnimmt, weil er sie verinnerlicht hat. Es ist schön, daß dieser Text auf solche scheinbaren Kleinigkeiten aufmerksam macht. Ein nettes, einfaches Geschichtchen!

Schöne Grüße,
Emil

 

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