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Die Party

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17.06.2004
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Die Party

Es ist ein Uhr. Ein Uhr morgens. Ich stehe vor Tims Haus. Laute Musik schallt mir entegegen und ab und zu höre ich auch ein paar Stimmen der Gäste, die anscheinend lauthals mitsingen. Ich wäre so gern dabei. Dabei, unter Tims Gästen. Aber er wird mich nie reinlassen. Ich bin nur ein kleiner Aussenseiter, den niemand haben will. Unbeliebt und geschmäht. Warum nur? Warum? Die Frage geht mir immer wieder durch den Kopf. Ich habe ihnen doch nie etwas getan, sie nie verärgert, war immer ,brav', hab mich korrekt verhalten und doch habe ich nie zu ihnen gehört, zu den Coolen. Ich weiss selbst nicht warum und ich denke immer wieder darüber nach.
Auf einmal geht die Tür auf. Ein paar Betrunkene kommen herausgetorkelt. Lallend ziehen sie an mir vorbei. Ich denke, sie haben mich nicht bemerkt. Wie auch, ist ja auch dunkel und ich stehe im Schatten.
Die Tür geht nochmal auf. Diesmal kommt nur ein Betrunkener raus. Die Türe lässt er offen stehen. Drinnen ist es hell und jetzt, wo die Tür offen ist, hört man die Musik noch viel deutlicher. Sie lockt mich, ruft mich, ich solle doch hineinkommen. Hinein, ins Haus, zur Party. Es sind ja so viele Leute drin und die meisten auch noch besoffen, da wird man mich sicher nicht entdecken und wenn doch, naja, dann lauf ich halt weg. Ich kann sehr schnell rennen.
Langsam schleiche ich mich an das Haus heran und werfe einen Blick in den Vorraum. Drinnen steht niemand. Der Vorraum ist menschenleer. Ich gehe durch den Vorraum ins Treppenhaus. Die Musik wird immer lauter. Gleich nebenan muss gefeiert werden. Von dort kommt sie. Leider ist die Tür zum Partyraum zu und aufmachen will ich sie nicht. Man könnte mich entdecken. Vielleicht sollte ich unter der Treppe warten, bis einer herauskommt.
Ich muss auch nicht lange warten, denn kurz darauf geht die Tür zum Zimmer, in dem gefeiert wird, auf. Ein weiterer, der nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Dahinter liegt das Wohnzimmer. Ich erhasche einen Blick hinein. Drinnen geht echt die Post ab. Und die Musik ist ohrenbetäubend laut. Man könnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Ohne zu zögern gehe ich nach dem Besoffenen hinein. Der schaut nur kurz verdutzt, scheint mich aber nicht zu erkennen. Das erste, was mir auffällt, sind die 3 grossen, schwarzen Boxen. Sie stehen zwar an der Seite, aber sie fallen unweigerlich in diesem Wohnzimmer, welches vollgestopft mit irgendwelchen seltsamen, fremdländischen Antiqitäten ist, auf. In den Regalen ist Porzellangeschirr und an den Wänden hängen Trophäen. Was noch zu der Einrichtung passen würde, wären dicke Perserteppiche (die wohl vorher rausgenommen worden sind, gäbe es sie). In der Ecke steht noch ein Klavier. In der Mitte des Raumes tanzen vielleicht an die 20 Menschen. Gegenüber der Tür, am Ende des Raumes ist eine Bar, an der auch einige stehen. Unter anderem Sophie. Mein Gott sieht sie gut aus. Leider steht Tim neben ihr. Sie reden und lachen, grinsen und lächeln sich an. Und plötzlich beugt er sich vor und ....flüstert ihr ins Ohr. Sie lacht, zeigt ihre weisse Zähne, legt ihren Kopf in den Nacken, so dass ihre langen kastanienbraunen Haare am Rücken herunterfallen. Dann hält sie Tim an den Händen fest, sieht ihm fest in die Augen. Beide bleiben eine Weile so stehen, dann beugt sich Tim vor und küsst sie zärtlich auf den Mund.
Bis gerade eben habe ich die Musik vergessen. Sie war nicht zu spüren, nicht zu hören, denn es gab nur mich, Sophie und Tim. Und jetzt, umso lauter kehrt sie in die Wirklichkeit zurück. Dröhnt mir in den Ohren, als ob sie mein Kopf sprengen würde. Meine Ohren schmerzen und fühlen sich so an, als ob sie gleich abfallen würden. Ich will nicht. Ich kann nicht mehr. Das Bild ertragen, was sich vor mir ereignet, auf dieser Feier, auf der ich nicht hätte sein dürfen. Ich bin falsch. Bin falsch hier, in dem Haus, in dieser Strasse, auf dieser Welt. Ich muss raus, weg hier.
Und während ich aus dem Haus renne, dröhnt die Musik hinter mir noch, wie jemand, der höhnisch lacht. Und ich renne die Strasse entlang, und ich renne durch das Viertel, durch die Stadt. Mein Puls rast und ich denke, dass wahre Freiheit nur im Laufen liegt. Die Freiheit vor äusserlichen Zwängen, sowie die Freiheit vor den eigenen Gedanken. Die Freiheit, die jeder haben muss und hat.
Und in Gedanken versunken sieht er nicht, dass die Ampel auf rot steht und in Gedanken versunken bemerkt er auch nicht das Auto, das ungebremst auf ihn zurast.

 

Hallo Cancel,

Eine ganz nette Geschichte, aber ein paar Dinge sind mir aufgefallen: Sophie taucht sehr unvermittelt auf. Und: "ich stehe vor tims haus" klingt eigentlich sehr vertraut, so dass man sich fast wundert, dass er ihn nie reinlassen würde.
Gut beschrieben ist die Sehnsucht des Außenseiters nach der Gruppe und der innere kampf rein gehen oder draußen bleiben .
das Ende finde ich etwas klischeehaft, es muss ja nicht gleich mit dem schlimmsten enden.
nicht zusammen passt in diesem Zusammenhang finde ich: "puls rast", "laufen", "rennen" und dann in Gedanken versunken. Das geschieht doch eher beim schlendern, oder?

hat aber auf jeden fall spaß gemacht, es zu lesen.

liebe grüße,
roller

 

Hallo Cancel!

erstmal herzlich willkommen. :)

Deine Geschichte ist ganz okey... allerdings hat schon roller angemerkt : ganz rund ist sie nicht. Zuviel ist mir nicht ganz klar. Warum fühlt er sich so angezogen, warum dringt er soweit ins Haus vor, immer die Angst, entdeckt zu werden, was erhofft er sich, warum reagiert er so stark auf Sophie .... alles das sind Sachen, die zwar nicht zum Fortgang der Geschichte wichitg sind, aber zum besseren Verständnis des Protagonisten, zur besseren Identifikation des Lesers mit ihm.

Formal sind mir auch noch einige Sachen aufgefallen: "Strasse" schreibt man mir ß

"werfe einen Blick in den Vorraum. Drinnen steht niemand. Der Vorraum ist menschenleer. Ich gehe durch den Vorraum ins Treppenhaus" - drei Sätze, drei Mal Vorraum - sehr unschön.

Der letzte Absatz ist aus einer anderen Perspektive - kann man machen, dann solltest Du allerdings meiner Meinung nach eine Leerzeile vorher anfügen - die Trennung verdeutlcihen.
Das Ende ist allerdings auch insgesamt nicht so ganz mein Fall, es wirkt wie ein recht billiger Schluss ...

schöne Grüße
Anne

 

Servus,

meiner Meinung nach (mit verlaub, Maus) macht das Ende gerade den Reiz dieser Geschichte aus.

Der Protagonist ist ein Loser im mehr oder weniger klassischen (oder zumindest hollywoodenen) Sinne. Ich sehe ihn fast vollkommen deutlich vor mir als schmächtigen, pickligen Teenager mit viel zu großer dicker Brille, bis an den Bauchnabel hochgezogener Hose und eventuell sogar einer gepunkteten Fliege.
Eine solche Figur betrachtet das, was sie als die "Gesellschaft" definiert von außen. Da solche Figuren immer in Schülergeschichten auftreten, ist die Gesellschaft die Schule oder die eigene Klasse. Der Loser will unbedingt dazugehören, fühlt sich aber von allen anderen verstoßen und ausgegrenzt, was eigentlich gar nicht so falsch ist.
Woher aber kommt diese Ausgrenzung? Sind die stupiden, hedonistischen, hormonversprühenden Mitschüler des Losers wirklich so stupide, hedonistisch und hormonversprühend? In gewisser Weise ja, und der Loser tut gut daran, sich nicht zwanghaft in diese Gemeinschaft einfügen zu wollen, was nämlich das letzte bisschen seiner Individualität zum Preis hätte.
Andererseits aber ist auch der Loser hier das Problem. Er ist unglaublich selbstgerecht und stur: die anderen haben ihn gefälligst so zu akzeptieren, wie er ist, und wenn sie das nicht von vorne herein tun, sind sie unwert, sich mit ihnen näher zu befassen. Sie sind gemein und grenzen ihn, den armen Missverstandenen, immer aus.

Ich bin nur ein kleiner Aussenseiter, den niemand haben will. Unbeliebt und geschmäht. Warum nur? Warum? Die Frage geht mir immer wieder durch den Kopf. Ich habe ihnen doch nie etwas getan, sie nie verärgert, war immer ,brav', hab mich korrekt verhalten und doch habe ich nie zu ihnen gehört, zu den Coolen. Ich weiss selbst nicht warum und ich denke immer wieder darüber nach.
Er vergisst allerdings, dass, auch wenn er sich nicht dem Teenager-Schreckgespenst des Gruppenzwanges fügen will, zum Teilhaben an einer Gemeinschaft zumindest ein wenig Entgegenkommen gehört. Er lässt nicht zu, dass die anderen einen Zugang zu ihm finden, da er sich ihnen gegenüber genauso intolerant verhält wie sie sich seiner Meinung nach ihm gegenüber.
Er schottet sich ab - und lebt nun in seiner eigenen kleinen selbstgerechten Welt. In dieser Welt ist jeder, der nicht alle 53 Folgen Star Trek in chronologischer Reihenfloge aufzählen kann nur ein weiteres mechanisches Mitglied einer entmenschlichten Bravo-TV-Gesellschaft. In dieser Welt ist es möglich, dass die Schulschönheiten, die Sophies dieser Welt, eigentlich ihr Leben lang unsterblich in den von allen unterschätzten Loser verliebt sind und ihren coolen, überall geachteten Footballspieler-Lover (legt man wieder die hollywoodene Figurenkonstellation zu Grunde) für diesen in den Wind schießen.
Der Loser lebt in einer Traumwelt. Aber das tut er ganz bewusst, aus reiner Sturheit. Wenn er sich nur ein bisschen zusammenreißen würde, würde dieses Gebilde überflüssig werden. Die Abgehobenheit, mit der er durchs Leben taumelt, ist eine vollkommen konstruierte. Sie kommt nicht aus dem Innern seinerselbst.

So, lange Rede, relativ kurzer Sinn:
Die "Flucht" des Protagonisten geht einher mit einer Änderung seines Bewusstseins. Seine Traumwelt, die einem ständigen Rausch gleichkommt, schaltet sich einfach ab. Der Loser gerät über sich selbst ins grübeln.
Zum ersten Mal in seinem Leben ist er nun wirklich in Gedanken versunken, ist wirklich abgehoben und wirklich unfähig, sich an der Gemeinschaft anderer zu beteiligen. Alles andere war mehr oder weniger gewollt. Aber nun kommen seine Gedanken und Gefühle tatsächlich aus dem Innersten seinerselbst.
Sein Leben lang tat er sich selbst leid, glaubte sich als eine Art "Opfer" seiner eigenen Persönlichkeit, die ihm die Teilnahme an der Gesellschaft verwehrte, als Opfer dieser Gesellschaft, die seine Persönlichkeit nicht akzeptierte.

Und im letzten Absatz wird es plötzlich wahr. Seine wirkliche Persönlichkeit kommt zum tragen. Er wird zu ihrem Opfer, da sie ihm von seiner Umgebung ablenkt, ihm nicht die Möglichkeit gibt, zu seinem Vorteil mit dieser Umgebung zu interagieren.
Er wird auch zum Opfer der Gesellschaft, die sein Verhalten, seine Persönlichkeit nicht akzeptiert. Ein Opfer einer Gesellschaft, die mechanisch bestimmten Verhaltensmustern folgt. Zum Beispiel Verkehrsregeln.

:D Ach du Schreck, wenn man im Lexikon unter "Überinterpretation" nachschlägt, findet man wohl ein Foto von mir. (Wenn du, lieber cancel, dir das alles so gedacht hast, wie ich es hier beschreibe, dann verzeih mir bitte diesen Satz ;) )
Vielen Dank für diese Geschichte, die mir so einen Spaß beim heruminterpretieren bereitet hat! Wie die anderen schon sagten, es gibt einige Ecken und Kanten, aber ich denke, man begreift, was du uns sagen willst. Jetzt nur noch Feile und Schmirgelpapier rauskramen und du machst dich richtig gut! :thumbsup:

Grüße
Artnuwo

 

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