Was ist neu

Die Richtige

Mitglied
Beitritt
08.05.2004
Beiträge
26
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Die Richtige

Seit einiger Zeit schon habe ich die Angewohnheit, mich nach der Arbeit alleine in ein Straßencafé zu setzen und bei einem Stück Kuchen und einem Glas Orangensaft die Menschen zu beobachten.
Ich weiß, dass es viele Leute gibt die diese Angewohnheit haben. Meistens Kabarettisten, die nach witzigen Begebenheiten suchen oder Reporter, die auf einen Unfall oder einen Prominenten hoffen. Manchmal sieht man auch Künstler, die virtuos mit Kohlestift Szenen in der Fußgängerzone auf ihren Block bannen oder einen Autor der auf der Suche nach der Geschichte seines Lebens ist.
Aber ich warte auf etwas anderes. Ich warte auf die Richtige. Sie muss ja irgendwann einmal in mein Leben kommen. Und da ich gerne Kuchen esse und ein Glas Orangensaft dazu trinke, kann ich mich ebenso gut gemütlich irgendwo hinsetzen, mein Essen genießen und warten. Sie kommt dann schon irgendwann vorbei. Ich denke auch, dass sie mich sofort erkennen wird. Sie ist ja die Richtige. Wenn sie’s nicht ist, erkennt sie mich sicher nicht und das ist auch gut so. Sonst würde ja jede zweite Frau zu mir kommen und mich fragen, ob sie eventuell die Richtige für mich ist. Das wären schon zu viele, ich würde gar nicht dazu kommen meinen Kuchen in Ruhe zu essen. Das muss nämlich drin sein. Auch wenn die Richtige kommt, muss sie mich erst aufessen lassen. Mit vollem Mund kann man sich ja nicht unterhalten. Und Unterhaltung ist für mich sehr wichtig. Sie sollte sich auch gerne unterhalten, sonst würden wir nicht zusammen passen. Also wär’ sie dann auch nicht die Richtige.

Heute kam eine Frau zu mir und hat mich gefragt ob bei mir noch frei ist. Ich saß alleine an einem Vierertisch, hatte schon aufgegessen und war drauf und dran die Kellnerin um die Rechnung zu bitten. Aber darauf verzichtete ich dann natürlich. Ich musterte die Dame, die ohne es zu wissen in die nähere Auswahl zur richtigen Frau für mich gekommen war. Sie war noch nicht so alt, sah eigentlich ganz gut aus... eigentlich... richtig gut. „Und? Ist jetzt frei oder nicht?“ unterbrach sie meine Gedanken. Sie wirkte ein wenig ungehalten. Ich runzelte die Stirn, sie hatte den ersten Minuspunkt. Die Frau war ungeduldig. Ihre Haare waren außerdem blond. Ich dachte eigentlich, die Richtige hätte schwarze Haare... zumindest dunkel.... dunkel und lang. Diese hatte nur einen sehr kurzen Zopf. Trotzdem erlaubte ich ihr, sich zu setzen. Sie zögerte einen Moment. Vielleicht hatte es ihr nicht gefallen, dass ich sie solange im Stillen geprüft hatte. Aber das musste sie schon ertragen können, wenn sie die Richtige für mich sein wollte. Nach einem kurzen Blick über die Schulter, mit dem sie sich vergewisserte, dass sonst kein Tisch mehr frei war, ließ sie sich auf den Stuhl fallen, der mir diagonal gegenüber stand. Sie wollte nicht zu nah bei mir sitzen. Vielleicht war sie schüchtern? Ich war großzügig und gab ihr dafür keinen Minuspunkt. Schüchtern durfte die Richtige schon mal sein. Kein Problem für mich! Als die Kellnerin kam, bestellte sie einen Eiskaffee. Ich folgte ihrem Beispiel und lächelte ihr freundlich zu, als die Kellnerin meinen Wunsch notierte, um dann in die Küche zu verschwinden. Die Blonde sah mich etwas seltsam an und nahm dann ein dickes Buch aus ihrem EastPak. Ich musste mich etwas vorbeugen um sehen zu können was sie las. Warum hielt sie das Buch so komisch? Ich konnte den Titel überhaupt nicht sehen. „Hat es einen Grund, warum sie halb über den Tisch zu mir herüber klettern?“ fragte sie scharf. Ich schrak zusammen. Besonders aufgeschlossen mir gegenüber klang sie nicht. „Ich... wollte nur... mich hätte interessiert... was sie lesen...“ Mein Gott, ich fing an zu stottern. Jetzt fehlte mir nur noch, dass ich rot wurde. Ich wurde rot. Ihre Augen verengten sich leicht, dann sagte sie: „Ich lese ein Fachbuch über Betriebswirtschaft. Ich studiere das nämlich im dritten Semester. Übrigens, mein Name ist Melanie Gürtler, ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, komme aus Rosenheim, wiege 65 Kilo und habe leider schon einen Freund. Alles klar soweit?“ Sie funkelte mich noch kurz wütend an und wandte sich dann wieder ihrem Buch zu. Ich fiel völlig perplex zurück in meinen Stuhl. Sie hatte gerade so viele Minuspunkte gesammelt, dass es naiv war, sie für die Richtige zu halten. Als mein Eiscafé kam zahlte ich auch gleich und ging ohne noch einmal davon zu trinken nach Hause.
Meine Frau wartete bestimmt schon längst auf mich. Das Essen musste ich mir wahrscheinlich wieder selbst warm machen, während sie ihre kurzen, blonden Haare aufdrehte. Bei ihr habe ich das Minuspunkte zählen längst aufgehört.
Abends würden wir ins Konzert gehen, die Karten hat sie mir zum Geburtstag geschenkt. Zweite Reihe, guter Dirigent. Nette Geste von ihr, aber sie kann ja gar nicht die Richtige sein. Blond, klein... was soll ich sagen! Na gut, unterhalten kann man sich mit ihr schon.
Aber morgen setze ich mich wieder in ein Bistro, irgendwo in der Fußgängerzone. Zwischen Künstlern, Autoren, Reportern und Kabarettisten werde ich warten.
Irgendwann, davon bin ich überzeugt, kommt die Richtige. Ich muss nur warten, bei einem Stück Kuchen und einem Glas Orangensaft, der Abwechslung halber vielleicht auch mal ein Apfelsaft.

 

Hallo mkuesters,

zunächst einmal ein herzliches Willkommen :)

Anmerkungen zur Geschichte bitte immer in einem gesonderten Beitrag unter der Story posten. Wobei deine spezielle Bitte nicht notwendig ist, denn dafür ist die Seite ja eh da - viel Spaß dann noch auf kg.de :)

mkuesters schrieb unter seine Geschichte:

Mit der Bitte um Kritik, Mike (P.S.: Danke für's lesen :) )

 

Guten Morgen mkuesters

auch von mir erst einmal ein Herzlich Willkommen

Zu deiner Geschichte: hmmm ... also, ich finde sie ist flüssig geschrieben und lässt sich wirklich gut lesen, aber so richtig lustig fand ich sie nicht. (Ich weiß, wie schon oft in dieser Rubrik angemerkt, Humor ist etwas hochgradig individuelles)

Ein kleiner Tipp vielleicht: ich hätte bei der Szene, wo der Protagonist mit der Blondine in dem Straßencafe ins "Gespräch" kommt, ein paar mehr Absätze eingebaut. Macht die Szene besser lesbar und vor allem auch "spannender".

Alles in allem eine unterhaltsame, aber für meinen Geschmack nicht wirklich lustige, Geschichte

Gruss
LEMMI

 

moin mkuesters,

Erstmal willkommen auf KG.de

Wie mein Vorredner schon gesagt hat, Humor ist was sehr individuelles. Mir hat dein Text nämlich sehr gut gefallen. Es war zwar keine Stelle drin, wo ich richtig lachen mußte, aber die Geschichte war irgendwie erfrischend locker erzählt und hat mich alleine schon deshalb gut unterhalten.
Die scheinbare Naivität des Protagonisten hat mir gut gefallen, ebenso wie die kühle, abweisende Art der Blondine. Auch der Schlußgag mit der Ehefrau war toll und der letzte Absatz hat beinahe was traurig, melancholisches.

Sie kommt dann schon irgendwann vorbei. Ich denke auch, dass sie mich sofort erkennen wird. Sie ist ja die Richtige. Wenn sie?s nicht ist, erkennt sie mich sicher nicht und das ist auch gut so.
Schöner Satz. Allerdings fand ich den Absatz insgesamt sehr träge zu lesen. Viele Wiederholungen und so. Da würde ich vielleicht nochmal drübergehen.

Insgesamt in meinen Augen aber eine wirklich schöne, leise, leicht melancholische Geschichte, die mich toll unterhalten hat.

 

Hi!

Danke für die Kritik. Schön das euch die Geschichte gefällt.

Ich weiß, dass sie nicht wirklich in Humor passt (vielleicht eher in Gesellschaft?) und dass sie keine großen Brüller enthält.

Vielleicht eher humorige Prosa... keine Ahnung.

Jedenfalls danke für die Verbesserungsvorschläge, ich werde mich die nächste Zeit mal drübermachen.

Mike

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom