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Die Wunschfee

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12.05.2004
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Die Wunschfee

Es war einmal ein Schriftsteller, der traurig vor seiner Schreibmaschine saß. Er wollte einen neuen Roman schreiben, oder zumindest eine Kurzgeschichte, aber es fiel ihm nichts Rechtes ein. Alle interessanten Geschichten schienen schon von anderen Leuten erzählt worden zu sein. Er seufzte und raufte sich die Haare. Als das auch nichts half, griff er nach seiner Thermoskanne. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: kein Kaffee mehr. Er seufzte gleich noch einmal. Gegen dieses Problem konnte er jedoch etwas unternehmen.

Er schlurfte in die Küche und setzte Wasser auf. Als er den Filter mit Kaffeepulver gefüllt hatte, rutschte ihm der Löffel aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Er bückte sich, um ihn aufzuheben und als er sich wieder aufrichtete, blieb er mit dem Jackenärmel am Kaffeefilter hängen und riss ihn herunter. Der frustrierte Schriftsteller seufzte noch einmal. Heute ging aber auch gar nichts so, wie er sich das vorstellte.

Als er schließlich das Kaffeepulver wieder zusammengefegt und in den Filter zurück gefüllt hatte und gerade das heiße Wasser eingießen wollte, hörte er plötzlich ein Geräusch, das ihn innehalten ließ. Es klang wie ein dünnes hohes Stimmchen und es schien direkt aus seiner Thermoskanne zu kommen. Er lauschte. "Hilfe!", rief das Stimmchen. "Hilfe, du wirst mich verbrühen."

Völlig perplex stellte der Schriftsteller den Wasserkessel zur Seite und hob den Kaffeefilter hoch, um in die Thermoskanne schauen zu können. Da flatterte ihm plötzlich etwas ins Gesicht und plumpste dann unbeholfen auf die Küchentheke. Verwundert rieb sich der Schriftsteller die Augen. Auf seiner Küchentheke saß eine kleine Gestalt, die aussah wie eine schlanke nackte Frau mit Libellenflügeln auf dem Rücken.

"Puh, das war knapp!", sagte sie, und ließ jetzt ihre Beine über die Kante baumeln, als sei es das selbstverständlichste auf der Welt, auf seiner Küchentheke zu sitzen.
"Wer bist du?", fragte der Schriftsteller. "Und was um alles in der Welt bist du?"
"Ich bin Kirilla die Wunschfee", antwortete das Wesen und lächelte freundlich.
"Äh, ja, und was machst du in meiner Thermoskanne? Ich meine, wie bist du überhaupt da reingekommen? Eben warst du da bestimmt noch nicht drin."
"Na ja, du hast eben dreimal in weniger als zehn Minuten geseufzt. Das hörte sich an, als bräuchtest du eine Wunschfee. Darum bin ich hier."

Der Schriftsteller starrte fassungslos die geflügelte Gestalt auf seiner Küchentheke an. "Heißt das, ich kann mir jetzt was wünschen?"
"Klar kannst du dir was wünschen. Aber sag mal, willst du jetzt hier in der Küche Wurzeln schlagen?"
"Wir können auch rüber ins Arbeitszimmer gehen", bot der Schriftsteller an.
"Na, das klingt doch gemütlicher", sagte die Wunschfee, stieß sich leicht von der Küchentheke ab, flog hinüber zu seiner Schulter und ließ sich dort mit einer geschmeidigen Bewegung nieder.

Es machte ihn ein bisschen nervös, eine kleine nackte Fee auf seiner Schulter sitzen zu haben, und die Libellenflügel kitzelten ihn am Hals.
"Vergiss den Kaffee nicht!", erinnerte sie ihn.
Als sie an seinem Schreibtisch ankamen, flatterte sie von seiner Schulter wieder herunter und ließ sich auf seiner Schreibmaschine nieder. Sie war so leicht, dass sie über die Tasten laufen konnte, ohne sie einzudrücken.

Der Schriftsteller goss sich einen Kaffee ein.
"Möchtest du auch?", fragte er die Wunschfee. Sie nickte eifrig.
"Oh ja, gern, ich liebe Kaffee. Hast du einen Fingerhut?"
Der Schriftsteller musste das verneinen. Fingerhüte gab es in seinem Haushalt nicht. Nach einigem Suchen fand er jedoch die Kappe eines dicken Filzstifts, füllte etwas Kaffee hinein und reichte sie der Wunschfee.

Dann stellte er die Frage, die ihm schon seit einigen Minuten auf den Lippen brannte. "Wie viele Wünsche darf ich denn haben?"
Kirilla sah ihn erstaunt an. "Na, so viele wie du willst, natürlich."
Der Schriftsteller glaubte, nicht richtig gehört zu haben. "Wie? Nicht nur drei Wünsche oder so? Ich darf mir alles wünschen, was ich will? Wo ist der Haken?"
"Ich verstehe nicht. Ich bin eine Wunschfee. Warum sollte ich dir verbieten, dir mehr als eine oder drei Sachen zu wünschen?"

"Na ja, ich dachte nur, dass das viele Wunscherfüllen dann irgendwann anstrengend wird."
Die Wunschfee machte ein komisches glucksendes Geräusch. "Ach so! Jetzt verstehe ich. Du denkst, ich erfülle dir die Wünsche dann auch. Nee, tut mir leid, ich glaube, du hast zu viele Märchen gelesen. So funktioniert das nicht." Die kleine Fee wollte sich geradezu ausschütten vor Lachen, hielt sich ihren Bauch und trommelte mit ihren Füßen auf die Tasten w und e.

Der Schriftsteller fühlte sich ein wenig an der Nase herumgeführt. "Du bist gar nicht hier, um mir Wünsche zu erfüllen?"
Kirilla lachte noch immer und konnte als Antwort nur mit dem Kopf schütteln.
"Ja, aber wozu bist du denn dann gekommen?", fragte der Schriftsteller.
"Na ja, zum einen, weil ich Lust auf einen Kaffee hatte ... Kriege ich noch einen?", sie streckte die Filzstiftkappe vor und der Schriftsteller schenkte ihr nach. "Und zum anderen, weil du aussahst, als könntest du Hilfe gebrauchen."

"Ja, aber wenn du gar keine Wünsche erfüllst, wie willst du mir denn dann helfen?"
"Ich könnte dir ja zum Beispiel zeigen, wie du deine Wünsche selber erfüllen kannst. Was ist denn dein größter Wunsch im Moment?"
Das war einfach. Ohne zu zögern platzte der Schriftsteller heraus: "Endlich mal wieder eine Geschichte schreiben zu können. Eine neue, eigene, die noch keiner vor mir geschrieben hat."
"Na", sagte die kleine Fee. "Das ist ja nun wirklich nicht so schwierig. Ich glaube, da hab ich dir ja doch ein bisschen helfen können."

Der Schriftsteller schaute verwirrt auf die Stelle, wo gerade noch die nackte kleine Wunschfee gesessen hatte. Statt schlanker Feenbeine lagen seine eigenen Finger auf den Tasten. Sein Blick fiel auf das bereits weitgehend voll beschriebene Blatt in seiner Schreibmaschine. Erstaunt las er, was er schon geschrieben hatte:

"Es war einmal ein Schriftsteller, der traurig an seiner Schreibmaschine saß. Er wollte einen neuen Roman schreiben, oder zumindest eine Kurzgeschichte… "

 

Hey MissyLaMotte,

irgendwie habe ich das Gefühl, diese Geschichte schon einmal so oder so ähnlich gelesen zu haben. Deja-vu, sozusagen. Das Thema ist auch nicht gerade neu, aber deine Umsetzung davon ist nett.

Zwei oder drei Textzeugs habe ich noch:

Er bückte sich, um ihn aufzuheben, und als er sich wieder aufrichtete, blieb er mit dem Jackenärmel am Kaffeefilter hängen und riss ihn herunter.
Würde ich ein Komma setzen, weil "um ihn aufzuheben" ein Einschub ist.

Als er schließlich das Kaffeepulver wieder zusammengefegt und in den Filter zurück gefüllt hatte und gerade das heiße Wasser eingießen wollte, hörte er plötzlich ein Geräusch, das ihn innehalten ließ.
Lässt sich schöner formulieren.

Na gut, wirklich innovativ ist das ja nicht, was er da schreibt, da hat die Fee ihn ganz schön gelinkt. Aber der Text liest sich flüssig und war keine Zeitverschwendung - was will man mehr? :)

gruß
gobbo
:bounce:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Missy,

MissyLaMotte schrieb:
Nach einigem Suchen fand er jedoch die Kappe eines dicken Filzstifts, füllte etwas Kaffee hinein und reichte sie der Wunschfee.

arme kleine Fee, die bestimmt in einer Stunde irgendwo gekrümmt und mit hängenden Flügeln am Boden liegt, weil ihr winziger Magen das giftige Zeugs aus den Kappen von den fetten Filzstiften sicher nicht verträgt. :crying:

Gruß,

Kira.

 

Hallo Missy!

Eine süße schöne Geschichte zum Entspannen! Dein Schriftsteller macht durch seine Tollpatschigkeit sofort einen sympatischen Eindruck, finde ich zumindest. Irgendwie musste ich ein bisschen an Pinoccios Vater denken... ;)
Eine kleine Sache, die mir auffiel:

„Auf seiner Küchentheke saß eine kleine Gestalt, die aussah wie eine schlanke nackte Frau mit Libellenflügeln auf dem Rücken.“
-> Sie sah doch nicht nur so aus, sie war doch eine schlanke nackte Frau mit Libellenflügeln, oder nicht? Vielleicht könntest du das „die aussah wie“ einfach weglassen?

Dann noch etwas, das ich unbedingt anmerken muss:

„Die kleine Fee wollte sich geradezu ausschütten vor Lachen, hielt sich ihren Bauch und trommelte mit ihren Füßen auf die Tasten w und e.“
-> Das hast du ja soooooooooo süß beschrieben, ich bin hin und weg! :D

Alles in allem finde ich deine Geschichte sehr schön und erheiternd. Perfekt zum Vorlesen!

Gruß,
Glori

 

Muss ich mich wohl ma Vita anschließen. Thema nich so wirklich neu. Am Anfang hab ich auch nich so wirlich Zugang dazu gefunden. Aber ich fands dann ab der Hälfte dann ganz süß. Also wirklich keine Zeitverschwendung. :)

 

Hallo Missy,

kannste die Fee mal bei mir vorbei schicken. Wäre bestimmt eine prima Ablenkung vom Lernen ;)

Eine nette kleine Zwischendurchgeschichte. Ich mag Feen. Besonders, wenn sie frech sind.

Liebe Grüße,

Ronja

 

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