Ein Gefängnis
Ein Gefängnis
Ich weiss nicht, ob Einsamkeit eine bestimmte Eigenschaft sein kann, ich weiss auch nicht, ob alleine sein eine Tätigkeit ist. Jedoch weiß ich, dass sie es ist. Einsam, allein. Aber sie ist nicht die einzige. Ob ihr das Trost spenden mag?
…
Wenn es Nacht ist, dann ist sie in ihrem Element, dann blüht sie auf, zwischen verzerrten Klängen, die laut aus den Boxen geschmettert werden, umgarnt von Gesängen, leidend und voller Weltschmerz, und sie tobt, schreit, singt, springt meterweit durch den Raum. Wenn sie wollte, sie würde alles um sich herum zertrümmern. Diese ganze Welt, sie legt sie in Schutt und Asche. Sie hat nichts zu verlieren, denkt sie. Überhaupt nichts.
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Niemand würde sie je hören, denkt sie, niemand. Manchmal kommt sie sich vor, als wäre sie umgeben von schallisolierten Mauern, tagtäglich. Das seien ihre ständigen Begleiter. Sie könnte schreien und toben - hört ihr denn nicht, seht ihr denn nicht? – niemand würde sie hören. Und in ihr, da schreit und tobt es. Und tatsächlich: Niemand hört es.
Diese Erkenntnis mag verbittert stimmen. Sie hat sich daran gewöhnt.
Aber da ist etwas, das schnürt ihr die Kehle zu, ein Knoten in ihrem Hals, der sie fast erstickt. Und sie wird ihn nicht los, einfach nicht los.
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Dieser Knoten, er ist es, er sperrt sie ein, hält sie gefangen, lässt sie nicht mehr los. Und sie kann toben und schreien, springen und rasend sein vor Wut, sie ist eingesperrt. Ihre Zelle, man mag sie Seele nennen, wenn man denn so möchte. Aber sie ist nicht alleine.
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Sie will raus, sagt sie, raus hier, aus diesem Loch, aus diesem ich, raus aus mir. Sie gräbt mit den Händen, tritt gegen die steinernen Mauern, wirft sich mit ihrem ganzen, zierlichen Körper, mit aller Kraft die sie hat, gegen ihre Zellwände, es nützt nichts, denkt sie, es nützt überhaupt nichts. Sie bräuchte Hilfe. Doch niemand hört sie rufen.
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Es bleibt Nacht um sie herum. Bis sie das Tageslicht irgendwann zu vergessen versucht…