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Ein Tag im Leben eines Projektmanagers

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26.08.2004
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Ein Tag im Leben eines Projektmanagers

Firma: Heizungstech
Name: Herr Morser
Tel: 032 554 85 46
X Wünscht einen Rückruf
Grund: Internet ist kaputt

Wie ich diese Post-It Notizen hasse. Vor allem jene von Frau Bidermann. Sie klebt mir die Zettel immer mitten auf den Bildschirm, toll wie so ein wenig Klebstoff mit der Zeit das Glas so verdrecken kann. Es wird wohl wieder mal Zeit mir im Archiv einen neuen Schirm zu holen. Ihre Handschrift erinnert mich immer an jene von meinem ehemaligen Informatik-Professor. Prof. Dr.Dr. C++. Nur der Gedanke an ihn erzeugt eine Gänsehaut, welche sich von den Schultern bis in die Finger- und Zehenspitzen ausbreitet.

Also, als erstes hole ich mir mal einen Kaffee aus dem Automaten, es ist neun Uhr an einem regnerischen, kalten Montagmorgen. Eine weitere Arbeitswoche hat begonnen – der Gedanke, welche Überraschungen und Probleme, diese Wochen wieder bei mir auf dem Schreibtisch landen, lässt mich erzittern und ich spüre die Verdauung meines Frühstückes nun recht deutlich.

So, so, das Internet ist also kaputt. Mal sehen, Favoriten, Picsearch.de, Wer ist heute die Glückliche, Christina Applegate, wie gerne erinnere ich mich an die „Al Bundi“-Zeiten zurück, war sie nicht süss? Der Seitenaufbau für die ersten 20 von 5'324 Ergebnissen liegt unter 5 Sekunden, das ist gut. So kaputt kann also das Internet nun doch nicht sein. Nach ein paar Detailanzeigen von Christina, natürlich nur, um sicher zu gehen, dass wirklich nichts kaputt ist, bin ich des ruhigen Gewissens, dass a) das Internet einwandfrei läuft und b) das Christina mittlerweile zwischen 30 und 40 Jahren alt ist und viel, wenn nicht alles, von der Niedlichkeit eingebüsst hat.

Es bleibt mir also wohl nichts anderes übrig, als diesem Herrn Morser anzurufen. Der wird wohl nicht gerade ein Geek sein. Ein Lahmer, das dürft wohl die Bezeichnung für diesen Morser sein.
Ich mache diesem Kunden keinen Vorwurf, jedenfalls jetzt noch nicht, es gibt Leute die sich nicht mit Technik auseinander setzten wollen. Zum Beispiel gibt es da jene, welche zu einem Faxgerät laufen, ihr Fax einschieben, die Nummer wählen und dann mit einer sichtlichen Genugtuung sehen, wie ihr Fax „eingesaugt“ wird. Mit einem lächeln gehen sie dann wieder zurück mit der Meinung das Faxgerät hat ihre Nachricht „gefressen“, „verpröselt“, was auch immer und wird dann auf der Gegenseite wieder zusammengesetzt.

Mit diesem Bild vom Herrn Morser im Kopf wähle ich die Nummer.
„Morser“
erklingt eine Stimme am anderen Ende.
„Internet service provider Explor, Mark Weber, Guten Morgen Herr Morser“
Einmal sehen ob etwas vom vergangenen Telefonkurs hängen geblieben ist.
„Morgen Herr Esplor“
Naja fast.
„Sie haben uns, der Internet-Firma Explor, ein Problem mit einem unserem Produkt gemeldet, nun wollte ich nachfragen, ob sie mir eine Fehlernummer oder eine Beschreibung des Problems geben können.“
Schweres Atmen und Seufzer werden hörbar und nach vier, fünf, sechs Sekunden, dann endlich
„Ja genau, ich bin von den Ferien zurück und sehe keine E-Mails mehr“
Ja so etwas beschäftig einem schon etwas, ich abonniere mir deswegen während längerer Internet-Abwesenheit immer ein paar Newsletter, genau aus diesem Grund. Es fällt einem schwer, wenn man merkt, dass man in Vergessenheit gerät.
„Sehen sie gar keine E-Mails mehr, oder nur keine Neuen?“
Langsam wie ein geübter Jäger pirsche ich mich an das Problem an.
„Gar keine mehr. Es ist alles weiss und in der Mitte steht etwas komisches, soll ich das mal vorlesen?“
Vorsichtig gehe ich in Deckung und lege an.
„Ja aber gerne“
Jetzt bin ich in optimaler Schussposition.
„Also da steht: „google, deutsch, Web, Bilder, Groops, Verzeichnis, News, Erweiterte Such…“
Peng – erwischt. Ein kapitaler Hirsch.
„Vielen Dank, das genügt. Sie sind im falschen Programm. Ähm, bitte schliessen Sie dieses Fenster, mit der Maus auf das grosse, rote X am oberen rechten Rand. Sehen sie irgendwo auf dem Desktop, ich meine auf dem Bildschirm ein Bildchen mit der Überschrift „Outlook“?“
„Ja, das ist da, muss ich da drauf klicken?“
Nein natürlich nicht das ist bloss ein Sehtest.
„Ja gerne, Doppelklicken sie auf das Bild.“
„Oh, vielen Dank, Sie haben mich gerettet.“
Nichts zu danken, ich freue mich auf den Hirschpfeffer heute Abend.
„Dafür bin ich ja da. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche“
Immer mit den Gedanken an den viertägigen Telefonkurs.
„Eh, ja ihnen natürlich auch auf wieder sehen.“
Ja, klar in meinen Alpträumen.
„Auf Wiederhören.“ – klick.

Und wieder einmal hat Kapitän Mark S. Weber die unendlichen Weiten des Cyberspaces beschützt.

Ja so etwas tut gut. Ein Blick auf meinen Funkwecker, mit Laserprojektion der Zeit auf die Decke, verrät mir, dass es inzwischen 9.32:25 Uhr ist. Höchste Zeit für die morgendliche Pause. Ich setze mich an den Tisch des Hauswarts. Die meisten hier glauben, dass Frau Biedermann die Frau ist für den neuesten Tratsch, das mag auch stimmen, aber für die wirklich dunklen und nackten Wahrheiten der Firma ist Martin zuständig. Ich lasse mir also lauwarmes Wasser, mit Milchpuler und Kaffee- und Zuckergeschmack und diversen Zusatzstoffen, mein Lebenselixier, in den braunen Becher laufen und setze mich zu ihm.

„Ah, unser Projektleiter Mark“
Ahh, das Tut gut. Früher stand Projektleiter für „Strategien entwerfen“, „Jährliche Marketingpläne erstellen“, „Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen“ und vieles Interessantes mehr, heute steht Projektleiter für „Sachbearbeiter für technische uns psychische Probleme in höherer Gehaltsstufe“.

Nachdem ich mich auf den neusten Strand gebracht habe und zwei weitere Becher des Lebenselixiers zu mir genommen habe, gehe ich wieder in meine Einzellzelle. Früher war ich im Grossraumbüro, welches heute als Lager und Archiv dient, früher, bevor wir „gesundgeschrumpft“ sind, waren auch mehr als 100 Leute hier beschäftigt, heute sind es noch 22, wovon nicht mal die Hälfte 100% arbeitet. Auch ich arbeite nur 80%, auch wenn ich es anfangs nicht so glauben mochte, aber so ein freier Tag in der Woche hat schon so seine Vorteile.

10.15:25 zeigt mir die Projektion an der Decke. Ich lese jetzt noch die Onlinezeitung und prüfe meine E-Mails, natürlich auch die Privaten auf gmail.com welche ich mir nicht auf meinen Firmenaccount zukommen lassen möchte.

11.01.10. Ein kurzer Blick in meinen Kalender verrät mir, dass heute die Präsentation der neuen Internetseite der Gemeinde Obergümligen ansteht.
Es ist bereits mein zweiter Versuch. Der erste Versuch ist wegen Farben und Blindtext gescheitert.
Der Höhepunkt war die Frage des Gemeindepräsidenten, ob man den Text „Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit, sed diam nonummy nibh euismod tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat.“ nicht in deutsch darstellen sollte.
Ich lade mir also das alte Dokument, ergänze das Deckblatt mit „Version 2.0“ und ersetze die schöne Photoshop-Grafik durch eine schwarzweisse Skizze und ersetzte den ominösen Text durch: „Dies ist ein Blindtext. Bitte beachten Sie den weiteren Inhalt dieses Textes nicht. Es handelt sich tatsächlich, so war mir Gott helfe, nur um einen Blindtext.“
Ich gehe noch mal rasch die Handnotizen durch, lasse alles weg, was auch nur annähernd mit Technik zu tun hat, das erspart eine menge lästiger Fragen, baue noch ein paar Schlagwörter wie „Corporate Identity“, „Focussieren“, „Synergie“ und „Benchmark“ ein – und fertig. Diesmal klappt es. Da bin ich mir sicher.

Bald ist Mittag. Ein Blick nach draussen widerspiegelt meine Stimmung: Regen. Da fällt die Entscheidung wenigstens einfach. Pizzaservice bei den Programmierern.

Ich mache mich also auf den Weg in den Keller, warum diese Jungs im Keller sind, weiss man erste, wenn man mal dort gewesen ist. Das rauschen der Server hört man schon bevor die Tür offen ist. Beim Betreten des Raumes überkommt einem einen süsslich, verwesenden Geruch, an den man sich allerdings nach etwa fünf bis zehn Minuten gewöhnt hat. An der grauen Wand hängt ein Pin-up-Kalender aus dem Jahr 2001. Anna Nicole Smith lächelt in den düsteren Raum, welcher dank einer flackernden Neonröhre in eine Endzeitstimmung versetzt wird.

„Pizza?“
Die Jungs schauen mich mit zugekniffenen Augen an. Durch die Tür kommt Tageslicht, das mögen sie nicht. Also schlage ich die Türe mit dem linken Fuss zu.
„Ja, bestell schon mal für 5“
„Dasselbe wie immer?“
„Ja, klar“

Nach der Mittagspause auf dem alten Sofa bei den Geeks, stinken meine Kleider wie an einem Sonntagmorgen, nach einer durchzechten Nacht in der Hafenbar. Zum Glück habe ich mal Febreze entdeckt. Dieser Spray vernichtet den Geruch nicht nur, er bringt eine exotische Frische mit sich, und wenn du das Zeugs zu tief einatmest, fühlst du dich, als hättest du wieder das schlechte Zeugs vom Bahnhof-Dealer geraucht – Chemie pur.

So, nun muss ich mich aber beeilen, die Vertreter der Gemeinde Obergümligen kommen jeden Augenblick. Ich schnappe mir den roten-„nur für Meetings“-Kaffeeschlüssel und lass mir 2 Becher Lebenselixier raus. Noch eine Zigi und dann hat auch der letzte seinen Regenmantel abgelegt und wir können in den Präsentationsraum.

Dank meinen Änderungen verläuft das Meeting wie am Schnürchen. Keine Fragen. Einstimmiges Nicken. Am Ende versichere ich der Delegation noch, dass die Seite bestimmt zehnmal besser wird, als jene von Niedergümligen. Die Herren sind begeistert.

15:41.21 Ein erfolgreicher Tag. Das Internet gerettet und Leute glücklich gemacht. Ich mache Feierabend. Beim hinaus flanieren denke ich noch: zum Glück kennt die dot com keine Stempeluhren.

 

Hm....


hallo mind,

ich habe deine Geschichte so verstanden, dass dein Protagonist, eben weil er so sehr viel mehr Wissen hat als die User, mit ihnen Schlitten fahren kann. ;)
Mit seiner total minimalistischen Arbeitsauffassung erreicht er dennoch mehr Anerkennung und Lob als jemand, der den Tag über ein halbes Kohleflöz abgeräumt hat.

Insoweit ein realsatirischer Blick auf unsere heutigen gesellschaftlichen Missstände, die sog. Leistungen honorieren, die eigentlich keine sind.
Aus meiner Sicht ein durchaus akzeptabler Plot.

Was mich schwer enttäuscht, ist allerdings die Umsetzung.
Dein Schreibstil wirkt auf mich derartig lustlos, dass ich Mühe hatte dem Text zu folgen.
War irgendwie kein Genuß es zu lesen, dabei ist eine Satire geradezu ein großes Austobfeld für feinste subtile Nuancen der Ironie bis hin zur satten fast schmerzhaften Ausdrucksweise des Zynismus. Davon vermiss ich hier.
Ich bringe dir mal ein Beispiel,bei dem ich denke, dass die Lustlosigkeit geradezu ins Auge springt:

Ja so etwas tut gut. Ein Blick auf meinen Funkwecker, mit Laserprojektion der Zeit auf die Decke, verrät mir, dass es inzwischen 9.32:25 Uhr ist. Höchste Zeit für die morgendliche Pause.

Mein Gegenvorschlag: " Mein Blick an die Decke, der Funkwecker mit Laserprojektion hatte 9.32:25 Uhr an die Wand geworfen, verrät mir: es ist höchste Zeit für die morgendliche Pause." Ich meine natürlich damit nicht, dass du diese Formulierung übernehmen musst, wollte nur aufzeigen, dass man den Text auch straffen und klarer fassen könnte.

Alles in allem hätte ich mir von dir wesentlich mehr Schärfe, Bissigkeit und Überzeichnung gewünscht, denn es handelt sich hier um eine Realsatire und da gerät der Plot zur gähnenden Langeweile, wenn er nur 1:1 umgesetzt wird, ohne mit verbalen Spitzen zu arbeiten.
Hoffe, ich habe dir nun nicht allen Mut genommen, mal wieder sich an einer Satire zu versuchen.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin!

Da ich noch Zeit habe, bis das Backup durch ist, kann ich genausogut mal eben was kommentieren... :D

Den Text finde ich leider reichlich mißlungen. Er plätschert so vor sich hin, sprachlich unsauber, mit extrem verschwommener Grundaussage und inhaltlich insgesamt sehr unoriginell.

Mich persönlich langweilen solche "Dummer DAU vs. Schlauer Supporter"-Szenen mittlerweile über alle Maßen, ganz gleich, in welcher Geschmacksrichtung sie daherkommen. Das war beim allerersten Mal - damals vorm Krieg - noch originell, beim BAfH vielleicht noch witzig umgesetzt, aber hier und heute: Trööt! Schade, aber danke fürs Mitspielen. Das ist für mich nicht Satire, das ist Gähn...

Und auch der Rest trödelt sich so auf den Wellen der EDV-Klischees dahin - eine planlose und leider stinklangweilig geschriebene Verballhornung des IT-Alltags, die dummerweise schon einen recht ansehnlichen Bart vor sich herträgt. Denn das Platzen der dotcom-Blase ist nun auch schon ein Weilchen her, mittlerweile muss auch in der IT wieder gearbeitet werden. (Es sei denn natürlich, man ist Consultant, aber das ist ein anderes Thema...)

Hinzu kommen sinnlose Stilverbrechen wie "Zigi", nervige weil wenig lesenwerte Substitutionen ("Lebenselexier" für Kaffee - sowas schreibt man bitte einmal, aber nicht zehnmal in einem Text...) und logische Fehler der Sorte "Entwickler, die im Rechenzentrum arbeiten" - sorry, hast Du schon mal einen Serverraum von innen gesehen? Wieviele Programmierer sind Dir dort über den Weg gelaufen? Mir noch kein einziger!)

Fazit: Mangels eines konsequenten Plots, brauchbarer Charaktere und Ansätzen von Spannung oder wenigstens Sprachästhetik sehe ich das hier nicht unbedingt als fertige Geschichte an, eher als den Versuch einer solchen, der im Ansatz steckengeblieben ist. Eine Alpha-Version mit Behelfs-GUI sozusagen. Bitte nur innerhalb der Testumgebung installieren - nicht für die Produktion geeignet!
Denn die Bugs sind Legion: Sprachlich lahm, inhaltlich unoriginell und wirr organisiert. Satirische Ansätze sind Mangelware, und wenn erkennbar, leider sehr uninspiriert umgesetzt. Ich würde sagen, dieses Projekt ist ziemlich vor die Tonne gelaufen, da hilft auch debuggen nich mehr viel. Ergo: Neues Lastenheft erstellen und beim nächsten Mal dann etwas mehr Konzentration an den Tag legen.

Gruß,
Horni

EDIT: Und kein schlechtes Wort über Christina Applegate! Die Frau ist ein Babe! Keine Widerrede! :D

 

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