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Eine Nacht

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23.08.2001
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Eine Nacht

Das Haus war riesig. Anna staunte: hier würden sie also das Wochenende verbringen? Doch blieb keine Zeit zum Schauen, alle rannten hinein, suchten die schönsten Räume mit den größten Betten und beschlagnahmten sie. Anna lief hinterher, nahm ein Zimmer mit Michael.
Die Nacht brach herein und noch immer schien keiner müde zu werden. Überall sah man kleine und größere Gesprächsinseln, lachende, diskutierende, gelöste Menschen. Anna ging mit Michael ins Zimmer, sie wollten schlafen. Eine Weile ging das auch gut, das Haus kam zur Ruhe, die letzten Nachzügler nahmen ihre Sachen und verschwanden in den Zimmern.
Dann ein langgezogener Klageschrei im Treppenhaus: Anna saß senkrecht im Bett.
"Das wird Helene sein, die hat letztes Mal auch so geschrieen", murmelte Michael, ging dann aber doch mit Anna zusammen vor die Zimmertür, um zu schauen, was war. Es war fünf Uhr morgens, Helene schrie und das Haus war wieder auf den Beinen. Schlafen konnte man schließlich auch später. Vor dem Fenster wurde es bereits hell.
Michael ging noch kurz ins Zimmer zurück, kam jedoch nicht wieder. Als Anna nach ihm sah, hatte er eine Katze im Schoß, zeigte auf den Sessel neben sich und sagte:
"Da, nimm Dir auch eine." Anna setzte sich, nahm das widerstrebende Tier auf den Schoß und kraulte das weiche Fell. Tatsächlich, das tat gut, aber die Katze wollte weg und Anna ließ sie.
Sie ging zu Gerôme, einem guten Freund und musste feststellen, dass er eine Frau war. Sie saßen lange in seinem Zimmer, bis er damit herauskam, dass er eigentlich Helga hieß und es bisher nur noch keinem aufgefallen war. Sie überlegte kurz, es seiner Freundin zu sagen, ließ es dann aber doch. Sie würde es schon noch merken. Die Illusion war allerdings perfekt: Sogar einen Bartschatten hatte er, und wäre Anna ihm damals nähergekommen, wüsste sie auch, ob das in seiner Hose doch nur ein aufpumpbarer Ballon war – aber es hatte verdammt echt ausgesehen, wie seine Hose zu spannen anfing. Allerdings recht klein, aber das konnte auch an der Enge der Jeans gelegen haben.
Als Annas Lieblingsserie begann, verließ sie Helga-Gerôme und setzte sich vor den Fernseher. In der Werbepause lief ein Textbanner über den Bildschirm:
"Anna, sprich mit niemandem über das, was wir vorhin besprochen haben."
Das konnte nur von Chris stammen. Als sie die dritte Werbepause mit Spruchband überstanden hatte und ihre Serie vorbei war, ging sie hinaus, ihn zu suchen. Es war noch immer mitten in der Nacht, die Helligkeit von vorhin war wieder der Dämmerung gewichen. Sie merkte, dass sie nur Socken anhatte und zog diese aus. Das Gefühl der warmen Wolle auf ihrem glatten, nackten Fuß machte sie glücklich, und sie lief barfuß durch den Lehm auf der Suche nach Chris.
"Er ist irgendwo dahinten mit seinem Laptop", sagten die anderen, und so ging sie zu dem hohen Holzsessel, der an der Feuerstelle stand, auf den sie gewiesen hatten. Da saß er, seinen Laptop umgeschnallt um den Bauch, und tippte wie wild.
"Ich würde nie etwas verraten, für wen hältst Du mich?" sagte Anna zu ihm. Er sah auf und lächelte. "Natürlich nicht, aber so habe ich Dich in meiner Nähe." Während sie sich neben ihn stellte, dachte sie noch einmal darüber nach, dass Gerôme in Wirklichkeit Helga war und ob sie mit Chris darüber sprechen sollte, aber die Feuerwehrsirenen brachten sie so aus dem Konzept, dass sie beschloss, sich doch besser einen neuen Traum zu suchen.

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07. November 2002

 

Hallo chaosqueen,
wolltest Du Verwirrung stiften? Du hast es geschafft.
Ich meine das im positiven Sinne.
Die ganze Zeit habe ich mich über diesen merkwürdigen Stil gewundert und habe dabei überlegt, was ich in meine Kritik schreiben solle.
Ich war geneigt, negativ zu kritisieren, doch so richtig war ich nicht davon überzeugt, denn der Stil ist ja nicht schlecht, sondern nur merkwürdig. Dann der Ablauf, der schon passt und dann wieder nicht. Für eine reale Erzählung hat die Geschichte nach meinem Geschmack auch zu wenig Atmosphäre. Für eine Traum passt das wieder. Im letzten Drittel dämmerte es mir dann und ich war eigentlich nun sicher, dass es ein Traum sein musste.
Für einen Traum passt m.E. dieser Stiel sehr gut, für eine reale Handlung wieder nicht.
Logisch.
So muß ich Dir ein Kompliment machen.
Gruß Manfred

 

Hej Dreimeier!

SCheint so, dass ich Verwirrung gestiftet habe. In gewisser Weise wollte ich das durchaus, ja.
Als reale Geschichte ist das natürlich nicht zu verstehen, das hast Du richtig erkannt. :)
Freut mich, dass Dir der Stil als passend erschien!
Ich war und bin mir nicht so sicher, ob man überhupt irgendetwas mirnehmen kann aus der Geschichte, für mich ist das Ding schlüssig, aber für Leser, die nicht in meinen Kopf sehen können...? Schwierig!
Bin auf weitere Reaktionen gespannt.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo chaosqueen,

verwirrt war ich auch beim und nach dem Lesen. :confused:

Die Geschichte ist flüssig geschrieben, und es ist kein Problem, der Story an sich zu folgen. Aber die Wendungen haben für mich dann ein (Verständnis)Problem dargestellt.

Das mit Gerôme/Helga ging mir irgendwie zu schnell. Ein Satz, das wars. Erst dachte ich, diese Feststellung scheint der Clou der Geschichte zu sein, aber dann hättest du das nicht so hopplahopp abgehandelt, oder?

Der Textbanner auf dem Bildschirm ließ dann für mich deutlich werden, dass es keine reale Story ist. Aber erst im letzten Satz wurde mir klar, dass es ein Traum ist. Tja, solche "wirren" Träume hat jeder mal. Oftmals weiß man aber kurz danach gar nicht mehr, was denn so alles in dem Traum vorkam.

Als Fazit kann ich sagen, dass ich die Geschichte eigentlich ganz gerne gelesen hab. Man konnte ein bisschen miträtseln, und die Auflösung hat letztlich, auch wenn solche Stories oftmals auf den Traum hinauslaufen, nicht enttäuscht. Nette Geschichte für zwischendurch.:)

Jetzt sag aber bitte nicht, dass es kein Traum ist!!!

Gruß

Christian

 

Hallo chaosqueen,

sehr "realitätsnahe" traumbeschreibung..fühlte mich schon ser früh wie in einem traum....vielleicht träumen wir so ähnlich *smile*.... das ging mir vor allem so, weil die themen so schnell wechselten..der stil paßte einfach dazu..

das einzige was mir nicht so gefiel: zumindest in meinen träumen, habe ich auch gefühlsregungen: freude, angst, euphorie etc... das hat anna nur sehr wenig..

"Sie merkte, dass sie nur Socken anhatte und zog diese aus. Das Gefühl der warmen Wolle auf ihrem glatten, nackten Fuß machte sie glücklich, und sie lief barfuß durch den Lehm auf der Suche nach Chris"

das habe ich nicht verstanden..sie zieht die socken aus..und fühlt dann die warme wolle auf dem nackten fuß??..

ansonsten sehr interessant und traum-gemäß geschrieben.. der "irrsinn"..hätte auch ruhig noch weitergehen können..*smile*

lg, streicher

 

Hallo chaosqueen,


mir hat die Geschichte gut gefallen, weil sie so alltäglich unverfänglich beginnt und dann langsam seltsam wird. Die „Socken“- Stelle ist mir auch aufgefallen, es sei denn diese Irrationalität gehört zum Traumempfinden. „Gesprächsinseln“ fand ich auch gelungen, stutzig wird man auch bei den Katzen, warum kann er eine an Anna abgeben (das war so wie ein Warnsignal, daß die Geschichte nicht alltäglich bleibt). Zum Schluß hätte ich nicht unbedingt einen Traum gewählt, um die Sache verständlich zu machen.
Ein Änderungsvorschlag: „... wie seine Hose ...“ als seine Hose.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo zusammen!

Sorry, war grad wenig online, nun aber auch für euch eine Antwort:

@criss: Ja, die Stelle mit Helga/Gerôme könnte tatsächlich noch etwas ausführlicher sein, so wie einige andere Stellen auch. Aber ich wollte dieses Absurde, Gehetzte eines Traumes nicht durch zu viel "Realität" stören.
Keine Panik: es ist ein Traum! ;)

@Streicher: Tja, Gefühle... stimmt, hab ich wohl auch manchmal im Traum. (Ansonsten auch, keine Panik! ;) )Ich werde die Geschichte noch einmal mit Abstand überarbeiten, vielleicht schaffe ich es dann, auch ihre Gefühle auszudrücken.

Das Ding mit der Socke: Es ging mir um das Gefühl der weichen Wolle, die während des Ausziehens angenehm glatt über den Fuß streicht. Mir ist schon beim Schreiben aufgefallen, dass ich die Stelle nicht richtig zu fassen bekomme, aber irgendwie konnte ich es nicht ändern. Auch ein Fall für die Überarbeitung!

Wenn Du solche Träume kennst, dann scheinen wir wohl wirklich ähnlich zu träumen! :)

@Woltochinon:
Was stört Dich an den Katzen? Wenn Du auf einem Sessel sitzt und eine KAtze auf dem Schoß hast und eine zweite auf einem anderen Sessel oder meinetwegen auch auf Deinem Schoß sitzt, dann kannst Du doch eine zum Kraulen an eine andere Person abgeben, oder? Hab ich mich doch zu verwirrend ausgedrückt? :confused:

Das mit der Hose bleibt so, weil ich es als Zustandsbeschreibung gemeint habe.

Liebe Grüße

chaosqueen :queen:

 

Hallo chaosqueen,

mich stört das mit den Katzen nicht, nur schreibst Du "hatte er eine Katze" (als sie ihn sah) also- wie kann er da eine weitere abgeben. Ich dachte, Du wolltest damit das Verwirrspiel einleiten, hätte nichts dagegen.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hey, ich find die Geschichte echt genial! Das mit Gêrome-Helga gefällt mir besonders gut, weil es so alltäglich und irgendwie "normal" klingt, so unwichtig. Es ist halt so.... :) Und alles wechselt so schnell, die Szenen usw. Genau meine Denkart, hab mich in der Geschichte irgendwie zuhause gefühlt... und auch wenn es kein Traum wäre, ich fände es genau so gut! Wer sagt das die Wirklichkeit nicht so ist... ;) Also, Kompliment! Bye thorny

 

Hallo, chaosqueen!

Wo genau verläuft die Grenze zwischen Tag- und Nachttraum? Deine Geschichte verwischt die Konturen und läßt mich verwundert nachdenken. So, wie es mir immer wieder morgens passiert, wenn das "Erlebte" noch lange nachwirkt.

Sehr schön erzählt! :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:


Ciao
Antonia

 

Hej zusammen!

@thorny: Danke für das Kompliment! Freut mich, dass Du Dich in der Geschichte zuhause fühlst - meine Träume sind tatsächlich häufig so wirr, da wollte ich mal sehen, ob man sie als Geschichte für andere wenigstens ein bisschen greifbar machen kann.

@Antonia: Auch Dir ein Dankeschön!
Ich habe diese Geschichte als nächtlichen Traum angelegt, aber bewusst versucht, genau diese Verwirrung, die häufig nach dem Aufwachen bleibt und die bei mir manchmal einen ganzen Tag lang nachklingt, festzuhalten.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hej BeautifulExperience!

Danke für den neuen Nick, vielleicht lass ich mir den mal eben reservieren... :)

Freut mich, dass Du das Traumfeeling nachempfinden konntest! Ich habe ständig Träume in dieser Kategorie und wollte einfach sehen, ob sie sich zur Geschichte eignen. Muss ja nicht immer super-anspruchsvoll sein, was man so schreibt!

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hej Bo!

Effi Briest konnte ich zum Glück umgehen, aber "Unterm Birnbaum" in der 10. Klasse war auch ein Graus! ;)

Ich schreibe durchaus auch mal ganz gerne anspruchsvoller, aber zum einen muss das ja nicht gleich "unlesbar heißen und zum anderen eben nicht immer.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

PS Die eine oder andere Geschichte von mir wirst Du hier sicher noch finden! :D

 

Hej Blackwood,

danke für Deine Kritik!
An die üblichen Bilder der Traumdeutung glaube ich nicht, meistens weiß ich ganz gut, warum ich was träume, und die angeblichen schlüssel passen selten. ;)

Deinen Vorschlag für die Socke finde ich wunderbar, vielen Dank!

Was die anderen Vorschläge (bis auf die Rechtschreibung, die ändere ich auch) angeht, werde ich sie mir noch mal durch den Kopf gehen lassen. Mal sehen, was ich noch alles ändere dabei - der Text ist ja auch schon wieder anderthalb Jahre alt!

LG
chaosqueen

 

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