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Eleutheros

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22.02.2004
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Eleutheros

Chris betätigte die unterste Taste seines Hydrogenerators. Das Orange leuchtete nur schwach in der von rotem Rost dominierten Atmosphäre. Wenn man das überhaupt Atmosphäre nennen konnte, was man da so einatmete. „In Seattle, direkt an der Pazifikküste gibt es wenigstens noch richtige Luft.“, stellte er sich vor. Chris war noch einer der wenigen Marsbewohner, die auf Terra geboren worden waren. Früher nannte man Terra auch mal „die Erde“, doch das war lange her. Er machte sich auf den staubigen Weg zum nächsten Hydrogenerator. Für den halben Kilometer brauchte er ungefähr zehn Minuten. Als er noch jünger war, schaffte er die Strecke in sechs bis sieben. Und schon wieder kamen diese „Früher war alles besser“-Gedanken in seinem Kopf hoch. Er hasste das. Er hielt dies für ein Zeichen, dass er alt wurde. In letzter Zeit kam es jedoch häufiger vor.

Letztes Jahr hatte es in seinem Distrikt vier Morde gegeben. Das war die größte Steigerung der letzten neun Jahre. Der Kanzler und die Regierung hatten seitdem mit so manchen Maßnahmen versucht den Bewohnern einen Eindruck von Sicherheit zu vermitteln. Was aber die letzten Gesetzesänderungen betraf, so hatte Chris ein mulmiges Gefühl. Gewiss, ihm als einfachen Farmer war es sicher nicht vergönnt den Sinn und Unsinn solcher Regelungen zu beurteilen, jedoch beschlich ihn eine böse Vorahnung. Software-Entwickler waren beauftragt worden, ein „Kriminalitätsschutzprogramm“ in das öffentliche Komm-System zu integrieren. Angeblich diente dies nur der Sicherheit der „Marsitants“ wie sie sich seit der Unabhängigkeitserklärung von Terra nannten. Unabhängige Online-Magazine hatten jedoch bestätigt, dass theoretisch der gesamte marsianische Nachrichtenverkehr nach jedem Wort, jedem Namen und sogar jedem Code durchsucht werden konnte. Chris machte das Angst. Er musste an seine Geschichtslehrerin Mrs. Badering denken. Die hatte seinem Kurs damals über die Anfänge des Internet berichtet. Anfang dieses Jahrhunderts. Die Regierungen von Terra waren von den libertären Möglichkeiten des WorldWideWeb und seiner Nachfolger völlig überrannt worden. Terroristen, Kinderschänder und Spione nutzten dieses erste weltweite Kommunikationsmedium genauso wie Hausfrauen, Studenten und Wissenschaftler. Schritt für Schritt versuchte man in den damaligen Industrienationen die Freiheiten des Internet zu beschränken. Das Unwort des Jahres 2008 war „Unzertifizierung“. Damit waren alle Computer gemeint, auf denen illegale Software installiert war oder mit denen z. B. multimediale Inhalte aus dem Netz heruntergeladen worden waren, für die niemand bezahlt hatte. Anfang 2007, während der schweren Weltwirtschaftskrise hatte es auf Terra eine Reihe von neuen Gesetzen gegeben, welche hauptsächlich auf der Lobbyarbeit der großen Konzerne basierten. Die darauf folgende Durchsuchungs- und Verhaftungswelle führte zu lokalen Unruhen im damaligen Europa und in Nordamerika. Teile der Gesetze wurden zurückgenommen. Ganz geeinigt hatte man sich jedoch nie.

Auf dem Mars waren viele libertäre Grundsätze durchgesetzt worden. Vielleicht lag das an den ersten „Marsitants“ und wie diese um ihr Überleben kämpfen mussten. Ihm wurde klar, dass hier auf dem Mars die neowissenschaftliche Forschung weit gediehen war. Vor Kurzem hatten hiesige Wissenschaftler Beweise für die Panspermia-Theorie vorgelegt. Anscheinend war es wirklich wahr, dass sich das Leben interstellar über Kometen und Meteore über unser Sonnensystem ausgebreitet hat. Mars-Begeisterte waren schon immer komische Köpfe gewesen. Exobiologien hatten sich 2005/2006 in Texas für glatte 100 Wochen in eine Kuppel einschliessen lassen, welche autark von der Aussenwelt existieren sollte, nur um zu beweisen, dass Reisen zu anderen Planeten möglich sind. Dabei kam es zu Streitigkeiten und körperlichen Auseinandersetzungen. 2 Wissenschaftler wurden verletzt und das Experiment wurde von den Sicherheitskräften mit Gewalt beendet. Man hatte die menschliche Psyche wohl etwas unterschätzt.

Chris machte sich um das Erbe dieser Menschen sorgen. Versuchte der Kanzler nun die hier gewonnen Freiheiten zu untergraben? Nachdem sich vor 12 Jahren die ersten Konzerne des industriell-militärischen Komplexes auf dem Mars niedergelassen hatten, gab es vereinzelte Proteste. Wollte man auch hier eine digitale Zertifizierung einführen? Von Seiten der Regierung dementierte man das vehement. Gerade hier in seinem Distrik legte jeder besonderen Wert auf seine Freiheit, oder das, was er dafür hielt. Als man 2045 Höchstpreise für die hier angebaute Gerste einführen wollte, kam es fast zu Ausschreitungen. In letzter Sekunde einigte man sich gütlich.

Gerade als er den zweiten Hügel überschritt, fiel ihm etwas ein. Er hatte vor ungefähr drei Monaten von einem neuen Brain-Scan gelesen. Mit dieser Methode war es angeblich möglich herauszufinden, ob jemand gerade die Wahrheit sagte, oder nicht. Wissenschaftler arbeiteten schon die letzten 50 Jahre an diese Methode. Ob ihnen jetzt der Durchbruch gelungen war? Wieder liefen ihm kalte Schauer über den Rücken. Klassiker wie George Orwells „1984“ oder Richard Evans „Eleutheros“ hatte er zwar gelesen, jedoch nie Ernst genommen. Chris nahm sich vor, sich in dieser Richtung mehr zu informieren. Online-Magazine, die sich mit so etwas beschäftigten gab es genug. Eins davon hiess „Tele.....“? Verdammt. Er konnte sich nicht mehr an den Namen errinern. Gleich morgen würde er anfangen danach zu suchen. Hmm. Vielleicht sollte er es doch schon heute abend tun. Der Weg zum nächsten Hydrogenerator kam ihm länger vor als sonst.

 

Weißt Du, was ich in Deiner Geschichte vermisse?
Handlung.
Fast der gesamte Inhalt der Erzählung findet in Gedanken statt, und das liest sich zäh, was freilich auch an der teilweise holprigen Sprache liegt.
Im Grunde hetzt Du durch eine Utopie und reihst politische und gesellschaftliche Errungenschaften aneinander. Ein verbreiteter Fehler in SF-Storys: Du willst zuviel, Du willst eine ganze Historie konstruieren, eine Zukunft mit vielen Ideen, die vermutlich genauer Prüfung nicht standhalten. Darüber vergisst Du, eine Geschichte zu erzählen.

Deinen Ausführungen über Konzerne, Marsbesiedlung und die Tatsache, dass jeder die Erde Terra nennt, mag man wahrscheinlich finden oder nicht. Es ist nicht mehr als ein mögliches Zukunftsszenario, das formal nicht weit von einem Aufsatz entfernt ist, mehr schlecht als recht in Prosa gepresst wurde.

Der Titel der Geschichte ist quasi Programm: Eleutheros klingt fast wie Erläuterung. Und das ist es, was Du tust: Du erläuterst Deine Zukunftsvision.

Fazit: sprachlich mäßig, inhaltlich Utopie ohne rechte Handlung, kaum spannend.

Uwe
:cool:

 

Hallo Uwe,

zuerst einmal Danke für die Kritik.
Du hast es ziemlich gut erfasst. Das Wichtige ist nicht die (kaum vorhandene) Handlung, sondern die Gedanke, die er sich macht, was in der Gesellschaft vorsichgeht. Sieh einfach die technischen Ideen als schmückendes Beiwerk (obwohl man durchaus darüber diskutieren könnte, ob sie einer Prüfung nicht doch standhalten). Anscheinend habe ich die Hauptsache nicht genug herausgestellt. Die Geschichte ist als kleine Warnung gedacht, vor dem, was zur Zeit in der realen Welt passiert. Die Einengung der Freiheiten im Internet (Musikindustrie) und die mögliche Identifizierung jedes Clients im Netz (Zertifikate--Microsoft) sind reale Möglichkeiten, die uns allen drohen! Chris lebt in der Zukunft, deshalb ist das alles schon auf der Erde passiert, auf dem Mars jedoch noch nicht! Es gibt übrigens ein Online-Magazin, daß sich u.a. durchaus mit solchen Themen (libertäre Gedanken) auseinandersetzt.

Eleutheros ist übrigens das griechische Wort für Freiheit!

 

Ich verstehe die Problematik.
Hm. Ich denke, dass Du Dich auf eine der möglichen Einengungen hättest konzentrieren sollen, um sie deutlicher herauszuarbeiten. So bleibt eben vieles Andeutung, und wir sehen durch Chris Augen Deine Zukunftsvision. Das Format der SF-Short-Story ist hier nicht mehr als Mittel zum Zweck und hat daher auch nur die Wirkung eines Artikels in einem Magazin. Ich bin mir sicher, dass Du durch eine intensivere Darstellung eines Aspekts (andere können ja nebenbei auftauchen) eine dichtere, wirkungsvollere Schilderung erzeugen könntest. Versuch's mal, bin gespannt!

 

Hallo Terranaut,
Uwe hat bereits angeschnitten, dass es zu wenig Handlung gibt. Dem muss ich mich anschließen.

Ein paar Dinge, zum Inhalt, die mir ins Auge gestochen sind:

Früher nannte man Terra auch mal „die Erde“, doch das war lange her
Ich denke, jeder der sich in dieser Rubrik herumtreibt, kann Terra=Erde setzen.

Exobiologien hatten sich 2005/2006 in Texas für glatte 100 Wochen in eine Kuppel einschliessen lassen, welche autark von der Aussenwelt existieren sollte, nur um zu beweisen, dass Reisen zu anderen Planeten möglich sind.
Das Experiment gab es bereits. "Biosphere II" wurde vor ein paar Jahren das erste Mal gestartet. Ich weiß nicht, ob du darauf anspielst?

Klassiker wie George Orwells „1984“ oder Richard Evans „Eleutheros“ hatte er zwar gelesen, jedoch nie Ernst genommen.
Wer bitte nimmt "1984" nicht ernst???

Du hast sehr viele, teilweise gut durchdachte zukünftige entwicklungen aufgezählt. Wenn du dazu noch eine Geschichte schreibst, dann wird es sicher spitze!

glg Hunter

 

Hallo Hunter,
mit Biosphere II hast Du Recht. Ich glaube das war aber nicht so lange. Ich kann mir vorstellen, daß so was in größerem Rahmen gemacht wird, wenn die bemannten Marspläne mal akut werden!

Das Chris 1984 nicht ernst nimmt, soll den Kontrast verstärken. Selbst jemand, der absolut keine Angst vor einem Überwachungsstaat hat, muß hier langsam einsehen, daß es hier eine gefährliche Entwicklung gibt.

 

Die Geschichte finde ich gar nicht schlecht, bzw. ich finde die Welt interessant, in der sie spielt. Da fällt mir persönlich die geringe Rahmenhandlung nicht auf, wobei ich es besser fände, wenn die echten Fakten, z.b. die Bedeutung des Wortes „Eleutheros“ oder das Biosphere 2 Projekt für Dumme wie mich erwähnt werden würden (wobei das dann nichts mehr mit der Geschichte an sich zu tun hat).

michi

 

Im September 1991 begaben sich die ersten acht „Bionauten“ (vier Frauen und vier Männer) hinter die Luftschleuse. Sie blieben zwei Jahre, um mögliches Überleben auf dem Mond oder Mars zu erproben.

Lange genug, oder? - Auch wenn das ganze Projekt nie lange ohne Eingriffe von außen funktionierte...

glg Hunter

 

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