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Elsa

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30.07.2003
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Elsa

Nimm mich mit dir und berühre mein Gesicht
Auf dass ich nie mehr von dir scheiden muss
Wind des Westens, weis' zurück mich nicht
Schenk mir deinen samtig kalten Kuss​


"Es wird nie wieder das Gleiche sein, nie wieder.", Elsa hielt schon seit ein paar Minuten den Revolver ausgestreckt in ihrer Hand. Der Geruch verbrannten Schwarzpulvers lag noch immer in der Luft. "Ich meine das Meer. Hörst du, Anton? Die Brandung, achte auf die Brandung. Sie klingt.... anders. Nicht mehr so voll und dröhnend wie vorher." Sie rührte sich nicht und starrte immer noch auf diese eine Stelle, auf der ihr Blick scheinbar unwiderbringlich geheftet war. Nur ein leichtes Zucken in die Richtung, in der sich Anton befand, verriet, dass sie eine Antwort erwartete. Anton schwieg.

Schaue tief in mich hinein und suche mein Herz
Wühle, grabe, erforsche mein innerlichstes Bangen
Achte auf jeden leidvoll schreiend' Schmerz
Sind doch alle Morgen erlebt; alle Nächte sind vergangen​


"Ich wollte niemals, dass es soweit kommt. Aber er liess uns keine Wahl, Anton. Wir mussten es tun, ich musste es tun."
Ihr Flüstern vermengte sich mit dem Meereswind und säuselte dem nächtlichen Sternenhimmel entgegen. "Wir hatten diese Art Leben satt, nicht wahr? Ja, es ist besser so. Wir sind jetzt frei! Niemand wird uns je wieder wehtun. Gleich morgen nehmen wir den ersten Flug. Egal wohin, hauptsache weg von hier. Ich hasse diesen Ort, ich ertrage ihn nicht. Anton?" - Doch Anton machte nicht die geringsten Anstalten, ihr irgendetwas zu entgegnen.
Elsa war schön: Ihre gebräunte samtige Haut bedeckte einen makellos athletischen Körper, und das lockere Seidenkleid, das sie trug, flatterte im Wind und tanzte mit ihrem glatten schwarzen Haar um die Wette. Aber sie zitterte, jede Faser ihres Körpers war angespannt. Und ihre Augen gebaren dünne Tränen, die vereinzelt über ihre Wangen rannen: Über Narben, Schnitte und Blutergüsse hinweg, die ihr schönes Gesicht entstellten. Heute war er besonders brutal gewesen.

Schäumend mir das Meer erklärt, was es von mir will
Brandend' Forderung: Ich will es nicht ertragen
Schweig, mein Herz! Schweig jetzt ganz still!
Lausch' dem tiefen Wassers lockend Klagen.​


"Anton, bitte rede mit mir! Dein Schweigen macht mir Angst, ich brauche dich jetzt! Bitte entzieh dich mir jetzt nicht. Ich habe das für uns beide getan. Ich.... liebe dich!" - Statt einer Antwort lagen nur diese Worte in der Luft, schwer und träge. Und es war, als ob der Wind eben diese Worte anklagend in Elsas Ohr zurückmurmelte. Endlich liess sie langsam den Arm sinken. Der Sand unter ihren Füssen war feucht und sie schwankte, fiel schliesslich auf die Knie.
"Anton! Ich stehe das nicht alleine durch. Bitte komm zu mir und halte mich! Nimm mich in den Arm!"
Elsas Stimme war jetzt nicht mehr als ein Wimmern. Sie begrub ihr Gesicht in den Händen. Aber Anton kam nicht zu ihr. Er liess sie allein, auf ewig allein! Niemals wieder wird sie ihn berühren können, nie mehr wird sie Trost von ihm bekommen und sie wird ihn nie mehr küssen! Doch auch misshandeln wird er sie nie wieder, wie er es heute wieder getan hat! Er hat ihr so viel Gutes und Schlechtes angetan, aber das ist vorbei, für immer. Und in diesem Augenblick wurde Elsa dies alles bewusst, wie ein Schlag, wie ein Kuss. Antons lebloser Körper lag vor ihr im Sand, eine Kugel steckte ihm im Kopf, und jede aufbrandende Welle nagte schon an ihm, zerrte ihn jedesmal ein Stück weiter ins Meer hinein. Lange würde es nicht mehr dauern bis das Wasser ihn hinaustrug, um ihn auf ewig zu verschlingen. Und der grösste Teil von Elsas Leben wird mit ihm verschwinden. So erniedrigend es auch gewesen ist, aber es war ihr Leben.
"Was hab ich getan?" - ein gebrochenes Flüstern.
Sie weinte bitterlich und fühlte den Schmerz in den tiefsten Tiefen ihrer Seele. Wollte sie selbst allein weiterleben? Sie spürte die Leere in sich. Dieser eine Schuss tötete ihre Qual - aber auch sie selbst. Sie wusste nicht, was sie noch auf dieser Welt wollte.
Schluchzend hob sie den Revolver wieder, setzte ihn an....

Die Welt in mir zerbricht in diesem Augenblick
Mein Herz, bezeug' mir diesen Neubeginn!
Tausendfarbig scheint in mir das neue Glück
Ich kann es fühlen wie Feuer mit jedem Sinn​


Die Sterne am Himmel waren in dieser Nacht besonders hell, und der Mond schickte sein Licht in zahllosen tanzenden Facetten auf das Meer. Ein steter sanfter Wind liebkoste die Blätter der Palmen am Strand und verlieh ihnen zaghaftes Leben, die Zikaden sangen ihr ryhtmisches Lied. Und als die Ruhe dieses Moments am trügerischsten war, erschallte ein ohrenbetäubender Schuss.
Ein Schwarm Seevögel floh flatternd davon. Weisser, vom Mondlicht gleissender Rauch vermengte sich mit der Schwärze der Nacht, und der Lauf des Revolvers starrte ihm nach. Elsa zitterte nun nicht mehr. Fest und entschlossen hielt sie den Revolver wie eine Fackel gen Himmel. Ihre Augen funkelten, als wollten sie das Ende eines düsteren Kapitels verkünden. Sie stand auf und warf die Waffe weit von sich ins Meer. Der Wind spielte mit ihrem Kleid. Dann sah sie noch einmal auf Antons seelenlose Hülle hinunter, die ihr dort zu Füssen lag und in Brandungsgischt getränkt war. Ein erleichterter Seufzer enstprang ihrer Kehle, als sie sich schliesslich umwandte und ohne noch einmal zurückzublicken davonging.
Für den Bruchteil einer Ewigkeit stand sie am Abgrund. Aber sie hatte sich entschieden und fühlte, dass sie es niemals bereuen würde....

 

Hallo novelly

Erstmal vielen dank für dein Lob hinsichtlich des Stils. Ist immer schön zu hören, geht natürlich runter wie Öl.
Doch deine Kritik hört sich nun wiederum für mich etwas unüberlegt an: Ich muss dir beipflichten, dass das Schlagen einer Frau oder das Erschiessen eines Mannes nichts mit Romantik zu tun hat. Aber das wollte ich auch nicht gerade damit in Verbindung bringen. Es ist vielmehr Elsas Entscheidung, nicht aufzugeben und trotz des Verlustes ihres "Lebens" einen Neubeginn zu wagen, was man romantisch nennen könnte. Ich finde es jedenfalls nicht schwer, dies herauszulesen. Das was du als naiv bezeichnest, ist ein wohl überlegtes Konstrukt :-)
Also bis dann
Gerrit

 

Hallo Geeraid,

Deine Geschichte ist von den Bildern her wirklich ausgesprochen schön. Sie zaubert Bilder ganz einfach nur so hervor. Das ist in meinen Augen nicht einfach, Du kannst es.
Was mich nicht so angesprochen hat, ist das Thema Deiner Geschichte. Ich meine jetzt nicht, dass ich Gewalt in der Beziehung als Thema ablehne, kommt genug oft vor. Das ist schwierig, es zu erklären ... Deine geschilderte Szene kommt mir vor wie in einem Film, der ins Melodramatische abgleitet. Ich kann die Gefühle der Protagonistin nicht nachvollziehen - das mag ein Manko meinerseits sein. Jedenfalls kommt mir diese Szene in der Realität sehr unrealistisch vor. Das liegt auch daran, dass die Protagonistin unbedingt schön sein muss.
Wie soll ich das schreiben ... Gewalt in Beziehungen widerfährt auch Menschen, die nicht als allgemein "schön" gelten. In der Geschichte ist es einfach zu viel für meinen Geschmack. Sie ist schön, der Mann misshandelt sie, sie erschießt ihn, sie sind am Meer, sie denkt nicht rational sondern wird ein bisschen "verrückt" ...

Dein Talent, Bilder im Kopf hervor zu zaubern, ist absolut da. Ich würde es sehr gut finden, wenn Du es in weniger "schöne" Szenen einbringen kannst. Also die Gefühlsbeschreibungen von Menschen, wie es sie zu Tausenden gibt. Es ist schwer, das zu begründen, da Du Deine Protagonistin nunmal so gewählt hast. Vielleicht so: Wenn man so ein Talent hat, Bilder im Kopf zu erzeugen, braucht man sich nicht an Szenen zu "verschwenden", die an sich schon sehr -ich nenn es mal - bildhaft sind.

(Die Geschichte erinnert übrigens mich an einen Film mit Vanessa Paradis)

 

Hallo ihr beiden!

Vio, danke dir für dein Kompliment bezüglich meiner Bilder-in-den-Kopf-Zauberei :).
Du hast schon recht, Gewalt in Beziehungen kommt natürlich auch oft genug bei Menschen vor, die nicht "schön" sind. Was soll ich sagen, ich hatte eben einfach dieses Bild vor Augen. Wallende Schwarze Haare - Seidenkleid. Vielleicht hab ich einfach zu viele Kitsch-Filme gesehen ;). Ich werde mal versuchen, mit etwas ernsteren und realistischeren Szenen zu spielen. Das könnte glaubwürdiger wirken, ich denk mal drüber nach... (bin ja noch nicht so geübt.. aber das kommt bestimmt noch ^_^). Mit deiner Kritik kann ich wirklich etwas anfangen.

Novelly, ich habe schon verstanden, dass du die Wahl des Ortes kritisierst. Ich war nur nicht sonderlich damit einverstanden, dass du deswegen die Story als "naiv und unüberlegt" darstellst. Natürlich, ich kann dir keine Vorwürfe machen, wenn du so empfindest! Aber die Wahl des romantischen Strandes hat so seine Vorzüge (aus meiner Sicht): An welchem anderen Ort können aufbrandende Wellen die Leiche (und somit das bisherige Leben der Prot.) in die Tiefe zerren? Welcher Ort wäre besser geeignet, um einerseits einen gewissen Kontrast zur traurigen Realität dieser Story und andererseits eine Hervorhebung des frischen, unschuldigen Starts der Prot. in ein neues (besseres) Leben zu vermitteln? Ich habe mir schon meine Gedanken dabei gemacht und nicht einfach so drauflos geschrieben.... Vielleicht ist es mir auch einfach nicht so gut gelungen, das zu vermitteln. Aber ich arbeite daran ;-)

Grüsse
Gerrit

 

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