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Er wollte eigentlich immer nur einfach mal leben!

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11.05.2002
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Er wollte eigentlich immer nur einfach mal leben!

"Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil," die Stimme des Richters klang entschlossen, auf seiner Stirn hatten sich tausende winzige Schweißperlen gebildet.
"Der Angeklagte ist schuldig des dreifachen Mordes in Tatmehrheit mit schwerem Raub und Vergewaltigung, er wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld wird festgestellt."
Die Spannung im Gerichtssaal war genommen, der Staatsanwalt nahm mit einem zufriedenem Nicken Platz und auch der Verteidiger schien nichts anderes erwartet zu haben.
Auch er selber hatte ja nichts anderes erwartet.
Er hatte es ja getan.
Ja, er hatte zusammen mit seinem Kumpel die Bank überfallen.
Ja, er hatte die Kassiererin und auch den Schutzmann erschossen.
Ja, er hatte dabei auch diese Frau vergewaltigt und ja, er hatte auch seinen Kumpel erschossen.
Aber er kam sich dabei trotzdem nicht schlechter vor als irgendwer anders.
Er hatte nie etwas bei diesen Taten gespürt, er empfand kein Mitleid als er die verzweifelte Frau brutalst zusammenschlug und mißhandelte.
Er empfand keinen Skrupel die flehende Kassiererin zu erschießen und auch die ungläubigen Augen seines Kumpels, als er ihm mitten ins Herz schoß, berührten ihn einfach nicht.
Das Urteil, der Prozess, es schwebte einfach an ihm vorüber und er war sich dessen nie richtig bewußt.
Die Handschellen knackten und der Beamte versuchte ihn unsanft zum Aufstehen zu bewegen.
Langsam erhob er sich, der Griff war fest und machte deutlich das Widerstand zwecklos gewesen wäre.
Während ihn der Beamte unsanft wegführte, versuchte er irgendjemanden in die Augen zu schauen.
Er suchte seinen Verteidiger, doch der saß desinteressiert über seine Akten gebeugt und kritzelte irgendetwas hinein, froh das der Prozess endlich zu Ende war.
Der Staatsanwalt, er konnte es nicht lassen seine Blicke zu ihm rüber schweifen zu lassen. Er saß auf seinem lederbespannten Sessel und telefonierte, dass Handy sah ziemlich teuer aus.
Von denen hatte er nichts zu erwarten.
Aber hatte er überhaupt noch etwas zu erwarten, von irgendjemandem -außer vielleicht von sich selbst?
Er war doch jetzt schließlich ein Verstoßener, Abschaum der Gesellschaft.
Seine Frau hatte bereits die Scheidung eingereicht und diese ist schon vor dem Prozess rechtskräftig geworden, trotz des nicht Einhaltens des üblichen Trennungsjahrs, da eine "Fortführung der Ehe für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte darstellen würde", so der Scheidungsrichter.
Auch von ihr hatte er nun nichts mehr zu erwarten.
Wortlos schoben ihn die Justizbeamten in den Transportwagen und knallten die Tür zu.
Trostlosigkeit umgab ihn.
Und jetzt?
Vor ihm lag eine großes Stück Nichts.
Alle Taten, all das wofür man ihn so hasste und verurteilt hatte, das alles hatte er doch nur getan um zu leben, endlich einmal zu leben.
Das war ihm nie vergönnt gewesen, noch nie hatte er das Gefühl verspürt, endlich einmal einfach nur zu leben.
Aber was war das eigentlich, dieses Leben nach dem er sich so sehnte?
Hatte der Justizbeamte, dessen nichtssagender Blick schwer auf ihm lag, etwa mehr von diesem Leben?
Der Staatsanwalt, der es so vortrefflich verstand seine Verbrechen anzuprangern und sich dabei moralisch wie ein Gott vorkommen musste, hatte er dieses Leben nach dem er sich so sehnte?
Er hatte nicht mehr die Kraft darüber nachzudenken.

Drei Stunden saß er nun bereits schweigend in seiner Zelle.
Einzelhaft - ausgerechnet.
Einen "potenziellen unberechenbaren Hang zu Agressionen" hatte ihm der Psychologe vor Gericht bescheinigt.
Er sei aber "voll schuldfähig", so klangen die Worte in seinen Ohren noch dumpf wieder.
Er hasste sie alle - jeden einzelnen dieser Kreaturen, die sich anmaßten über sein Leben derartige Urteile zu fällen.
Er würde es ihnen zeigen und jedes einzelne dieser verdammten Jahre absitzen und wenn es die Ewigkeit wäre, er würde hier wieder rauskommen und alles erneut wiederholen, nur besser, professioneller, ohne erwischt zu werden.
Dann wäre er endlich reich und glücklich, so wie er es sich immer gewünscht hatte.
Und dann würde er endlich wissen, was es bedeutet zu leben.
Einfach nur zu leben.

 

Hi!

Entschuldige wenn ich das so knallhart sage, aber die Geschichte ist oberflächliches Einerlei.

Die Tatsache dass der Mörder kein Mitleid empfindet, emotional herzlos und sadistisch ist, lässt darauf schließen dass er selbst nichts anderes erfahren hat, was sicherlich keine neue Erkenntnis ist. Umso mehr erstaunt es mich dass sein Psychologe einen, Zitat: "potenziellen unberechenbaren Hang zu Agressionen", diagnostiziert, was ja eigentlich nur ein Symptom seiner Krankheit ist. Zumal Aggressionen keine Seltenheit sind, wenn auch nicht in unberechenbarer Form. Abgesehen davon verbinde ich „unberechenbar“ mit wuterfüllt, außer sich sein, und der Täter ging deiner vagen Beschreibung nach kühl und berechnend vor. Also ein Mensch der sich seiner Taten durchaus bewusst ist, dem aber jegliches moralisches Verständnis fehlt.
Um mal mit einem Zitat zu verdeutlichen:

„Er hatte nie etwas bei diesen Taten gespürt“

Ein eindeutiger Widerspruch zu seiner festgestellten Aggression.

Du versuchst dich in Psyche eines Mannes zu versetzen wie es viele andere auch tun: Indem sie ihren Protagonisten die typische Maske des „Bösen“ aufsetzten, die ihrer Einfachheit wegen als besonders attraktiv gilt. Das bringt weder etwas Neues noch etwas das zum Verständnis beiträgt, was zugegeben eine schwere Herausforderung ist. Die Gedanken des Täters, seine rohe Handlungsweise, die möglichen Ursachen, die vielleicht durch seine negative Vergangenheit hervorgerufen wurden- All das bleibt hinter einem bleichen Grundriss, findet in keiner Weise Bedeutung. Nichts wird geschildert, auf nichts wird eingegangen, nur mal eben kurz erwähnt. Da hilft auch sein Wunsch „am Leben zu sein“ nicht weiter, was in meinen Augen nur eine billige Provokation ist, die dazu dient übliche Verachtungsgefühle beim Leser zu wecken.

Sorry für die harte Kritik!

gollum

 

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