Feedback - Vom Geben und Nehmen
Einleitung
Kritiken geben und Kritiken erhalten ist eine recht einfache Sache. Man schreibt einen Kommentar zu einem Text und der gemeinte Autor liest diesen und ist glücklich.
Jedenfalls wünschen wir uns alle, dass es so wäre, aber die Realität sieht nicht ganz so aus.
Auf der einen Seite des Kritikerspektrums haben wir kurze Kommentare, sog. Einzeiler, die zwar ein Kommentar recht nahe kommen, aber keine Auseinandersetzung des Kommentators mit dem Text erkennen lassen. „Krasse Geschichte“, mag vielleicht kurzfristig erfreuen, aber was fangen wir damit an? Was möchte der Kritiker damit sagen? Will er überhaupt etwas sagen?
Andererseits gibt es jene zynischen Zungen, die eine Geschichte in den satirischen Abgrund werfen, um dort darauf herumzutrampeln. Vielleicht weniger, um den Autor zu beleidigen, sondern eher, um dem kleinen Teil in sich selbst - der lieber laienhafte Texte verfassen würde, um der pseudo-literarischen Verbissenheit zu entfliehen - zu zeigen, wer der Herr ist. Der gemeinte Autor bleibt aber weiterhin ratlos zurück und fühlt sich demotiviert und „niedergemacht“.
Das sind zwei Extreme, die in dieser Reinform wohl nicht vorkommen. Aber es gibt diese Richtungen und um nun eine weitere einzuführen, bieten wir (Bibliothekar und ich) Euch diesen Workshop an.
Das bedeutet nicht, dass er eine neue Richtlinie des kd.de-Rates ist, eine Weisung oder neue Regel. Ein einfaches Angebot an jene, die gerne wissen möchten, wie wünschenswertes Feedback aussieht, wie man eines schreibt und was man mit dem erhaltenen machen soll.
Jene, die das hier lesen und hoffen, am Schluss eine Kritik schreiben zu können, die niemand antadeln kann und die den Schreiber als Kontrahenten mundtot macht, sollten nun aufhören zu lesen, denn sie werden enttäuscht werden. Feedback dient weniger dem, den anderen zu zeigen, wie gut man selbst ist, sondern es wird geschrieben, um dem anderen, aber letztlich auch sich selbst, zu hinterfragen und zu verbessern. Es ist also sozusagen eine zweikanalige Kritik, deren erste Verbindung zu dem Autor führt und die zweite schließlich zu sich selbst.
Feedback wird oft missbraucht und als bloßer Mantel für beliebige Beleidigungen benutzt. Um dem vorzubeugen, gibt es bestimmte allgemeine Regeln, die Bib und ich für Kurzgeschichtenkritiken etwas modifiziert haben. Zuerst gibt es einige Regeln für den Verfasser des Feedbacks, danach jene für den Feedback empfangene Person.
Regeln für die Feedback gebende Person:
- Freiwilligkeit
Die Freiwilligkeit steht beim Feedback an vorderster Stelle. Man sollte nur eines geben, wenn man sich dazu in der Lage fühlt, wenn man wirklich Lust dazu hat. Pflichtgefühle, da der andere ja auch die eigene Geschichte gelesen und kommentiert hat, tragen oft entscheidend zum Scheitern eines guten Feedbacks bei.
- Wertschätzung/ Respekt
Jeder Mensch hat unseren Respekt verdient, das gilt natürlich auch auf kg.de. Konkret auf die Kritiken bezogen heißt das für uns, dass einem Autor immer mit Wertschätzung begegnet werden soll, unabhängig davon wie uns seine Geschichte gefällt. Selbst wenn wir das Gefühl haben, dass wir provoziert werden, sollten wir unseren Unmut in einer respektvollen Art wiedergeben. Wertschätzung und Respekt sollten das ganze virtuelle Gespräch ausmachen, damit wir uns nicht in Wortklauberei oder ähnlichen Nebensächlichkeiten verlieren.
- Hervorheben des Geglückten
Nichts ist deprimierender, wie wenn man eine ellenlange Kritik bekommt, in der kein einziges positives Wort steht. Natürlich ist Fehler-Aufzeigen und ähnliches wichtig, aber auch durch Hervorheben des Geglückten kann ein Autor lernen.
Gnadenlose Kritik dient oft nur der Selbstverliebtheit des Verfassers, „ressourcenorientiertes“ Feedback handelt vor allem von den Stärken und den Ausbaumöglichkeiten des Autoren.
- Keine Charakter-Diagnose
Beim Feedback geht es darum, die Wirkung des Gelesenen widerzuspiegeln und zu besprechen. Niemand kann von einer Geschichte auf den Charakter eines Autors schließen und sollte das auch nicht versuchen.
- Ich-Botschaften
Ich-Botschaften drücken das aus, was der Sender empfindet, es wird kein Allgemeinurteil gefällt. Der Kritiker sagt dadurch, dass und warum etwas auffällt, jedoch ohne dabei beschuldigend oder urteilend aufzutreten, jemand anderer kann den gleichen Kritikpunkt komplett anders empfinden. Dem Autor wird hierbei die Verantwortung und der Raum gelassen, ob und wie er etwas ändert.Bsp: „Auf mich wirkt der Protagonist nicht glaubwürdig. Sein Verhalten kann ich nicht nachvollziehen.“ statt „Der Protagonist ist schlecht dargestellt. Du hast ihn völlig falsch gezeichnet.“
- Konkret sein, nicht analysieren
Ein Feedback sollte so ausführlich, sachlich und konkret wie möglich sein, das bedeutet, dass bestimmte Punkte aus einem Text genommen und besprochen werden. Gefühle, Vermutungen und Deutungen sollten als solche deklariert werden.
- Umsetzbar
Feedback geben bedeutet, dem Empfänger Informationen über Dinge geben, die er ändern kann. Keinen Sinn machen Kritiken wie „Du solltest aufhören, so pervers zu denken“, jedoch kann man zu verstehen geben, dass man sich persönlich von Geschichten mit expliziter sexueller Darstellung ekelt und man sich wünscht, dass bestimmte Vorgänge mit anderen Worten beschrieben werden.
Umsetzbar heißt auch, dass man konkrete Vorschläge macht. Nur zu schreiben „Mach die Geschichte spannender“ hilft keinem Autoren. Lieber Beispiele aufführen, wie „An dieser Stelle ist Dir das schon gut gelungen, versuch das Geschehen in dieser Art weiter zu beschreiben und streich dafür die Andeutungen raus“.
- Negative Aspekte vor den positiven anführen
Es tut jedem gut, wenn er zum Schluss etwas Positives hört. Dadurch wird negative Kritik nicht heruntergespielt, aber sie wird verdaulicher, da die „positive Schlussstimmung“ anhält.
Der Hauptunterschied des Feedbacks zu einer gewöhnlichen Kritik ist dieser, dass das Feedback das interaktive Medium vollends ausnutzt und der Empfänger mindestens genauso zu einem Erfolg beitragen muss, wie der Sender. Darum gibt es hier folgende Regeln für den Feedback Empfänger.
Regeln für Feedback empfangene Person:
- Nicht rechtfertigen
Bei einem Feedback geht es nicht darum, ob der Kritiker recht hat oder nicht, sondern um eine bloße Reflexion dessen, was die Geschichte beim Leser ausgelöst hat.
Es gibt zu jedem Thema verschiedene Standpunkte, so findet einer z.B. den Offenen Schluss perfekt, der Nächste findet diesen phantasielos. Darüber zu streiten, wer nun Recht hat, ist müßig und auch sinnlos. Sinnvoll ist es dagegen, einem Kritiker zu sagen, in welchen Punkten man ihm zustimmt und welche Sachen man anders sieht. So hat man die Möglichkeit, in einen Dialog zu treten.
Beim Rechtfertigen verläuft es dagegen in Richtung „Du hast das falsch verstanden, ich hab das anders gemeint“, so wird eine sinnvolle Diskussion abgewürgt, da auch das Gegenüber in diese Position gezwungen wird. Es lohnt sich, einmal nicht dem Reflex der „Selbstverteidigung“ nachzugeben, sondern über Feedback das nicht bloß positive Punkte beinhaltet, nachzudenken und seine Gedanken zu artikulieren.
- Darüber nachdenken
Es ist hilfreich, wenn man die Kritik erst einen Moment sacken lässt und sie später nochmals liest um dann möglichst objektiv darüber nachzudenken. Oft ist man beim ersten Lesen dazu verleitet, rechtfertigende oder auch bedingungslos-zustimmende Schnellschüsse zu posten, um sich dann später – nach dem zweiten oder auch dritten Lesen – darüber zu ärgern, da man dann einige Punkte anders sieht.
- Offen sein
Aktives Zuhören ist eines der schwierigsten Dinge heutzutage. Umgemünzt auf Kurzgeschichten.de bedeutet das, dass man Feedback liest, ohne sich gleichzeitig überlegt, was man darauf antworten soll, dass man es aufmerksam aufnimmt und stets im Hintergedanken hat, dass man daraus lernen soll. Verteidigungsmaßnahmen und Rückschüsse planen, während man liest, nimmt viel von der Energie, die man für das Verständnis besser benötigen könnte. Hier lautet also die Devise: Was lerne ICH daraus und erst danach: Was schreibe ich DIR zurück.
- Rückmelden
Wie anfangs schon erwähnt, kann man durch das Internet, Feedback besonders schön auskosten. Feedback empfangen ist ein aktiver Prozess und so sollte der Empfänger ebenfalls eine Rückmeldung geben und erklären, wie er das erhaltene Feedback erlebt hat (hilfreich, konstruktiv, verletzend).
Abschließend bleibt zu sagen, dass Feedback eine Form der Kommunikation ist und gutes Feedback Zeit benötigt. Aber ich denke, schon ein Schritt in Richtung Feedback könnte die Kommunikation auf kg.de verbessern.
Aber es ist nur ein Schritt. Es bleibt am Schluss noch zu erwähnen, dass Feedback die klassische Kritik nicht ersetzen kann und auch nicht soll. Wie fade wäre es ohne die beißenden Reißer zynischer Wortjongleure und wie erbaulich kann so ein Einzeiler sein, mit dem man sich nicht weiter befassen muss. Allerdings liegt in der Vielfalt die Qualität auf kg.de und das Feedback soll zu dieser Vielfalt beitragen.
Bibliothekar
Peter Hrubi