Was ist neu

fliegen

Mitglied
Beitritt
27.07.2004
Beiträge
7
Zuletzt bearbeitet:

fliegen

Johann legte seine Hand auf Hannahs Schulter.
„Ich bin gleich wieder da. Warte hier.“
Johann sprach mit ihr immer wie mit einem Kind. Das mochte sie überhaupt nicht. Sie konnte zwar nicht mehr laufen, aber geistig war sie doch nicht angeschlagen.
Mittlerweile regte Hannah sich über solche Kleinigkeiten nicht mehr sonderlich auf, denn Johann machte das nur, weil er sie lieb hatte.
Hannah und Johann passten nicht gut zueinander, sie 56, er 23, gut aussehend, vielleicht ein bisschen, wie der junge Clark Gable.
Hannah fragte sich beinahe jeden Tag, wieso ein Mann wie Johann eine alte Frau wie sie so lieb hatte, vielleicht hatte er ein Helfersyndrom für sie entwickelt.

Nun lehnte er mit der Hüfte am Schalter, stütze sich mit dem rechten Arm auf und diskutierte heftig, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, mit der jungen Angestellten.
Die Frau war hübsch, vielleicht fragte Johann sie gerade, ob sie mit ihm ausgehen wolle oder vielleicht waren sie schon einmal aus gewesen. Hannah verspürte eine Übelkeit, wie sie sie jedes Mal verspürte, wenn sie eine hübsche Frau mit Beinen sah oder wenn Johann eine sah. Hannahs Gedankengang wurde unterbrochen. Johann gab ihr einen kleinen Kuss auf die ein wenig faltige Wange. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Zwar nicht ganz, man sah noch die Zähne schüchtern blitzen, aber seine Mine hatte sich merklich verdüstert.
„Unser Flug wurde verschoben, wegen eines starken Gewitters. Wir werden ein, zwei Stunden warten müssen.“
„Ach nein.“ , jammerte Hannah und als sie Johanns Gesicht sah, wurde ihr klar, wie sich das gerade angehört hatte. Vielleicht behandelte er sie wie ein Kind, weil sie sich wie eines benahm. Johann legte ihr sanft die Hand in den Nacken und sagte:
„Wir können doch etwas essen gehen. Ich habe dort ein nettes Restaurant entdeckt.“
Restaurant? Es gibt keine netten Restaurants in Flughäfen, nur überteuerte Kantinen mit dreckigen Stühlen, dachte Hannah. Die dreckigen Stühle waren eigentlich kein Problem, denn sie hatte ja ihren eigenen, trotzdem störte es Hannah, wenn sie an ihrem Tisch standen.
Doch sie sagte nichts und lächelte Johann zu.

Die Stühle in der Kantine waren schmutzig. Johann hatte Hannah an einem Tisch abgestellt. Oh, wie sie diesen Rollstuhl hasste.
Jetzt kam er mit einem weißen Tablett, wie es sie in Krankenhäusern gab, zurück. Auf dem Tablett standen zwei Tassen Kaffee und eine Schale Suppe. Er stellte die Tassen vor sich und die Suppe vor Hannah auf den Tisch. Johann aß nie etwas. Er sah Hannah viel lieber beim Essen zu und sie beobachtete ihn gerne dabei, wie er ihr zusah. Die Kaffeetassen hatte Johann schon nach wenigen Minuten geleert.
Hannah beäugte die Suppe. Sie sah nicht gut aus, ein bisschen wie die Stühle. Und da war es! Das Haar, der Reklamierungsgrund, den Hannah immer und überall suchte.
„Johann, ein Haar!“ klagte Hannah. Doch er nahm den Teller und trug ihn lächelnd zur Kasse. Vielleicht würde er die Kassiererin fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle oder vielleicht waren sie schon aus gewesen. Hannah dachte darüber nach. Sie verdrängte diesen Gedanken schnell, denn die Kassiererin war ihren Erachtens nach nicht sehr hübsch.
Hannah sah aus dem Fenster. Draußen regnete es in Strömen. Immer wieder zuckten Blitze durch die Dunkelheit. Sie sah wieder zu Kasse. Wo war Johann? Hatte er sie nun doch verlassen? Wegen dem Haar? Würde er sich eine neue Freundin suchen? Vielleicht die junge Angestellte vom Check-in?
Hannahs Gedankengang wurde unterbrochen, als plötzlich Johann aus der Tür, die zur Herrentoilette führte, kam.
„Tut mir leid, Liebes.“, sagte er, als er wieder bei Hannah war.
„Ich habe einen wichtigen Anruf bekommen und hier war es einfach zu laut.
Meine Mutter hat angerufen. Onkel Heinz ist heute morgen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Wieder etwas mit seinem Herzen. Wie dem auch sei, wir werden ihn besuchen, wenn wir wieder zurück sind. Jetzt müssen wir aber los.“
Johann schob Hannah Richtung Sicherheitskontrolle. Dort gaben sie ihr Handgepäck auf und Hannah begann herzlich zu lachen. Der Gedanke, dass ihre Tasche von vielen kleinen Strahlen durchleuchtet wurde, amüsierte sie.
Als sie durch den hohen Bogen fuhr, begannen viele rote Lämpchen zu blinken und ein lautes Piepsen ertönte, so wie jedes Mal. Hannah lachte immer noch.
„Kommen sie bitte.“ , sagte ein Beamter. Der Mann tastete Hannah mit einem Gerät ab, das an eine große Lupe erinnerte. Als der Mann über die gepolsterten Metallgriffe des Rollstuhls fuhr, begann das Gerät zu piepsen, so wie jedes Mal.
„Gut, vielen Dank.“ , sagte der Beamte freundlich. Johann hatte das Handgepäck geschultert und schob Hannah zum Ausgang 47, vorbei an den Toiletten und den Duty-Free-Shops. Am Gate setzte Johann sich auf einen der schwarzen Stühle, nachdem er Hannah neben sich gestellt hatte. Dieses Mal war es Hannah nicht unangenehm, denn Johann war ja bei ihr.
Obwohl viele Menschen am Abflug-Gate redeten, lachten und alles von Lautsprecherdurchsagen übertönt wurde, war es für Johann und Hannah still. Johann zeigt auf eine elektronische Anzeigetafel.
„Sieh mal, wohin wir fliegen. New York.“ Hannah lächelte.
„Ja, ich kann schon die Lichter der Stadt sehen.“ Die beiden saßen da und starrten aus dem riesigen Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es blitze noch. Die Menschen um sie herum beachteten sie nicht. Sie sahen nur einen Krankenpfleger und eine, die dessen Hilfe nötig hatte.
„Meine Nichte wird morgen heiraten. Sind wir bis dahin zurück?“ , fragte Hannah und sie umklammerte zitternd Johanns Finger.
„Lass uns noch ein wenig fliegen.“
Zusammen saßen sie noch lange da und starrten aus dem Fenster; bis nach New York.
„Johann, lass uns nächstes Jahr wieder in den Urlaub fliegen.“, sagte Hannah und sah Johann müde an.
„Ich hab' dich lieb, Hannah.“ flüsterte Johann.

 

ja also, is halt meine erste geschichte :(
wär echt nett, wenn ihr mir helfen könntet, des ding en bissle zu verbessern

affaire

 

Hallo affaire,

ich kann mich Jo_oder_so anschließen: Du hast eine gefühlvolle Geschichte geschaffen, eine kleine Momentaufnahme aus dem Leben zweier sehr unterschiedlicher Menschen, die auf eine seltsame und sehr angenehme Art und Weise miteinander verbunden sind.
Meiner Meinung nach passt die Geschichte auch gut in Romantik/Erotik hinein, wenn ich sie verschieben soll, melde Dich einfach per PN.

Ich habe mich beim Lesen gefragt, wer die beiden sind, ob verwandt oder befreundet, ob er ihr Zivi ist oder ob es tatsächlich auch eine Liebesbeziehung zwischen den beiden gibt. Gerade aber, weil Du hier nur Andeutungen machst, bekommt die Geschichte trotz ihrer Kürze eine besondere Tiefe, da der Leser die Möglichkeit zum Nach- und Weiterdenken bekommt.

Bin gespannt auf Deine nächste Geschichte!

Liebe Grüße
chaosqueen

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom