Fredi Frosch
„Ich bin nicht klein“ so oder ähnlich tönte es den ganzen lieben Tag von unserem kleine Frosch. Er war sehr stolz darauf, ein grosser Junge zu sein, jetzt wo er auch noch das letzten Anzeichen seiner Quaulquappenzeit, den Schwanz, verloren hatte.
Warum nur wollten das die anderen Frösche im Teich nicht sehen? „Ich habe Beine wie ihr, Arme wie ihr und ich kann genauso gut quacken wie ihr“, rief er ihnen immer und immer wieder zu. Natürlich, er musste noch etwas wachsen, aber das tat doch dem Umstand, dass er jetzt erwachsen war keinen Abbruch, oder?
Solche Auseinandersetzungen hatte Fredi Frosch schon lange. Er konnte doch auch nichts dafür, dass sein Vater ihn als letztes Laichkügelchen an die schöne Wasserlilie platziert hatte. Er wollte doch nur einen besonders schönen Platz für Ihn zum schlüpfen finden. Doch durch diesen kleinen Zeitverlust, hat sich die Entwicklung von Fredi verzögert. Er ist als Letzter geschlüpft, hat als letzter Beine bekommen und auch seine Arme sind erst gewachsen, als alle anderen Frösche bereits fröhlich Hochüpfwettkämpfe durchgeführt haben.
Die ganze Zeit über, dachte Fredi nur daran wie er schneller erwachsen werden könnte. Er frage die Enten, die Fische und sogar eine alte Schnecke, die auf dem Grund des Teiches ihren Lebensabend in Ruhe verbringen wollte. Alle hatten die gleiche Antwort für Fredi: Du kannst den Lauf der Natur nicht beeinflussen. Geniesse deine Jugend solange du es kannst. Das Alter und das Erwachsenwerden kommt noch früh genug.
„Was wissen die schon“ dachte Fredi beleidigt. Die haben doch keine Ahnung, wie es ist ein kleiner Frosch zu sein der immer als letzter das Ziel erreicht. So kam es, dass Fredi seine ganze Jugend damit verbrachte, zu versuchen schneller grösser zu werden und jetzt, als er endlich am Ziel seiner Wünsche, dem Erwachsen sein, angekommen war, hänselten die anderen Frösche ihn immer noch.
Für Fredi was klar, er musste auch weiterhin alle seine Energie darauf verwenden, schnell grösser zu werden. Erwachsen war er ja schon, bloss wachsen musste er noch. Tagein Tagaus machte Fredi nun seine Kraftübungen. Er hüpfte über jeden Stein den er fand, er schwamm über den ganzen Teich und er quakte länger und lauter als alle Anderen im Teich. Die anderen Frösche belächelten zu Anfang seine Bemühungen. Mit der Zeit aber langweiten sie sich über die immer gleichen Übungen von unserem kleine Frosch und vergassen ihn.
Fredi bemerkte von alledem nichts. Er war so auf sein Training und seinen Wunsch, endlich grösser als die anderen zu sein, eingenommen, dass er ganz vergass seine Jugend zu geniessen.
Eines Tages bemerkte er, dass die anderen Frösche im Teich nicht mehr da waren. Sie waren mittlerweile alle gestorben, teils aus Altersgründen, teils weil sie von Störchen gefressen wurden. An ihre Stelle waren neue, junge Frösche getreten. Fredi jubelte. Endlich war er der Grösste! Die Anderen bewunderten ihn wegen seiner Ausdauer, seinem Geschick über Steine zu hüpfen und seinem vollen, tiefen Quacken. Sie suchten seine Gesellschaft, sie verehrten ihn.
Dieses Glück hielt aber nicht lange an, denn eines Tages fragte eine kleine Froschdame, die erst vor kurzen ihren Schwanz verloren hatte, wie viele Kinder er denn hätte. „Keine, dafür hatte ich nie Zeit“, das Froschmädchen wunderte sich und fragte weiter, wie denn seine Jugendzeit ausgesehen hätte: „Ich habe trainiert, ich bin geschwommen, gehüpft und habe gequakt“. Lisa, die kleine Froschlady schaute Fredi nur traurig an. „Hast du denn gar nicht gelebt? Hast du nie mit den anderen Frösche gescherzt, gelacht, gehüpft einfach das Froschleben genossen?“. Fredi schaute sie traurig an, nein das hatte er nicht. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er mit seinem Wunsch schnell erwachsen zu werden das Wichtigste und schönste im Leben, die Kinder und Jugendzeit, verschwendet hatte. Er konnte diese Zeit nicht mehr zurückholen.
Von da an bis zu seinem Lebensende, er wurde nicht von einem Storch gefressen, er durfte friedlich auf einem Wasserlilienblatt einschlafen, versuchte Fredi seine verlorene Jugend zurück zu holen. Da Ihr alle wisst, dass man verschwendete Stunden nicht nachholen kann, ist er einsam und traurig gestorben. Er hat nie begriffen, dass man im Hier und Jetzt leben muss. Man kann ebenso wenig die Natur beschleunigen, wie man auch verlorene Zeit nicht nachholen kann.