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Gedanken

Liebe Gudrun, 22.02.2003
Heute ist es ein wenig ein anderer Brief an dich. Er ist nicht geheim. Ich werde ihn ins Internet stellen, dort können ihn alle Menschen der Welt lesen. Aber trorzdem weiß dann niemand, wer ich bin, die dies hier schreibt. Dann ist es leichter seine tiefsten Gedanken zu veröffentlichen. Und du bist tot, da ist es auch leichter. Ich denke, wenn du noch in irgendeiner Weise da bist, du verstehst mich. Und wenn mich die anderen nicht verstehen, dann ist es mir auch egal. Vielleicht werden die anderen über dies hier lachen, weil ihnen das, was für mich so unglaublich und wunderbar ist, selbstverständlich ist. Aber auch das ist mir egal. Ich will einfach hoffen, dass mir jemand sagt, wie er meine Gedanken findet.
"Ich weiß, dass ich nichts weiß." Ein schlauer Satz, finde ich. Er ist ein Widerspruch in sich. Er hebt sich selber auf. Es ist, als würde man sagen: ein schwarzer Schimmel (das Pferd, meine ich). Man weiß ja nicht einmal, ob man nichts weiß. Vielleicht ist all das, was wir lernen die Wahrheit. Es kann aber auch sein, dass es keine Wahrheit gibt. Denn das, was wir im einen Moment für richtig halten, kann im nächsten schon wieder verbessert sein. Solange also die Zeit weiterläuft, gibt es keine vollendete Wahrheit. Wenn es Unendlichkeit und Ewigkeit gibt, dann gibt es weder das Nichts, noch die Wahrheit... vielleicht. Eigentlich müsste ich bei allem, was ich denke und sage hinzufügen: vielleicht. Aber das wäre furchtbar mühsam. Deshalb mache ich es nicht.
Wissen wir alles, oder wissen wir nichts? Oder wissen wir einen Teil?
Aristoteles hat einmal gesagt: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile." Kann das stimmen? Ja, wenn Gedanken oder Gefühle keine "Teile" des Menschen sind, dann ist deren Summe nicht das Ganze, der ganze Mensch. Aber bedeutet der Satz nicht, dass es überhaupt kein Ganzes gibt? Sondern dass es die Unendlichkeit gibt?
Denken ist sehr erschöpfend. Deswegen sind viele zu bequem es zu tun. Ich kann sagen, dass ich nachdenke. Aber warum andere nicht? Oder warum machen sie zumindest nicht den Anschein nachzudenken oder ehrlich zu sein? Es ist doch so schön... aber auch oft erschreckend... vielleicht sollte man es ihnen zeigen... das macht man aber bestimmt schon... klar. Ich bin ja nicht die einzige, die so denkt. Ich könnte auch mitzeigen, aber ich traue mich nicht. Warum, das weiß ich nicht so genau. Und dazu kommt noch, dass ich mich nicht so gut ausdrücken kann... das muss ich noch üben. Nun, vielleicht bleibt das nicht der einzige öffentliche Brief an dich. Irgendwie spornt etwas mich an, das öfters zu tun und wirklich mal mein Innerstes zu formulieren.
Eins muss ich noch sagen. Du weißt es ja, glaube ich, schon. Aber es ist so..., ich muss es der Öffentlichkeit mitteilen, es gefällt mir so gut: ich bin eine Scheinriesin. Aber mehr und mehr werde ich zur Riesin... und irgendwann bin ich eine Scheinzwergin. Je näher man mir dann kommt, desto größer werde ich.

F.

 

Hallo lacrima,

Gedanken... der Titel ist hier Programm, und mehr als ziemlich wahllose Gedanken bekommen wir auch nicht. Welche konsequenzen sollen wir für unser Leben daraus ziehen, daß wir nicht alles wissen können? Warum ist es überhaupt wichtig über solche Dinge nachzudenken. Der/die Autor/in des Briefes findet es offensichtlich wichtig, aber es gibt ja auch viele Philosophen, die genau das Gegenteil empfehlen (Lao-Tzi, z.B.), oder die Unmöglichkeit die vollständige Wahrheit zu kennen gar nicht als ein Problem ansehen (Popper). Normalerweise soll man ja nicht literarische Figuren mit dem Autor gleichsetzen, aber ich wage es einfach mal zu behaupten, dass "dazu kommt noch, dass ich mich nicht so gut ausdrücken kann... das muss ich noch üben" auch für Dich als Autoren gilt. Keine Angst, das geht jedem so, der schreibt. Ein Weg wäre vielleicht, anstatt zu versuchen Deine unstrukturierten und möglicherweise wiedersprüchlichen Gedanken zu konkretisieren (solche Gedanken hat jeder), eher Dein Lebensgefühl in einer Geschichte (also mit einer echten Handlung) zum Ausdruck zu bringen. Das wäre dann auch wesentlich interessanter zu lesen.

Übrigens:

Er ist ein Widerspruch in sich. Er hebt sich selber auf. Es ist, als würde man sagen: ein schwarzer Schimmel

Ein "schwarzer Schimmel" ist kein Wiederspruch sondern eine Tautologie. In einer Tautologie wird etwas durch sich selbst definiert. Es ist ein logischer Fehlschluss, muss aber nicht unbedingt unwahr sein.

z.B.: Das ist eine Kurve, weil es kurvig ist.

Keine logische Definition, aber wahr, wenn es tatsächlich eine Kurve ist.

Wiedersprüche sind nicht möglich, da sich zwei Dinge gegenseitigt ausschließen.

z.B.: Die Kurve ist eckig.

Aristoteles hat einmal gesagt: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."

Der Satz ist bei Dir aus dem Kontext genommen, Aristoteles bezieht sich damit rein auf die Logik. Er erklärt den Fehlschluss, dass man nicht von Qualitäten der Bestandteile auf die Qualität des Ganzen schließen kann.

z.B.: Die Moleküle meines Körpers sind mit bloßem Augen nicht sichtbar.

Das heißt aber nicht, dass mein Körper mit bloßem Auge nicht sichtbar ist.

Mit metaphysik hat das nichts zu tun.

Gruss,

I3en

 

Hallo,
danke für deine Antwort.
Es ist schön, wahrgenommen zu werden. Vielleicht wollte ich nur, dass jemand das liest und kommentiert, was ich schreibe und habe deshalb eher gezwungenermaßen einen Text von mir in die Rubrik Philosophie reingesetzt, über den ich nicht allzu lange nachgedacht und herumgetüftelt habe. Ich habe schon eine Geschichte geschrieben, aber die wurde von niemandem kommentiert. Naja...man darf nicht zu große Ansprüche haben. Umso mehr habe ich mich über deine lange Antwort gefreut.
Das mit deiner Behauptung, dass sich das "dass ich noch üben muss" auch auf mich bezieht, stimmt. Eigentlich bezieht sich der ganze Text auf mich.
Ich sehe es auch als kein Problem, dass wir nicht wissen, ob wir die Wahrheit kennen können. Es ist kein Problem, aber eine interessante Frage.
Das mit der Tautologie habe ich erst halb verstanden. Aber ich werde es noch ein paar mal durchlesen, und dann werde ich es vielleicht verstehen...ich denke mir, dass es stimmt.
Das mit Aristoteles habe ich nicht gewusst. Ich habe den Satz irgendwo einzeln gelesen und fand ihn wirklich spannend. Aber deine Erklärung ist auch gut.

Danke nochmal,
lacrima

 

Hallo lacrima,

Dein Text richtet sich zwar an eine Freundin, kommt mir aber wie ein Selbstgespräch vor. Die Protagonistin verrennt sich in ihrer eigenen Gedankenwelt. Da einige Aussagen unreflektiert sind, solltest Du als Autor einen Gegenpart einführen, um Fehlschlüsse der Protagonistin aufzuklären. Dies würde das `Gespräch´ auch interessanter machen.
Z.B. bei „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ wird gefolgert: „Aber bedeutet der Satz nicht, dass es überhaupt kein Ganzes gibt? Sondern das es die Unendlichkeit gibt?“ Aristoteles gebraucht diesen Satz in einem anderen Kontext, der Schluß Deiner Protagonistin läßt sich nicht darauf beziehen. Ein Ganzes und die Unendlichkeit schließen sich nicht aus.
Ich finde es jedenfalls gut, dass Du Dich an solch schwierige Themen wagst, also bis zum nächsten Mal,

tschüß... Woltochinon

(Habe die Antwort schon gestern geschrieben, entschuldige wenn sich etwas wiederholt).

 

Hallo Woltochinon!
Vielleicht hilft es dir, wenn ich sage, dass der Text ein Tagebucheintrag ist, aber an einen toten Menschen gerichtet. Die Protagonistin teilt der Toten ihre Gedanken mit, weil sie es blöd findet "Liebes Tagebuch" an den Anfang zu schreiben...
Ich finde es auch gut, dass ich mich an solche Themen wage. ;-)

Danke für deine Antwort,
lacrima

 

Hallo nochmal lacrima,

Gerade hab ich bemerkt, dass Schimmel ja weiße Pferde sind. Irgendwie dachte ich die wären schwarz (tja, wenn man mal länger nicht in Deutschland wohnt geht alsbald auch die Sprache flöten ;) ). Du hast natürlich völlig Recht, ein "schwarzer Schimmel" ist ein Wiederspruch. Meinen Kommentar kannst Du also vergessen. :)

Gruss,

I3en

 

Irren ist menschlich. Es ist gut, dass wir uns manchmal irren....
lacrima

 

Auch wenn ich es vielleicht gar nicht will und es keinen interessiert, schreibe ich jetzt hier mal was hin. Nur so.
Ich vergesse deinen Kommentar bestimmt nicht, 13en.
Es war der erste, der allererste, den ich überhaupt bekommen habe! :)

 

Warum erst zur Riesin und dann zur Zwergin?
Habe ich mir auch überlegt. Man könnte es so sehen, dass man mit zunehmendem Wissen immer bescheidener wird. Anfangs glaubt man sehr wissend zu sein und mit zunehmenden Wissen wird man sich immer mehr bewusst wie wenig man eigentlich weiß worauf man bescheiden wird und sein Wissen nur preis gibt, wenn man danach gefragt wird und je mehr man gefragt wird, desto mehr sagt man.
Was dann aber irgendwe heißen würde, dass sie im Moment die Riesin ist. Aber irgendwie glaube ich ist die Interpretation soweiso falsch. Wäre schon fast ein wenig prahlerisch, vorallem in Kombination mit Ich muss es der Öffentlichkeit mittteilen.

Ist zwar nur eine Beschreibung, gefällt mir aber trotzdem recht gut, weil es mir nicht so besonders schwer fällt sich darin wieder zu finden. Die Idee an sich hat mir auch recht gut gefallen.

EinMensch

 

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