Was ist neu

Hansjörgs' letzter Wille

Mitglied
Beitritt
11.12.2003
Beiträge
398
Zuletzt bearbeitet:

Hansjörgs' letzter Wille

Hansjörg und Klara

Hansjörg und Klara


Während Hansjörg sich an seinem Kopf kratzte, explodierte plötzlich alles. War dies das Ende der Welt? Nein nein, man muss natürlich etwas weiter ausholen.

Vor etwa einer Stunde war Hansjörg gerade dabei, sein Zelt zwischen den vielen anderen aufzustellen. Obwohl er ja wirklich alles über Zelte wusste, hatte er jetzt irgendwie Probleme, es aufzustellen. Sicher hatte die Nervosität auch einen Einfluss auf seine Konzentration. Trotzdem breitete er vor sich die Anleitung aus und begann, diese angestrengt zu studieren. Sogleich nahm er einige Stangen aus dem Nylonsack und versuchte, diese irgendwie ineinanderzustecken. Der Plan war dummerweise auf chinesisch, was das Ganze natürlich noch erschwerte. Doch Hansjörg blieb tapfer und kämpfte sich durch die schwarzweissen Piktogramme, die wohl ein 6jähriger entworfen hatte. Sicher der Sohn des Geschäftsführers dieser Zeltfirma.
"Wahrscheinlich wollte er auch mal mithelfen, und so hatte ihn sein Vati die Anleitung zeichnen lassen.", dachte Hansjörg wütend.
Es gab kaum genügend Platz, doch als inzwischen erfahrener Zelter war dies kein Problem für ihn. Ausserdem machte er doch alles für seine Klara. Er hatte ja noch etwas mit ihr vor... Sie sass ungeduldig im alten VW und wartete.
"Jetzt muss es schnell gehen", dachte Hansjörg. "Sie darf sich nicht langweilen, sonst klappt das nie." Klara war eine Kollegin von Hansjörg. Und er war sozusagen in sie verknallt, aber das ist eine andere Geschichte. Moment, eigentlich ist das ziemlich wichtig. Gehen wir einige Tage zurück.

Vier Tage früher befand Hansjörg sich gerade in seinem VW. Es war einer dieser roten, die man noch öfters sieht. Soviel ich weiss, wurden diese 1978 auch im Krieg als Jeeps eingesetzt. Jedenfalls brauste er also in seinem roten VW einen Hügel hinab. Er wohnte dort oben, am Hügel, in einer kleinen Wohnung. Er hatte nicht viele Freunde, aber die, die er hatte, hatten es in sich. Willi hiess einer, ein anderer Bert. Und natürlich nicht zu vergessen Klara, die einzige weibliche Freundin von Hansjörg. Er war schon lange in sie verknallt, hatte aber nie den Mut gehabt, sie einzuweihen. Bert und Willi, als die Busenfreunde von Hansjörg, wussten es natürlich. Sagt man das heute überhaupt noch, Busenfreunde? Bert hatte auch schon oft versucht, Hansjörg und Klara irgendwie zu verkuppeln.
Einmal, an einem kleinen Grillfest, hatte er mit den anderen Gästen abgemacht, dass jemand Hansjörg und Klara zu sich rief. Während die Zwei dann kurz weg waren, hauten alle ab und versteckten sich. So dass Klara und Hansjörg danach ganz alleine waren. Dadurch erhoffte sich Bert, dass die beiden einander in ein romantisches Gespräch verwickelten und Hansjörg ihr endlich seine Liebe gestehen konnte. Doch das ging leider schief. Hansjörg brach in Panik aus, da er am Abend zuvor "28 Tage später", wo auf einmal alle Menschen verschwunden waren und später als Zombies wieder auftauchten, im Kino gesehen hatte. Das ganze Fleisch verbrannte, und dann begann es auch noch zu regnen. Die Grillparty fiel ins Wasser.

Jedenfalls war Hansjörg also gerade auf dem Weg in die Stadt. Es war Mittwoch, und ein ziemlich schöner Tag. Also vom Wetter her. Aber auch ansonsten war es ein schöner Tag, denn Hansjörg wollte ein Zelt kaufen. Er hatte sich im Internet bereits bestens informiert und auch schon mehrere Zelt-Bücher gelesen sowie Videos angeschaut, um dann später auch nicht das falsche zu kaufen. Auch vom zweiwöchigen Zeltkurs und dem Zeltseminar konnte er viel über Zelte lernen. Sogar ein Zeltlager hatte er besucht, um möglichst viel Erfahrung zu sammeln. Allerdings war es ein Lager der Jugendblaskapelle, und die Zelte waren schon aufgestellt als sie ankamen. Zwei Wochen lang wurde nur geblasen und gespielt, Hansjörg war froh als sie wieder nach Hause fuhren.

Er wollte also ein gemütliches, kleines Zelt für zwei Personen. Er hatte nämlich vor, mit Klara einen kleinen Campingausflug zu machen, um ihr dann, ganz romantisch, seine Liebe zu gestehen. Das war alles, was er wollte, auch wenn er dafür sterben müsste, er wollte es ihr einfach sagen.
Hansjörg hatte im ”PM"-Magazin gelesen, dass Frauen es mögen, wenn Männer kochen können und sie auch mal kulinarisch verführen würden. Das liess er sich nicht zweimal sagen, und so wollte er natürlich noch einen kleinen Camping-Gasherd mitnehmen, um dann für Klara Spiegeleier zu machen. Er stellte sich im Auto schon vor, wie er ihr dann im Zelt mit der Gabel ganz romantisch ein Stück Ei in den Mund führte und sie dieses dann erotisch verspeiste. Anschliessend würden sie sich sicher tief in die Augen schauen und mit dem Gesicht einander immer näher kommen, bis sie schliesslich die Augen schliessen und die Lippen aneinander drücken würden...
Hansjörg erwachte aus seinem Tagtraum, als er mit voller Wucht gegen eine Parkuhr vor dem Supermarkt krachte.
"Oh, schon da!", bemerkte er. Den Motor musste er nicht mehr abstellen, da dieser beim Aufprall gleich abgestorben war. Er stieg aus und betrat das Einkaufszentrum. Drin angekommen, suchte er auch gleich die Zeltabteilung.

Zwei Stunden später war er fündig geworden. Die Zelte waren gleich beim Eingang. Er musste sie wohl vor lauter Vorfreude übersehen haben und war nun durch das ganze Einkaufszentrum geirrt. Eine ältere Dame hatte ihm dann geholfen.
Er schaute sich zuerst einige ausgestellte Modelle an, als auch gleich der Verkäufer erschien.
"Guten Tag! Ich kann Gedanken lesen!", rief dieser lachend.
"Was? Wie, Sie können dat?", fragte Hansjörg verwirrt.
"Haha, ja natürlich!", lachte der Verkäufer. "Also... Sie sehen aus wie jemand, der... hmm.. ein Zelt kaufen will!"
"Mein Gott! Und ich dachte, sie scherzen!" Hansjörg war ganz verblüfft.
"Haha, wissen Sie, das ist Voraussetzung für diesen Job!", scherzte der Verkäufer.
"So? Wow, das wusste ich gar nicht."
"Haha, Sie Witzbold!", lachte der Verkäufer. "Also, Sie wollen bestimmt ein ganz luxuriöses, grosses Zelt, so wie Sie aussehen."
"Eigentlich nur eins für zwei Personen."
"Oooh, ein Ausflug mit der Liebsten, was? Hehe..."
Hansjörg wurde ganz rot.
"Nun ja, vielleicht...", lächelte er verlegen.
"Ach was, das versteh ich doch! Also kommen Sie, da hätte ich genau das Richtige für Sie!", rief der Verkäufer, während er bereits davonlief.
Kurz darauf standen die Beiden vor einem aufgestellten Zelt.
"Das wäre dieses Baby hier!", sagte der Verkäufer stolz.
Hansjörg schaute sich das Zelt an. Zwar etwas kleiner, als er sich vorgestellt hatte, und auch farblich war es nicht ganz sein Ding. Diese altmodische Mischung aus Olivgrün und Braun gefiel ihm irgendwie nicht besonders. Er meinte sogar, auf der Unterseite einige dunkle Flecken zu erkennen.
"Meinen Sie..?"
"Natürlich! Genau das Richtige! Brandneu, auf dem neusten Stand der Technik! Haha!", lachte der Verkäufer, während er mit dem Fuss unauffällig das "Occasion"-Schildchen wegschob.
"Na gut, wenn Sie das sagen. Sie beschäftigen sich ja sicher schon länger mit Zelten als ich."
"Eigentlich war ich vorher Autohändler. Aber egal, kommen Sie mit!", rief der Verkäufer und war auch schon auf dem Weg zur Kasse.
"Macht es Ihnen was aus, gleich das aufgestellte hier zu nehmen?", fragte er. "Wissen Sie, dieses Zelt ist derart gut und beliebt, dass dieses dort das letzte Modell ist! Haha!"
"Na wenn das so ist... Natürlich. Ach ja, einen kleinen Gasherd bräuchte ich auch noch.", erwiderte Hansjörg.
"Kein Problem, das ist im Zelt inbegriffen! Haha!", lachte der Verkäufer.
"Na das nenn ich ein gutes Zelt! Super!", freute sich Hansjörg.
Wenig später hatte Hansjörg das teure Zelt bezahlt und sah nun dem Verkäufer zu, wie dieser, am Boden kniend, das Zelt auseinander schraubte und die verschiedenen Teile hektisch in einen braunen Nylonsack stopfte. Dabei blickte er immer nervös umher.
"So, hier haben Sie ihr Zelt! Der Gaskocher ist auch dabei. Viel Spass!", sagte er noch zum Abschluss und führte Hansjörg dann zum Ausgang.
"Vielen Dank!", rief Hansjörg freundlich, doch das Herablassen des Metallgitters vor dem Geschäft übertönte ihn. "Naja, bestimmt hat es der Verkäufer eilig. Ausserdem macht das Einkaufszentrum ja auch schon bald zu.", dachte er.
Jetzt hatte er also sein Zelt. Er freute sich schon riesig auf den Ausflug, und begann auch gleich wieder, sich vorzustellen, wie er Klara im Kerzenschein küsste. Bald sollte es soweit sein.


Es war bereits gegen 23 Uhr, als Hansjörg das Zelt endlich mit dem Zelt fertig wurde. Klara war inzwischen im Auto eingeschlafen, nachdem sie zum dritten Mal die "Drei Fragezeichen"-Kassette durchgehört hatte. Sie wusste von Anfang an, dass der Papagei ferngesteuert war und Fabrizio Gonzales hinter dem Ganzen steckte. Schliesslich hatte sie die Geschichte insgesamt schon zwölf Mal gehört, da Hansjörg nur einen Kassettenspieler im Auto hatte und dies seine einzige Kassette war.
Hansjörg hämmerte noch die letzte Stange in den Boden, um dann noch schnell das Seil darum zu binden. Dann stand er schnaufend auf. Inzwischen regnete es leicht, weshalb auch seine Hosen ganz voller Erde und Schlamm waren.
"Egal, auch bei Regenwetter kann es romantisch sein. Erst recht in einem Zelt, erhellt von einigen wenigen romantischen Kerzen...", dachte er. "Klara wird Augen machen. Hihi..."
Hansjörg wischte sich noch kurz das nasse Laub von den Kleidern, dann ging er zum Auto und blickte durch das Fenster. Klara hatte ihren Kopf gegen die Scheibe gelehnt. Er klopfte vorsichtig dagegen, doch Klara rührte sich nicht. Hansjörg öffnete langsam die Tür, worrauf aber Klaras ganzes Gewicht die Tür regelrecht aufdrückte. Er konnte sie nicht mehr halten, und so knallte Klara gegen den Boden.
"Aaah! Aua, was zum...", schrie sie verstört.
"Oh Gott, Klara! Es tut mir leid!", rief Hansjörg und kniete sich zu ihr nieder. "Das Zelt ist fertig!"
"Na toll, endlich. Los gehen wir rein, ich bin müde.", murmelte sie verschlafen.
"Natürlich! Komm, ich helf dir!", bot Hansjörg an, doch Klara war bereits aufgestanden und stapfte durch das nasse Gras zum Zelt. Hansjörg stürmte an ihr vorbei und öffnete sofort den Reissverschluss. Irgendwie klemmte dieser aber, so dass Hansjörg etwa eine Minute damit verbrachte, fluchend daran herum zu zerren. Mit einem lauten "Ratsch!" riss er den Verschluss schliesslich auf.
Sofort streckte er Klara die Hand entgegen, um ihr beim "Einsteigen" behilflich zu sein. Schliesslich wollte er ein Gentleman sein. Doch Klara stieg genervt über das Seil und kroch in das Zelt. Hansjörg folgte ihr, und machte den Verschluss hinter sich zu.
"Das soll ein Zelt sein? Mann ist das klein!", brummte Klara, während sie die nasse Windjacke abstreifte. Hansjörg beobachtete sie ganz verlegen dabei. "Ui, jetzt geht’s also los...", dachte er.
"Klara...", fing er schüchtern an. "Ähm, ich muss dir was sagen..."
Klara blickte ihn an, doch er starrte nur zurück. Plötzlich wurde er rot.
"Ja was denn?", fragte sie schliesslich entnervt.
"Also, ich... Du und ich, wir kennen uns ja jetzt schon wirklich lange, oder..?"
"Seit dem Kindergarten, ja. Und weiter?"
"Naja, ich... Weisst du..." Hansjörg strich sich mit der Hand verlegen über den Hinterkopf. "Also ich wollte dir nur sagen, dass ich dich wirklich sehr mag."
"Och, wie süss. Ich mag dich doch auch.", entgegnete sie lächelnd. "Komm, lass uns endlich schlafen. Ich bin hundemüde."
Hansjörg war ganz verdutzt. Hatte er irgendwas falsch gemacht? Er hatte sich Klaras Reaktion ganz anders vorgestellt. Vielleicht hatte er es zu wenig romantisch gesagt. Na klar! Wie auch, ohne die Kerzen!
"Warte, Klara. Ich hab noch was." Hansjörg bückte sich zu seinem Rucksack. Er holte zwei kleine Kerzen in Glasschalen heraus und stellte sie auf die Matte. Klara blickte ihn verwirrt an.
"Kerzen? Wie altmodisch.", sagte sie. "Taschenlampen sind doch viel praktischer. Ach was solls, ich muss nachts eh nicht aufstehen. Komm jetzt leg dich endlich hin!"
"Warte.", entgegnete Hansjörg, während er ein Feuerzeug aus dem Rucksack holte. "Ich muss dir noch mal was sagen."
"OK, aber beeile dich bitte. Ich will schlafen."
Hansjörg zündete die Kerzen an und nahm dann Klaras Hand. Sie schaute ihn nur verwundert an.
"Klara, ich..." Er wurde wieder rot. "Also, ich..."
"Ja was denn?!", schrie sie.
"Klara, ich liebe dich!", schoss es aus Hansjörg heraus. Endlich.
Klara blickte ihn mit aufgerissenen Augen und offenem Mund an.
Einige Sekunden war es still. Die Beiden sahen sich nur gegenseitig an.
Erst jetzt bemerkte Hansjörg den komischen Gasgeruch. Woher kam denn der? Da erblickte er den Gaskocher in der Ecke. Er musste ihn versehentlich aufgedreht haben. Wie konnte das sein? Hansjörg sah zu den Kerzen und kratze sich verwirrt am Kopf, während Klara ihn immer noch sprachlos anstarrte.
Dann zerriss eine gewaltige Explosion die Stille und das ganze Zelt ging in Flammen auf. Sekunden später war alles vorbei. Nur noch viel Rauch, einige schwarze Fetzen des Zeltes und ein paar Eisenstangen. Von Klara und Hansjörg war nichts mehr übrig.


Ende

 

Hallo northi,
ich finde die geschicht der hammer schlechthin. Aber am ende hätte ich geschrieben, dass Hansjörg und Klara zusammen sind, und kurz vor ihrem ersten kuss explodiert alles und der ganze zeltplatz würde abbrennen , die stadt fängt auch noch flammen, man denkt es sei ein anschlag und die ganze menscheit wäre am schluss ausgerottet gewesen... Aber ich kann ja meine eigenen geschichten schreiben. Ein klares: Ausgezeichnet erhälst du von mir...
Gruss
Jack Slater

 

Moin Norther,

Ja, die war nicht schlecht. Der Anfang hat mir sehr gut gefallen (besonders der erste Satz). Danach flachte es zwar etwas ab, aber die romantische Szene fand ich dann wieder ziemlich gut.
Nicht gefallen hat mir die Szene mit dem Zeltverkäufer (zu lang, zu träge) und die Stelle mit der Verkupplung auf der Grillparty (für meinen Geschmack einfach zu albern).

Da erblickte er den Gaskocher in der Ecke. Er musste ihn versehentlich aufgedreht haben. Wie konnte das sein?
Gar nicht...
Ich würde vielleicht schreiben, daß das Ding ein Leck hat oder so

Insgesamt eine ganz gute Geschichte - bislang deine beste meiner Meinung nach.

 

Danke Jack Slater, danke gnoebel!
Freut mich sehr dass sie euch (mehr oder weniger) gefallen hat!
Ja beim Gaskocher war ich selbst nicht ganz sicher. Ich hatte die Idee mit dem Gas von Anfang an im Kopf, wusste dann aber schlussendlich nicht wie es ausströmen sollte.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom