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Hunger

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06.02.2003
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Hunger

Sie schreitet durch die zähe Membran der Finsternis. Alle 18 Schritte die sie tut, durchschreitet sie eine Laterne; oh wie sie duftet. Dunkle Strümpfe überziehen ihre langen Beine, die Schuhe klackern bei jedem ihrer Schritte auf den Steinen. Der Wind kommt mir entgegen, er bauscht ihr Haar auf und ich kann ihren nackten Hals sehen. Das Blut pulsiert in regelmäßigen Abständen durch ihre Adern. Sie riecht nach Schweiß, Parfum und Blut, es kommt direkt aus ihrem Innern. Mein Speichel tropft auf das Pflaster, ein Stöhnen entrinnt meiner Kehle; sie dreht sich um.
Ich stehe im Schatten eines großen Baumes, ich rieche ihre Angst, sie dringt ihr aus den Poren. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Spüre ihren Duft ganz tief in meinen Nüstern. Eine Gänsehaut macht sich auf meinem Rücken breit und befällt danach meine Arme, meine Beine, meinen Hoden. Sie schaut in meine Richtung, doch sie sieht mich nicht, aber sie spürt mich, mein Herz schlägt wild in meiner Brust.
Nun geht sie weiter und ich bin gezwungen, für einige Meter aus dem Schatten zu treten. Meine Tatzen bewegen sich lautlos über den Asphalt. Mein Atem geht flach. Der provisorische Sicherheitsblick von Menschen, grundsätzlich viel zu spät, längst wieder bewege ich mich im Reich der Schatten. Der Abstand zwischen mir und ihr verringert sich.
Drei Schritte trennen mich noch von ihr, stark dringt der Geruch ihres Ausflusses durch meine Nüstern.
Kleine aber schnelle Schritte bringen mich nah an sie heran; meine Hinterläufe krümmen sich und strecken sich mit großer Geschwindigkeit, ich springe ihr in den Nacken, meine Lefzen dringen in ihr Fleisch ein, das Blut fließt ihren Hals hinunter und färbt die Bluse rot. Ein kurzer Schrei dringt aus ihrer Kehle, keine Sekunde, jetzt geht er in ein gurgelndes Blubbern über. Ihre Augen flimmern, die Wimpern zucken und die Augäpfel drehen sich nach hinten.
Ich spüre wie ihr Körper zwischen meinem Kiefer schlaff wird, ein letztes Muskelzucken, nun ist ihr Körper schwer, er hängt tot gut 50cm über dem Boden. Ich lege mir den toten Körper über die Schulter und bin darauf bedacht, dass mich niemand entdeckt.
Ich stecke meinen Schlüssel in das Schloss und öffne die Tür. Meine Frau empfängt mich an der Tür, sie gibt mir einen Kuss auf die blutigen Lippen. „Schön, dass du etwas zu essen mitbringst, die Kinder haben Hunger.“ „Darf ich mir ein Stück aussuchen, es roch so gut?“ „Aber sicher Schatz, nimm dir was du willst.“ „Ich liebe dich mein Schatz, du bist das beste was mir passieren konnte.“

 

Hi Loyd Murphy,
Deine Geschichte hat einen sehr guten Anfang. Aus meiner Sicht verrennt sich aber der Schluß, alles geht viel zu schnell. So richtig gruselig könnte sie nach ein paar "Ausbauten" werden. Der Grundstock ist sicher da. Die Idee ist auch sehr gut. Nur eben zu kurz, um wirklich spannend zu sein.
Liebe Grüß, die Kürbiselfe Susie :)

 

Hallo!
Ja, ich mag kurze, intuitive Geschichten.
Hier jedoch sind mir einige Dinge aufgefallen.
Du schreibst aus der Sicht dieses Werwolfs (wie ich nun mal annehme, Tatzen und Haustüre) und dennoch ist die Geschichte nicht auf primäre Eindrücke reduziert. Es hört sich etwas wie eine Dokumentation an, ("bin gezwungen", "50cm über dem Boden", "alle 18 Schritte", etc..) es hört sich nach exakter Beschreibung an, was ja grundsätzlich nicht verwerflich ist, doch hier sollte der Erzählstil etwas angepasst sein denke ich. Der Wolf denkt sich doch weniger als hier steht. Er riecht, er schmeckt, er geifert, sieht wie ein Wolf und setzt dann zum Sprung an. Das hast du auch teilweise mit aufgenommen, aber es vermischt sich zu einem heterogenen Gemisch, elches ich auch akzeptieren würde, wenn dies die Dualität Mensch - Wolf darstellen soll. Das tut sie aber nicht, leider. Ich denke deshalb ist die Geschichte überarbeitungsfähig.

 

Hallo Loyd Murphy,

so ist das also, wenn Herr Werwolf von der Arbeit nach Hause kommt. :)
Die Idee gefällt mir ausgesprochen gut, weil sie von dem krassen Gegensatz zwischen der Brutalität der Jagd und der "Banalität" des Feierabends lebt.
Evtl. könnte man diesen Gegensatz noch stärker herausarbeiten, z.B. indem du die Jagdszene noch ein bisschen länger (und blutiger?) schilderst und auch die Heimkehr noch banaler machst. Ich sehe vor meinem geistigen Auge Frau Werwolf mit Lockenwicklern in den Haaren ihren Mann empfangen, die Werwolf-Kiddies springen ihrem Vater an den Beinen hoch und rufen "Papa, Papa!". So in dieser Art.

Also, was die Idee angeht, kann ich nur sagen: :thumbsup:

Was mir nicht so gefällt, ist aber leider der Stil. Meines Erachtens verschenkst du einiges an Möglichkeiten, indem du zu schwache Verben benutzt und auf die eine oder andere Weise immer mal die Stimmung der nächtlichen Jagdszene mit unglücklicher Wortwahl oder Beschreibung störst.


Loyd Murphy schrieb:
Sie schreitet durch die zähe Membran der Finsternis.
Dieses Bild begreife ich nicht. Nach meinem Empfinden ist eine Membran ein dünnes, gespanntes Häutchen. Das passt nicht recht zu meiner Vorstellung von Finsternis. Außerdem: Warum Finsternis? Im nächsten Satz berichtest du von den Straßenlaternen. Also kann es so finster nicht sein.

Loyd Murphy schrieb:
Alle 18 Schritte die sie tut, durchschreitet sie eine Laterne; oh wie sie duftet.
Weiter oben wurde die Beobachtung der 18 Schritte bemängelt. Die halte ich doch für glaubwürdig, schließlich ist der Ich-Erzähler ein Jäger, der sein Opfer vorher genau beobachtet, der darauf wartet, endlich zuschlagen zu können.
Was mir aber nicht gefällt: "die sie tut" - eines dieser schwachen Verben, das hier sogar überflüssig ist. Was soll sie denn sonst mit Schritten machen als "sie tun"? Also: "Alle achtzehn Schritte durchschreitet sie ..." würde ausreichen, wären da nicht noch die nächsten beiden Punkte.
Mit "durchschreitet" wiederholst du das Verb aus dem ersten Satz. Würde ich nicht machen. Zumal mit "Schritte" noch einmal eine Quasi-Wiederholung vorkommt.
Und außerdem durchschreitet sie natürlich nicht die Laterne! Alleine der Versuch würde vermutlich schmerzhafte Beulen nach sich ziehen. :schiel:

Loyd Murphy schrieb:
Dunkle Strümpfe überziehen ihre langen Beine, die Schuhe klackern bei jedem ihrer Schritte auf den Steinen.
"überziehen" ist nicht so dolle. Wie wäre es mit "umhüllen"? Außerdem finde ich, dass das Wort "klackern" nach der bisherigen Wortwahl (schreiten, Membran, zäh, duften etc.) einen ziemlichen Bruch in der Stimmung verursacht. Vielleicht kommt es mir aber auch nur so vor.

Loyd Murphy schrieb:
Der Wind kommt mir entgegen, er bauscht ihr Haar auf und ich kann ihren nackten Hals sehen.
"kommt mir entgegen": Wieder sehr kraftlos. "Der Wind weht mir entgegen", "der Wind haucht mir entgegen", "der Wind flüstert mir entgegen" - je nach Windstärke.

Loyd Murhpy schrieb:
Das Blut pulsiert in regelmäßigen Abständen durch ihre Adern.
Das Wort "pulsieren" enthält meines Erachtens die Regelmäßigkeit schon. Ich denke, hier würde "Das Blut pulsiert in ihren Adern" völlig ausreichen.

Loyd Murphy schrieb:
Ich stehe im Schatten eines großen Baumes, ich rieche ihre Angst, sie dringt ihr aus den Poren.
Es ist für die Geschichte zwar völlig wurscht, was für ein Baum das ist, aber ich als Leser würde mir hier mehr wünschen als nur "Baum". Auch "groß" halte ich für kraftlos. Wie groß denn? Entweder würde ich "groß" weglassen oder genauer beschreiben.

Loyd Murphy schrieb:
Eine Gänsehaut macht sich auf meinem Rücken breit und befällt danach meine Arme, meine Beine, meinen Hoden.
"Macht sich breit" ist auch kraftlos. Wie wäre es mit "Eine Gänsehaut kriecht über meinen Rücken"?

Loyd Murphy schrieb:
Der provisorische Sicherheitsblick von Menschen, grundsätzlich viel zu spät, längst wieder bewege ich mich im Reich der Schatten.
Provisorisch? Ist das wirklich das, was du sagen willst? Vorläufig? Behelfsmäßig? "Der vorläufige Sicherheitsblick von Menschen"? Macht das Sinn? Außerdem passt so ein unschönes Fremdwort IMO nicht in die Stimmung der Geschichte.

Loyd Murphy schrieb:
Der Abstand zwischen mir und ihr verringert sich.
"Zwischen mir und ihr" heißt so viel wie "zwischen uns". Und "verringern" ist wieder sehr matt. "Der Abstand zwischen uns schmilzt dahin." oder so wäre besser.

So, jetzt muss ich leider Schluss machen. Meine Mädels stehen mit Schwimmreifen unter dem Arm im Arbeitszimmer und wollen endlich ins Freibad. Da muss ich mich natürlich beugen. :dozey:

Ich hoffe, du konntest mit meinen Anmerkungen was anfangen.

Viele Grüße

Oli

 

Hallo Murphy,

erstmal ein Lob für folgenden Satz:


Sie schreitet durch die zähe Membran der Finsternis.

Das war ein schöner, metaphorischer Beginn für Deine Geschichte. Hat mir gefallen.

Leider war dass aber auch schon alles. Die Geschichte ist schlichtweg zu kurz, als dass sie in mir Spannung oder gar den Anflug von Horror oder Grusel erzeugen hätte können. Kurz gesagt: Ich fand die Geschichte eher mäßig.

Die Wendung am Ende (sprich: der nachhausekommende Werwolf, der von seiner Frau begrüßt wird) ist ja ganz lustig und hat mich überrascht, aber die dieser Wendung vorausgehende schon tausendfach geschilderte Jagdszene, ist einfach zu klischeebeladen und wenig kreativ umgesetzt. Aus der Sicht des Werwolfes zu Schreiben, ist halt auch nicht gerade neu.

Ausserdem hat Olsen recht. Deine Sprache ist nicht schlecht, du nutzt nur leider etwas schwache Verben. Versuch stärkere Verben zu verwenden und der Text wird vom stilistischen her besser. Wobei mir Dein Stil eigentlich ganz gut gefallen hat (mal von den schwachen Verben abgesehen). So … dass wars von mir.

Schreib mal was längeres und schmück es mit Handlung aus. Erst dann kann man wirklich verlässlich einen Kommentar abgeben. Bei einer kurzen Geschichte wie dieser, die noch dazu eine im Horrorgenre ziemlich übliche Szene beschreibt, hätte selbst ein Stephen King oder Clive Barker nur verlieren können.

Gruß

 

Hallo,

Die Schlußpointe ist gelungen. Allerdings habe ich am Rest dafür um so mehr auszusetzen:

zähe Membran der Finsternis

Darunter kann ich mir nichts vorstellen, jedenfalls nichts, was dem Bild entspricht, das Du hier wohl vermitteln wolltest. (Eine Membran spannt sich und macht das Vorwärtsgehen immer schwerer, usw.)

Weiterhin solltest Du wirklich auf zu "mathematische" Beschreibungen verzichten. Niemanden interessiert es, dass der Körper 50 cm über dem Boden hängt oder alle 18 Schritte eine Laterne steht.

Last but not least ist die Geschichte natürlich viel zu kurz. Nicht weil sie zu wenige Buchstaben hat, sondern weil sie so nicht viel erzählt, außer "Werwolf schlägt Mädchen und frißt es mit seiner Familie".
Dafür wiederholen sich manchmal die Aussagen , z.B. dass der Werwolf die "Ausflüsse" des Mädchens riecht.

Pack doch noch ein bisschen mehr Inhalt rein, die Sprache ist ja schon ganz gut.

Gruß

MisterSeaman

 

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