Was ist neu

Iwi

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06.11.2004
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Iwi

Genauso gut hätte es gestern sein können.
Oder voriges Jahr. Oder nächstes Jahr.
Nichts deutete darauf hin, dass Zeit vergangen wäre.
Stumm blickte er ihr in die Augen. Sah diesen winzigen weißen Fleck. Kaum wahrnehmbar war dieser weiße Fleck in der Iris.
Die letzten Tage hatte er nicht mehr anders können, als allen Menschen in die Augen zu schauen. Meist sahen sie sofort weg, senkten den Blick, drehten sich um. Manche schlossen sogar die Augen. Nie zuvor war ihm das aufgefallen.
Ja, niemand hielt seinem Blick stand, niemand außer Leona. Leona erwiderte seinen Blick, krallte sich praktisch fest, wich keinen Millimeter. Nicht einmal ein kurzer Wimpernschlag war zu sehen. Markus beobachtete, wie Leonas Pupillen wuchsen, Besitz ergriffen von der Iris, wie dieser stahlblaue Ring immer schmäler wurde.
Er wusste nicht, wie lange sie einander schon in die Augen starrten. War überhaupt Zeit vergangen?
Markus spürte, wie langsam Wärme in seinen Körper strömte. Ganz zarte Vibrationen. Der kleine weiße Fleck, der anfangs matt erschienen war, hatte zu glänzen begonnen, leuchtete nun, und Markus spürte, wie die Strahlen immer kräftiger in seinen Körper eindrangen.
„Ich hab’s geschafft“, murmelte Leona, „ich sehe den Fleck. Endlich, auch du hast jetzt einen“.
Markus spürte ein Fieberwallen, ein Zittern ging durch seinen Körper. Nun gehörte auch er zu den Erleuchteten. Noch war der Iwi winzig klein. Aber er wusste, er hatte nun einen. Auch er würde in Zukunft den Blick senken müssen. Abwenden. Oder die Augen schließen.
Leonas Stimme bebte. „Fühlst du es? Spürst du, wie es wächst, wie es Besitz ergreift von dir?“
Markus schloss seine Augen. Auch er. Ja, er schloss seine Augen, konnte plötzlich Leonas Blick nicht mehr standhalten. Er sah den weißen Schimmer durch seine geschlossenen Augenlider. Spürte die Wärme in seinem Körper, erinnerte sich an den langen Sandstrand, an dem er letzten Sommer gelegen war. Genauso fühlte er nun das Strahlen auf seiner Haut, die Energie, die auf ihn übertragen wurde.
„Wie viele?“ fragte er.
„Sieh dich um, du wirst sie erkennen!“ antwortete Leona. „Wir haben von euch Besitz ergriffen. Fast alle gehören schon uns. Seit Jahrtausenden. Bald haben wir es geschafft, dass wir alle vermenschlicht sind, euren Körper tragen. Nur wenige weigern sich noch, können unseren Spielen nichts abgewinnen, bewohnen Tiere oder gar niedrige Organismen. Endlich ist die menschliche Population groß genug, um alle beherbergen zu können.“
„Und bisher?“
„Fast alle haben sich entschlossen, Organismen zu benützen. Witzbolde benutzten Bakterien und Viren. Oder begnügten sich mit einzelnen Zellen. Mittlerweile steuern wir beinahe alle eure Gehirne. Hin und wieder befinden sich zwei von uns in euren Körpern, die sich bekriegen. Oder versuchen, zusätzlich Zellen auf ihre Seite zu bringen, was nicht immer angenehm ist für euch.“
„Was meinst du mit nicht immer angenehm?“
„Krebs. Oder sie überfallen einander mit Viren.“
„Kann mir das auch passieren?“
„Natürlich, manchmal verlieren wir dadurch unsere Materialisierungen und müssen wieder neu auf die Suche gehen.“
„Worin liegt dann darin der Vorteil? Dann braucht es doch länger, bis sich alle materialisieren können.“
„Materialisieren können sich alle, die es wollen, doch erstrebenswert ist für uns nur die menschliche Hülle.“
„Warum bekriegen wir einander dann?
„Man merkt, deine Materialisierung ist noch nicht vollständig abgeschlossen“ kicherte Leona. „Ist doch klar wie das All. Es ist diese Unruhe, diese Langeweile, genau das, was uns hierher getrieben hat. Als wir uns einig waren, uns hier auf der Erde zu materialisieren, wussten die meisten noch nicht, dass dies furchtbare Langeweile bedeuten würde. Hier vergeht für uns keine Zeit. Das was uns erstrebenswert erschienen war, entwickelte sich bald in immer größeres Chaos. Kein Iwi hört mehr auf den anderen. In den letzten Jahrtausenden nach Menschrechnung wurden immer mehr menschliche Hüllen in den gegenseitigen Kampf getrieben.“
„Aber damit schadet ihr euch doch als Gesamtes!“
Leona schüttelte den Kopf. „Es ändert sich doch nichts. Wechseln wir eben in andere Zustände, verlassen die verbrauchten Körper, um uns wo anders wieder zu materialisieren.“
„Die Seele?“
„Das ist auch eines dieser lustigen Spielchen. Seele, ja. Das ist unser unmaterialisierter Zustand. Reine Energie. Aber es macht doch riesigen Spaß, Nicherleuchtete zu necken.“
Markus zuckte mit den Schultern.


© NoWall 07.11.2004

 

Ich finde, diese Story ist nur ein Ansatz, ein Anfang, eine Idee. Zum Teil (gegen Ende) ist sie neu, aber zu 90% alt: Menschen werden von irgendwas "übernommen", und man sieht es in den Augen. Immer in den Augen! Wieso eigentlich? Wieso nicht als blaues Blinklicht auf der Nase?
Aber ich will nicht lästern. Du schreibst recht flott, obwohl der Dialog pointierter sein könnte. Insgesamt geschieht aber einfach zu wenig. Am Ende kommt mit der Seele der interessante Gedanke, aber bevor er sich auch nur annähernd entfaltet, ist Schluss. Offenes Ende gut und schön, aber das ist gar keins. Nur ein Schlaglicht, nicht rund.

 

Der 1. Ansatz war, warum Menschen einander nicht in die Augen schauen können. Dieser Ansatz war für mich neu. Sorry, wenn Du schon mehr gelesen hast ;-)
Der 2. Ansatz war, wie Liebe als Energie überspringt. Zugegeben, nicht sehr neu *ggg*
Der 3. Ansatz, den Du als neu anerkannt hast, ist die Seele als Außerirdischer.
Das Ganze entspringt einem Gedankengebäude, aus dem noch einige Episoden entspringen werden. Wollte es ursprünglich in eine Handlung einbetten, die ich gerade im Kopf hatte. Da hätte ich einen zu langen Erklärungsdialog gebraucht, deshalb habe ich auf die vorliegende Short Story reduziert. Ich habe mit Absicht weitere Interpretationen möglich gelassen. Für Eure Fantasie, aber auch für meine ;-)

 

Uwe Post schrieb:
Menschen werden von irgendwas "übernommen", und man sieht es in den Augen. Immer in den Augen! Wieso eigentlich? Wieso nicht als blaues Blinklicht auf der Nase?

Ja selbstverständlich. NLP ist z.B. auch eine Iwi-Technik. Wenn Du noch auf keinem NLP-Seminar warst, empfehle ich Dir, einmal eines zu besuchen ;-)

An den Augen kann man die Reaktion eines Menschen ablesen, analysieren. Hiermit ist jemand beeinflussbar, wenn man ihn fixiert. Deshalb auch der instinktive Reflex, den Blick abzuwenden. Versuch einmal, einer Katze in die Augen zu starren, Du wirst überrascht sein.

In dieser Geschichte wird Energie mental übertragen.
"Genauso fühlte er nun das Strahlen auf seiner Haut, die Energie, die auf ihn übertragen wurde."
...Die Energie wird also über die Haut aufgenommen.

Diese Geschichte arbeitet nicht mit blaublinkenden Robotern, sondern die Idee ist der Geist, die Seele als intelligente Energie, die auf alle Organismen übertragbar ist (diese Idee ist auch nicht nicht neu, ich weiß schon, ist Jahrtausende alt und Basis für diverse Religionen). Eine blaublinkende Nase wäre also völlig absurd. Ich verstehe SF nicht ausschließlich als Absurditätensammlung, sondern als Genre des vielleicht Möglichen ;-)

Die Geschichte sollte auch nur mal ein Spot sein, ein Anreißer, Impuls...
Jetzt kann ich natürlich selbstkritisch anmerken, eine Geschichte, die nicht zum Weiterfantasieren anregt sondern nach einem Ende verlangt, ist schlecht geschrieben...

*ggg*

LG,
Norbert

 

Ist mir klar, was man alles an den Augen ablesen kann (habe Starren gegen Katzen durchaus schonmal gewonnen, aber das ist kein Vergleich, da Katzen keine Menschen sind). Aber ist das auch den Aliens klar, die bei Star Trek die Augen rot leuchten lassen? Dem Spice auf dem Wüstenplaneten, das sie blau werden lässt?
Wie auch immer.
Dein obiges Posting enthält mehr interessantes Philosophieren über die Seele als Deine Geschichte. Das war mein Hauptkritikpunkt. Wo es interessant wird, ist Schluss, und der Rest davor macht keinen Spaß.
Natürlich ist SF das Genre des vielleicht Möglichen. Da sind wir auf der gleichen Linie. Aber genau dabei, nämlich beim Ausloten dieses Möglichen, gehst Du nicht weit genug, sondern bleibst im Ansatz stecken. Mal sehen, was die anderen meinen.

 

Hallo Nowall

Also die anderen, oder zumindest ich, meinen... taj was meine ich denn?
Hmm :hmm:

Generell fällt es mir immer recht schwer einen Zugang zu Geschichten der etwas abgehoberen Art (Text mit deutlich stärkerer Phillosophiekomponente im Inhalt) zu finden. Oft sind mir deren Ausagen zu schwammig und ungenügend konkret.

Das hält sich hier bei dir erfreulicherweise im Rahmen, aber so ganz warm, wie man so schön sagt, werde ich mit deinem Text auch nicht.

Das mag daran liegen, das Uwe recht hat, und ich nur ein Fragment, einen kleinen Teil einer größeren GEschichte vor mir sehe.
Zum anderen liegt es auch daran, dass mir nicht ganz die Art der Beziehung zwischen deinen Prots klar wird. Im Kommentar danach, sprichst du plötzlich von Liebe, die ich aber nicht aus dem Text rauslesen konnte.

Außerdem wird mir nicht ganz klar was diese In-die-Augen-guck-Spiel am Anfang für eine Bedeutung hat. Wenn alle "Infizierten" immer weggucken müssen, warum hält dann Leona dem Blick stand? Und sie ist es doch, die dann den anderen Prot infiziert, oder?

Leider muss ich Uwe in dem Punkt zustimmen, wo er meint, dass du an der interessantesten Stelle abbrichst. Auch ich hätte gern mehr über das Seelen.Rätsel erfahren.

So hinterlässt mich dein Text recht zwiegespalten, und das kann (m)einer (persönlichen) Beurteilung nie zuträglich sein ;)


lg
Hagen

 

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