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Köpfe werden rollen
Da rollt der Kopf: Hopp, hopp, die Treppe hinunter, springt bei jeder Stufe leicht in die Höhe, hopp, beschreibt eine leichte Kurve auf den Treppenabsatz, hüpft eine weitere Etage hinab. Dritter Stock. Hopp, zweiter Stock. Die alte Witwe Rampalla macht vor Schreck einen Satz nach links und verliert ihre Einkaufstasche, als der Kopf überraschend an ihr vorbeirauscht. Hopp, hopp, erster Stock, beinahe in eine geöffnete Wohnungstür hinein, doch statt dessen an der Wand abgeprallt, Erdgeschoss. Raus aus der Eingangstür, nach vierzehn Stockwerken bemerkenswert unbeschädigt. Zwischen den parkenden Autos hindurch auf die Fahrbahn. Die Wagen müssen scharf bremsen, als der Kopf zwanzig Meter vom nächsten Zebrastreifen entfernt über die Straße kullert. Danach geradewegs in den verkehrsberuhigten Bereich, jedes Tempolimit missachtend, Passanten starren ungläubig oder springen entsetzt zur Seite, ein Kind läuft dem Kopf eine Weile nach, doch nach kurzer Zeit verliert es das Interesse. Der Kopf hat alle abgehängt. Nun durchquert er unbeirrt die Fußgängerzone, und obwohl er kein Fußgänger ist, noch nicht mal ein Kopffüßler, wird er nicht gestoppt. Für die wenigen Beine, die ihn in Fußballermanier aufhalten wollen, ist er zu schnell. Danach gerät er eine Weile lang außer Sicht, doch wenn man etwas wartet und dann ganz genau hinsieht, kann man erkennen, wie er in der Ferne in den Sonnenuntergang rollt.
Traurig schaut ihm der Zweiköpfige aus dem Fenster nach, und vier Tränen rinnen über seine Wangen, als sein dritter Kopf hinter dem Horizont verschwindet.