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Kampfhühner

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13.06.2002
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Kampfhühner

Als Paul Kurts Kneipe betrat, war der gerade dabei, einer Katze ein Marmeladenbrot auf den Rücken zu tackern.
„Ah, Paul... schön, daß du kommen konntest!“, sagte der rundliche Mann mit dem teigigen Gesicht. Würde man nicht wissen, zu welchen Grausamkeiten er fähig sein konnte, hätte man ihm jederzeit Kinder auf den Schoß gesetzt, damit die ihm erzählen können, was sie sich zu Weihnachten wünschen. Kurt war nicht nur ein begeisterter Wissenschaftler, sondern auch der Pate von Bregenbeek. Sämtliche kriminellen Geschäfte dieses Ortes lagen in seiner Hand.
„Du hast gesagt, daß du ein kleines Problem hast. Ehrensache, daß ich dir helfe.“ Seit Paul damals von Kurt in die Familie aufgenommen wurde, fühlte er sich ihm gegenüber schuldig. Ohne ihn würde er vermutlich immer noch in der Schlachterei Janssen für einen Hungerlohn Schweinehälften pökeln müssen. Statt dessen war er nun der gefürchtetste und beste Profikiller zwischen Helmstedt und Bielefeld.
„Ja, es gibt in der Tat ein kleines Problem. Warte kurz, ich will nur noch eben die letzte... so fertig.“ Mit einem Ruck befestigte er die letzte Heftklammer. „Komm mit in mein Büro.“

„Warum tackerst du ein Marmeladenbrot auf die arme Katze?“, fragte Paul, als sie alleine im Hinterzimmer waren. In diesem Raum befand sich nicht nur das größte Lager pornografischer Kartenspiele Bregenbeeks, sondern es war zugleich das Zentrum von Kurts Imperium.
„Du kennst doch sicher Murphys Law, oder? Es geht darum, daß ein Marmeladenbrot immer mit der bestrichenen Seite nach unten auf der Erde landet. Nun... Katzen landen immer mit den Pfoten nach unten. Wenn jetzt so ein Tier mit einem Brot auf dem Rücken stürzt, bekämpfen sich zwei grundlegende Axiome der Physik, wobei die Folgen nicht absehbar sind. Es könnte quasi alles passieren. Wenn ich Glück habe, explodiert das Ganze und ich kann eine Waffe daraus machen.“, sagte Kurt und pulte sich mit einem Zahnstocher ein Stück Hackfleisch aus den Zähnen. Es hatte Spaghetti Bolognese zum Mittag gegeben - das verriet zumindest der Fleck auf seinem Hemd.
„Du weißt, daß ich dich sehr schätze, Kurt, aber das finde ich sadistisch.“
„Ja, ich weiß. Das ist genau der Grund, aus dem ich meine Angelegenheiten erledige und du die deinen... Ach ja, dein Auftrag. Das Ziel ist der Wissenschaftler Helmuth Jürgens.“ Kurt überreichte seinem Schützling ein Foto. “Er hat sein Labor in Bockenem und züchtet dort eine neue Rasse von genmanipulierten Hühnern. Killerhühner um genau zu sein. Mit ihnen will er die Weltherrschaft an sich reißen.“
„Das ist Unsinn!“
„Ja, ich weiß. Wenn meine Katzenbomben erstmal fertig sind, wird die Welt sowieso mir gehören. Darum sollst du ihn auch umbri... ich meine... in den Ruhestand versetzen. Jetzt mach dich auf den Weg - dein Honorar bekommst du wie immer, wenn du mir beweist, daß er tot ist... Ach ja, wenn du auf die Kampfhühner triffst, lach sie einfach aus. Damit rechnen die Viecher bestimmt nicht.“
Paul prägte sich das Gesicht seines Zielobjektes auf dem Foto ein und warf es dann in den Papierkorb, woraufhin ein giftiges Zischen erklang. Da Kurt ständig befürchten mußte, daß die Polizei vielleicht doch mal vergessen könnte, daß er jedes Jahr beträchtliche Summen in den Rentenfond spendete und eine Razzia in seinen Räumen durchführen könnte, war der Mülleimer ständig mit Säure gefüllt. Somit fungierte er gleichzeitig als Aktenvernichter und stilvoller Lavalampenersatz.
Als Paul die Kneipe verließ, hörte er noch ein „Los, Muschi, spring!“, aber er drehte sich nicht um, um zu sehen, wie das Experiment enden würde.

...

Paul hatte schon als Kind immer davon geträumt, einmal wie Knight Rider in seinem schwarzen Camaro stundenlang die endlosen Wüstenhighways der USA zu befahren. Er würde ein nettes Gespräch mit seinem Wagen über die neusten Trends bei Frauenunterwäsche führen, während aus den Boxen LaGrange von ZZ Top schallt. Und so waren es diese Fahrten über die Landstraße zu seinen Aufträgen, die Paul am meisten an seinem Job liebte. Zwar hatte er keinen Camaro, sondern nur einen verbeulten Ford Taunus, aber dessen kaputter Auspuff erweckte zumindest manchmal den Anschein, mit ihm reden zu wollen.
Die Musik dröhnte in diesem Moment stilecht und brachte die Karosserie zum Beben. Es war leider nicht ganz ZZ Top, denn die hiesigen Radiosender hielten nicht viel von echter Romantik und spielten lieber Phil Collins. Paul war das aber egal - er trommelte den Rhythmus von In the Air tonight enthusiastisch auf dem Lenkrad mit und beobachtete gut gelaunt die Landschaft, die sein Autofenster passierte. Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade abwechslungsreich und so gab es auch zwischen Bregenbeek und Bockenem nur endlose Wiesen, einige vereinzelte Bauernhöfe mit grasenden Kühen und Schafen und die beiden Typen, die einen Teppich in einen wenige Meter von der Straße entfernten See werfen wollten.
Letzteres war ziemlich ungewöhnlich, zumal sich in diesem Moment noch ein Hippie den beiden näherte. Seinem Instinkt folgend fuhr Paul an den Straßenrand, ließ den Motor laufen und holte seine Pistole aus dem Handschuhfach.

...

„Du Idiot! Ich hatte dir gesagt, du sollst den Kopf in ne Plastiktüte einwickeln, bevor du die Alte in den Teppich rollst.“
„Woher sollte ich denn bitte eine Tüte nehmen? Kannst du mir das mal sagen? Außerdem stört das doch gar nicht wirklich.“
„Bist du irre? Das hat die ganze Zeit in meinen Kofferraum getropft. Mann, das krieg ich nie wieder sauber!“
„Warum hast du sie eigentlich gleich erschossen? Wir hatten die Kohle doch schon.“
„Mann, wie oft soll ich dir das noch sagen? Das war ein Unfall! Der Schuß hat sich plötzlich von alleine gelöst, ehrlich... Und jetzt hilf mir endlich tragen.“
Die beiden Männer wuchteten den unförmigen Teppich aus dem Kofferraum und trugen ihn ächzend zu dem wenige Meter entfernten Teich. Günther wollte unbedingt noch eine kurze Grabrede halten, aber Manfred konnte sich dafür nicht sonderlich begeistern. Er hatte schlechte Laune wegen seinem Kofferraum, immerhin hatte er erst vor zwei Wochen nach mühsamen Waschens den Gestank wieder rausbekommen, nachdem sie darin die gepökelten Schweinehälften von der Schlachterei Jannsen über die dänische Grenze hatten schmuggeln wollen. Er war von Anfang an dagegen gewesen, Fleisch anstelle von Drogen oder Waffen zu schmuggeln, aber Günther hatte sich damals im Stein-Schere-Papier nach drei heftig umkämpften Gewinnsätzen durchsetzen können.
Während Manfred sich in diesem Moment mit Grausen daran erinnerte, wie er seiner Uschi damals das mit dem vergessenen Schnitzel im Handschuhfach erklärt hatte und dabei Günthers unbeholfener Grabrede lauschte, wurden die beiden Männer entdeckt.
„Ey, voll krass, ne... was macht ihr denn da?“, sagte eine Stimme hinter ihnen.

...

Olaf war total entspannt. Das war an sich nichts besonderes, denn Olaf war immer total entspannt. Es sei denn, jemand sprach ihn auf seinen Kampf gegen das Establishment an – in dieser Beziehung verstand Olaf nämlich keinen Spaß und da konnte er auch schnell ausfallend werden.
Seit zwölf Semestern studierte er nun schon demonstrativ selbsterfahrene Mediendidaktik mit Nebenfach angedachte Philosophie an der Uni Göttingen. Nachdem er die letzten Monate damit verbracht hatte, den Vorlesungen aus Protest gegen den unökologischen Speiseplan der Mensa fernzubleiben, hatte er sich die Semesterferien nun redlich verdient. Und so marschierte er nun - beladen mit einem Rucksack voller fettarmer Butterkekse und Seltersflaschen mit Sportverschluß – querfeldein durch die norddeutsche Tiefebene und pfiff dabei ironische Protestlieder gegen Atomstrom von Reinhard Mey.
Als er die beiden Männer sah, die gerade dabei waren, einen Teppich in den See zu werfen, sah er darin einen schlimmen Frevel gegen die Natur und verspürte es als seine von Gott gegebene Pflicht, die Ökologie dieses Naturschutzgebietes zu schützen. Irgendjemand müßte hier eingreifen und die beiden daran hindern, ihren Müll einfach so abzuladen, dache Olaf. Und da er der einzige Mensch weit und breit war - abgesehen von einem knutschenden Pärchen im nahegelegenen Wald, von dem aber keine Hilfe zu erwarten war - mußte er wohl dieser Jemand sein.
„Ey, voll krass, ne... was macht ihr denn da?“, sagte er. „Das ist ein Naturschutzgebiet, ne. Ich find das irgendwie jetzt voll nicht gut, daß ihr hier euren Müll einfach so dahinschmei...“

Manfred hatte sich refelexartig umgedreht und richtete nun den Lauf seiner Waffe auf die Stirn des Studenten.
„Hör zu, Kleiner.“, begann er „Wenn du hier Stunk machen willst, dann haben wir gleich zwei Leichen im Teich.“
„Leichen? Ey, ihr seid ja noch krasser, als ich dachte.“
„Ja toll gemacht, Manfred! Sag ihm doch gleich, daß wir da ne tote Frau in dem Teppich haben und die jetzt entsorgen müssen. Mann, da hast du dich aber jetzt verdammt nochmal verplappert!“ Günther fühlte innerlich ein wenig Genugtuung, daß endlich mal nicht er den Fehler gemacht hatte.
„Das spielt doch keine Rolle. Ich fürchte, wir müssen diesen Hippie hier kalt...“
„Also, jetz mal ohne Scheiß, ne... also, wenn du mich nochmal Hippie nennst, ja, dann... dann fände ich das irgendwie total ungut von dir.“
„Halt die Klappe und hör mir gut zu. Hast du schon mal im fahlen Mondlicht mit dem Teufel getanzt?“ Mit diesen Worten, die er in solchen Situationen immer zu sagen pflegte, spannte Manfred den Hahn seiner Pistole. Gut, solch eine Situation war überhaupt erst einmal eingetreten und die Folge lag nun in einem Teppich eingerollt auf der Wiese, aber Manfred fand trotzdem, daß ihn dieser Spruch unheimlich cool wirken ließ. Mit einem Grinsen spannte er die Muskeln im Zeigefinger an und...
Der Schuß hallte noch mehrere Sekunden in Olafs Ohren nach und er fand das ziemlich nervtötend. Dann aber wurde ihm bewußt, daß er, da er noch Nerven zu haben schien, noch am Leben sein mußte. Mutig öffnete er die Augen und sah Manfred, der sich in Schmerzen windend seine blutende Hand hielt und dabei laut fluchte.
„Gott liebt seine Stundenten ja doch, ne.“, grinste er.

„Nimm die Beine in die Hand und lauf!“, brüllte Paul aus der Ferne. Zuvor hatte er Manfred aus stattlicher Entfernung in die Hand geschossen, noch bevor der abdrücken konnte. Ein wenig stolz beobachtete er nun, wie Olaf sich mit staksigen Bewegungen seinem Wagen näherte. Der entwickelte dabei die gleiche Elegenaz, wie ein Huhn, das versucht zu fliegen. Der Student war für schnelle Bewegungen einfach nicht geschaffen.
„Ey, Typ, das fand ich ja mal voll korrekt von dir.“
„Halt die Klappe und steig ein!“ Als sie beide im Wagen saßen, trat Paul mit Nachdruck aufs Gespedal und begleitet von Purs Abenteuerland aus dem Radio brauste der verbeulte Ford Taunus mit ungeahnter Geschwindigkeit davon.

„Willst'n Butterkeks? Is auch fettarm.“
„Halt die Klappe, ich muß mich konzentrieren.“
„Jetzt sei doch mal nich so unentspannt. Ich bin übrigens der Olaf.“
„Ich hab doch gesagt, du sollst die Klappe...“
„Ey, ich fand das voll in Ordnung von dir, daß du mich gerettet hast, ne. Schluck Wasser?“
„Nein.“
„Na gut, mehr für mich, ne... Könnste mal den Sender wechseln?“
„Hör zu... ich hab dir das Leben gerettet, okay. Aber das war nur, weil ich verdammt nochmal der Meinung bin, daß man nicht einfach so jemanden abknallen sollte. Ich habe kein Interesse an deinem Namen, deinen verdammten Keksen oder deiner Musik! Alles, was ich will, ist rechtzeitig in Bockenem ankommen, klar?“
„Ja, Mann, schon gut. Diese Kommerzmucke geht mir aber trotzdem auf den Keks. Apropos, willste jetzt einen?“
„Gib schon her.“ Grimmig nahm Paul den Keks entgegen und knabberte schlecht gelaunt daran herum, während er seinen Wagen langsam in Richtung Bockenem lenkte.

„Weißt du zufällig, wo ich das Labor von Professor Jürgens finde?“, fragte Paul seinen Beifahrer, nachdem sie Bockenem erreicht hatten. Der wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung die Kekskrümel vom Pullover und legte die Stirn nachdenklich in Falten.
„Meinst du diesen Gentechniker?“
„Ja. Er züchtet Hühner.“
„Gegen den Kerl wollte ich mal irgendwie ne Protestbewegung starten. Aber es is halt keiner mitgekommen, ne. Versuch mal, um zehn Uhr morgens mehr als vier Studenten aufm Kampus zu finden. Dann weißte, was Einsamkeit ist... Keks?“
„Danke. Und wo ist nun das Labor?“
„Ey, woher soll ichn das wissen? Meine Demo is ja damals voll gescheitert.“
Paul stieg aus seinem Wagen aus und fragte ein paar Einheimische nach dem Weg. Dann bastelte er sich aus den Wegbeschreibungen – insgesamt vierundzwanzig mal Links, dreizehn mal Rechts, sieben mal Geradeaus und einmal Halts Maul – selbst einen ungefähren Weg durch das Dorf zusammen, fuhr diesen akribisch genau ab und kam am Ende wieder exakt am Startpunkt an.
„Wenn mir nicht gleich einer sagt, wo ich dieses bescheuerte Labor finde, knall ich ihn ab!“, brüllte er und hielt Olaf die Pistole an die Schläfe.
„Ey, Typ, entspann dich...“
„Jo, mien Jung, wadde mal...“ Durch das Geschrei war Opa Hansen aufgewacht. Er war nicht nur der Dorfälteste und Vorsitzende des Arbeitskreises Geschichte mal in Echt erleben, sondern auch ehrenamtlicher Fremdenführer. „Dat olligen Labor... dat war... war... wadde, gleich häb ick dat... ach ja, da hinten, mußt du die Straße runner, dann um die Ecke bei Bäcker Klöden rum, und zum Schluß noch anne Sparkasse vorbei durch die Hölteralle. Aber paß auf, daß du da nix kaputtmachen tust.“
„Danke. Steig ein, Hippie!“
„Also, ey... daß fand ich jetz aber total nicht gut von dir, ne... mich hier Hippie zu nennen und so, meine ich...“

...

Die Hühner blickten ihn aus blutunterlaufenen Augen angriffslustig an, gackerten angsteinflößende Parolen und scharrten aggressiv im Sand nach Würmern. Ab und zu sprang eines aus dem Pulk der Tiere hervor und schnappte mit dem Schnabel nach seinem Hosenbein.
Seit ein paar Minuten befand sich Paul nun schon in dieser verzwickten Situation und sah langsam keinen Ausweg mehr. Die Tiere hatten ihn vor den Toren des Genlabors eingekreist und in eine Ecke gedrängt. Anfangs hatte er versucht, sie zu erschießen, aber es waren einfach zu viele. Tötete er eines von ihnen, kamen vier neue aus ihren Käfigen und schon nach kurzer Zeit hatte Paul sein Magazin leergeschossen.
Die Tiere machten im Moment keine ernsthaften Anstalten, den Eindringling zu fressen - oder was auch sonst sie normalerweise machen - sondern schienen vorher noch eine Weile mit ihrem Opfer spielen zu wollen. Sie führten eine Art rituellen Tanz auf und bewarfen ihn ab und zu mit kleinen Steinchen. Eines von ihnen, wahrscheinlich der Anführer, gackerte irgendwas, woraufhin seine Artgenossen hektisch mit den Flügeln schlugen. Vermutlich teilten sie gerade die Beute unter sich auf. Vielleicht war das gackernde Huhn auch einfach nur das Unterhaltungsprogramm vor dem Essen. Paul wollte sich da nicht festlegen.

„Hey, da ist ja der Arsch!“ Manfreds Stimme hallte über den Hof und brachte die Hühner einen Moment lang vor Schreck zum Schweigen. „Tja, du hättest sicher nicht mehr damit gerechnet, mich wiederzusehen, oder?“ Er hob seine Hand und zeigte Paul die blutende Schußwunde, die der ihm vorhin zugefügt hatte. Günther, sein Begleiter, spuckte demonstrativ auf den Boden, um cool zu wirken. Das erzielte aber eher eine gegenteilige Wirkung, dafür sorgte alleine schon der Gegenwind.
„Was meinst du, Günther, sollen wir ihn kaltmachen oder lieber warten, bis die Hühner das gemacht haben?“
„Ich weiß nicht... aber sie... sie kommen gerade auf uns zu...“, sagte der Angesprochene und deutete auf die Hühner, von denen sich einige tatsächlich in ihre Richtung orientierten. „Scheiße, was machen wir denn jetzt?“
Paul versuchte unterdessen, den anderen Hühnern per Suggestion klarzumachen, daß die beiden Typen die wahren Feinde waren, erzielte damit aber nur einen kleinen Teilerfolg. Eines der Tiere vergaß nämlich für einen Augenblick seine guten Manieren und legte ein Ei.

„Ey, Typ, ich hab den Eingang gefunden, ne... Scheiße, wasn hier los?“, sagte Olaf, der gerade in diesem Moment um die Ecke kam.
„Eines der Killerhühner hat ein Ei gelegt.“, antwortete Paul mit einer lakonischen Coolness, um die sogar ein Bruce Willis ihn beneidet hätte. In Olafs Gesicht trat eine Veränderung ein. Er schien einen kurzen Moment lang nachzudenken, doch dann zuckten seine Mundwinkel unwillkürlich nach oben. Seine Nasenflügel begannen zu beben und wenig später krümmte er sich vor Lachen auf dem Boden.
„Haha... der... der war gut, Typ... ein Ei... ein Ei gelegt...“, japste er. Paul hatte schon immer den leisen Verdacht, daß Studenten allgemein eine sehr seltsame Art von Humor haben, aber das hier übertraf seine kühnsten Erwartungen. Die Hühner indes hielten plötzlich inne und sahen sich ratlos an - ganz so, als wüßten sie nicht, was sie nun tun sollten.
Eines von ihnen gluckte unsicher, legte sich dann auf die Seite und stellte sich tot. Ein anderes rülpste laut und stolperte über einen Stein. Es schien, als hätten sie auf einmal die Kontrolle über ihre Bewegungen verloren. Die Tiere torkelten unsicher über den Platz, fielen übereinander und versuchten vereinzelt sogar zu fliegen.

Ach ja, wenn du auf die Kampfhühner triffst, lach sie einfach aus. Damit rechnen die Viecher bestimmt nicht.

Auf einmal fiel Paul wieder dieser Satz ein, mit dem Kurt ihn heute Mittag verabschiedet hatte. Die Hühner dachten offensichtlich, Olafs Lachanfall würde ihnen gelten und waren verwirrt. Als der Student sich wenig später wieder beruhigt hatte, kam wieder Leben in die Vögel. Sie sahen sich ein wenig verwirrt um und suchten nach dem Eindringling von vorhin. Das Alphatier öffnete die Augen und sah Blut, daß auf die Erde tropfte. Als es den Kopf hob, sah es Manfreds verwundete Hand und identifierze ihn als Eindrinling. Die anderen Hühner gackerten verschwörerisch und wandten sich Manfred und Günther zu.

...

Als Paul an diesem Abend Kurts Kneipe betrat, war der gerade dabei, sich mit einem Wattestäbchen Alkohol auf die Stirn zu schmieren. Blutige Striemen zogen sich quer über das ganze Gesicht.
„Was ist passiert?“
„Muschi... du weißt schon, die Katze....“
„Und das blaue Auge?“
„Helga, meine Frau. Als sie von meinem Experiment Wind bekam, hat sie... hat sie... naja, es ist halt ihre Katze.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Seis drum. Sie kriegt sich schon wieder ein. Hast du deinen Auftrag erledigt?“ Paul überreichte seinem Paten wortlos einen Umschlag. In ihm befanden sich eine goldene Armbanduhr, ein Ehering mit der Gravur Martha und Helmuth Jürgens – 17.04. und ein Schneidezahn.
„Ja, das reicht mir als Beweis.“, sagte Kurt und überreichte seinem Killer einen dicken Umschlag voller Zehn-Euro-Noten. „Wer ist denn der Hippie da?“
„Hey, ich weiß zwar nich, wer du bist, Typ, aber nenn mich ja nich nochmal Hippie, sonst...“, begann Olaf, aber Paul brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Dem Paten sollte man besser nicht drohen, erst recht nicht, wenn er gerade erst eine Handtasche ins Gesicht bekommen hatte „Na gut... is auch egal... Butterkeks?“

 

Kleine Anmerkung:

Dieser Text enthielt eine gewaltverherrlichende Passagen und hätte daher nicht von minderjährigen oder sensiblen Menschen gelesen werden sollen.
Ich weiß, daß es hier eine Menge Tier- und besonders Katzenfreunde gibt. Nehmts mir nicht übel, es ist nur eine Geschichte. In Wirklichkeit habe ich nichts gegen Katzen. Manche Leute behaupten sogar, ich würde diese Tiere mögen.

Dieser Text entstand in den letzten Paar Wochen als kreativer Ausgleich einer fiesen Klausurphase der Uni. Ich widme ihn all den hart arbeitenden Studenten da draußen...

 
Zuletzt bearbeitet:

Gacker, toll geschrieben - ich hoffe, deine Klausuren sind dir genauso gut geglückt. Abgesehen davon, dass es um Bockenem herum für norddeutsche Verhältnisse ziemlich bergig ist und man dort tatsächlich auf freilaufende Hühner achten sollte, habe ich nur ein Problem mit Opa Hansen als "Mitbegründer des Marktplatzes" - versteh ich nicht. Mach ihn doch zum Leiter des Heimatmuseums, dass sind solche Typen immer.
Übrigens - woher kennst du Olaf? Die Figur gefällt mir - aus der kann man was machen.
Ich sollte deine Texte nicht am frühen Morgen lesen, mein Gelächter hat meine Frau geweckt!

Tschüssi

Joh

 

:rotfl:

Moin Gnoebel,

zuerst fand ich den Anfang echt fies, aber Du hast die Sache ja gut gerade gebogen. Außerdem musste ich unfreiwillig lachen bei der Erklärung, warum der Dödel solchen Versuch macht.
Die ganze Geschichte ist derart abgefahren, ich hab mich weggelacht. Die Typen sind echt, die Handlungen skurril und die ihnen eigene Logik umwerfend.
Nochmal :rotfl:

vio

 

Moin,

Danke fürs Lesen und Kommentieren. Toll, daß es euch gefallen hat.

Opa Hansen war ursprünglich mal Mitbegründer Bockenems, aber das war mir dann doch zu übertrieben. Ich wollte damit nur sagen, daß er schon sehr sehr sehr lange in dieser Stadt wohnt. Und den Olaf... na, den kennt doch irgendwie jeder, ne :D

Der Anfang ist in der Tat ein wenig fies (darum auch die Anmerkung unter dem Text), aber der gemeine Kurt hat seinen Denkzettel ja gekriegt.

 

guten morgen gnoebel,

eine flott geschriebene geschichte hast du uns da präsentiert,allerdings aus meiner sicht mit einigen schwächen, die du noch leicht ausbügeln könntest:

wenn ich richtig gezählt habe, kommen auf den vier seiten insgesamt acht oder neun personen- und ortsnamen vor. müssen es wirklich so viele sein? das ist für den leser verwirrend, zudem du "allerweltsnamen" paul, kurt,günther... gewählt hast. ich hatte mühe, alle personen den namen zuzuordnen. ist es z.b. für das verständnis deiner geschichte nötig zu wissen, dass die frau von manfred uschi heisst?

vielleicht könntest du deinen figuren attribute zuordnen, die für diese typisch sind - ähnlich wie du es bei olaf gemacht hast (ey, voll krass...). das würde lesefluss und verständnis sicher steigern.

Kurt war nicht nur ein begeisterter Wissenschaftler, sondern auch der Pate von Bregenbeek, wo er sämtliche kriminellen Geschäfte kontrollierte.
- als nichtkenner der norddeutschen tiefebene hatte ich "Bregenbeek" zuerst als familienname einer person verstanden.... und dazu passte dann der zweite satzteil grammatikalisch nicht! sag doch bitte, dass es sich um den ort bregenbeek handelt, um missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Es ist eine Ehrensache, daß ich dir helfe.
- finde ich unglücklich formuliert. ich würde es kurz machen: "Ehrensache, dass ich dir helfe"

Er war nicht nur der Dorfälteste und Mitbegründer des Marktplatzes,
- hier schliesse ich mich der kritik von Joh an.

Letzteres war ziemlich ungewöhnlich, zumal sich in diesem Moment noch ein ungewaschener Hippie den beiden näherte.
- gibt es eigentlich auch "gewaschene" hippies?

Paul, manfred und günther arbeiten alle für die schlachterei jansen. sie müssen sich also wahrscheinlich kennen. warum erkennt paul die beiden nicht am see?

Einige passagen, bei denen ich mich köstlich amüsiert habe sind:

Der entwickelte dabei die gleiche Elegenaz, wie ein Huhn, das versucht zu fliegen. Der Student war für schnelle Bewegungen einfach nicht geschaffen.

Dann bastelte er sich aus den Wegbeschreibungen – insgesamt vierundzwanzig mal Links, dreizehn mal Rechts, sieben mal Geradeaus und einmal Halts Maul – selbst einen ungefähren Weg durch das Dorf zusammen, fuhr diesen akribisch genau ab und kam am Ende wieder exakt am Startpunkt an.
- grins man sieht, dass du ohne navigations-system fährst!

Vielleicht war das gackernde Huhn auch einfach nur das Unterhaltungsprogramm vor dem Essen.

herzliche grüße
ernst

 

Moin Ernst,

Besten Dank für deinen Kommentar.

In der Tat tauchen recht viele Charaktere im Text auf, aber ich denke nicht, daß es allzu verwirrend ist. Paul ist Hauptcharakter, Manfred und Günther tauchen immer im Zweierverbund auf und Olaf erkennt man eh jederzeit wieder. Die anderen Personen spielen ja eigentlich keine große Rolle im Text. Die "alltägliche" Namensgebung ist ein Stilmittel, um das Lokalkolorit echter zu machen - ebenso wie die Ortsangaben.
Uschi ist tatsächlich vollkommen überflüssig für das Textverständnis (ebenso wie Martha am Ende), aber das habe ich eingebaut, um die Leute lebhafter zu gestalten. "Er überlegte, wie er das damals seiner Freundin erklärt hatte" klingt für mich einfach nicht so gut/"echt", wie die Version mit Uschi.

als nichtkenner der norddeutschen tiefebene hatte ich "Bregenbeek" zuerst als familienname einer person verstanden....
Oh... an dieses Mißverständnis hatte ich ehrlich gesagt gar nicht gedacht. Da werde ich mal für Klarheit sorgen.
Paul, manfred und günther arbeiten alle für die schlachterei jansen. sie müssen sich also wahrscheinlich kennen. warum erkennt paul die beiden nicht am see?
Paul hat mal vor längerer Zeit für die Schlachterei gearbeitet (bis er in die Familie eingetreten ist). Günthers und Manfreds Schmuggeltour ist aber erst ein paar Wochen her.

Deine anderen Anmerkungen werde ich übernehmen (auch das mit dem Marktplatz). Nochmal vielen Dank.

 

Hallo gnoebel.
Da lachen ja die Hühner! :rotfl:
Ach nee, die wundern sich ja nur!

Ich habe mich herrlich amüsiert, besonders weil ich als Leser sofort mit Paul unterwegs war. (Pluspunkt des Schreibstils)

ich :bounce: vor Lachen.
Lieben Gruss
dot

 

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