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Kreislauf

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22.06.2003
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Kreislauf

Das erste was ich mache als ich vom joggen heimkomme, ist mein Handydisplay nach dem kleinen Briefsymbol abzusuchen. Es ist nicht da. Dafuer Datum und Uhrzeit:
14:45 Uhr, 31.März 2004. Ich drehe die Musik leiser. Das Telefon klingelt doch nicht. Als Ersatz nehme ich ihre Briefe und muss akzeptieren, dass immer noch das alte Datum draufsteht.
Da ich keinen Fuehrer habe der mich durch die Erinnerung lotst, laufe ich völlig in Gedanken versunken aufs Klo. Ich wollt aber ins Bad und duschen.
Die saure Milch im Kuehlschrank jagt mich aus der Wohnung. Es ist noch hell um 19.45 Uhr. Der Tagmond schaut auf mich herab, auf dem Weg zum Bahnhof.
Sie kuessen sich noch als der Busmotor losbrummt.
„Pass auf Dich auf“ ruft er dem Mädchen mit der glänzenden Technohose nach, als sie einsteigt. Aus Ohrmuschellautsprechern ihres MP3 Player hämmert elektronische Musik. Die anderen Fahrgäste hören nur die Bassschläge, nicht die Synthesizermelodien. Eine Frau dreht sich mehrmals nach dem Mädchen um, das stumm und starr zum Fenster rauschaut. Der Bus hält an, das Techno-Mädchen steigt aus, schaut sich draussen um und steigt hektisch wieder ein.
Ich irre durch die Stadt, lehne am Geländer der Bruecke und sehe wie die Enten kurzlebige Spuren im Wasser ziehen. Ich spucke ins Wasser und warte darauf, dass die Karpfen meine Spucke fressen. Sie lassen sich nicht verarschen. Meine Spucke löst sich auf.
Das Kind neben mir versucht ueber das Geländer zu schauen. Es schafft es nicht und ich beschreibe ihm wie der Fluss aussieht, welche Farben es gibt und was die Enten tun.
Die Mutter des Kindes steht daneben und lächelt. Sie muessen weiter. Ich schlafe auf einer Parkband und laufe im Morgengrauen los. Zuhause starre ich als erstes mein Handy an, das am Ladekabel wie ein Kommapatient wirkt. Unfähig SMS zu empfangen. Das Display zeigt 8.02 Uhr, 30.März 2004. Ich bilde mir Telefonklingeln ein. Das Datum auf ihren Briefen hat sich nicht verändert.
Erinnerungsschickane treibt mich aufs Klo. Als ein Junge seiner Freundin rät auf sich aufzupassen, habe ich noch den Geschmack von saurer Milch im Mund. Die Busfahrt endet an einem Fluss. Entengegacker. Ich male Wortbilder fuer ein Kind, dass in einigen Jahren ueber das Geländer schauen kann. Kind und Mutter ab. Ich schlafe, wache auf, jogge los und sehe zuhause auf dem Display: 29. März 2004.

 

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