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Laufen
„Abnehmen, Herr Due, Sie müssen dringend abnehmen!“ mahnte mich Dr. Gropius auf dem Weg aus seinem Sprechzimmer. „Mach ich Herr Dr., versprochen. Gleich nächsten Dientag fang´ ich an“ erwiderte ich und kopierte dabei den Gesichtsausdruck von Willi, dem Berner Sennhund, der dem Wirt meines Lieblingsrestaurants gehört.
Die ganze Nacht über hatte ich kaum ein Auge zugetan, so "heiß " war mir im Schlafzimmer. Beim Schäfchen 978234 haben draußen die Vögel so einen Lärm veranstaltet, dass ich wieder von vorn anfangen musste. Na und dann auch die ganze Zeit die Hände brav über der Bettdecke gehalten, wie Mama das immer verlangt hat, früher.
So gegen 8:30 Uhr bin ich dann endlich weggenickt; gegen 9:00 Uhr schlug der Wecker zu, mit der Unbarmherzigkeit eines Al Quaida-Kämpfers.
Na was man versprochen hat, muss man auch halten, also in die Gummibotten, das Laibchen übergeworfen, zwei Treppen runter zum Auto geschlafwandelt beim Einsteigen festgestellt, dass ich gar keine kurze, rote Jogginghose mit Eingriff habe. Also wieder hochgetapert, das enge schwarze („macht voll den Knackarsch“ war das Verkaufsargument des jungen Mannes von Karstadt) Polyurethanhöschen angezogen; noch eine Multimineral-Multivitamin-Sprudeltablette in viel zu wenig Wasser aufgelöst, heruntergestürzt; in den alten Toyota (war mal vor 12 Jahren ein Neuwagen) und zum Naherholungsressort „Kiessee“ gepöttert.
Dort erstmal eine viertel Stunde nach einem Parkscheinautomaten gefahndet, bis die Erleuchtung kam, dass das noch einer der wenigen Orte in dieser verpopelten Provinzstadt ist, wo man für's Parken gar nichts bezahlen muss.
Es konnte endlich losgehen. Zwei Runden waren geplant. Das sind so circa sieben Kilometer für Amateure, für Profis höchstens drei.
Kaum hatte ich die ersten 105 Meter zurückgelegt, wurde an mein Kleinhirn unmissverständlich aus der Magengegend ein Emergency-Red-Alert gesendet. Jesus, auf nüchternen Magen kommt eine Multimineral-Multivitamin-Sprudeltablette, in viel zu wenig Wasser aufgelöst, genauso gut wie lauwarmes Red Bull ohne Kohlensäure. Klar, das verleiht Flügel, und zwar dem Abendessen vom Vortage (Ich liebe Eisbein!). Aber halb so schlimm, waren ja nicht meine Blumen in der Rabatte, die da dem plötzlichen Säuretod erlegen sind.
Nach einem weiteren Kilometer wurde es dann langweilig. Glücklicherweise hat es um den „Kiessee“ eine recht lebendige Fauna. Ich suchte mir also so ein Tier, um mit ihm um die Wette zu laufen. Doch der Schöpfer hatte diesen Morgen erschaffen um, mir winzigem Erdling den Begriff Frustration zu erklären. Schon nach wenigen Metern hatte das Windspiel (oder wie heißt das glitschige, kleine Tier mit dem Haus auf dem Rücken?) einen uneinholbaren Vorsprung.
So schleppte ich mich dann dahin und hinfort und sofort ……. bis ich endlich an die Eisbude gelangte. Hier aber "Doppelfrust" weil: erstens noch zu (die Eisbude) und zweitens keine Tasche fürs Kleingeld, im knappen schwarzen Höschen.
Zwischenzeitlich war auch der gehstockbewehrte Rentner, der zeitgleich mit mir gestartet war, an mir vorbei. Aber ich weiß mir ja zu helfen, in solch aussichtlosen Situationen und habe erstmal von einem der zahlreichen Angler, die schon frühstmorgens das Seeufer bevölkern, ne Eckstein ohne Filter und ne Dose Hansapils geschnorrt. Nach dem fünften großzügigen Angler (ich weiß gar nicht warum ich so Mitleid erregend ausgesehen habe?) war zwar der sportliche Ehrgeiz dahin, aber meine Laune war bombastisch.
Irgendwann im Laufe des Vormittags, -ich hatte, spontan wie ich sonst gar nicht bin, noch die Einladung zu einer Weinprobe angenommen, von den netten, gelbbärtigen Männern auf der Parkbank- war ich dann fröhlich singend wieder in meinem Auto, nachdem ich vergeblich versucht hatte mit meinem Schlüssel drei andere Autos aufzuschließen.
Dem Weg zu meiner Arbeitsstätte stand nichts mehr im Wege, wenn ich von der unfreundlichen Frau auf dem Fahrrad, der Gruppe hässlicher Kindergartenkinder und dem Einbahnstraßenschild mal absehe. Doch das kratzt keinen großen Geist, der neben einer Vollkasko ohne Selbstbeteiligung auch noch im Besitz einer Advocard ist.
Ich hatte soviel gute Laune gefasst, beim Frühsport, dass das Glücksgefühl auch noch den Rest meiner Zeit in der Firma anhielt. Die Kollegen aus Werkhalle 2 wussten bis Dato gar nicht, dass der kleine Dicke aus der Buchhaltung dermaßen viele Herrenwitze kennt, um einen halben Tag lang die Produktion von Industriegütern durch seinen Humor zu ersetzen. Und der kleine Dicke aus der Buchhaltung wusste bis Dato nicht, dass Susi Müller, die Sekretärin vom Boss einen schwarzen Spitzen-BH besitzt und spitze Schreie auszustoßen vermag, wenn man mit dem Gummiband ihres Stringtangas „Flitschen“ spielt.
Meinem Chef -ich duze ihn jetzt!- will noch mehr davon hören. Gleich morgen früh um acht, darf ich allein zu ihm ins Büro und das zum ersten Mal nach 17 Jahren in dem Laden hier.
Ich hab's jetzt erkannt. Sport ist gesund, verbessert das Betriebsklima und fördert die Karriere.