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Meine Begegnung mit Osama bin Laden

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12.02.2004
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Meine Begegnung mit Osama bin Laden

Wo ist Osama bin Laden? Die ganze Welt stellte nach dem 11. September 2001 diese Frage, doch der Gesuchte bleibt verschwunden. Nur manchmal taucht ein Videoband auf, in dem er (dicklippig, langbärtig, mit Turban und sanfter Stimme) die Rückbesinnung auf den wahren Islam und die Ausrottung des Weißen Mannes propagiert...

Es geschah vor etwa einem Monat, dass eine Äußerung meines Freundes Bernhard mich auf eine heiße Spur brachte; nur hielt ich es zu diesem Zeitpunkt noch für unmöglich, dass der Führer von Al Qaida seine Zelte praktisch um die Ecke aufschlagen könnte. Warum sollte ein Verwandter des saudischen Königshauses, der über beträchtliche finanzielle Mittel verfügt, und als gefährlichster Mann der Welt gilt, sich ausgerechnet in Innsbruck niederlassen? Andererseits: Was spricht dagegen?

Wir saßen also bei einem gepflegten Bier in der Altstadt, als mein Freund und ehemaliger Mitbewohner wieder einmal auf seine WG-Erfahrungen zu sprechen kam. Sonst muss ich bei dieser Gelegenheit immer herzlich lachen, nur dieses Mal blieb mir das Lachen im Halse stecken, und ich starrte ihn mit offenem Mund an, als ich ihn sagen hörte: „Ich hatte fünfunddreißig Interessenten für das große Zimmer, aber ich glaube, mit dem Osama habe ich mich für den Richtigen entschieden.“
Ich fragte, wer denn dieser Osama sei, und was er von ihm wisse. Nichts genaueres, sagte er, aber der Mann hatte ohne mit der Wimper zu zucken die Kaution bezahlt, und sich mit dem Putzplan und den Regeln für die Mülltrennung einverstanden erklärt.
„So einer kann kein schlechter Mensch sein,“ sagte Bernhard, und nahm noch einen Schluck Bier. Nur in seiner äußeren Erscheinung und in seinem Umgang sei der Mann etwas eigen, „aber seine kleinen Eigenheiten hat ja jeder.“

Die Sache ließ mir keine Ruhe! Sie nagte eine schlaflose Nacht lang an mir, und schon am nächsten Morgen griff ich zum Telefonhörer und wählte Bernhards Nummer. Die Person am anderen Ende der Leitung hatte ich schon gehört, freilich nicht am Telefon...

„Kann ich mit dem Bernhard sprechen?“ Die hohe Stimme murmelte Unverständliches. Dann erklärte sie: „This is Osama speaking.“
Ich bat also auf Englisch, mir doch bitte den Bernhard ans Telefon zu holen. Ich hörte, wie schlurfende Schritte sich entfernten, und nach einer Weile sagte eine vertraute Stimme: „Ja?“ – „Fritz hier. Kann ich auf einen Kaffee zu euch hinüber kommen?“
„Sicher. Was ist denn los? Du klingst so komisch...“

Eine Viertelstunde später klingelte ich an der vertrauten Wohnungstür. Sie öffnete sich, und vor mir stand, unverkennbar, Osama bin Laden mit einem Brotmesser in der rechten Hand. Offenbar war er eben im Begriff gewesen, sich ein Butterbrot zu streichen. Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich sagen sollte, denn meine Erziehung hat mich nicht auf den gesellschaftlichen Verkehr mit Massenmördern vorbereitet. Ich warf ihm einen verstohlenen Blick zu, nur um ganz sicher zu sein. In meinem Gehirn arbeitete es: Dünne, orientalische Erscheinung + langer Bart + Turban + langes weißes Nachthemd + einnehmendes Lächeln = Osama bin Laden. Die Gleichung stimmte!

Wenig später saßen wir schon um Wohnzimmertisch und schlürften starken Kaffee. Außer Bernhard und mir waren auch zwei schwerbewaffnete Leibwächter, Osama bin Laden selbst und einige Weiber und Kinder anwesend. Ich verhielt mich in dieser Gesellschaft etwas zaghaft und verstört. Bernhard versuchte, die Situation aufzulockern, indem er sagte: „Der Fritz kennt sich gut mit Raumfahrt aus, und er hat Geschichte studiert. Stimmt doch, oder?“ Ich nickte benommen.
Wie sich herausstellte, interessierte sich Osama mehr für Flugzeuge, aber auf diese Weise fanden wir doch einige Anknüpfungspunkte für eine nette Unterhaltung.

Eine Stunde später stand ich endlich wieder draußen auf der Straße. Ich fragte mich, wie es das geben konnte, dass mein Freund auf engstem Raum mit Terroristen zusammenlebte, und nicht den geringsten Verdacht schöpfte. Seine zehn Jahre WG-Erfahrung waren offensichtlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er hatte vermutlich schon schlimmere Mitbewohner erlebt. Außerdem muss man zu seiner Ehrenrettung sagen, dass er sich nicht sonderlich für Politik interessiert.
Ich aber überlegte in großer Unruhe, was in so einer Lage zu tun war. Einerseits kannte ich den Aufenthaltsort eines Mannes, der für den Tod Tausender Menschen verantwortlich war. Wenn ich mithalf, ihn zu stellen, brachte das sicher eine riesige Belohnung ein. Andererseits wollte ich die Privatsphäre meines Freundes nicht verletzen.

Eine Woche später rief er mich an, und fragte, ob ich dem Osama meine Videokamera leihen könne. Nur widerstrebend stimmte ich zu, denn ich hatte meine Zweifel, dass ein Mensch, der im Stande ist, das World Trade Center in Schutt und Asche zu legen, pfleglich mit meinem Eigentum umgehen würde, aber ich wollte auch nicht, dass mein Verhalten meinen Freund Verdacht schöpfen ließ und ihn auf diese Weise in Schwierigkeiten brachte.

Am Ende siegte der gute Staatsbürger in mir: Ich verständigte die Polizei, wo man mir anfangs nicht glaubte. An einem Freitagmorgen kam es dann aber doch noch soweit, dass fünfzig Beamte der Spezialeinheit COBRA die Wohnung stürmten. Ich war mitgekommen, um zuzusehen. So etwas erlebt man nicht alle Tage. Auch ein Dutzend Journalisten war anwesend, um den großen Augenblick exklusiv festzuhalten.
Sie traten die Tür ein und schossen Tränengas durch die Fenster. Sie schlugen alle Möbel kurz und klein. Sie machten einen Heidenlärm. Nach zwei Minuten war alles vorbei. Zum Vorschein brachten sie nur Bernhard selbst, der leicht zu überwältigen war, zumal unter dem Einfluss von Tränengas und Pfefferspray. Von Osama bin Laden aber fehlte jede Spur.

Es stellte sich heraus, dass er den Putzplan nicht einhielt, worauf mein Freund, der in diesen Dingen keinen Spaß versteht, ihn aus der Wohnung warf.
Die ganze Geschichte würde sich im nachhinein gut für launige Gespräche bei einem gepflegten Bier eignen, doch seit er weiß, dass ich ihn angezeigt habe, redet mein Freund Bernhard kein Wort mehr mit mir.

 

Hi!
Die Idee ist interessant, ohne Zweifel.... aber die Geschichte deprimiert ein wenig, weil der Ausgang ziemlich frustrierend ist. Für eine Satire gut konzipiert, aber ist das Fehlen eines ironisch-witzigen Tons Absicht? Tragikomisch passt besser. Ein bisschen wie eine Berichterstattung jedenfalls. Sonderbar. Ich glaube, ich mag es :-).
Liebe Grüße,
elanor_magdalena

 

Hey ho,

die Geschichte ist nicht wirklich traurig, weil sie nicht wirklich passiert ist. :)
Obwohl es sich natürlich so zugetragen haben KÖNNTE.

 
Zuletzt bearbeitet:

Klasse! wie aus dem Leben gegriffen. ich bin noch beim Herumkugeln.

besonders schön:
"Wie sich herausstellte, interessierte sich Osama mehr für Flugzeuge, aber auf diese Weise fanden wir doch einige Anknüpfungspunkte für eine nette Unterhaltung."

"Er hatte vermutlich schon schlimmere Mitbewohner erlebt. "

"Nur widerstrebend stimmte ich zu, denn ich hatte meine Zweifel, dass ein Mensch, der im Stande ist, das World Trade Center in Schutt und Asche zu legen, pfleglich mit meinem Eigentum umgehen würde ..."

"Einerseits kannte ich den Aufenthaltsort eines Mannes, der für den Tod Tausender Menschen verantwortlich war. Wenn ich mithalf, ihn zu stellen, brachte das sicher eine riesige Belohnung ein. Andererseits wollte ich die Privatsphäre meines Freundes nicht verletzen."

"Es stellte sich heraus, dass er den Putzplan nicht einhielt, worauf mein Freund, der in diesen Dingen keinen Spaß versteht, ihn aus der Wohnung warf."

Moral: auch Monster können am Putzplan scheitern?

 

Wirklich nicht übel. Durchgehend gute, witzige Ideen!

 

Hi guter Fritz,

schließe mich meinen Vorrednern bis auf e_m an -der Ton ist schon durch die Wortwahl ironisch, nur eben nicht überspitzt. :)
favourite quote:

Warum sollte ein Verwandter des saudischen Königshauses, der über beträchtliche finanzielle Mittel verfügt, und als gefährlichster Mann der Welt gilt, sich ausgerechnet in Innsbruck niederlassen? Andererseits: Was spricht dagegen?
Ja, was? Nichts, das ist ja das tolle!!

Also liebe WG-Bewohner, paßt auf, wen ihr euch ins Haus holt! :rotfl:

greetz, Oile

 

Hallo DerGuteFritz

Eine wirkich witzige Idee, leicht - locker erzählt,
habe mich köstlich amüsiert!

Gruss
chriko

 

Hallo!

In meinem Gehirn arbeitete es: Dünne, orientalische Erscheinung + langer Bart + Turban + langes weißes Nachthemd + einnehmendes Lächeln = Osama bin Laden. Die Gleichung stimmte!
:rotfl:
Tolle Idee und auch gute Umsetzung! Hat mir wirklich wunderbar gefallen!

LG, sabberbacke

 

Schön, dass es Euch gefallen hat!
Manchmal kommen einem eben solche Ideen... Auch einer wie Osama bin Laden muss schließlich irgendwo wohnen, nicht wahr?

lg Fritz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Fritz!

Schöne Geschichte, aber sie kann nicht stimmen, denn Osama bin Laden wurde am 24.12.2001, also am Hl. Abend, mitsamt ein paar 100 Getreuen von den Amis auf Tora-Bora mit einer Daisy-Cutter atomisiert. Osama ist mir am Hl. Abend im Traum erschienen und hat mir seine ganze verdammte Geschichte erzählt. Ich wollte es Anfangs ja auch nicht glauben, habe dann aber ein bisschen recherchiert und siehe da, die ganze verdammte Geschichte stimmte. Die Amis haben tatsächlich am heiligsten Tag der gesamten Christenheit den heiligsten Ort in Afghanistan, die jahrhundertealte Trutzburg gegen das Böse, Tora-Bora, dem Erdboden gleich gemacht. Grund für das Datum: sie wussten, dass sich Bin Laden dort mit ein paar 100 Taliban aufhielt und die Generäle wollten ihren Jungs über die Feiertage eine Atempause gönnen. Geil, was? Die Amis wissen genau, dass er nicht mehr lebt, aber man will nicht, dass es die Welt erfährt, sonst wird er ja zum Super-Märtyrer, was unserer Welt bestimmt nicht gut tun würde.
Aber wenn stimmt, was er mir auch erzählt hat, dass es nämlich ein Video von seiner Aufbahrung gibt (er war schon am Tag zuvor an seinem schweren Leiden gestorben), das bald veröffentlicht werden wird, na dann bleiben uns die Folgen sowieso nicht erspart. Mit dem Spiel "GI´li such Laden, such!" wird nur um ein wenig Aufschub gesucht.

Hehe, Nichts für Ungut, hehe, war (k)ein Spaß. Hahaha. Tolle Geschichte.

lg
buji

 

Hey Buji,

das ist ein guter Einwand, aber eine Nachricht wie Osamas Tod ließe sich kaum geheimhalten. Ist nicht eine Tonbandaufnahme aus der Zeit des Irakkriegs aufgetaucht, auf der zweifelsfrei seine Stimme zu hören war? Und selbst wenn es so wäre: Umso mehr wäre es von historischem Interesse, dass ich ihn noch zu Lebzeiten gekannt habe. *schluchz*

Du schreibst

"Osama ist mir am Hl. Abend im Traum erschienen"

Über solche Dinge macht man keine Witze. :)

lg Fritz

 

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